Max Barthel 1893-1975

Schriftsteller

  • 1893
    17. November: Max Barthel wird als Sohn des Maurers Gustav Barthel und der aus bäuerlichem Umfeld stammenden Clara Barthel (geb. Adam) im Dresdner Vorort Loschwitz geboren.
  • 1904
    Nach dem Tod des Vaters muss der Elfjährige zum Unterhalt der siebenköpfigen Familie beitragen. Er arbeitet als Hausierer, in Gärtnereien, auf dem Friedhof als Grabpfleger sowie bei Obstbauern. Er sucht in der Not der Familie die Müllabladeplätze Dresdens nach Brauchbarem ab. Trotz der von Armut bestimmten Jugend entwickelt Barthel schon früh literarische Interessen und schreibt bereits als Schüler erste Gedichte.
  • 1907
    Abschluss der Volksschule. Da die Familie eine Lehrzeit nicht finanzieren kann, wird er ungelernter Fabrikarbeiter. Zugleich tritt er der sozialdemokratischen Arbeiterjugend bei.
  • 1910-12
    Wanderjahre durch Deutschland, Österreich und Italien. Barthel lebt von Gelegenheitsarbeiten und Almosen.
  • 1912
    Barthel wird Arbeiter in der Reform-Möbelfabrik "Deutsche Werkstätten" in der Gartenstadt Hellerau bei Dresden. In der aus der Lebensreform-Bewegung hervorgegangenen Gartenstadt, die menschenwürdiges Wohnen und Arbeiten mit künstlerischer Schöpferkraft und Kreativität verbinden sollte, lernt Barthel den Schriftsteller Alfons Paquet (1881-1944) und den sozialdemokratischen Publizisten Franz Diederich (1865-1921) kennen.
    Finanziell unterstützt von Paquet, geht Barthel wieder auf Wanderschaft, die ihn nach Italien und in die Schweiz führt. In Zürich befreundet Barthel sich mit dem Politiker Willi Münzenberg.
  • 1913
    In Stuttgart findet Barthel Kontakt zu der Herausgeberin der sozialistischen Frauenzeitschrift "Die Gleichheit" Clara Zetkin und zum Redakteur der sozialdemokratischen "Schwäbischen Tagwacht" Edwin Hoernle (1883-1952), die ihn in seinem literarischen Schaffen fördern. Er schreibt als freier Mitarbeiter für die sozialdemokratische Presse.
    Erneute Wanderschaft durch Belgien, die Niederlande und die Schweiz. In Zürich gibt Barthel gemeinsam mit Münzenberg die Anthologie "Weihnachtsglocken" heraus, welche auch Texte Barthels enthält.
  • 1914
    Nach Beginn des Ersten Weltkriegs schließt sich Barthel in Stuttgart der linken Parteiopposition der Sozialdemokratie an, die sich gegen den sogenannten Burgfrieden wendet.
    Ende des Jahres: Einberufung zum Militärdienst.
  • 1915-1918
    Soldat an der Westfront.
  • 1916
    Barthel veröffentlicht seinen ersten eigenen Lyriktitel "Verse aus den Argonnen", der pazifistische Gedichte enthält.
  • 1917
    Es folgt mit "Freiheit" ein weiterer Lyrikband. Barthel findet gemeinsam mit anderen Arbeitern, die Kriegslyrik verfassen - unter anderem Karl Bröger (1886-1944) und Heinrich Lersch (1889-1936) - zunehmend als "Arbeiterdichter" Beachtung.
  • 1918
    Richard Dehmel, der durch den Gedichtband "Freiheit" auf Barthel aufmerksam geworden ist, setzt sich für dessen Verlegung von der Front ein. Barthel wird daraufhin nach Stuttgart versetzt. Er befreundet sich dort mit dem ihm als Hauptmann vorgesetzten Georg Schmückle (1880-1948).
    Aktive Beteiligung an der Revolution in Stuttgart. Barthel gehört dem Aktionsausschuss des Soldatenrates an. Er tritt in die Redaktion der Stuttgarter "Roten Fahne" ein, die er gemeinsam mit Münzenberg und Hoernle leitet, und wirkt beim Aufbau des Spartakusbundes mit.
  • 1919
    Teilnahme am "Spartakusaufstand" in Stuttgart. Barthel wird verhaftet und wegen Hoch- und Landesverrats angeklagt, jedoch freigesprochen.
    Zahlreiche Gedichtveröffentlichungen machen Barthel zu einem der bekanntesten Revolutionslyriker.
    Um Münzenberg beim Aufbau der kommunistischen Jugendinternationale zu unterstützen, zieht Barthel nach Berlin.
  • 1920
    Mit dem Gedichtband "Arbeiterseele" erreicht Barthel große Aufmerksamkeit.
    Barthel reist mit Empfehlung von Karl Radek nach Russland und begegnet dort unter anderem Wladimir Iljitsch Lenin, Leo Trotzki und Maxim Gorki. Er nimmt als Besucher am zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau teil.
  • Ab 1921
    Wieder in Berlin arbeitet Barthel für die Internationale Arbeiterhilfe (IAH). Er gibt mit Münzenberg die Zeitschrift "Sowjetrußland im Bild" heraus.
  • 1923
    Erneute Reise nach Russland.
    Nach nur kurzer Dauer scheitert Barthels Ehe mit Luise Kaetzler, aus der ein Sohn hervorgeht.
    Von seinen Erlebnissen in Russland und der Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) enttäuscht, löst sich Barthel vom Kommunismus und orientiert sich an der Sozialdemokratie und den Freien Gewerkschaften.
