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3. bis 29. März 2020

Es gibt auch ein Stummfilm-Leben nach der Retrospektive der Berlinale. Im März präsentiert das Zeughauskino sechs Filme des Wiener Regie-Ehepaars Louise Kolm und Jakob Fleck, die in Zusammenarbeit mit der Berliner Produzentin Liddy Hegewald entstanden sind – an allen Abenden mit Live-Musik und dank des Filmarchiv Austria in neu restaurierten Fassungen. Wir freuen uns, am 3. März 2020 um 20 Uhr Nikolaus Wostry, den Leiter der Filmsammlungen des Filmarchiv Austria als Gast und Referenten begrüßen zu dürfen, ehe der Stummfilmpianist Richard Siedhoff das Melodram Mädchen am Kreuz (D 1929) am Flügel begleiten wird. Im Rahmen der folgenden Stummfilmkonzerte werden neben Richard Siedhoff auch Peter Gotthardt, Eunice Martins und Camille Phelep zu erleben sein.

Die 1873 geborene Wienerin Louise Kolm-Fleck gehört zu den Pionierinnen des österreichischen Films und weltweit zu den ersten Frauen, die Regie führten. Zusammen mit Jakob Fleck und ihrem Ehemann Anton Kolm ist sie ab 1910 am Aufbau der österreichischen Filmindustrie beteiligt. Sie gründet Produktionsfirmen, verfasst Drehbücher und führt Regie. Als Anton Kolm 1922 stirbt, setzt sie die Zusammenarbeit mit ihrem Firmenpartner Jakob Fleck fort. Zwei Jahre später heiraten die beiden und machen als „Regie-Ehepaar“ von sich reden.

In Deutschland, wo das Ehepaar Fleck seit 1926 lebt, entstehen bis 1931 25 Filme, vor allem für die Berliner Hegewald-Film. Dem Werdegang der Flecks vergleichbar hatte die Unternehmerin Liddy Hegewald ab 1909 in Sachsen und Sachsen-Anhalt eine Kinokette aufgebaut, ehe sie auch als Produzentin und Verleiherin tätig wurde. In Berlin erweitern die Flecks die Produktionspalette von Hegewald, die bis dahin vor allem auf Detektivfilme setzte. Nun entstehen Literaturverfilmungen wie Der Meineidbauer (1926), Wienfilme und Adaptionen von aktuellen Operettenerfolgen, etwa Der Orlow (1927). Mit den Titeln Frauenarzt Dr. Schäfer(1928) und Das Recht auf Liebe (1929) bedienen sie zudem die Mode der Problemfilme.  

Die rasch produzierten Filme, die Louise und Jakob Fleck bei Hegewald-Film inszenieren, müssen ohne große Budgets auskommen. Zwar werden bekannte Stars engagiert, für eine sorgfältige Stoffentwicklung, Drehbucharbeit und Inszenierung fehlt jedoch oft die Zeit. Die spitzzüngige Berliner Filmkritik rechnete mit den Fleck-Filmen immer wieder harsch ab, konstatiert aber auch, dass diese außerhalb der Großstädte gut ankommen. Statt von Hinterwäldlern ist von „treuen Hegewäldlern“ die Rede, die der Firma zum Erfolg verhelfen. Und tatsächlich landen Filme der Flecks zwischen 1927 und 1930 immer wieder auf den Erfolgslisten der Branchenpresse.

Nach ihrer Rückkehr nach Österreich 1933 reüssieren die Flecks auch im Tonfilm, doch die politischen Verhältnisse machen es ihnen schwer. Jakob Fleck wird als Jude diskriminiert und nach dem „Anschluss“ inhaftiert. Im Januar 1940 gelingt den Eheleuten die Ausreise nach China. Liddy Hegewald hingegen bleibt im nationalsozialistischen Deutschland, wo sie allerdings nicht mehr als Filmproduzentin arbeiten darf. Sie stirbt wie Louise Fleck 1950, Jakob Fleck drei Jahre später.

Die Retrospektive Kolm/Fleck/Hegewald folgt einer Wiederentdeckung der Filme von Louise Kolm-Fleck auf der letztjährigen Viennale, wo das Filmarchiv Austria Neurestaurierungen von sechs Produktionen der Hegewald-Film präsentierte