Vom 3. bis 7. November 1932 kam der gesamte öffentliche Nahverkehr in der Reichshauptstadt durch einen Streik von Angehörigen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zum Erliegen. Verließen Straßenbahnen oder Omnibusse vereinzelt die Depots, wurden sie zumeist von wütenden Streikenden zum Halten gebracht oder mit Steinen beschmissen. Wiederholt kam es dabei zu schweren Zusammenstößen mit Ordnungskräften, in deren Verlauf drei Menschen durch Polizeikugeln starben.

Aufgerufen zu dem Streik, dessen Anlass eine von der BVG beabsichtigte Senkung der Stundenlöhne um zwei Pfennig war, hatten die kommunistische Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) und die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO). Das Zusammenwirken der zutiefst verfeindeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Nationalsozialistischen Partei Deutschlands (NSDAP) war in der Weimarer Republik einzigartig. Der kommunistische Reichstagsabgeordnete Walter Ulbricht und der Gauleiter der NSDAP von Berlin, Joseph Goebbels, agierten bei einer Massenkundgebung nebeneinander auf der Rednertribüne. Beide Parteien erkannten in dem Arbeitskampf unmittelbar vor der Reichstagswahl vom 6. November 1932 eine Gelegenheit, neue Stimmen in der jeweiligen Wählerschicht des politischen Gegners zu erzielen. Die NSDAP warb dabei vor allem um einen längerfristigen Vertrauenszuwachs bei der Arbeiterschaft. Abgeschreckt durch die Kooperation mit den Kommunisten wurden hingegen die bürgerlichen Wähler der NSDAP. In ihren Wohnvierteln mussten die Nationalsozialisten am 6. November gegenüber der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 ungleich höhere Stimmenverluste hinnehmen als in den Arbeiterbezirken.

Arnulf Scriba
14. September 2014

lo