Impressionen der Ausstellung
In den 50er Jahren wurde Ludwig Erhards Programmschrift "Wohlstand für alle" in einem Maße Wirklichkeit für die Bundesbürger, wie es sich im ausgehungerten Nachkriegsdeutschland nie-
-mand hätte träumen lassen. Fast zehn Millionen Menschen waren bis 1950 aus den ehema-ligen deutschen Gebieten und der Sowjetischen Besatzungszone in die Westzonen geflüchtet. Die Wohnungslage war katastrophal, die Industrie in Teilen zerstört oder demontiert, und zwei Millionen Arbeitslose gaben eher zu düsteren Prognosen Anlaß.

Der am 25. Juni 1950 beginnende Koreakrieg verhalf der Bundesrepublik zu einem ersten Wirtschaftsboom und stärkte ihre Position als potentieller Bündnispartner des Westens. 1953 kam das Wirtschaftswunder langsam auf Touren; seit 1955/56 herrschte weitgehend Vollbeschäftigung. Eine "nivellierte Mittelstandsgesellschaft", im Konsum vereint, etablierte sich. Freßwelle, Beklei-
dungswelle, Wohnwelle, Reisewelle und Motorisierungswelle überrollten die Republik. In zahlreichen Mißwahlen manifestierte sich das "Fräuleinwunder". Der Blick nach Westen gab nicht nur dem Bonner Teilstaat seine politische Ausrichtung, sondern bescherte auch Modetrends wie das "Hula-Hoop"-Fieber. Ende der 50er Jahre setzte sich schließlich
das Fernsehen als neue Autorität in deutschen Wohnzimmern durch. Nicht zuletzt der Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Ungarn bei der Weltmeisterschaft 1954 in Bern hob das Selbstwertgefühl der Westdeutschen wieder.Wenige Monate später regelten die Pariser Verträge die Beendung der Besatzungsherrschaft und den Eintritt der Bundesrepublik in die NATO. Das Gefühl "Wir sind wieder wer!" gewann an Boden. Im September 1955 flog der Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Moskau und erreichte die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen.

Dennoch erschöpfte sich die Lebenswelt der 50er Jahre keineswegs im fröhlichen Konsum. Trümmer, Flüchtlings- und Kriegsheimkehrerelend waren für manche Menschen noch lange Realität. Die Situation im östlichen Teilstaat, der Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 und der sich verschärfende Ost-Westkonflikt hielten die deutsche Frage offen, auch wenn sich die meisten Westdeutschen
vorläufig mit der Teilung abgefunden hatten. Die unbefriedigenden Ergebnisse der Entnazifizierung, überhaupt der hilflose Umgang mit der jüngsten Vergangenheit, belasteten besonders die Beziehung zwischen Intellektuellen und Staat. Wiederbewaffnung, Wehrpflicht und die drohende atomare Aufrüstung mobilisierten die Protestbereitschaft vieler Bürger. Adenauers Wahlslogan "Keine Experimente!" war Ende der 50er Jahre bereits ein "Auslaufmodell".

Photographien aus dem Bildarchiv des Deutschen Historischen Museums zeigen die 50er Jahre als liebenswert-bizarre Konsumwelt aus Nylon, Perlon und Trevira; sie lassen aber auch die Brüche und Verwerfungen des geteilten Nachkriegsdeutschlands durchscheinen.

 

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