Deutsches Historisches Museum - Verf�hrung Freiheit. Kunst in Europa seit 1945 - Blog

05.11.2012
15:48

Die Reise der Kunstwerke, die Regie des Aufbaus: Project Manager Rania Sid Otmane

In den Sammlungen des Deutschen Historischen Museums befinden sich viele hunderttausend Objekte. Aus ihnen stammen die Exponate der Dauerausstellung und vieler Sonderausstellungen. „Verführung Freiheit“ ist allerdings eine Ausstellung, deren Objekte aus ganz Europa und darüber hinaus kommen. Diese Leihgaben zu organisieren und zu koordinieren, damit sie sicher das Museum erreichen (und es auch wieder verlassen), ist die Aufgabe unseres Project Managers Rania Sid Otmane. Und da Berlin nur die erste Station der reisenden Kunstwerke ist, geht die Arbeit für Frau Sid Otmane unverändert weiter. Im Februar heißt wieder „Reise, Reise!“ und zwar nach Mailand. 

Aufbau Christo
Anlieferung und Aufbau Christo "Verpackte Ölfässer" (1958/59)
Aufbau Christo
Aufbau Christo

„Ich bin Rania Sid Otmane und ich arbeite an dem Projekt seit 2011 als Project Manager. Meine Aufgaben sind vielfältig: Ich bin zu erst einmal für die Leihanfragen zuständig. Wir haben am Anfang Objekte angefragt, die wir für die Ausstellung haben wollten, und wenn wir eine Absage bekommen haben, habe ich nach Alternativobjekten gesucht bzw. recherchiert. Außerdem bin ich für die Bildredaktion zuständig und bin Katalogautorin: Der Beitrag zu dem Objekt „Call of the Wild“ von Svein Flygari Johansen stammt von mir. Was ich zuletzt noch gemacht habe – und sehr gerne gemacht habe – ist ein bisschen zu vermitteln. Ich stehe in regem Kontakt mit den Künstlern und den Leihgebern und manche Künstler habe ich überzeugen können Interviews zu geben. Zum Beispiel für die Presse und unsere Social Media.“

F: Als Project Manager koordinieren Sie, wie die Kunstwerke ans Museum kommen. Wie funktioniert das genau?

„Zuerst einmal muss das Objekt angefragt werden und sobald wir eine Zusage bekommen, fange ich an den Leihvertrag abzuwickeln. Bei Leihverträgen muss man viele Punkte klären z. B. wie wird das Objekt versichert, wie wird das Objekt transportiert – in einer Klimakiste oder auf andere Art und Weise. Solche Punkte müssen im Vorfeld geklärt werden. Und wenn wir das geklärt haben, vereinbaren wir einen Termin und holen das Objekt beim jeweiligen Leihgeber ab.

Bei manchen Objekten ist es etwas einfacher, wie zum Beispiel bei Videoarbeiten. Da bekommt man heutzutage eine DVD per Post zugeschickt. Andere Objekte können nicht per Post geschickt werden. Da beauftragen wir einen Spediteur, der sich auf Kunstwerke spezialisiert hat und das ist natürlich aufwendiger als ein Objekt per Post zu schicken. Manche Videoarbeiten bekommen wir auch via Internet. Das ist heutzutage sehr viel einfacher.“

F: Sie kommunizieren täglich mit Galerien, Museen, Institutionen, Leihgebern und Künstlern in ganz Europa und darüber hinaus. An welche Anekdote aus dieser Kommunikation erinnern Sie sich besonders gut?

„Als ich anfing, die Objekte anzufragen, dachte ich, es müsste fast alles auf Englisch laufen. Tatsache ist, dass Französisch in diesem Fall sogar wichtiger war. Ich habe mit sehr vielen Leihgebern, mit sehr vielen Künstlern sogar ausschließlich auf Französisch kommuniziert. Und Anekdoten gibt es viele. Wenn man zum Beispiel versucht, jemanden telefonisch zu erreichen: Am Anfang, in manchen Ländern jedenfalls, ist es so, dass ich anrufe und jemand nimmt ab und legt sofort auf.

Das habe ich nicht persönlich genommen. Ich hab sofort gewusst, dass es ein Sprachproblem gibt. Am Anfang habe ich mich also kurz vorgestellt, ich habe meinen Namen genannt und es wurde trotzdem aufgelegt. Dann versuchte ich es ein zweites Mal, habe erst mal auf Englisch gesprochen, auf Deutsch, dann wieder Englisch und manchmal habe ich einfach im Internet nachgeguckt: Wie sagt man „Guten Tag“ auf Bulgarisch? Oder wie sagt man „Guten Tag“ auf Georgisch? Und dann hat es in der Tat funktioniert und ich habe vor allem, und das ist sehr positiv für mich gewesen, festgestellt, dass sehr viele Menschen uns unbedingt helfen wollten. Viele haben sich wirklich sehr viel Mühe gegeben für uns und da bedanke ich mich für.“

F: Der Weg eines Bildes von der Leihanfrage bis zur Ankunft im DHM: Erzählen Sie uns die Geschichte des Bildes, für das Sie die meisten Umwege machen mussten.

