Der Dreißigjährige Krieg
Am 23. Mai jährt sich der Prager Fenstersturz zum 400. Mal, der als Beginn des Dreißigjährigen Krieges gilt. Für den DHM-Blog zeichnet der Historiker Dr. Gerhard Quaas einen kurzen historischen Abriss der damaligen Ereignisse nach.
Der Dreißigjährige Krieg – die erste „Urkatastrophe“ der deutschen Geschichte – ist trotz der schrecklichen Ereignisse der beiden Weltkriege im kollektiven Gedächtnis der Deutschen geblieben. Die zahlreichen Berichte von der Auflösung staatlicher Ordnung, von brutaler Gewalt, Seuchen, Hunger und religiösem Fanatismus haben bis heute nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren. Berühmte Feldherren, wie der Schwedenkönig Gustav Adolf oder Albrecht von Wallenstein sind legendär geworden. Für die Nachwelt legen bildliche Darstellungen, Dokumente, Waffen und Ausrüstungen aus dieser Zeit ein beredtes Zeugnis ab.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatten sich die konfessionellen Gegensätze verschärft und mündeten in den Konfessionsbündnissen der protestantischen Union (1608) und der katholischen Liga (1609). Die religiösen und machtpolitischen Konflikte verstärkten auf beiden Seiten den Willen zur Konfrontation. Als zentrale Macht des Katholizismus konzentrierten die Habsburger ihre gegenreformatorischen Maßnahmen zunächst auf Böhmen. König von Böhmen war immer ein Habsburger, meistens der Kaiser selbst. Inzwischen aber war die Mehrzahl der Adligen in Böhmen protestantisch. Ein 1609 erlassener Majestätsbrief garantierte ihnen die Freiheit der Konfession und gab den Ständen das Recht, den König zu wählen. Beides geriert zunehmend in Gefahr und versetzte die Stände in Aufruhr.
Verfassungskampf und Konfessionskrieg
So entlud sich in Böhmen der Kampf um die Glaubensfreiheit in einem demonstrativen Akt des Widerstandes: dem Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618. Zwei Statthalter des Kaisers und ein Sekretär wurden nach heftigem Wortwechsel mit Vertretern der Stände kurzerhand aus dem Fenster geworfen. Sie überlebten den Sturz.
Als böhmische Rebellen den calvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz am 26. August 1619 zu ihrem König wählten, war jede Chance für einen Kompromiss vertan. Zwei Tage später wurde der bisherige König von Böhmen, ein radikaler Gegner der Protestanten, als Ferdinand II. zum Kaiser gewählt. Nach der Krönung beschlossen der Kaiser und spanische Berater den Einsatz des Ligaheeres in Böhmen und die Besetzung der linksrheinischen Pfalz durch spanische Truppen. Herzog Maximilian I. von Bayern stellte ebenfalls Söldner.
Im Juni 1620 begann der Krieg. Herzog Maximilian schickte gut gerüstete Verbände, die zusammen mit Truppen der Liga nach und nach Böhmen eroberten. Das schlecht organisierte Heer der böhmischen Stände verlor im November 1620 den Kampf am Weißen Berg in der Nähe von Prag in einer der kürzesten Schlachten der Weltgeschichte. Friedrich V., fortan als Winterkönig verspottet, musste fliehen und bekam in den Niederlanden Exil.
Der Krieg ging weiter und griff auf die Pfalz über. Spanien und die Truppen der Liga, unter Führung des Feldherren Tilly, besetzten den Kurstaat. Auch Truppen des Herzogs Maximilian I. beteiligten sich an diesem Feldzug. Söldnerverbände im Dienst der Protestanten konnten militärisch nichts ausrichten und das Zentrum des deutschen Calvinismus kam in katholische Hand. Als Entschädigung für den Einsatz seiner Armee in Böhmen erhielt der Bayernherzog Maximilian die Oberpfalz und später auch die Kurwürde.
