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Deutsche Dollars für Tsingtau
von Michael Kunzel

In China trafen die Europäer auf ein zwar funktionierendes, jedoch sehr unübersichtliches und schwerfälliges Währungssystem.1 Es bestand ein Dezimalsystem, dessen kleinster Wert von den Europäern »Käsch« (chinesisch Li) und der größte Wert »Tael« (Liang) genannt wurde. Zehn Käsch (Li) waren ein Candareen (Fen), zehn Candareen eine Mace (Chien) und zehn Mace ein Tael (Liang). Die einzige chinesische Münze blieb bis 1889 der gegossene Bronzekäsch, für dessen Legierung strenge, aber selten eingehaltene Vorschriften bestanden. Die Käschmünzen waren gelocht und wurden zu 100, 500 oder 1000 auf Schnüre gezogen. Schnüre von 1000 Käsch nannte man »Tiao«. Der Tael repräsentierte eine Normsilbermenge, die jedoch regional stark schwankte. In den Vertragshäfen galt der Seezoll- oder Haikuan-Tael von 38,246 g 980/1000 feinem Silber. Für größere Zahlungen bedienten sich die Chinesen schuhförmiger gegossener Silberbarren im Gewicht von 1/2 bis 50 Tael, sogenannter Sycee (si soi), deren Feinheit der Gießer mit seinem Stempel garantierte. Chinesen gingen gewöhnlich mit einer kleinen Taschenschnellwaage (Liteng) zum Markt, um alles genau nachzuwiegen, und der Reisende benötigte die Waage, um die Silberstücke zur Bezahlung seiner Reisekosten abzuwiegen oder um sich zu vergewissern, beim Einkauf des Opiums nicht übervorteilt zu werden. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts liefen Banknoten von 100 Käsch bis 50 Tael um, die den aufwendigen Transport größerer Käschmengen minimieren sollten. An Silbermünzen kursierten die von den Europäern eingeführten und im chinesischen Geldumlauf recht schnell akzeptierten Maria-Theresien-Taler, US-amerikanische Liberty-Dollars, spanische Karolus-Pesos und vor allem der monopolisierte mexikanische Silberdollar. Immer wieder wurden die Silbermünzen im Handelsverkehr geprüft und von den chinesischen Bankiers mit Präge- oder Tuschestempeln, sogenannten Chopmarks, versehen, bis hin zur Unkenntlichkeit des Gepräges. Zwischen Käsch, Tael und Dollar bestanden keine festen Wechselkurse. Von den täglichen Wertschwankungen profitierten zahlreiche chinesische Wechselbanken. Je nach Region galten Kurse von 1000 bis 2000 Käsch pro Tael und 850 bis 1500 Käsch pro Dollar.
Den Chinesen war es immer ein Dorn im Auge, daß ihr Nationalreichtum ins Ausland floß, nicht zuletzt auch durch eine Überbewertung des fremden Silbergeldes. Der unkontrollierten Zahlungsmitteleinfuhr standen innerstaatliche Reformtendenzen gegenüber. Um das fremde Geld zu verdrängen, sollte ein eigenes Münzsystem errichtet werden. Bereits um 1850 gab es erste Versuche privater Unternehmer, mit Genehmigung des Gouverneurs der Provinz Chekiang (südwestlich von Shanghai), Geld nach ausländischem Muster zu prägen. Es setzte sich im Kurs ebensowenig durch wie die chinesischen Nachprägungen ausländischer Silbermünzen.2 Die deutschen Gesandtschaften und Konsulate in Peking und Kanton beobachteten die monetären Entwicklungen genau und erstatteten permanent Bericht nach Berlin. Im Februar und März 1887 wandte sich die chinesische Zentralregierung an die deutsche Gesandtschaft mit der Bitte um Auskunft, welchen Gewinn Deutschland aus der Prägung von Kupfer- und Silbermünzen zöge, was Münzmaschinen zur Käschprägung kosteten und welche Tageskapazität sie hätten.3 Diese Fragen mußte der Berliner Münzdirektor Karl Conrad (1828-1906) im Auftrag des Reichsfinanzministers beantworten, natürlich streng vertraulich. Er berichtete am 29. Juni 1887 sehr detailliert, daß bei der deutschen Silbermünzenprägung Gewinne von 32,44 Prozent bis 34,19 Prozent je nach Sorte und bei Kupfermünzen 34 bis 55 Prozent erzielt würden, daß Prägemaschinen der Firma Loewe & Co für Käschmünzen 6000 bis 7750 Mark kosten und eine Tageskapazität von 42000 bis 48000 Stück hätten, bei Münzen mit eckigen Löchern, wie