Aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums Deutschsprachiger Erstdruck der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
vom 4.Juli 1776
|
||
Reimer Eck * Der deutschsprachige Buchdruck in den amerikanischen Kolonien bis zum Erscheinen der Unabhängigkeitserklärung (Teil 2) |
|||||
II. Die Anfänge und Christoph Sauer der Ältere Die ersten deutschsprachigen Produkte der Druckpresse der amerikanischen Kolonien waren einige kontroverse mystische und poetische Schriften, die die amerikanischen Druckpioniere Andrew Bradford und Benjamin Franklin in Philadelphia als Auftragsarbeit für einige eingewanderte Gemeinschaften deutscher Sektierer und Radikalpietisten druckten. Seit den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts waren in unaufhörlicher Folge kleine Gruppen deutscher Sektierer, die nirgends in Europa völlig unangefochten gemäß ihrer religiösen Überzeugung leben zu können glaubten, nach Amerika ausgewandert. Die Deutschen bevorzugten Pennsylvania als Einwanderungsziel, da die Kolonie nach dem Willen des Gründers William Penn die größte Freiheit und Toleranz in Glaubensangelegenheiten bot. Außerdem bot die Kolonie die wahrscheinlich günstigsten Entfaltungsmöglichkeiten für die meist auf Landwirtschaft ausgerichteten deutschen Einwanderer. Hier in Pennsylvania sollte sich bis zur Revolution der deutschsprachige Buchdruck in den Kolonien konzentrieren, hier wohnte noch lange der höchste Anteil an deutschsprachigen Einwanderern. Bis zum Druck der Unabhängigkeitserklärung in deutscher Sprache, die die bedeutende deutsche Minderheit der amerikanischen Bevölkerung in einen der entscheidenden Revolutionsprozesse der Neuzeit einbinden sollte, war es freilich noch ein weiter Weg. Die Anfänge des deutschsprachigen Buchdrucks fallen in die Jahre 1728 bis 1737. Neben den genannten Auftragsarbeiten an erbaulichen Schriften, Lied- und Spruchsammlungen für die deutschen Sektierer versuchte sich Bradford 1730 bis 1732 an einem deutschen Almanach und Benjamin Franklin im Jahr 1732 kurzfristig an einer deutschsprachigen Zeitung, die über zwei Nummern nicht hinauskam. Im Jahr 1738 betrat dann Christoph Sauer die Szene des deutschsprachigen Buchdrucks in den USA, die er und seine gleichnamigen Nachfahren bis zum Ende der Kolonialzeit dominieren oder zumindest nachhaltig prägen sollten. Johann Christoph Sauer wurde 1695 in Ladenburg am Neckar als Sohn eines reformierten Pfarrers geboren. Früh kam er nach Laasphe, das zu einem jener kleinen rheinhessischen Fürstentümer gehörte, die Inspirierten und radikalpietistischen Sektierern für einige Zeit Obdach und Schutz gewährten. 1724 war Sauer nach Pennsylvania ausgewandert und baute sich hier nach verschiedenen menschlichen und religiösen Enttäuschungen ab 1734 in Germantown, einem nördlichen Vorort von Philadelphia, eine Existenz auf. Sauer hatte ursprünglich das Schneiderhandwerk erlernt, zeigte aber auch zahlreiche andere handwerkliche und technische Fähigkeiten, so daß ihm in den Kolonien zunächst der Ruf eines tüchtigen Uhrmachers vorausging. Daneben verkaufte er Patentmedizin, übte sich im Aderlassen und vertrieb als Buchhändler geistliche Erbauungsbücher, die in Deutschland von verschiedenen Seiten in die Kolonien geschickt worden waren. Seit 1735 bemühte sich Sauer nachweislich um die Beschaffung der Ausstattung einer deutschen Buchdruckerwerkstatt. Nachdem sein Versuch bei der zentralen Institution der lutherischen Mission, den Franckeschen Stiftungen in Halle gescheitert war, konnte er sich schließlich durch die Vermittlung des inspirierten Erbauungsschriftstellers Christoph Schütz Drucktypen aus Frankfurt und eine ausgemusterte Presse des Berleburger Waisenhauses, auf der schon zahlreiche einflußreiche radikalpietistische Schriften gedruckt worden waren, verschaffen. Die Druckerfarbe wußte er nach einigen Experimenten bald selbst herzustellen, später konnte er aus eigener Produktion auch Druckfarbe verkaufen. Schwieriger gestaltete sich anfangs das Problem der Papierbeschaffung. Zwar lag in Pennsylvania ein Schwerpunkt der kolonialen Papierproduktion, aber der Vertrieb wurde durch Benjamin Franklin kontrolliert, der das neue Konkurrenzunternehmen von Anfang an mit Argwohn verfolgte. Sauer bezog seine Drucktype von der Egenolff-Lutherischen Schriftgießerei in Frankfurt/Main. Damit war er als erster Drucker in den Kolonien in der Lage, in einer deutschen Frakturtype zu drucken, so daß seine