Wozu das denn? Das Gemälde „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“

Ambra Frank | 2. Dezember 2021

Das großformatige Ölgemälde „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ von 1944 wurde von Claus Bergen (1885-1964) gemalt. In der Ausstellung „Die Liste der ‚Gottbegnadeten‘. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ stellt es Fragen zur Kontinuität des Sujets der politischen Marinemalerei und nach dem Umgang mit nationalsozialistischen Kulturgütern. Mehr dazu von Ambra Frank, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ausstellung.

Der 1885 in Stuttgart geborene Maler Claus Bergen war nicht nur in der NS-Zeit erfolgreich und auch über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus bekannt. In einer April-Ausgabe des Life-Magazine von 1964 veröffentlichte die Redaktion den würdigenden Text „Most Adventurous Sea Painter of His Day” und verwendete einige seiner Arbeiten zur Bebilderung eines Artikels über Seeschlachten des Ersten Weltkriegs. Bergens Karriere hatte schon im wilhelminischen Deutschland begonnen und mit seinen Darstellungen der Skagerrak-Schlacht, die dem Publikum der Münchner Glaspalast-Ausstellung 1918 präsentiert wurden, konnte er sich als Marinemaler etablieren und erhielt seitdem zahlreiche Aufträge. Mitte der 1920er Jahre fertigte er im Auftrag Oskar von Millers (1855-1934) einige großformatige Gemälde, zum Zweck der Ausschmückung der Schifffahrtshalle des Deutschen Museums in München, dem damals weltweit größten naturwissenschaftlichen Museum.[1]

Ausstellungsansicht: „Das letzte Gefecht der ‚Bismarck‘“ (1949) und „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ (1944), DHM Berlin, „Die Liste der ‚Gottbegnadeten‘. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“, 26.8.–5.12.2021, Foto: Yves Sucksdorff, 2021

Ausstellungsansicht: „Das letzte Gefecht der ‚Bismarck‘“ (1949) und „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ (1944), DHM Berlin, „Die Liste der ‚Gottbegnadeten‘. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“, 26.8.–5.12.2021, Foto: Yves Sucksdorff, 2021


Im Mai 1941 liefen das Schlachtschiff „Bismarck“, ein Propagandaobjekt für die technische Überlegenheit der deutschen Kriegsmarine, und der „Schwere Kreuzer ‚Prinz Eugen‘“ zum „Unternehmen Rheinübung“ aus. Sie sollten im Nordatlantik Handelskrieg führen und die Geleitzüge zur Versorgung Großbritanniens bekämpfen. Am 23. Mai wurden die beiden Schiffe der deutschen Kriegsmarine von der britischen Royal Navy gesichtet. Kurz darauf, am 24. Mai, kam es auf der Dänemarkstraße, zwischen Grönland und Island, zu einer historischen Seeschlacht. Gemeinsam versenkten die „Bismarck“ und die „Prinz Eugen“ den britischen Schlachtenkreuzer „Hood“, das damals stärkste Schiff und Stolz der Royal Navy. Die Royal Navy setzte daraufhin alle verfügbaren Kriegsschiffe auf die „Bismarck“ an. Die Verfolgungsjagd endete mit dem Untergang der „Bismarck“ am 27. Mai 1941 im Nordatlantik. Die NS-Führung instrumentalisierte den Tod der deutschen Kriegsmarinesoldaten und propagierte den Untergang der „Bismarck“ mit heroisierend-verklärender Rhetorik als Opfer für Volk und Vaterland. Claus Bergen – der seit 1932 Mitglied der NSDAP war und dem 1944 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen wurde[2] – verarbeitete die Schlacht in der Dänemarkstraße und den Untergang der „Bismarck“ in großformatigen Ölgemälden. Fertiggestellt wurden sie 1944 und 1949, in den letzten Monaten der NS-Diktatur und im Gründungsjahr der Bundesrepublik.

Schwerer Kreuzer „Prinz Eugen“ im Gefecht in der Dänemarkstraße, 1944, Öl auf Leinwand, 150 x 300 cm, Berlin, Deutsches Historisches Museum, Inventar Nr. Gm 98/73

Schwerer Kreuzer „Prinz Eugen“ im Gefecht in der Dänemarkstraße, 1944, Öl auf Leinwand, 150 x 300 cm, Berlin, Deutsches Historisches Museum, Inventar Nr. Gm 98/73


Das knapp drei Meter lange Ölgemälde „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ wurde 1944 auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ (1937-1944) im Haus der deutschen Kunst in München gezeigt und dort von Adolf Hitler für 25.000 RM gekauft. Die NS-Propagandisten interpretierten das dargestellte Ereignis als siegreiche Schlacht, in der die Kriegsmarine die Überlegenheit Nazideutschlands über die Seemacht Großbritannien unter Beweis stellte. Alljährlich präsentierte Bergen auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ (GDK) Werke, oftmals mit programmatischem Inhalt. Darunter: „Ran an den Feind“ (GDK 1941) und „Gegen England“ (GDK 1940). 1939 zeigte er das Gemälde „Wikinger“, das als Verweis auf die rasseideologische Legende vom „Bluterbe der germanischen Wikinger“[3] verstanden werden kann.[4] Nach Kriegsende wurde „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ und weitere Gemälde Bergens von der amerikanischen Militärregierung beschlagnahmt und als Teil der „German War Art Collection“ (GWAC) in die USA verbracht.