in China gebräuchlich, eher weniger. Im Februar 1887 hatte die Kaiserinwitwe Cixi Li Hung Chang den Befehl erteilt, in Tientsin eine Münzstätte einzurichten und Normalkäsch zu prägen.4 Der Unternehmer orderte eine britische Prägemaschine und ließ in Tientsin Gebäude und Anlagen errichten. Im September 1887 gelangte durch Konsul Bueller aus Kanton ein Bericht an den Reichskanzler Fürst Bismarck, der aufhorchen ließ.5 Chiang Chih Tung, General-Gouverneur der Provinzen Kwangtung und Kwangsi, ließ in Kanton Vorbereitungen zum Bau einer riesenhaften Münzstätte treffen, die, mit englischem Fachpersonal und 90 Prägemaschinen der Firma Ralph Heaton & Co. aus Birmingham ausgerüstet, größer als jede bestehende Münze wäre und eine Prägekapazität von täglich 100000 Dollar und 2600000 Käsch haben sollte. Der General-Gouverneur pries sein Münzunternehmen als nationale Tat zum Vorteil des Landes, bei Erfolg könnten seiner Ansicht nach in anderen Städten Chinas ebenfalls Münzstätten errichtet werden und das Land mit nationalen Münzen versorgen. Das Projekt wurde nicht nur von deutscher Seite mit Skepsis betrachtet, die Zeitungen bezeichneten es als »Todtgeburt«. Obwohl die Kantoner Münze ihre geplante Kapazität nicht erreichte, kam es in den nächsten Jah- ren zur Einrichtung weiterer Provinzialmünzstätten. Um 1890 erschienen in China zahlreiche Preisschriften zum Thema »Einführung einer Reichs-Silbermünze«, die den deutschen Gesandten in Peking, von Brandt, erheblich beunruhigten, denn sie gingen sämtlich von dem Prinzip aus, »… daß aller Handelsverkehr mit den Fremden nur die Ausbeutung und Verarmung Chinas zur Folge habe …«.6 Noch bedenklicher fand es von Brandt, daß diese Theorien chinesisches Allgemeingut waren, »… von unbedeutenden Literaten an, bis zu den höchsten Würdenträgern des Reichs hinauf …«. Eine chinesische Münzreform hielt er trotzdem für ausgeschlossen, einerseits wegen »… Unzuverlässigkeit und Unredlichkeit fast aller chinesischen Beamten …« und andererseits wegen des Interesses, das chinesische Banken und Behörden am Erhalt des gegenwärtigen Zustandes hätten.7
Als deutsche Truppen am 14. November 1897 die Kiautschou-Bucht besetzten und 1898 ein auf 99 Jahre befristetes Pachtgebiet errichteten, begannen recht bald Versuche, die dortigen Währungsverhältnisse zu regeln.8 In Berlin waren chinesische Währungsfragen durch die zahlreichen Berichte aus Peking und Kanton gut bekannt. Münzdirektor Conrad von der königlich-preußischen Münzdirektion konnte sogar als Fachmann gelten, da er bereits zehn Jahre zuvor, um 1887, offenbar im streng geheimen Auftrag des Finanzministeriums, einen Entwurf für ein kaiserlich-chinesisches Münzgesetz zuwegebrachte, das zahlreiche Stückelungen von Kupfer-, Nickel- und Silbermünzen von einem Li bis zu einem Reichs-Tael vorsah. Im Bereich der Goldmünzen, von denen 10- und 20-Mark-Stücke geprägt werden sollten, die Mark zu zwei Chien beziehungsweise 100 Pfennig, wird das deutsche Modell nicht mehr verleugnet.9 Erste kommissarische Beratungen hinsichtlich der Ausgabe von Scheidemünzen für den örtlichen Kleinverkehr im neuen Schutzgebiet fanden im Oktober 1899 zwischen den Staatssekretären des Reichsmarineamtes, des Reichsschatzamtes, des Auswärtigen Amtes und dem Reichsbankpräsidium statt.10 Ein Jahr später bekam die Berliner Münzdirektion den Auftrag, chinesische Silbermünzen der Provinzen Kwangtung und Hupeh auf ihren Feingehalt mit dem Ziel zu untersuchen, die Legierung der in Kiautschou einzuführenden deutschen Scheidemünzen festzulegen. Erwartungsgemäß fiel das Prüfungsergebnis recht ungleichmäßig aus.11 Aufgrund des Prüfberichts und der Vorschläge des Gouverneurs von Kiautschou sollte die Münzdirektion nun ein Gutachten erstellen, um den Gewinn bei der Prägung deutscher Dollar und seiner Teilstücke festzustellen. Für den deutschen Dollar, im Kurswert von 1,9521 Mark, war das mexikanische Vorbild verbindlich und die Teilstücke