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aufbau west - aufbau ost
Die Planstädte Wolfsburg und Eisenhüttenstadt in der Nachkriegszeit

Die Wolfsburger "Nordhoff-Ausstellungen"

Bis heute berühmt sind die acht Kunstausstellungen, die das VW-Werk zwischen 1952 und 1967 in Wolfsburg veranstaltete. Unter kaum mehr vorstellbar provisorischen Bedingungen wurden Kunstwerke gezeigt, die inzwischen so gut wie nicht mehr verliehen werden. Wie so häufig, hatte auch hier VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff die Initiative ergriffen. Man habe Arbeitsplätze und Wohnungen geschaffen, nun müsse auch das Bedürfnis der Bevölkerung nach Kultur befriedigt werden. Am Anfang stand 1952 eine große Franz-Marc-Ausstellung. Als Räumlichkeiten dienten Klassenzimmer der neuerrichteten Goetheschule. Zwölf Jahre nationalsozialistischer Kunstdoktrin hatten die Sehgewohnheiten der Besucher geprägt. Nun sahen sie Werke eines Künstlers, der noch vor kurzem als "entartet" gegolten hatte: Gemälde ohne vordergründig politischen Inhalt, in starken Farben und expressiven Formen. Nordhoff wollte den Blick der Besucher - darunter viele Arbeiter des VW-Werkes - für "eine neue Welt der Harmonie von Farbe und Form" öffnen. Zunächst belächelten Presse und Fachwelt die Ausstellungen. Doch bald reiste das Publikum von weit her an. Nordhoff und seinem Berater, dem Kunsthändler Franz Resch, gelang es immer wieder, Werke von Weltrang nach Wolfsburg zu holen. So sahen die Besucher vier Jahre nach den Gemälden Franz Marcs die Ausstellung "Deutsche Malerei" mit rund 200 Arbeiten, z. B. von Caspar David Friedrich, Carl Spitzweg, Max Beckmann und Emil Nolde. Die große Retrospektive zum hundertsten Geburtstag von Lovis Corinth fand nicht etwa in einer der großen deutschen Gemäldegalerien statt, sondern in Wolfsburg. 1967 schließlich, im Jahr vor Nordhoffs Tod, kamen rund 100.000 Besucher zur spektakulären Vincent van Gogh-Ausstellung - weit mehr Menschen, als zu dieser Zeit in der Stadt wohnten
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Hinweis für den Besucher

Heinrich Nordhoff und sein Berater, Franz Resch, zeigten die Gemälde Franz Marcs in dem Wissen, daß sie den Wolfsburgern hochrangige Werke moderner deutscher Malerei präsentierten. Welche Entwicklung die Bewertung von Kunst in den folgenden vierzig Jahren aber nehmen würde, konnten sie nicht ahnen. Die Gemälde, die sie 1952 noch in einer Schule zeigten, gehören heute zu den ›Ikonen‹ der internationalen Kunst. Sie stehen für temporäre Ausleihe so gut wie nicht mehr zur Verfügung. Da es in unserer Ausstellung um einen historischen Vergleich zweier Kunstausstellungen in zwei unterschiedlichen Gesellschaften geht, haben wir uns für eine Annäherung durch Rekonstruktion entschieden.

 

Die Franz-Marc-Ausstellung in Wolfsburg, Mai 1952

Mit der ersten Wolfsburger Kunstausstellung verfolgte Heinrich Nordhoff eine pädagogische Absicht. Er wollte nach eigener Aussage "in dieser Arbeiterstadt" gerade die Gemälde Franz Marcs zeigen, um die Bevölkerung mit Bildern zu konfrontieren, "über die nachzudenken ist und die nicht einfach mit Zustimmung oder Ablehnung klassifiziert werden können". 7.500 Besucher kamen in die Goetheschule, wo die Ausstellung nur für eine Woche zu sehen war. Es gab Führungen und kunsthistorische Vorträge. Doch das Angebot wurde nicht nur zustimmend aufgenommen. Etliche Wolfsburger ließen, noch ohne die Bilder überhaupt gesehen zu haben, ihren Vorurteilen in Leserbriefen freien Lauf: "Das ist doch dieser artfremde undeutsche Expressionismus, [...] das ist doch entartete Kunst!" Die Lokalpresse wurde vermittelnd tätig. Sie stellte Franz Marc, den in jungen Jahren der "Soldatentod" ereilt habe, gleichermaßen als Vertreter des ›typischen‹ Deutschen und als visionären Künstler dar, dessen Werk zeige, "daß Kunst abstrakt und doch Wirklichkeit" sein könne.

Franz Marc, Biografie Gelbe Kuh, Abbildung

 

 

"Mit Zeichenstift und Pinsel im Eisenhüttenkombinat Ost".
Der Maler Oskar Nerlinger im EKO


Anders als in der Bundesrepublik gab es in der jungen DDR eine für die Künstler verbindliche Kunstprogrammatik. Eine volksverbundene, parteiliche Kunst sollte zu einer "fortschrittlichen deutschen Kultur" führen. Die SED bestand auch hier auf ihrem absoluten Führungsanspruch. Der "sozialistische Realismus" stellte die Angehörigen der führenden gesellschaftlichen Klasse, die Arbeiter, in den Mittelpunkt. Sie sollten als der künstlerischen Darstellung würdig repräsentiert und zugleich zu "sozialistischen Menschen" erzogen werden. Wie dies auszusehen hatte, machte Ministerpräsident Otto Grotewohl unmißverständlich deutlich mit der Forderung, "daß die politische Kritik bei der Beurteilung unserer Kunst primär ist und daß die künstlerische Kritik sekundär ist". Mit seinen Arbeiten zum Eisenhüttenkombinat wurde der Maler Oskar Nerlinger (1893 - 1969) lange Zeit als einer der Wegbereiter des sozialistischen Realismus gefeiert. 1951 verpflichtete er sich in einem Vertrag mit dem EKO und der Staatlichen Kunstkommission, im Laufe eines Jahres ein Monumentalgemälde zum Thema EKO anzufertigen (es gilt heute als verschollen). Das Neue an dieser Aufgabe war weniger das Sujet selbst als vielmehr die Arbeitsmethode: Die Arbeiter sollten am Entstehungsprozeß beteiligt werden. Mehrere Wochen des Jahres 1952 verbrachte Nerlinger im Werk und in der Wohnstadt. Dort schuf er eine Vielzahl komplexer Studien, über die er anschließend mit den Arbeitern diskutierte. Er erhoffte sich von ihnen "helfende Kritik" auf dem Weg zu einer neuen, realistischen Kunstsprache. Ende 1952 zeigte Nerlinger seine Studien in der Wohnstadt des EKO und in Berlin. Die Präsentation der zum EKO entstandenen Studien in der festlich geschmückten Turnhalle war die erste Ausstellung in der werdenden Stadt.

 
 
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