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Der 17. Juni 1953 in Stalinstadt
Eine Dokumentation

 

Stalinstadt gehörte am 17. und 18. Juni 1953 nicht zu den Zentren des Arbeiterprotestes gegen die stalinistische Politik der SED. Diese lagen in Berlin, Leipzig und Bitterfeld sowie in den ehemaligen mitteldeutschen KPD-Hochburgen Halle, Merseburg und Mansfeld.

In den folgenden, hier erstmals veröffentlichten Dokumenten spiegelt sich die Situation am 17. Juni und in der Zeit danach im Raum Stalinstadt. Denn auch hier brodelte es, vor allem unter den Bauarbeitern.


Dokument 1

Stalinstadt, 17. 6.53
SED-Kreisleitung Stalinstadt
An die Bezirksleitung der SED
Sektor Parteiinformation

Frankfurt

Betr.: Situation vom 17. 6. 53

Die Schicht, die heute früh 6.00 begann[,] brachte die Diskussion vom Streik der Bauarbeiter in Berlin mit in unser Werk. Es wurde die Meinung vertreten, daß dieser Streik sich auch auf unsere Baubetriebe ausdehnen wird.
Bei den Kraftfahrern vom Wohnlager II wurde vom Generalstreik gesprochen.
Die Kollegen waren verärgert über die nicht termingemäße Zahlung der Löhne. (Haben noch Geld von April zu bekommen, von 1000 - 8000 DM. Diese Kraftfahrer nahmen heute früh ihre Arbeit nicht auf. Es wurde früh ein LKW über die Geleise geschoben[,] um den Ringverkehr in der Stalinstadt zu sperren.[)]
Es wurden sofort Diskussionsgruppen eingesetzt. Die Kraftfahrer haben ihre Arbeit wieder aufgenommen.
Heute früh bildeten sich an verschiedenen Stellen Diskussionsgruppen.
In der Frühstückspause wurde in den Baubuden der Stalinstadt mit den Bauarbeitern diskutiert. Die Bauarbeiter schimpften über die Normen, es wurde ihnen gesagt, daß die angeordneten Normenerhöhungen rückgängig gemacht worden sind. Nach der Frühstückspause gingen die Arbeiter ausnahmslos an ihre Arbeitsplätze.
10 Kollegen zogen um 9.00 schimpfend durch die Stalinstadt, sie schimpften[,] es wäre alles Mist, hauptsächlich schimpften sie über die Normen.
Bei den Bauhilfsarbeitern (Hucker) vom Hochbau E K sollten z.Z. die Löhne von 1,39 DM auf 1,03 DM herabgesetzt werden. Diese Koll. diskutierten in der Frühstückspause darüber. Die Kreisleitung wurde sofort davon verständigt. Den Koll. wurde mitgeteilt, daß diese Maßnahmen rückgängig gemacht werden, daraufhin gingen die Koll. wieder an ihre Arbeitsplätze.
Von der Bauunion-Spree ist gestern ein Bauführer nach Berlin gefahren, er ist noch nicht zurück gekehrt. Die Kreisleitung hat Maßnahmen getroffen, diesen Kollegen bei seiner Rückkehr sofort zu sprechen. Bei der Bauunion-Spree wollen mehrere Brigaden kündigen, mit der Begründung, heute sagt ihr so und morgen so, man kann euch nichts mehr glauben.
Der Genosse Krause berichtet:
Ein Koll. sagte, er hat in der Zeitung gelesen, daß der Genosse Ulbricht nicht mehr Generalsekretär unserer Partei ist und daß seine Beschlüsse nicht mehr verbindlich sind.
Im Wohnlager Helmut Just haben sich z. Z. (seit 11.00) viele Koll. Bauarbeiter versammelt und verlangen eine Versammlung.
Eben wurde durchgesagt, daß der Koll. Kaschewski (Schmelzer a. Ofen IV[)] mit den Koll. seiner Schicht eine Resolution an die Regierung schicken will wegen Wieder-einführung des 4 Schichten Systems. Sie sagten[,] sie wollen um die Wiedereinführung des 4 Schichten Systems kämpfen.

