"Rassentheorien" und "Rassenhygiene" bildeten grundlegende Elemente der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die meisten dieser Theorien basierten auf einem rassistisch motivierten Antisemitismus, der im ausgehenden 19. Jahrhundert in zahlreichen Publikationen seinen Ausdruck fand. So beschrieben Autoren wie Wilhelm Marr und der Brite Houston Stewart Chamberlain das Judentum nicht als Religion, sondern als fremdartige und minderwertige Rasse, welche die Weltherrschaft anstrebte. Gleichzeitig setzten um die Jahrhundertwende verstärkt rassehygienische Überlegungen ein. Ziel der Rassenhygiene oder Eugenik war die Entwicklung gesunder Erbanlagen zur genetischen Verbesserung der "eigenen Rasse". Zur sogenannten positiven Eugenik gehörte die Förderung der Geburtenrate von "Erbgesunden" und "Tüchtigen", zu den Maßnahmen der "negativen Eugenik" die Geburtenverhütung bei Erbkranken, um ihren Anteil in der Bevölkerung zu reduzieren.
Die steigende Akzeptanz und Verbreitung von Rassenhygiene und Rassenkunde in der Wissenschaft zeigte sich in der Weimarer Republik in ihrer voranschreitenden Institutionalisierung. Der erste deutsche Lehrstuhl für Rassenhygiene wurde 1923 in München eingerichtet. In den folgenden Jahren erhöhten sich im Medizinstudium die Pflichtstunden in Rassenhygiene und Eugenik kontinuierlich. Die starke Befürwortung der Rassenhygiene vor 1933 war kein spezifisch deutsches Phänomen. In vielen Ländern Europas und Amerikas wurden Rassenhygiene und Sterilisierung geistig Behinderter als ein Instrument staatlicher Sozialpolitik angesehen.
Um Rassennachweise zu erstellen, machten sich Ärzte und Eugeniker mit einem umfangreichen Instrumentarium von Schädelvermessungsgeräten (Kraniometern) und Bestimmungstafeln daran, ihre ideologisch bedingte Einstufung von Wertigkeiten der verschiedenen Rassen - wie auch einzelner Menschen - durch zahllose Untersuchungsreihen zu belegen. Dazu gehörten sogenannte Anthropometer, Tasterzirkel, Stangenzirkel und Nasentiefenmesser sowie Haut-, Augen- und Haarfarben-Tafeln. Ausführlich versuchten Bücher wie die von Hans Friedrich Karl Günther (1891-1968) Merkmale und Unterschiede der verschiedenen "Rassen" zu beschreiben. Der "deutschen Rasse" mit ihrer "nordischen Seele" schrieb Günther Urteilsfähigkeit, Wahrhaftigkeit, Tatkraft und Gerechtigkeitssinn zu und stellte ihr die seiner Auffassung nach "minderwertigeren Rassen" gegenüber.
Besonderen Zuspruch fanden rassentheoretische und rassenhygienische Überlegungen in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), die "Rasse" mit "Volk" gleichsetzte. Das deutsche Volk als biologische Gesamtheit sollte nicht nur vor genetischem Verfall durch "Verunreinigung" seines Erbguts bewahrt, sondern durch gezielte "Auslese" zu Höherwertigem gezüchtet werden.
Nach ihrer Machtübernahme 1933 schritten die Nationalsozialisten dazu, ihren Rassenwahn in die Tat umzusetzen. Die Nürnberger Gesetze von 1935 machten politische Rechte vom Nachweis der "arischen Abstammung" abhängig. Gleichzeitig verboten sie unter Androhung von Zuchthausstrafen Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und "Ariern" als "Rassenschande".
Ununterbrochen warben die Nationalsozialisten für "Rassenpflege" und für die "Reinhaltung des deutschen Blutes". Schmuckblätter wie "Die 12 Gebote zur Rassereinhaltung" erinnerten an die biblischen Zehn Gebote und überhöhten die NS-Rassenideologie ins Religiöse. Die Reinhaltung der Rasse wurde als Sache der "Ehre" und als Opfer für die "Ewigkeit" dargestellt. Auch das 1934 eingerichtete Rassenpolitische Amt der NSDAP verbreitete durch zahlreiche Plakate und Publikationen wie in dem von ihr herausgegebenen Monatsheft "Neues Volk" nachhaltig die NS-Rassenlehre und propagierte Körperertüchtigung und den "gesunden Menschen". Behinderte und unheilbar Kranke dagegen wurden - ähnlich den Juden, Sinti und Roma und anderen Gruppen - gezielt aus der Volksgemeinschaft ausgegrenzt. Mit den anthropologischen, genetischen und eugenischen Forschungen der "Rassenhygieniker" wurde ab 1939 der als "Euthanasie" bezeichnete Mord an den Menschen gerechtfertigt, deren Leben nach NS-Ideologie "nicht lebenswert" war.