„Das ist ein Kunstwerk von Ilya Kabakov, der heutzutage in New York lebt und zwar hatten wir ursprünglich ein anderes Objekt für unsere Ausstellung zeigen wollen: „Sonntagabend“ (1980) heißt es. Dieses Objekt zu finden, war sehr schwierig. Ich habe überall gesucht, erst mal in Europa. Ich habe Leute in Russland kontaktiert, vor allem in Moskau, dann wieder in Deutschland und dann habe ich jemanden erreicht, der mich auf die richtige Spur gebracht hat. Und es hieß „Nein, das Objekt befindet sich mittlerweile nicht mehr in Europa, aber fragen Sie vielleicht mal den Künstler selbst“. Und so habe ich die Emailadresse von Emilia und Ilya Kabakov erhalten, woraufhin ich den Künstler angemailt und gefragt habe, ob er uns ein Objekt für unsere Ausstellung zur Verfügung stellen könnte. Ich habe das Projekt vorgestellt und so entstand diese Korrespondenz mit Ilya und vor allem mit Emilia Kabakov. Und jetzt werden wir für diese Ausstellung in Berlin das Werk „Luprov“/“Die Liebe“ zeigen, welches aus New York zu uns gekommen ist.“

F: Auf welches Objekt und welchen Raum freuen Sie sich besonders bei „Verführung Freiheit“ und warum?

„Das ist für mich eine sehr schwierige Frage. Denn zu jedem Objekt, das ich angefragt habe und für unsere Ausstellung gewonnen habe, habe ich natürlich eine Art persönliches Verhältnis entwickelt. Ich mag sie alle. Alle Objekte in der Ausstellung sind wunderbar.

Besonders freue ich mich aber auf „Call of the Wild“. Das ist eine Arbeit von Svein Flygari Johansen. Den habe ich mehr oder weniger zufällig entdeckt und kennengelernt. Eines Morgens, es war wahrscheinlich kurz nach sechs, habe ich auf BBC eine Reportage gehört. Die BBC berichtete über eine Sonderausstellung in London in Beaconsfield und erzählte von der Arbeit von Johansen. Als ich dann im DHM ankam, habe ich Professor Flacke, unserer Ausstellungsleiterin, davon erzählt und ein bisschen im Internet recherchiert. Frau Flacke meinte, das sei sehr gut, ich solle den Kontakt aufnehmen, was ich gemacht habe. Und jetzt werden wir diese Arbeit in der Ausstellung zeigen. Auch den Essay (im elektronischen Katalog) zu „Call of the Wild“ habe ich geschrieben. Ich freue mich auch, dass sich diese Arbeit in dem Raum 8 befindet. Dieser Raum 8, „Hundert Jahre“, hatte mich von Anfang an sehr interessiert. In diesem Kapitel geht es ja um die Natur, um Naturschätze. Es ist vielleicht purer Zufall, dass ich auf „Call of the Wild“ gestoßen bin und deshalb freue ich mich sehr, dass das dabei ist.“

Aufbau "Call of the Wild"
Aufbau "Call of the Wild"
Svein und Rania
Svein und Rania

F: Die letzten Wochen vor Ausstellungseröffnung haben Sie die Anlieferung der Objekte begleitet ebenso wie ihren Aufbau. Wie sah in dieser Zeit Ihr Arbeitsalltag aus?

„Früh morgens fange ich an Emails abzurufen, zu bearbeiten und neue zu schreiben. Ich checke gleichzeitig meine Kalendereinträge und tätige einige Anrufe. Normalerweise fängt der erste Termin mit den Kurieren um neun Uhr morgens an, d.h. im Laufe des Tages werde ich Kuriere, Künstler und Künstlerinnen in Empfang nehmen, begleiten und „betreuen“. Das bedeutet, dass ich sie ins Zwischendepot begleite, wo die Kisten mit den jeweiligen Exponaten ausgepackt werden. Der Zustand der Objekte wird dann zusammen mit dem Restaurator/in genau protokolliert. Das kann unterschiedlich lange dauern. Dann wird das Exponat in den Ausstellungsraum gebracht und aufgebaut.

Zwischendurch muss ich mit den Leihgebern Kontakt aufnehmen, wenn es bei dem Aufbau der Objekte Klärungsbedarf gibt. Genauso muss ich Rückrufe tätigen, weil man in der Phase des Aufbaus viele Anrufe und Emails bekommt, weshalb es wichtig ist zurückzurufen und die Emails schnell zu beantworten. Alle weiteren Fragen rund um die Ausstellung und Eröffnung müssen beantwortet oder geklärt werden und abends fange ich von vorne an. Emails abrufen, beantworten, Terminplan aktualisieren und den nächsten Tag vorbereiten. Grob gesagt. Aber es macht Spaß!“

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Was wir nicht gefragt haben:

Ob sie manchmal einfach keine Lust mehr auf Kommunikation hat.

Wo sie am DHM arbeitet:

Projektbüro im Verwaltungsgebäude hinter dem Zeughaus

Was sie noch erzählt hat:

Dass es eigentlich unmöglich ist, Kunstwerke, die einem am Herzen liegen, in drei Sätzen zu beschreiben.

Wann sie sich am Freiesten fühlt:

„Draußen. Draußen in der Natur. Tropenwald, wo ich schon mal war. Öfters. In der Wüste, wo ich auch öfters mal war. In den Bergen. Zu Fuß, zu Ross. Überall im Prinzip, aber in der Natur. Ja.“

Wiebke Hauschildt(hauschildt[at]dhm.de)Trackback-Link
Tags: die macher, project management, interview, aufbau kunst
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