der Stückelung chinesischer Dollar vorgeschrieben. Aus Rücksicht auf die chinesischen Verhältnisse sollte eine Nickellegierung für 10- und 5-Cent-Stücke, die vom fiskalischen Standpunkt aus sehr zu empfehlen war, unterbleiben. Dagegen konnten kleinere Werte zu 1, 1/2- und 1/4 Cent aus Kupfer mit der in China üblichen Zentrallochung hergestellt werden.12 Münzdirektor Conrad ging bedächtig zu Werke und mußte vom Finanzministerium gemahnt werden. Nach drei Monaten, am 20. März 1901, lag das Gutachten vor. Gestaltungsskizzen wurden ebenso vorgelegt wie die Berechnung der Herstellungskosten, der Münzparameter, als wichtigstes Argument pro oder kontra, die Gewinn- und Verlustrechnung. Die Prägung deutscher Dollar erbrachte nach dem Gutachten mehr als zwei Prozent Verlust, während die silbernen Teilstücke geringen Profit, zwischen 0,31 Prozent und 4,02 Prozent, versprachen, die Kupfermünzenprägung hingegen wieder verlustreich wäre, egal ob rund oder viereckig gelocht. Hinzu kämen noch Medailleurkosten für Urmatrizen und Patrizen von jeweils 550 Mark für die Silber- und 500 Mark für Kupfermünzen, insgesamt 3700 Mark. Die Revision der chinesischen Schriftzeichen durch das Orientalische Seminar würde zusätzlich ein paar hundert Mark kosten.13 Aufgrund des negativen Gutachtens und der zu erwartenden finanziellen Verluste zog sich das Reichsmarineamt aus dem Münzprojekt zurück. Damit war das Problem aber noch nicht vom Tisch. Die am 12. Februar 1889 gegründete Deutsch-Asiatische Bank, ein Gemeinschaftsunternehmen von sieben deutschen Groß- und sechs Privatbanken, nahm sich der Münzfrage an und beabsichtigte, Scheidemünzen für Kiautschou auf eigene Gefahr und Kosten herstellen zu lassen. Im November 1902 wandte sich der Bankvorstand an die Berliner Münzdirektion, reichte sowohl den Entwurf einer »Verordnung betreffend die Ausprägung von Teilmünzen der Silber-Dollar-Währung für das Kiautschou-Gebiet« als auch Münzentwürfe ein.14 Münzdirektor Conrad gab seine Stellungnahme zum Projekt wiederum erst nach einer Mahnung ab. Einwände hatte er kaum, da von seiten der Bank die verlustträchtigen ganzen Dollar und die Kupfermünzen von vornherein ausgeklammert blieben. Conrad benannte Prägekosten von 1,50 bis 2,80 Mark je kg 50-Cent- bis 5-Cent-Münzen, akzeptierte den Feingehalt von 800/1000, forderte den üblichen Preis für die Urmatrizen, die Patrizen, für die Revision der chinesischen Schrift 250 Mark, sagte Sonderverpackung gegen Kostenerstattung zu und beschrieb das Genehmigungsverfahren, wonach die Bank mit dem Ausmünzungsantrag eine Vollmacht des Reichskanzlers, des Reichsschatzamtes oder Kolonialamtes beibringen und die Ratifikation der Gebührensätze durch den Finanzminister abwarten müsse.15 Curt Erich behielt sich als Bankvorstand vor, die Angelegenheit zu prüfen und gegebenenfalls Anträge einzureichen. Das Reichsmarineamt war gar nicht enttäuscht, als sich die Deutsch-Asiatische Bank aus dem Münzprojekt zurückzog.16 Statt dessen ließ sich das Amt 1903 von der Bank Vorschläge zur Ausgabe von Banknoten unterbreiten. Ende 1905 konnten diesbezügliche Verhandlungen abgeschlossen werden, und am 8. Juli 1906 erteilte der Reichskanzler eine auf 15 Jahre befristete Banknotenkonzession.17 Die vom 1. März 1907 datierten und in Leipzig gedruckten Banknoten wurden ab 17. Juni in der Stückelung von 1, 5, 10, 25 und 50 Dollar sowie 1, 5, 10 und 20 Tael ausgegeben. Von den fünf Ausgabestellen in China war Tsingtau die wichtigste. Hier kamen ausschließlich Dollar, überwiegend 1-Dollar-Scheine, in Umlauf. Im Juni 1914 liefen 2333064 Dollar in Banknoten der Tsingtau-Ausgabe um, das waren 67 Prozent aller von der Deutsch-Asiatischen Bank in China ausgegebenen Dollar. Vom 1. Juli 1914 datiert eine neue Geldscheinausgabe, die auch höhere Nominale wie 100, 200, 500 Dollar und 50, 100 und 500 Tael einschloß, allerdings wurde eine Ausgabe dieser neuen Scheine durch den Kriegsausbruch verhindert.