Schriften jenes Druckbild hatten, das seine deutschen Leser aus der Heimat gewohnt waren. Die Egenolffschen Typen waren zu Anfang des 18. Jahrhunderts im protestantischen Norddeutschland weit verbreitet, und Sauer wußte sehr bald, die gesamte Typographie, Titelblätter und Buchschmuck eingeschlossen, den entsprechenden deutschen Produkten der Zeit bis ins Detail anzupassen. Dies und ein ausgeklügeltes Vertriebsnetz unter den deutschen Krämern und Händlern in den Kolonien trug von Anfang an zu dem erheblichen Erfolg der Sauerschen Verlagsprodukte bei. Franklin hatte seine ersten deutschen Drucke in seiner bewährten Caslon-Antiqua drucken müssen, die dem deutschen Lesepublikum sehr fremd erschienen sein muß. Dr. Heinrich Ehrenfried Luther, Besitzer der Egenolffschen Schriftgießerei, war durchaus stolz darauf, daß die Produkte seines Betriebes in der Neuen Welt Fuß gefaßt hatten. Gern verteilte er amerikanische Druckwerke, die in seiner Type gedruckt worden waren, an einflußreiche Persönlichkeiten und Bekannte in Europa. Einer der Nutznießer dieser Großzügigkeit war der Premierminister Kurhannovers und Kurator der Göttinger Universität, Gerlach Adolf Freiherr von Münchhausen, mit dem Luther auch wegen der Werbung für Einwanderer korrespondierte. Luther gehört wie Münchhausen übrigens zu den wenigen Persönlichkeiten, die Benjamin Franklin während seines kurzen Deutschlandaufenthaltes im Jahr 1766 aufsuchte. Die zahlreichen Belegexemplare für die frühe deutschsprachige Buchproduktion in Pennsylvania, die Luther nach Hannover sandte, landeten nach dem Willen des Kurators von Münchhausen prompt in einer seiner Lieblingsgründungen, der Göttinger Universitätsbibliothek, so daß sich heute in Göttingen eine ausgezeichnete Sammlung deutschamerikanischer Drucke der Frühzeit findet. Ein Teil dieser Drucke gehört noch heute zu den ganz seltenen, ja in wenigen Fällen zu den einzigen überlieferten Exemplaren. Dazu gehört auch Sauers erster Almanach mit dem Titel: "Der Hoch-Deutsch Amerikanische Kalender auf das Jahr 1739. Eingerichtet vor die Sonnenhöhe von Pennsylvanien jedoch in den angrenzenden Landen ohne merklichen Unterschied zu gebrauchen... " Vierzig Jahre lang haben Sauer und seine Nachfolger diesen Almanach gedruckt und herausgegeben. In späteren Jahren soll es zu Ausgaben von bis zu 10000 Exemplaren gekommen sein. Almanache blieben für lange Zeit Hauptprodukt und kommerzielle Basis der kolonialen Buchdruckerei. Dies gilt für die Sauers ebenso wie für Benjamin Franklin und seine englischsprachigen Kollegen. Da die Siedlung sich nur an einigen wenigen Hafenorten entlang der Küste konzentrierte, sonst das Land aber durch einzelne, oft weit auseinanderliegende Farmen besiedelt wurde, waren zuverlässige Kalender für die große ländliche Bevölkerung unerläßlich. Neben einem Kalendarium, das außer - meist unzuverlässigen - Wettervorhersagen, Sonnen- und Mond-, Auf- und Niedergang sowie die Sonntagsevangelien angab, enthielten die Kalender einen umfangreichen Apparat von weiteren Informationen: Gerichtstage und Markttage der verschiedenen Staaten des Vertriebsbereichs, Entfernungstabellen für die öffentlichen Straßen, Umrechnungs- und Zinstabellen sowie Sinnsprüche und Lebensweisheiten, wie sie Benjamin Franklin mit seinem berühmten "Poor Richards Almanac" bereits in den Kolonien bekannt gemacht hatte. Daneben fanden sich praktische Ratschläge für den ländlichen Haushalt, eine Reihe von Kleinanzeigen und eine Liste der beim Buchdrucker des Almanachs verkäuflichen Bücher, wobei in der Regel auch Importe angezeigt wurden. Im Jahr 1738 druckte Sauer ebenfalls ein kleines deutsches ABC-Buch, von dem leider kein Exemplar erhalten geblieben ist, und er begann für die Siebentäger Gemeinschaft in Ephrata, Pa. ein Gesangbuch von über 800 Seiten zu drucken. Als Neuling im Druckergewerbe mußte er bei diesem ehrgeizigen Projekt durchaus Lehrgeld zahlen, fand aber zugleich Unterstützung und Belehrung durch einige Brüder der Gemeinschaft, die schon zuvor in Deutschland im Druckhandwerk und im Korrekturlesen Erfahrung gesammelt hatten. Zwar kam es bei dieser Zusammenarbeit zu einem Zerwürfnis zwischen Sauer und seinen Auftraggebern, aber der Neuling sammelte bei diesem ersten größeren Projekt so viel Erfahrung, daß seine Druckerei in Germantown für lange Zeit die produktivste und einflußreichste deutschsprachige Druckpresse in den Kolonien wurde. Wichtiger noch als der Almanach wurde