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Wirtschaftliche Not zwang viele Menschen, von Ort zu Ort
zu ziehen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihre Zahl
wird für die Frühe Neuzeit auf durchschnittlich
fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt.
In Krisenzeiten lag diese Zahl weit höher.
In der Frühen Neuzeit war nur die kontrollierte Migration
‚nützlicher’ Untertanen erwünscht. Die
Wanderungsbewegungen mobiler Randgruppen hingegen störten
die ‚gute Ordnung’ der sesshaften Ständegesellschaft:
Das ‚Fahrende Volk’ galt als Sicherheitsrisiko.
Auch in der ansässigen Bevölkerung nahmen Vorurteile
gegenüber nichtsesshaften Menschen zu.
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Der Kesselflicker |
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Der
Korbmacher
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Teile
einer Serie von vier Darstellungen zum 'Fahrenden Volk’
Wohl Süddeutschland, um 1750
Öl auf Holz, 30,0 x 37,0
Ottobeuren, Klostermuseum Abtei Ottobeuren, 63/18 b
und 63/18 c
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Die zwei Gemälde zeigen einen Kesselflicker
und einen Korbmacher bei der Arbeit. Besonderes Augenmerk
hat der unbekannte Künstler auf die detailreiche und
realistische Schilderung der einzelnen Tätigkeiten gelegt.
Der Kesselflicker überprüft einen dreibeinigen Kessel
auf undichte Stellen. Mit Zange und Hammer wird er ein pilzförmiges
Metallstück in das Leck treiben und es von innen festklopfen.
Die zwei weiteren Bilder der Serie zeigen einen Siebmacher
sowie einen Scheren- und Glasschleifer. Die Herkunft der Bilder
ist nicht bekannt. Ihre naive Darstellungsweise lässt
einen „Volkskünstler“ vermuten. Vielleicht
hingen die Bilder einst in einer Wirtschaft oder einer Herberge.
Unzählige Polizeiordnungen, Edikte und Mandate der frühmodernen
Obrigkeiten diskriminierten und kriminalisierten Bettler,
Vaganten und „herrenloses Gesindel“. Man unterstellte
ihnen pauschal Müßiggang, Diebstahl und Raubmord.
Bei einer Festnahme drohte die Abschiebung über die nächste
Grenze. Hausierer und andere ambulante Gewerbe wurden aus
wirtschaftlichem Interesse zwar geduldet, galten aber ebenfalls
als verdächtig. Sie unterlagen strenger Kontrolle.
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Bettlerverordnung für
das Kurfürstentum Brandenburg |
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Berlin 16. August 1695, Druck, 32,0 x 42,0
Berlin, Deutsches Historisches Museum, Do 2000/98
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Diese Verordnung der kurfürstlich brandenburgischen
Kommissare für das Armenwesen von 1695 enthielt neben
einem allgemeinen Bettelverbot auch Bestimmungen zur Unterstützung
Notleidender. Die massenhafte „unverschämte Bettelei“
wurde als Ursache öffentlicher „Unordnungen“
ausgemacht. Die Verordnung unterschied zwischen „leichtfertigen
Bettlern“ und „wahrhaft Armen und Notleidenden“.
Besonders die Städte wurden zum Ziel einer wachsenden
Zahl von Armen. Durch verschiedene Maßnahmen wollte
man diese Form unerwünschter Zuwanderung abwehren.
Über den nebenstehende Button haben Sie
die Möglichkeit, den Bericht über den Lynchmord
an einem Bettler anzuhören. Während aus den überlieferten
Akten sehr viele Informationen über die Lebensumstände
der Täter zu erhalten sind, bleibt das Mordopfer vom
äußersten Rand der Gesellschaft jedoch namenlos.
Der
Tod eines Bettlers in der Frühen Neuzeit
Auf der Grundlage von: Otto Ulbricht, Der Tod eines Bettlers:
dörfliche Lynchjustiz 1727. Ein Experiment in Narration
und Analyse, in: Historie und Eigen-Sinn. Festschrift
für Jan Peters zum 65. Geburtstag, hg. von Axel Lubinki
/ Thomas Rudert / Martina Schattkowsky, Weimar 1997, S.
380-397
Mit freundlicher Genehmigung des Autors |
.mp3, 3.898 KB |
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Reliefstein vom Alten Rathaus
Bergen-Enkheim. Auch „Fratzenstein“ genannt |
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Inschrift „far
du gauch 1479“, Auftraggeber wohl: Graf Philipp
d.J. von Hanu (1467-1500). Sandstein, bearbeitet;
Reste farbiger Fassung, 35,0 x 94,0 x 22,0
Frankfurt a. M., Heimatmuseum Bergen-Enkheim
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Der 'Fratzenstein' befand sich bis 1872 an der Befestigungsanlage
der Stadt Bergen. Vermutlich war er eine 'Abweiseschild' gegen
unerwünschte Bettler, Vaganten und 'Zigeuner'. Die Inschrift
»Far du gauch« bedeutet wahrscheinlich "Verschwinde,
Du Gaukler".
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