1954 wählte das Nachrichtenmagazin "Time"
den 77jährigen Konrad Adenauer zum "Mann des Jahres". Trotz dieser
prägenden Vatergestalt gab sich die westdeutsche Bevölkerung
jung, modern, weltoffen, dynamisch und vergeßlich. Die Nation
verschwand im Sauseschritt der Wohlstandsjahre. Durch die Verbrechen
des Dritten Reiches und deren Aufdeckung in den ersten Nachkriegsjahren
waren Begriffe wie Deutschland, Vaterland, Nation und Ehre diskreditiert,
die neuen Leitbilder hießen Bundesrepublik, Westen, Industrienation,
Lebensstandard und Wohlstand. Der wachsende Wohlstand gewährte
Zufriedenheit, die Schutzmächte sicherten militärische Sicherheit.
Man war noch einmal davon gekommen, und die Zukunft sah - jenseits der
Deutschen Frage und der militärischen Bedrohung zwischen Ost und
Wes t- rosig aus: Westdeutschland war strategisch, politisch und wirtschaftlich
für Westeuropa und die USA wichtig geworden und damit Partner.
Mit dem 8. Mai hatte man auf alliierten Befehl die Verantwortung abgeben
müssen und richtete sich nun im nachhinein vortrefflich damit ein.
Im kulturellen Wettstreit der Siegermächte
erfuhren die Westdeutschen und Westberliner die Kultur der westlichen
Zivilisation: abstrakte Malerei aus Frankreich und Amerika, englisches
und französisches Theater, Existenzialismus aus Frankreich, Jazz
und Rock'n Roll aus Amerika, Filme aus Hollywood und Italien, Mode aus
Paris. Die Zauberworte hießen Modernität und Mobilität.
Letztere versetzte in einen glückhaften Zustand durch den Besitz
eines eigenen Wagens - zumindest eines Motorrollers. Das erste "Drive-in"-Restaurant
eröffnete im Dezember 1951 in Hamburg. 1953 hatte VW schon über
500000 "Käfer" gebaut, ein Jahr zuvor gab es 170000 Neuzulassungen
von Fahrzeugen - überwiegend Zweiräder. Der amerikanische
Traum von der automobilen Gesellschaft fand seine erste, wenn auch bescheidene
Verwirklichung. Das Vorbild Amerika lockte in vielfältiger Beziehung.
Kein Wunder, daß 1950 noch über 500000 Bundesbürger
den Wunsch äußerten, nach Amerika auszuwandern. Aber die
Einwanderung war kontingentiert. In die Vereinigten Staaten durften
insgesamt nur 26000 einwandern. Als Ersatz kam alles, was Rang und Namen
hatte, nach Old Germany. Die amerikanische Jazz-Elite gab 1953 zwischen
München und Hamburg ein Konzert nach dem anderen und fand ein begeistertes
Publikum. Seit 1958 brach Elvis Presley mit allen Vorstellungen, die
ein deutscher Konzertbesucher bisher über den Vortrag eines Liedes
gehabt hatte.
Wenn schon nicht nach Amerika, so reiste man doch
viel und gern.