Zur Ausstellung
Theo Schafgans (1892 – 1976) und sein Sohn Hans Schafgans (* 1927) gehören einer Familie von Fotografen an, die bis auf die Anfänge der Fotografie zurückgeht. 1854 in Bonn gegründet, zählt das Lichtbildatelier Schafgans heute zu den ältesten in Europa. Die Menschenbildnisse, die seitdem entstanden, spiegeln Epochen, Umbrüche und den Weg der deutschen Porträtfotografie in ihren verschiedenen Aspekten wider.
1854, 15 Jahre nach Erfindung der Fotografie, gab es kaum ein gängiges fotografisches Verfahren, das nicht im Atelier Schafgans ausgeführt wurde. Von kolorierten Salzdrucken, die nach Talbotypien gefertigt wurden, bis zum Schwarz-Weiß-Großabzug erstrecken sich die Zeugnisse aus dem Zeitalter der analogen Fotografie. Darunter finden sich manche Besonderheiten wie etwa die Drei-Farben-Handdrucke, die Theo Schafgans in den zwanziger Jahren nach dem Jos-Pe-Verfahren herstellte.
Das seit nunmehr 60 Jahren bestehende Nachkriegsarchiv enthält die gesamte Arbeit von Theo und Hans Schafgans seit 1945 in Form von nahezu einer Million Negativen.
Die Ausstellung zeigt das Werk von Theo Schafgans, das aus dem Geist der kunstfotografischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorgeht und sich über die moderne Bildnisfotografie der zwanziger und dreißiger Jahre bis zum Staatsporträt der jungen Bundesrepublik erstreckt. In München erlebt er die Fotografie als gleichwertige Ausdrucksform neben der Malerei. Auf der „Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt“ begegnet er Frank Eugene Smith, einem der Hauptvertreter der kunstfotografischen Bewegung, der ihn lehrt, die spezifische fotografische Realität zu begreifen. Seine Leidenschaften gelten dem Porträt, aber die umfassenden Kriterien seiner Ausbildung lassen ihn auf vielen Gebieten tätig werden. Landschaften, dokumentarische Sequenzen und komplexe Verfahren der Nachbearbeitung lassen noch in späteren Jahren und Jahrzehnten den großen Impuls erkennen. Schon früh porträtiert Theo Schafgans Künstler und Prominente, darunter zahlreiche Musiker wie den Komponisten Max Reger, dessen Bild von 1913 internationale Beachtung findet.
Die Bildnisse aus der Zwischenkriegszeit zeigen Theo Schafgans auf der Höhe des verinnerlichten „seelischen“ Porträts. Expressive Charakterstudien lassen die Dargestellten als Trägerinnen und Träger einer düsteren Melancholie erscheinen, andere beschreiben den untergründigen Typus des modernen Stadtmenschen. Zeugt der fotografische Ertrag der Paris-Reise vom Herbst 1926 noch von einem Leben im Frieden, ist das Atelier nach 1933 nicht mehr der Ort, an dem sich so unbeschwert wie zuvor arbeiten läßt. Die neuen Machthaber bedrängen Theo Schafgans, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen und drohen, das Atelier zu schließen. Schafgans läßt sich von seiner Frau nicht scheiden, und er vermag es mit Geschick, das Atelier zu halten. Parteimitgliedern ist es verboten, sich von Theo Schafgans ablichten zu lassen, nur wenige setzen sich darüber hinweg. Durch Aberkennung von Ämtern und Berufsrechten immer stärker eingeschränkt, zieht sich Theo Schafgans nach und nach aus dem gesellschaftlichen Leben zurück.. Trotz seiner Lage kann Theo Schafgans anderen Verfolgten helfen und stellt in seinem Labor gefälschte Pässe her. Im August 1944 wird er verhaftet.
Hilde und Hans Schafgans tauchen unter, Theo Schafgans gelingt die Flucht aus dem Arbeitslager. Noch einmal kommt die Familie zusammen, um sich mit gefälschten Papieren auszustatten. Das Leben in der Illegalität beginnt. Nach einer abenteuerlichen Odyssee, die ihn bis nach Berlin führt und bei der ihn mutige Freunde unterstützen, trifft auch er in dem kleinen Schwarzwaldort ein, in den sich seine Eltern flüchten konnten. In einer Pension erwartet die Familie unter dem Namen „Wiese“ das Ende des Dritten Reichs.
Im Juni 1945 kehrt man nach Bonn zurück. Das alte Ateliergebäude liegt in Schutt und Asche. Ein provisorisches Domizil wird bezogen. Am 2. Oktober 1945 nimmt Theo Schafgans dort sein erstes Porträt nach dem Krieg auf.
Die Wahl Bonns zum Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland stellt Theo Schafgans vor neue Aufgaben. Den Anfang macht 1950 das offizielle Porträt von Theodor Heuss, das das öffentliche Bild des ersten deutschen Bundespräsidenten weithin prägt.
Der Architekturfotograf Hans Schafgans fotografiert seit den späten vierziger Jahren für Behörden und Architekten eine Vielzahl öffentlicher Gebäude und Wohnungsbauten.
Die Architekturfotografie ist für ihn, der sich auch als Lyriker, Essayist und später als Romanautor betätigt, ein erzählerischer Vorgang. Vorausschauend schildert er die dauerhafte Prägung des Stadtbilds, die von den Planungen der fünfziger und sechziger Jahre ausgeht.
1967 übernimmt Hans Schafgans die Leitung des Ateliers. Anfang der siebziger Jahre setzt seine intensive Auseinandersetzung mit der Porträtfotografie ein. Hans Schafgans bezieht sich auf die Tradition des Künstler- und Politikerbildnisses, verfolgt jedoch seinen eigenen sachlichen Stil der „gleichen Augenhöhe“, in dessen Mittelpunkt zwar wie bei seinem Vater der seelische Ausdruck des Menschen steht, jedoch unverfänglicher und direkter aus der Konfrontation mit dem Fotografen erwächst und die psychologische Komponente des Dargestellten stärker betont als seine ästhetische Inszenierung.
Hans Schafgans knüpft seit den siebziger Jahren an die Kontinuität der Porträtfotografie an. „Ich verzichte auf jede Form von Inszenierung. Ich bevorzuge das Gespräch und die Beobachtung, wann hinter der Schutzmaske des „Fotografier-Gesichtes“ die seelische Authentizität auftaucht. Ich mache Porträts von innen nach außen. Das Gesicht des Menschen muß ich öffnen.“
Seine Bilder behandeln die gesellschaftliche Entwicklung Westdeutschlands in Gestalt ihrer Repräsentanten und vieler Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Wissenschaft, Kunst und Theater.
Vater wie Sohn haben sich auch als Außenfotografen betätigt. Ihre Landschafts- und Architekturaufnahmen zeigen Motive aus der Vor- und Nachkriegszeit und verknüpfen sich mit den Porträts zum vielschichtigen Arbeitsfeld zweier Fotografen in Deutschland.
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