die im Jahr 1739 erstmalig von Sauer gedruckte deutschsprachige Zeitung, die unter wechselnden Titeln bis zum Oktober 1777 in Germantown erschien. Das wichtigste und ehrgeizigste Verlagsprodukt der Frühzeit aber war die Germantowner Bibel von 1743, die erste in den Kolonien in einer europäischen Sprache gedruckte Vollbibel im Quartformat. Da Sauer neben dem vollen Text der Lutherschen Übersetzung der orthodoxen Halleschen Ausgaben, seiner religiösen Überzeugung entsprechend auch einige apokryphe Texte mit aufnahm, geriet er in die Kritik der reformierten und lutherischen Prediger in den Kolonien. So mußte er das Titelblatt ändern, um die Bibel verkaufen zu können. Die etablierten Kirchen aber bevorzugten und empfahlen weiterhin deutsche Importe. Bereits 1741 hatte Sauer das Vorhaben in seiner eigenen und auch in amerikanischen Zeitungen angekündigt, 1200 Exemplare wurden schließlich gedruckt. Erst im Jahr 1763 druckte Sauers Sohn, Christoph Sauer II eine neue Auflage, eine dritte druckte die Familie Sauer im Revolutionsjahr 1776. Der Bibeldruck muß die Kräfte der Sauerschen Offizin auf das äußerste angespannt und sehr viel Kapital gebunden haben, zumal sich der Absatz als schleppend erwies. Offenbar hat Sauer sehr viel Papier auf Kredit von Franklin bezogen, so daß er in den Jahren 1744 bis 1748, wie Franklins Geschäftsbücher ausweisen, Schulden in der Höhe von 66 Pfund Sterling machen mußte. Im Juni 1749 trug er diese Schuld dann ab, indem er Franklin deutsche Drucktypen im Wert von über 40 Pfund überließ, den Rest der Schuld konnte er durch Barzahlung abtragen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Sauer in den Kolonien schon nicht mehr das Monopol auf deutsche Drucktypen. Im Jahr 1745 hatten die Siebentägerbaptisten in Ephrata selbst begonnen, im beliebten deutschen Gewand zu drucken, und seit 1747 druckte Gotthard Armbrüster in Philadelphia, wahrscheinlich in Franklins Auftrag und mit Franklins Kapital Almanach, Zeitung und Flugschriften in deutscher Fraktur. Das Mißtrauen der etablierten Kirchen gegen den Separatisten Christoph Sauer verschaffte den mit Franklin kommerziell verbundenen Pressen so manchen wichtigen Auftrag. So blieb es Franklin vorbehalten, den ersten Katechismus für die Reformierten (1742, noch in Antiquatype) und die Lutherischen Genreiden (1749, in Fraktur) in Amerika zu drucken, ebenso druckte sein Geschäftspartner Gotthard Armbrüster im Jahr 1748 das erste englische Sprachlehrbuch für die deutschen Einwanderer und für wenige Jahre einen Almanach mit einem bestechend schönen ganzseitigen Titelholzschnitt. In Partnerschaft mit Johann Böhm sollte Franklin dann in den Jahren 1749 bis 1751 einige der ästhetisch gelungensten deutsch-amerikanischen Drucke hervorbringen. Besonders bemerkenswert ist hier Johann Arndts Sechs geistreiche Bücher vom wahren Christentum aus dem Jahr 1751, ein reich illustriertes Werk von über 1300 Seiten, für das die Kupfer in Deutschland hergestellt wurden. Christoph Sauers Presse produzierte gleichzeitig geistlich erbauliches Schrifttum, eine Reihe von Gesangbüchern und Schultexten für den geistlichen Unterricht und natürlich Almanach und Zeitung. Für sein Verlagsprogramm und seine politische Haltung besonders typisch war ein kleiner, heute sehr seltener Druck im Quartformat, den er in Einzellieferungen an die Abonnenten seiner Zeitung verteilte: "Der Neue Charter. Oder Schrifftliche Versicherung. Der Freyheiten. Welche William Penn. Esq: Den Einwohnern von Pensylvannien und dessen Territorien gegeben. Aus dem Englischen Original übersetzt. Germantown ... 1743. " In Glaubensdingen als Separatist im besten Sinne des Wortes stets mißtrauisch gegen die organisierten Kirchen und etwaige Einigungsbestrebungen, in politischen Dingen stets auf der Seite der herrschenden, jegliche politische Veränderung scheuenden Quakerpartei war Sauer ein Dorn im Fleisch eines jeden progressiven Kolonialpolitikers. Benjamin Franklin und seine politischen Freunde hatten mit Sauer manchen Kampf auszufechten, und es sollte noch lange dauern, bis die zahlenmäßig starke deutsche Wählerschaft der Kolonie den politischen Fortschritt auf breiter Front mittragen sollte. |
|||||
REIMER ECK, Leiter der Fachabteilung Großbritannien und Nordamerika der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, ist Mitherausgeber der Bibliographie the First Century of German Language Printing in the United States of Amerika. |
|||||
|
|