Marianne
Birthler
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Schauspielerin
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Bis heute
ist nicht beantwortet: Wer hat die Befehle gegeben, wer hatte die
politische Verantwortung, wer hat befohlen, daß Polizisten aufgehetzt
wurden und Angst vor der Bevölkerung hatten. Wer hat ihnen gesagt,
daß man sie auf dem Alexanderplatz aufhängen würde.
Der vom Berliner Magistrat gestern Vormittag auf öffentlichen
Druck hin eingesetzte Untersuchungsausschuß befriedigt noch
nicht, weder in Hinblick auf seine Zusammensetzung noch auf seine
Zielsetzung. Offenbar wurde in einer eiligen Aktion versucht, der
Entstehung einer wirklich unabhängigen Untersuchungskommission
zuvorzukommen, die gestern nachmittag gebildet wurde. All das ist bitter notwendig, aber wir sollten bei alledem nicht vernachlässigen, daß diese Rechte gesichert werden müssen, daß heißt, wir müssen über die Fragen der Macht nachdenken und darüber, wie Macht kontrolliert werden kann. Christoph Hein hat kürzlich die Frage gestellt, was Menschen veranlaßt hat, so zu handeln. Er fand eine schlimme Antwort: Weil sie dachten, wir würden weiter schweigen. Es hat nicht funktioniert. Wir haben nicht geschwiegen. Der gewaltige Unterdrückungsversuch hat eine für die DDR einmalige Welle von Mut und Solidarität bewirkt. Zu alledem, zum Leiden und zur Solidarität der letzten Wochen, gibt es zahllose Geschichten, wie Menschen verändert wurden. Wir werden uns morgen und in der nächsten Zeit nicht ausruhen können. Noch sind Menschen unschuldig in Haft, für die wir uns einsetzen werden. Wer im Zusammenhang mit dem 7. Oktober bestraft wurde, wurde zwar amnestiert, aber, eine Amnestie ist ein Gnadenakt und keine Gerechtigkeit. Wir fordern Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer. Überhaupt gibt es viel zu tun. Abrüstungsprogramme für Wasserwerfer und ähnliche Geräte müssen entwickelt und durchgesetzt werden. In dem Betrieben krempeln Werktätige ihre Gewerkschaften um oder gründen lieber gleich neue. Studenten organisieren sich. Die Oppositionsgruppen kämpfen mit Papiermangel und anderen technischen Tücken. Lehrer tun sich zusammen, um etwas zu verändern und so weiter und so weiter. Wer etwas tun will, hat viel Auswahl.
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