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28.11.2012
16:43

Der Soundtrack der Börse: Svein Flygari Johansen

Telefonierende Banker, schreiende Banker, hektische Schritte, raschelnde Kleidung: Diese Geräuschkulisse stellt man sich vor, wenn man an die Börsen dieser Welt denkt. Für Außenstehende bleiben die steigenden und fallenden Aktienkurse stumm – man verfolgt sie über stille Börsenticker.

Der norwegische Künstler Svein Flygari Johansen hat einen ganz eigenen Soundtrack gefunden: Den Fluss Altaelv. 

Der Altaelv fließt im Norden Norwegens. Aus der nahen Stadt Alta stammt Johansen. Hier geht im Sommer die Sonne zwei Monate nicht unter, im Winter nicht auf. Alta liegt nördlich des Polarkreises. Und besitzt seit 1982 einen Staudamm und ein Wasserkraftwerk.

„Was ich hier zeige – „Call of the Wild“ –  ist ein altes Werk von 2001. Es ist ein Lagerfeuer aus meiner Heimatstadt Alta und meinem Heimatfluss, weil ich in dort in Flussnähe aufgewachsen bin. In den Achtzigern gab es eine Auseinandersetzung um  diesen Fluss, aufgrund eines Kraftwerks. Menschen aus Deutschland und der ganzen Welt kamen hoch zu uns, um gegen das Kraftwerk zu kämpfen. Doch es wurde gebaut.

Als ich jung war, saß ich im Sommer immer an diesen Lagerfeuern und hörte den Geschichten der Älteren zu. Das hörte aber nach der Errichtung des Kraftwerks auf. Als ich also dieses Werk schuf, nahm ich ein Original Lagerfeuer vom Fluss – also die Stöcke und Steine und verchromte sie. So dass sie aussehen wie ein Spiegel, wie ein glänzender Spiegel. Dann zeichnete ich die Geräusche des Flusses auf, Überwasser und Unterwasser und verband sie mit dem Aktienmarkt. Jetzt gerade ist die Installation mit der Frankfurter Börse verbunden. Wenn die Kurse steigen, hört man Überwasser-Geräusche, deren Frequenz immer höher wird. Wenn die Kurse fallen, hört man Unterwasser-Geräusche, deren Frequenz niedriger wird. Das Programm checkt die Kurse der Börse alle fünf Sekunden und so kann man die Schwankungen des Marktes hören.“

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„Dies ist ein sehr politisches Werk für mich, weil es darum geht, wie Geld die Natur beherrscht. Alles wird besessen, alles ist für unseren Nutzen bestimmt. Nichts ist einfach nur für die Existenz in der Natur bestimmt. Wir kontrollieren irgendwann alles in der Natur – oder das meiste von ihr. Allem wird der menschliche Stempel aufgedrückt.“

Das verchromte Lagerfeuer von Johansen liegt auf dem Boden der Ausstellung. Fast läuft man Gefahr es zu übersehen und darüber zu stolpern. In der glänzenden Chrom-Oberfläche spiegeln wir uns undeutlich. Fast meditativ scheinen die Geräusche des Flusses von oben. Dann erinnert man sich, dass man den Börsenkursen zuhört. In Echtzeit.

  • Call of the Wild (2001)
  • Svein Flygari Johansen beim Aufbau

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Was wir nicht gefragt haben:

Ob die Menschen in Alta sich immer noch Geschichten am Lagerfeuer erzählen.

Was er noch erzählt hat:

Dass Kunst ihn eigentlich gar nicht so interessiert: „Ich bin an der Sprache, die die Kunst mir gibt, interessiert. Deshalb schaue ich mir nicht viel Kunst an, sondern versuche herauszufinden, wie man Kunst als Sprache nutzen kann. Ich versuche Wege zu finden, wie man Geschichten erzählen kann. Das ist mein Hauptanliegen. Ich brauche Kunst nur, um Geschichten zu erzählen. Wenn man eine Geschichte erzählt, gibt es immer diesen politischen Aspekt in ihr. Ich weiß nicht, ob Kunst etwas verändert. Aber Kunst gibt Menschen eine Sprache, damit sie über Politik sprechen können.“

Wo man ihn in der Ausstellung findet:

Raum 8, „Hundert Jahre“ auf dem Boden

Wann er sich am Freiesten fühlt:

„In der Natur, weit entfernt von der nächsten Straße. Hoch in den Bergen.“

 

flygari.com

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