Eckehard Schall
 
 
Theaterregisseur und Schauspieler
seit 1952 Schauspieler am Berliner Ensemble

Stellv. Intendant seit 1977
 
     
 
Es drängt mich, heute hier an dieser Stelle vor den Teilnehmern einer genehmigten Demonstration den vielen Tausenden ein lautes Lob auszusprechen, die in den sogenannten ungesetzlichen Demonstrationen der letzten Wochen der Partei die Möglichkeit einer Veränderung und eines Neubeginns abgetrotzt, ja abgezwungen haben. Nicht die vielen Protestschreiben, Beschwerden und Vorschläge haben etwas erreicht, sondern ausschließlich der Druck der Straße, der selbstverständlich verboten war, wie schon die Aktionen der revolutionären Sozialdemokraten im vorigen Jahrhundert. Nur der Druck der Straße hat die verhärtete n Strukturen der Partei- und Staatsführung aufgebrochen und den Anfang einer Veränderung möglich gemacht. Meinen Dank all diesen mutigen und friedlichen, ich betone das, friedlichen Demonstranten in vielen Städten der DDR. Ohne Sie hätte sich nichts verändert. Daß es friedliche Demonstranten gegeben hat, ebenso wie unfriedliche Polizisten, Rowdys auf beiden Seiten, ist unbestritten. Aber ich muß feststellen, daß die Brutalität von Sicherheitskräften schwerer wiegt und schlimme Erinnerungen weckt. Wir alle müssen jetzt lernen, neu miteinander umzugehen. Und neben dem neuen Umgang miteinander sollten wir eines nie wieder vergessen, was wir jetzt bitter schlucken mußten: Es gibt keine Einheit mehr, international nicht und national nicht, weder in den Klassen, noch in den Parteien. Streichen wir dieses Wort Einheit aus unserem Vokabular. Es geht nur noch um Mehrheiten, die sind allerdings schwerer zu gwinnen als eine nur behauptete Einheit, eine abverlangte, eine verlogene Einheit. Sorgen wir dafür, daß die DDR ein wirkliches sozialistisches Gemeinwesen wird, was mehr ist, als ein sozialistischer Staat.
 
         
 
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