Thematik "Stahlhelm"Radziwill war im "Dritten Reich" nicht der einzige Maler, der sich der Symbolik des Stahlhelms bediente. Das Gemälde "1917" von Albert Henrich veranschaulicht dies auf eindrucksvolle Weise (Abb. 6).29 Henrich, 1899 in Düsseldorf geboren und vier Jahre jünger als Radziwill, war ebenfalls Weltkriegsteilnehmer gewesen und Vertreter der Neuen Sachlichkeit. 1931 erhielt er den Dürer-Preis. In den dreißiger Jahren sympathisierte er mit dem Nationalsozialismus. Sein 1937 entstandenes Gemälde "1917" wurde auf der "Großen Deutschen Kunstausstellung" im Haus der Deutschen Kunst in München gezeigt und von Adolf Hitler ein Jahr später für 5.000 Reichsmark gekauft. Die Anlehnung an die christliche Ikonographie der Passionsgeschichte ist kaum zu übersehen: Der Hügel erinnert an Golgatha, der Stacheldraht wiederum an die Passion Christi und die Holzreste an seine Kreuzigung. Die Intention ist eindeutig: Die Leiden und der Tod der Soldaten werden gleichgesetzt mit dem Martyrium Christi. Würde sich darin der Inhalt von Henrichs "1917" erschöpfen, wäre sein Erfolg nicht recht einsehbar. Die Erinnerung an den Krieg ist nicht allgemein gehalten, sie ist auf die deutsche und britische Teilnahme beschränkt. Es ist ein britischer, stärker in Mitleidenschaft gezogener Stahlhelm, der von dem deutschen überragt wird. Der Stahlhelm ist zum Sinnbild des modernen Krieges und Kämpfers
geworden, Stacheldraht und Erde stehen für den todbringenden Stellungskrieg
im Schützengraben. Indem die Kriegsgegenstände wie Reliquien
gezeigt werden, wird der
Erste Weltkrieg zu etwas "Heiligem" erhoben, zu dem der
Betrachter aufschaut, vor dem er in Andacht versinkt. Anders als in "1917" wird der Eindruck des letalen Krieges im "Grab im Niemandsland" durch die blühenden Pflänzchen gemildert und in einen ewigen biologischen Kreislauf von Vergehen und Wiedergeburt umgedeutet. Zwischen den "Trümmern" entsteht neues Leben. Im Kriegsuvre von Otto Dix, Max Beckmann und anderen deutschen Malern treffen wir diese Idee der fruchtbaren, ewig wiedererstehenden Erde ebenfalls an.30 Vielleicht typisch für die Art der Rezeption und Gedächtnisarbeit in Deutschland sind die düstere Schwere und die romantische Innerlichkeit, die das Gemälde "1917" kennzeichnen. Henrich inszenierte den Soldatentod nicht auf plakative Weise, ohne Blut
und Zerstörung, wie es vielfach die Propaganda in den Jahren 1914-1918
getan hatte. Er gestaltete ihn auf eine ebenso feinsinnige Weise als grausig-erhabenes
Bild wie Radziwill. Die einstmaligen Träger der Helme sind zu Staub
zerfallen, "verschwunden", anonym, Teil jener "heiligen"
Erde, auf der ihre Helme ruhen. Weil der Soldat sein Leben opferte, ist
er ein Held. Der Stahlhelm wurde ein Symbol der Weltkriegsikonographie, das auch die Grabmalsplastik der Zwischenkriegszeit aufgriff. So setzte die Vereinigung der Weltkriegsveteranen "Der Stahlhelm" 1928 einem Mitglied ein Grabmal, das aus einem hohen Steinsockel und einem in Bronze gegossenen Stahlhelm mit Eichenlaubschmuck bestand . Die Bedeutung dieser Symbolik erhellt sich schlagartig, wenn wir sie
in Beziehung setzen mit einer Gedenkmedaille von Karl Goetz anläßlich
des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und Deutschland am 21. Juni
1940 im Wald von Compiègne. Das Signet der Vereinigung des "Stahlhelm", der Ende der zwanziger Jahre zu einer einflußreichen Organisation angewachsen war (Abb. 8), bestand aus der schematisierten Darstellung des Kopfschutzes und den Farben des Kaiserreichs: Schwarz-Weiß-Rot . Nicht wenige bekannte Künstler waren Mitglied im "Stahlhelm". So auch Ludwig Dettmann, Professor an der Berliner Akademie und im Ersten Weltkrieg offizieller Kriegsmaler. Dem Veteranenverband trat er 1928 31 bei und ließ in seinem Garten ein Reichsehrenmal errichten, dessen Mittelpunkt eine Gruft bildete - zur Aufbewahrung der Erde aus allen deutschen Soldatengräbern (Abb. 9). Fritz Mackensen, Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie und "verhinderter Weltkriegssoldat" wider Willen (wegen Untauglichkeit aus Altersgründen dauerte sein Einsatz nur wenige Wochen32), war ein anderes prominentes Mitglied. Er publizierte Ende der zwanziger Jahre in einem Münchner Verlag sogar politische Thesen über die Ziele des "Stahlhelm", in denen er unter anderem forderte, "mit Leib und Seele mitzuhelfen an der Befreiung aus der Knechtschaft, die deinem Volk von seinen Feinden durch Versailles auferlegt worden ist. Hilf die Ketten sprengen, die sie um uns gelegt haben: die Kriegsschuldlüge beseitigen, die entrissenen Gebiete wiedergewinnen, die finanzielle Fesselung zerreißen." Und weiter heißt es unmißverständlich: "Wähle und fördere solche Parteien, die sich politisch zu deinen deutschen Forderungen bekennen. Bekämpfe alle Parteien, die mit ihrer Politik das Lob des Feindes ernten. Bekämpfe den Marxismus und den Bolschewismus als undeutsch."33 |