Claus Bergen ist in der Sammlung von rund 9.000 Werken mit mehreren Gemälden vertreten. Entsprechend muss die amerikanische Militärregierung seine Arbeiten als vermeintlich nazistisch und/oder kriegsverherrlichend angesehen haben. Was bedeutete, dass sie für die deutsche Bevölkerung unzugänglich gemacht werden mussten. Diese Politik des „Giftschranks“[5] kann heute nicht mehr vertreten werden. Sie ist im Kontext des Potsdamer Abkommens und dem Wissen der Alliierten über die intensive Verbreitung und propagandistische Kontextualisierung von Kunst im NS nachzuvollziehen. Die Restitution von zehn Gemälden Bergens, darunter auch „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“, erfolgte im Jahr 1979 auf Initiative des Kölner Rechtsanwalts und Bergen-Sammlers Hanswilly Bernartz. Er hatte die Rückgabe der Werke durch eine Klage erreicht. In einem 1979 ausgestrahlten Interview äußert er sich dazu:

„Diese Aneignungen der Amerikaner habe ich immer für rechtswidrig gehalten und auch als solches bezeichnet. Ich sehe da überhaupt keine Rechtsgrundlage, denn wenn Sie hier beispielsweise sehen (…) das sind alles historische Motive und das sind keine militärischen Inhalte, die irgendwo die Wegnahme, die praktisch Plünderung ist, Diebstahl ist, legitimeren könnten.“[6]

Die Behauptung der GWAC als von einer Siegermacht geraubte Kulturgüter ist ebenso wenig haltbar wie das Abstreiten militärischer Inhalte in Bergens Werk und leugnet das eigentliche Ziel der Entnazifizierung. Für Hanswilly Bernartz war die Rückgabe der Werke bedeutend und dabei vielleicht sogar ein revisionistischer Akt.

1986 wurden weitere 7.000 Werke der GWAC der Bundesrepublik übergeben und seit Ende der 1990er Jahre dem DHM zur Aufbewahrung überlassen. Sie stehen dort der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung.[7]

In der Ausstellung wird „Schwerer Kreuzer ‚Prinz Eugen‘ im Gefecht in der Dänemarkstraße“ zusammen mit dem 1949 fertiggestellten Gemälde „Das letzte Gefecht der ‚Bismarck‘“ präsentiert. Darauf zu sehen ist das Schlachtschiff „Bismarck“, wenige Stunden bevor es am 27. Mai 1941 im Nordatlantik versenkt wurde. Durch eine Schenkung des Industriellen Hermann Reusch gelangte es 1963 an die Marineschule in Flensburg-Mürwik. Die feierliche Übergabe fand genau 22 Jahre nach dem dargestellten Ereignis, am 27. Mai 1963 statt. Claus Bergen nahm an den Feierlichkeiten teil und Kapitän z. S. Gerhard Bidlingmaier gedachte in seiner Rede „(…) des Kampfes und des Untergangs der ‚Bismarck‘ (…).“[8] Dies war ganz im Sinne Hermann Reuschs, der das Gemälde mit dem Ziel stiftete: „auf [der] Marineschule eine bisher bestehende Lücke in der künstlerischen Darstellung des Zweiten Weltkriegs zu schließen, (…).“[9] Hier war die Zustimmung für Bergens politische Marinemalerei ungebrochen, genau wie die Rhetorik um den zweifelhaften Opfertod der Kriegsmarinesoldaten.[10] Die zwei Gemälde Claus Bergens stehen in einem eindeutig narrativen Zusammenhang und sind beispielhaft für die problematische Gedenkkultur an die Opfer des Zweiten Weltkriegs in der jungen Bundesrepublik sowie den Umgang mit dem (kulturellen) Erbe der NS-Zeit.


Verweise:

[1] Vgl. Hormann, Jörg-Michael: Claus Bergen. Marinemaler über vier Epochen, Koehler Verlag, Hamburg, 2002, S. 75–78.

[2] Vgl. Spruchkammerakte Claus Bergen, Staatsarchiv München, SpKA_K_119_Bergen, Claus sowie Schreiben Ministerialdirektor Hinkel an Claus Bergen, Benachrichtigungsschreiben über die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse ohne Schwerter, 30. März 1944, BArch, R 9361/V98477

[3] Herzog, Bodo: Die Berliner Kunstausstellung im Jahre 1940 – „Helden des U-Boot-Krieges…Rassisch hochwertiges Menschenmaterial“, in: Kritische Berichte, Heft 1, Jg. 12, 1984, S. 62/71–72.

[4] Vgl. Claus Bergen auf www.gdk-research.de

[5] Vgl. Voss, Julia: Ein Tabu wird gebrochen, in: FAZ, 17.10.2011

[6] Feuer und Farbe. Das Dritte Reich und seine Maler zwischen Heros und Horror, Itzchak Pruschnowski, SFB, 1979.

[7] Im Zuge des Promotionsprojekts „‘A POTENTIAL THREAT TO THE WORLD?‘ ZUR GENESE, FUNKTION UND REZEPTION DER GERMAN WAR ART COLLECTION“ (AT) forscht Darja Jesse am DFG-Graduiertenkolleg „Identität und Erbe“ über die GWAC.

[8] Schreiben Kapitän z. S. Dr. Schneider-Pungs an Hermann Reusch, Flensburg-Mürwik, 6. Juni 1963, Archiv Marineschule Mürwik, CAEC9185 Bergen – Bismarck 1963-06-06 MSM

[9] Schreiben Hermann Reusch an Kapitän z. S. Dr. Schneider-Pungs, Oberhausen, 20. Mai 1963, Archiv der Marineschule Mürwik, CAEC9815 Bergen – Bismarck 1963-05-20 Reusch

[10] „Das letzte Gefecht der ‚Bismarck‘“ befindet sich bis heute im Besitz der Marineschule, wo es im Aulavorraum präsentiert und historisch-kritisch kommentiert wird.
Im Zuge des Promotionsprojekts „Maritime Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in Lübeck und Schleswig-Holstein“ (AT) forscht Greta Paulsen am „Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck“ auch über Claus Bergen.