  • 1924
    Barthels erstes Theaterstück "Der Eiserne Mann" erscheint.
  • 1925
    Der erste Roman "Das Spiel mit der Puppe" erscheint.
  • 1928
    Hochzeit mit Luise Möbius. Aus der Ehe gehen ein Sohn und eine Tochter hervor.
  • 1930
    Von sozialem Abstieg bedroht, radikalisiert sich Barthel - wie seine privaten Notizen aus den Jahren 1930-1933 zeigen - während der Weltwirtschaftskrise nach rechts. Er tritt mit seinem Werk jedoch zunächst weiter für die Republik und die Sozialdemokratie ein, auch weil er verlegerisch fest in deren Milieu eingebunden ist.
  • 1931
    Barthel wird Vorsitzender Ortsgruppe Berlin-Brandenburg des Schutzverbands Deutscher Schriftsteller (SDS).
  • 1933
    Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler bekennt sich Barthel offen zum Nationalsozialismus. Er wirkt als Funktionär bei der Gleichschaltung des SDS mit und schreibt für den "Völkischen Beobachter" und den "Angriff" des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels.
    Barthel wird leitender Lektor der gleichgeschalteten, ehemals gewerkschaftlichen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg".
    Sein Roman "Das unsterbliche Volk" erscheint. Barthel übernimmt darin die Rassevorstellungen der Nationalsozialisten und deren Ideologie der Volksgemeinschaft. Personen und Volksgruppen der damaligen Sowjetunion werden als "träge, dumm, ohne Kraft und Saft und zum Aussterben verurteilt" beschrieben. Diesen stellt Barthel das Bild eines "tapferen" und "treuen" deutschen Volkes entgegen, das durch sein "Blut" verbunden, eine "Schicksalsgemeinschaft" darstelle.
  • 1934
    Es erscheinen Presseartikel, die Barthel wegen seiner kommunistischen Vergangenheit diskreditieren.
    Barthel wird bei der "Büchergilde Gutenberg" fristlos entlassen und arbeitet in der Folge vornehmlich als Journalist. Er verfasst unter anderem Reportagen über Kraft durch Freude-Reisen.
  • 1938
    In Dresden findet Barthel Anstellung in einem Verlag für Unterhaltungsromane.
  • 1942
    Im Zweiten Weltkrieg unternimmt Barthel Lesereisen als Truppenbetreuer nach Frankreich, Finnland und Norwegen.
  • 1943
    Barthel schreibt gewaltverherrlichende Kriegsgedichte, die unter anderem in seinem Lyrikband "Ins Feld ziehen die Soldaten" erscheinen.
  • 1944
    Barthel wird als Kriegsberichter für die der Schutzstaffel (SS) unterstellte Film- und Bildstelle der Ordnungspolizei in Rumänien und bei Krakau eingesetzt.
  • 1945
    Wegen einer Verletzung nach Dresden zurückgekehrt, erlebt er dort die katastrophalen Luftangriffe vom Februar 1945.
  • 1948
    Da Barthel für sich in der Sowjetischen Besatzungszone aufgrund seines Engagements für den Nationalsozialismus keine Perspektiven mehr sieht, zieht er nach Niederbreisig am Rhein.
  • 1950
    Barthel gewinnt einen Verlag für die Veröffentlichung seiner Autobiographie "Kein Bedarf an Weltgeschichte" und erhofft sich einen Neuanfang als Schriftsteller. Als seine Rechtfertigungsschrift erscheint, findet sie jedoch kaum Aufmerksamkeit. Als Autor weitgehend erfolglos, bestreitet Barthel in den folgenden Jahren seinen Lebensunterhalt vornehmlich als Verfasser von Liedertexten für Chöre. Die nur noch geringe Beachtung, die er als Schriftsteller erfährt, belastet Barthel.
  • 1963/64
    Barthel wehrt sich vor dem Oberlandesgericht München erfolgreich gegen die Behauptung in Gero von Wilperts (1933-2009) "Deutschem Dichterlexikon", er habe sich 1933 "dem Nationalsozialismus angeschlossen". Das Gericht ordnet an, künftig die Formulierung zu verwenden, Barthel habe sich "1933 aus der Sicht des Arbeiterdichters dem Nationalsozialismus angeschlossen". Das Urteil findet ein großes Presseecho und wird von Zeitungen wie "Die Welt", "Stuttgarter Zeitung" und "Die Zeit" mit Empörung und Befremden aufgenommen. "Die Welt" schreibt am 5. Dezember 1963: "Jeder Historiker wird sich rigorose Verstümmelungen seiner Forschungsergebnisse gefallen lassen müssen, es sei denn er habe sich nicht von seinem Urteil, von der Wahrheit und der Erkenntnis leiten lassen, sondern von einem Abkommen mit dem Gegenstand seiner Forschungen oder dessen Erben."
  • 1969/70
    Umzug zur Tochter nach Litterscheid bei Hennef an der Sieg.
  • 1974
    Barthel erhält das Bundesverdienstkreuz.
  • 1975
    17. Juni: Max Barthel stirbt im Krankenhaus von Waldbröl im Bergischen Land.
Yves Clairmont
14. September 2014

lo