Kaum waren die ersten Geldscheine der Deutsch-Asiatischen Bank in Tsingtau ausgegeben, wandte sich der dortige Gouverneur am 20. und 25. Juli 1907 mit ausführlichen Vorschlägen zur Prägung und Gestaltung von Scheidemünzen zu 5 und 10 Cent an das Reichsmarineamt. Weil nun bereits japanische und koreanische Nickelmünzen im Schutzgebiet kursierten, hielt man frühere Bedenken gegen die Ausgabe von Nickelmünzen in China für gegenstandslos. Mit der Bitte um ein münztechnisches und finanzielles Gutachten wandte sich das Reichsmarineamt an die Münzdirektion.18 Bereits am 3. Dezember 1907 lag der Bericht aus der Münze vor. Medailleur Otto Schultz bezifferte die Kosten für die Stempelarbeit auf 900 Mark, zuzüglich 50 Mark für die Urstempel. Die Prägegebühren waren mit 30 Pfennig je kg 10-Cent- und 40 Pfennig je kg 5-Cent-Münzen veranschlagt. Allerdings müsse das Reichsmarineamt die Metallbeschaffung und die Verpackungskosten extra bezahlen.
Es dauerte noch ein Jahr, ehe sich das Reichsmarineamt entschloß, die Münzprägung für Kiautschou in Auftrag zu geben. Im Dezember 1908 bekam die Münzdirektion einen Siegelstempel mit Marineadler zum Muster für die Münzentwürfe, die Professor Paul Sturm und Otto Schultz, die beiden Hausmedailleure der Berliner Münze, anfertigen sollten. Während Sturm drei verschiedene Vorderseiten zeichnete, einen Germaniakopf, einen Reichs- und einen Marineadler, mußte sich Schultz mit den chinesischen Schriftzeichen für die Münzrückseiten abmühen. Ende Februar 1909 bekam Münzdirektor Brinkmann die vom Reichsmarineamt genehmigten Entwurfzeichnungen mit dem Reichsmarineadler zurück, und jetzt sollte alles, obwohl ein endgültiger Auftrag noch von der Kostengenehmigung durch den Reichstag abhing, sehr schnell gehen. Für Mitte Mai war die Verschiffung der Münzen nach Tsingtau vorgesehen, die sich allerdings verzögerte. Die Medailleure werkelten an ihren Gipsmodellen, und die Münzdirektion schrieb die Lieferung von Münzplättchen aus.19 Fünf Firmen beteiligten sich an der ausgesprochen komplizierten und mit zahlreichen Rückversicherungen versehenen Ausschreibung. Den Zuschlag erhielt die Firma Basse und Selve in Altona, die 2,29 Mark je kg Münzplatten in der vorgesehenen Legierung der deutschen Reichsnickelmünzen forderte. Während die Vorbereitungen zur Münzprägung anliefen - das Reichsmarineamt hatte die Prägegenehmigungen für 100000 Stück 10-Cent- und 150000 Stück 5-Cent-Münzen eingeholt und am 15. Mai 1909 den Prägeauftrag erteilt -, bat die Münzdirektion um Erlaubnis, für Sammler und Interessenten je Sorte zusätzlich 200 Stück von polierten Stempeln abprägen zu dürfen, von denen je 50 Stück dem Reichsmarineamt zur Verfügung gestellt werden mußten. Die Herstellung der Münzen zog sich bis in den August hin, und das Reichsmarineamt bat am 11. August 1909 die Münzdirektion, die Arbeiten abzuschließen, damit die Münzen am 26. August mit dem Reichspostdampfer von Bremerhaven nach Tsingtau abgehen konnten. Alles klappte, die 175 Beutel à 100 Dollar wurden gerade noch rechtzeitig seemäßig in sieben eisenbeschlagene Kisten verpackt und auf den Weg gebracht.