In Böhmen setzte ein brutaler Prozess der Rekatholisierung ein. Zahlreiche Rebellen wurden hingerichtet, etwa 150.000 Menschen verließen die Heimat, die Hälfte des Bodens wechselte den Besitzer. Hier begann der Aufstieg des bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten böhmischen Adligen, Albrecht von Wallenstein. Die Umverteilung des Grundbesitzes machte Wallenstein, der zuvor zum Katholizismus übergetreten war, zu einem der reichsten Männer in Böhmen. Nach der Erhebung zum Herzog von Friedland durch seinen Gönner Ferdinand, stellte er für den Kaiser auf eigene Kosten eine Armee auf und erwartete natürlich Gegenleistungen.
Wallenstein – ein Kriegsunternehmer
Als das Heer der Liga und eine kaiserliche Armee unter Führung Wallensteins nach Norden drangen, griff der dänische König Christian IV. angesichts der drohenden Gegenreformation und aus eigenem territorialen Interesse in den Krieg ein. Nach mehreren Niederlagen schloss er 1629 mit dem Kaiser Frieden. An Stelle der geächteten mecklenburgischen Herzöge, die den Dänenkönig unterstützt hatten, wird Wallenstein Herzog von Mecklenburg und Oberbefehlshaber aller kaiserlichen Truppen.
Wallenstein war Kriegsunternehmer und seine ständig wachsende Armee verschlang immer mehr Gelder. Sein Herzogtum Friedland war eine einzige Kriegsfabrik und er bezog von dort Waffen, Munition und Ausrüstungen in großer Zahl. In Form einer Steuer forderte er hohe Kontributionen aus dem besetzten Land. Um 1630 hatte seine Armee wohl die Stärke von 150.000 Mann. Ein Heer in dieser Größenordnung war ein Machtfaktor, denn der Kaiser hatte zu Beginn des Krieges kein Heer, sondern nur einzelne Regimenter. Ferdinand II. war auf dem Höhepunkt seiner Macht.
In dieser Situation erließ er 1629 ein Restitutionsedikt, das die Protestanten zur Rückgabe des seit 1552 säkularisierten Kirchenbesitzes aufforderte. Diesen Machtzuwachs des Kaisers konnten auch die katholischen Stände nicht hinnehmen. Wie die Protestanten fürchteten auch sie um ihre ständischen Freiheiten und eine Entwicklung in Richtung Reichsabsolutismus, was eine Schwächung fürstlicher Territorialgewalt bedeutet hätte. In Wallenstein und seiner riesigen Armee sahen sie einen Förderer dieser Entwicklung. Einer der entschiedensten Gegner des Edikts war Maximilian von Bayern. Auf dem Regensburger Fürstentag 1630 wird das Edikt zurückgenommen und Wallenstein entlassen. Wieder einmal waren Machtinteressen wichtiger als konfessionelle Bindungen.
Gustav Adolf – der „Löwe aus Mitternacht“
Im Jahr 1630 griffen auch die Schweden auf der Seite der Protestanten in das Kriegsgeschehen ein: im Juli landete Gustav Adolf, der „Löwe aus Mitternacht“, wie er von den Protestanten mit Bezug auf religiöse Publizistik genannt wurde, mit seinem Heer auf Usedom. Das katholische Frankreich unterstützte die Schweden jährlich mit 400.000 Taler und erhoffte sich davon eine Schwächung der Habsburger Positionen. Die Armee Tillys hatte inzwischen große Versorgungsprobleme und hoffte, sie vor dem Eintreffen der Schweden mit der Eroberung Magdeburgs zu lösen. Der Sturm auf die Stadt endete in ihrer fast völligen Zerstörung und löste in ganz Europa Entsetzen aus.
Wenige Monate später besiegten die Schweden und Sachsen in der Schlacht bei Breitenfeld, in der Nähe von Leipzig, das ligistische Heer unter Führung Tillys. Für Gustav-Adolf stand der Weg nach Süden offen und er hielt im Mai 1632 triumphalen Einzug in München. Die Machtverhältnisse hatten sich wieder zu Gunsten der Protestanten gewendet.
