aufbau
west - aufbau ost Die Planstädte Wolfsburg und Eisenhüttenstadt in der Nachkriegszeit |
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"Wo
einst nur Sand und Kiefern waren ..."
Zur Vorgeschichte von Eisenhüttenstadt Bis heute heißt es immer wieder, daß dort, wo 1950 die erste Neugründung einer Stadt der DDR begann, nur Sand und Kiefern gewesen seien. Dies ist jedoch eine Legende, die sich über vierzig Jahre gehalten hat. Tatsächlich zählte die Region bei Fürstenberg an der Oder im Zweiten Weltkrieg zu den Schwerpunkten der Rüstungsindustrie im Berliner Umland. Es gab hier ein großes Chemiewerk der Degussa, einen Betrieb von Rheinmetall-Borsig zur Herstellung von Kriegswaffen, eine Aluminiumhütte sowie ein Großkraftwerk der Märkischen Elektrizitätswerke, das aber nicht mehr ans Netz ging. Außerdem wurde die Argus-Motorenfabrik aus dem bombengeschädigten Berlin nach Fürstenberg ausgelagert. Im Dezember 1939 errichtete die Deutsche Wehrmacht hier ein Kriegsgefangenenlager, das sogenannte "M Stalag IIIB". Zeitweilig waren mehr als 40.000 Kriegsgefangene aus elf Staaten darin untergebracht. In der Nähe befand sich ein Nebenlager des KZ Sachsenhausen. Die Arbeiter für die neuerrichteten Industrieanlagen kamen aus diesen Lagern. Mehr als 4.000 von ihnen überlebten die menschenverachtenden Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht. Nach Kriegsende wurden die Betriebe restlos demontiert und in die Sowjetunion verbracht. Im Mai 1947 erfolgte die vollständige Zerstörung aller oberirdischen Anlagen. Genau hier sollte die erste neue Stadt der DDR entstehen, die steingewordene Vision einer sozialistischen Zukunft. Die Vergangenheit dieser Gegend wurde lange Zeit verschleiert. Dafür gab es zwei Motive: Zum einen waren sowjetische Demontagen ein Tabu, zum anderen sollte der Mythos des Neubeginns nicht durch die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit getrübt werden. Der neue Staat brauchte die Legende des neuen Anfangs. |
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Degussa 1939 forderte das NS-Regime auch die "Deutsche Gold- und Silber-Scheide-Anstalt" (Degussa) in Frankfurt/M. auf, "Ausweichfabrikationsstätten in wehrwirtschaftlich günstiger Lage" zu schaffen. In Erwartung eines Bombenkrieges mit Frankreich und England erschien das im Osten Deutschlands gelegene Fürstenberg an der Oder als geeignet. Die Kleinstadt lag an der Mündung des Oder-Spree-Kanals in der Nähe neuer Braunkohlegruben und Kraftwerke. 1941 begann die Degussa hier mit den Bauarbeiten für ihr neues Chemiewerk "F". Es nahm Ende 1943 die Formaldehydproduktion auf. Als Arbeitskräfte mußten die Kriegsgefangenen des benachbarten "M Stalag IIIB" herhalten. |
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"M Stalag IIIB" Fürstenberg
an der Oder |
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"Sowjetischer
Heldenfriedhof" Über 4.000 sowjetische Kriegsgefangene überlebten das Stalag IIIB nicht. Die ersten Toten wurden auf dem Fürstenberger Friedhof beerdigt. Die Mehrheit wurde jedoch ab 1941 in zwei Massengräbern verscharrt. Dagegen bekamen die 128 Toten anderer Nationen einen Platz auf dem Städtischen Friedhof Fürstenberg. Nach dem Krieg ließ die sowjetische Besatzungsmacht über beiden Massengräbern Ehrenfriedhöfe anlegen. Der größere der beiden wurde 1948 noch einmal aufwendig umgestaltet. 1951 wurden die Toten auf den "Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" mitten in der Wohnstadt des EKO umgebettet. Die Inschrift ihres Ehrengrabes erklärte sie zu gefallenen Helden der Roten Armee. Ihre Kriegsgefangenschaft, die sie nach Stalins Deutung zu Vaterlandsverrätern gemacht hatte, blieb ausgeblendet. Ihr Tod besiegelte nun symbolisch das politische Bündnis mit der Sowjetunion. |
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