Die Einführung der Nickelmünzen in Kiautschou erfolgte nach der Verordnung des Gouverneurs vom 11. Oktober 1909.20 Während an den öffentlichen Kassen und im Privatverkehr die Annahmepflicht von Nickelmünzen auf drei Dollar beschränkt blieb, tauschte die Gouvernementskasse in Tsingtau Nickelmünzen in jedem Betrag gegen mexikanische Dollar zurück. In die Kasse des Reichsmarineamts war ein beachtlicher Gewinn aus der Münzprägung geflossen, die Münzkosten beliefen sich auf 1314,48 Mark, die Metallrechnung betrug 1946,50 Mark. Als der Gouverneur 1910 meldete, daß die Nickelmünzen im Geldverkehr des Schutzgebietes bereits rar geworden sind, bekam die Münzdirektion am 6. Juni 1910 den Auftrag für 12000 Dollar 10-Cent- und für 3000 Dollar 5-Cent-Münzen zu prägen. Es wurde ein vereinfachtes Verfahren gewählt, weil die neue Prägung als Fortsetzung der alten galt und die Jahreszahl der Münzen unverändert blieb. Wieder drängte das Reichsmarineamt auf schnelle Lieferung und gestand der Münze von vornherein eine Überproduktion für Sammler zu. In einer von der Münzdirektion ausgelösten Eilausschreibung machten die Vereinigten Deutschen Nickelwerke AG in Schwerte das Rennen. Pünktlich, am 23. Juli 1910, brachte die Berliner Münze das Geld für Tsingtau zum Versand. Von polierten Stempeln hatte die Münze diesmal 200 Stück 10-Cent- und 77 Stück 5-Cent-Münzen hergestellt, doch zeigte sich bald, daß der Sammlermarkt gesättigt war, denn es konnten nur 25 beziehungsweise 22 Stück je Sorte verkauft werden. Wieder war der Gewinn so groß, daß ein weiterer Nachschlag nicht lange auf sich warten ließ. Am 9. März 1911 bestellte das Reichsmarineamt als Eilauftrag 25000 Dollar an 10-Cent- und 10000 Dollar an 5-Cent-Münzen. Aufgrund des kurzfristigen Termins lieferten die Nickelwerke in Schwerte die Münzplättchen und die königliche Münze in Berlin die geprägten Münzen in zwei Partien am 8. April und 12. Mai 1911. Ein letzter Prägeauftrag über 20000 Dollar in 10-Cent- und 10000 Dollar in 5-Cent-Münzen erging am 28. August 1913 an die Münzdirektion. Wieder war Eile geboten, und die Nickelwerke bekamen den Zuschlag, diesmal nicht für den billigsten Preis, sondern für die kürzeste Lieferfrist. Da die Münzen die unveränderte Jahreszahl 1909 beibehalten sollten, ließ sich die Münzdirektion den Prägeauftrag vom Finanzministerium genehmigen. In sprichwörtlich letzter Minute lieferte die königliche Münze am 27. September 1913 das Geld nach Bremen. Insgesamt hatte die Berliner Münzstätte in den Jahren 1909 bis 1913 im Auftrag des Reichsmarineamtes für Kiau- tschou 670417 Stück 10-Cent- und 611167 Stück 5-Cent-Münzen im Gesamtwert von 97600,05 mexikanischen Dollars geprägt, darunter für Sammler in »Polierter Platte« 278 Stück zu 10 Cent und 277 Stück zu 5 Cent. Der Dollar galt in Kiautschou um 1909 etwa 1,48 Mark, so daß nach Abzug der Gesamtkosten von 13451,83 Mark der finanzielle Erfolg der Münzprägung für das Reichsmarineamt bei etwa 130000 Mark gelegen haben dürfte.
Die Beliebtheit der wertbeständigen deutschen Nickelmünzen in Kiautschou wird einerseits durch hohe Nachfrage und jährliche Nachprägung sowie andererseits durch das Auftreten von Fälschungen unterstrichen. Beispielsweise reichte die Gouvernementskasse Tsingtau im Dezember 1911 ein gefälschtes 10-Cent-Stück in Berlin zur Prüfung ein, das die Schantung-Eisenbahn-Gesellschaft vorgelegt hatte. Aufgrund der »großen Gemeingefährlichkeit dieses mit besonderem Geschick nachgeahmten Falschstückes« forderte die königliche Münzdirektion die deutschen Behörden in Kiautschou zu eingehenden Ermittlungen nach Hersteller und Verbreiter dieser Falschmünzen auf und bat um Überlassung des Musters für die Reichsfälschungssammlung.21
Ein letztes Mal wurden die Kiautschou-Münzen aktenkundig, als sich die Marineleitung im Reichswehrministerium, der Nachfolgeeinrichtung für das Reichsmarineamt, im Dezember 1920 bei der Münzdirektion nach dem Metallwert der Prägungen erkundigte.22 Offenbar sollten Restbestände verschrottet werden.


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