Wallenstein wurde erneut eingesetzt und erhielt vom Kaiser unumschränkte Vollmachten im Rang eines Oberbefehlshabers. Er erwies sich als ein ebenbürtiger Gegner des Schweden. Am 17. November 1632 kam es zur Schlacht bei Lützen, in der Gustav-Adolf den Tod fand. Sein tragisches Ende machte ihn zum Märtyrer der Protestanten.
Wallenstein geriet erneut ins Kreuzfeuer der Kritik, da er immer weniger den Wünschen des Kaisers folgte und ohne klare Ziele mit den Gegnern verhandelte, so dass schließlich niemand mehr wusste, woran er war. In Wien glaubte man an Hochverrat und besiegelte so sein Schicksal. Am 25. Februar 1634 wurde er in Eger ermordet. Sein Lebensweg und widersprüchlicher Charakter haben ihn vielfach zu einer großen literarischen Gestalt gemacht.
Der Krieg geht weiter
Nach der Niederlage der Schweden und deutschen Protestanten in der Schlacht bei Nördlingen (1634) kam es am 30. Mai 1635 zum Prager Frieden zwischen dem Kaiser und den Reichsständen. Eine Art Reichsarmee unter dem Oberbefehl des Kaisers mit den Verbänden der Bayern und Sachsen sollte gebildet werden. Das Prager Konzept musste scheitern, da die ausländischen Mächte nicht in die Verhandlungen eingebunden waren.
Daraufhin trat Frankreich, das sich bisher nur diplomatisch eingemischt hatte, in den Krieg ein. Der Krieg trat auf der Stelle, Sieg oder Niederlage änderten an der Situation wenig. Zunehmend streiften Marodeure plündernd und mordend durch das Land. An vielen Stellen hatten sich die Bauern zu Kampfverbänden zusammengeschlossen und setzten sich ihrem Todfeind, den Soldaten, aktiv zur Wehr.
Die Bilanz des dreißig Jahre dauernden Krieges war erschreckend. In manchen Gebieten überlebte nur ein Drittel der Einwohner, insgesamt war die Gesamtbevölkerung von 17 auf 10 Millionen gesunken.
Der Westfälische Frieden – ein europäischer Vertrag
Nach langem Anlauf begannen 1648 in Münster und Osnabrück die Friedensverhandlungen. Neben verschiedenen internationalen Regelungen wurden die konfessionellen Grenzen nach dem Stand von 1624 festgelegt und der Calvinismus als eigenständige Religion anerkannt. Wichtige Reichsorgane wurden nach Konfession paritätisch besetzt. Die Landesherren erlangten größere Souveränität und folgten dem Leitbild des Absolutismus. Von zentraler Bedeutung erwies sich die Abkopplung der Politik von den Konfessionen, die in dem Krieg die zerstörerischen und kompromisslosen Kräfte verstärkt hatten. Deutschland stieg zum Vorreiter für Religionsfreiheit auf. Der Vertrag legte die politischen Spielregeln der europäischen Mächte für die nächsten anderthalb Jahrhunderte fest. Der europäische Krieg wurde durch einen europäischen Frieden beendet.
Dr. Gerhard QuaasDr. Gerhard Quaas arbeitete seit 1974 in der Abteilung Feudalismus im damaligen Museum für Deutsche Geschichte, seit 1990 war er Sammlungskurator für Alte Waffen und Rüstungen im Deutschen Historischen Museum. Er erarbeitete an der Dauerausstellung den Abschnitt 1500-1650 sowie die Sonderausstellungen „Eisenkleider. Plattnerarbeiten aus drei Jahrhunderten aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums“ (12. März bis 6. Juli 1992) und „Hofjagd“ (19. Februar bis 12. April 2004). Zusammen mit Andrè König veröffentliche er in einem Band die „Verluste aus den Sammlungen des Berliner Zeughauses während und nach dem Zweiten Weltkrieg“, Hrsg. von der Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin 2011 |