Bericht bis 12.00.
Instrukteur für Information

Brandenburgisches Landeshauptarchiv (LHA) Potsdam, Rep. 731, Kreisleitung Eisenhüttenstadt, IV/ 4/06/206 (unpag.).

In der Geschichtsschreibung der DDR wurde gern darauf verwiesen, daß die Hochöfner des Eisenhüttenkombinates 0st sich nicht am Ausstand beteiligten. (1) Im Eisenhüttenkombinat 0st hatten sich am 12. Juni 1953 die SED Parteileitung, die Gewerkschaft und die Betriebsleitung intern darauf verständigt, die von der Regierung verfügte zehnprozentige Normenerhöhung nicht durchzusetzen, und so den Konflikt entschärft, der anderswo das Faß zum Überlaufen brachte. Trotzdem verlief der Tag alles andere als ruhig.

Über die Vorgänge in der SED-Kreisleitung Fürstenberg berichtete erstmals ausführlicher Dagmar Semmelmann 1993 in einer auf Oral history-Untersuchungen basierenden Studie, in der die "Sicht von außen" vermittelt wird. (2)

Das folgende Dokument zeigt die Binnensicht der SED.


Dokument 2

Analyse des Überfalles auf das Parteihaus am 17. 6.1953
Vertrauliche Verschlußsache

Am 176.53 entwickelte sich in Stalinstadt eine Arbeitsniederlegung verbunden mit einer grossen Demonstration, die von Provokateuren angezettelt, ausgenutzt und geleitet wurde.
Die Kreisleitung Fürstenberg / Oder hatte die Weisung, sich mit einigen Genossen für die Agitationsarbeit bereitzuhalten und wenn notwendig, der Kreisleitung Stalinstadt in dieser Beziehung zu helfen. In den Betrieben des Kreises Fürstenberg / Oder wurden die Parteiorganisationen durch die Mitglieder des Sekretariats aufgesucht und bereits am Morgen die Agitationsarbeit in diesen Betrieben anhand der Erklärung des Politbüros zur Normenfrage angeleitet.
Die Kreisleitung Fürstenberg / Oder hatte die Anweisung, bei Demonstrationen nicht mit Gewalt einzugreifen, sondern durch Agitation zu erreichen, die Arbeiter von der Politik ihrer Partei zu überzeugen. Als wir erfuhren, dass sich eine Demonstration in Stalinstadt entwickelt, wurde festgelegt, dass der grösste Teil der Mitarbeiter und herangezogene Agitatoren aus den Grundorganisationen als Agitatoren nach Stalinstadt entsandt wurden.
Die Genossen kamen aber nicht mehr bis ganz nach Stalinstadt, weil sich die Demonstration schon in das Gebiet der Stadt Fürstenberg / O. hinzog. Die Kreisleitung erhielt erst sehr spät von dieser Tatsache Kenntnis. Hierbei muss man der VP [Volkspolizei, d. Red.] und dem MfS [Ministerium für Staatssicherheit, d. Red.] den Vorwurf machen, dass sie den Charakter der Demonstration kannten, ihn aber nicht an uns mitteilten. So waren wir bis zuletzt der Meinung, die Demonstration hätte einen friedlichen Charakter.
Auch durch die Kreisleitung Stalinstadt erhielten wir keine Informationen über die Vorgänge in Stalinstadt.
Hätte die Kreisleitung Fürstenberg / O. gewusst, dass die Demonstration unter regierungsfeindlichen und faschistischen Losungen stand, mit Knüppeln u. ä. bewaffnet war, hätten wir davon Abstand genommen, alle Mitarbeiter des Hauses bis auf ganz wenige in die Demonstration zu schicken, sondern Vorbereitungen zum ver
stärkten Schutz des Parteihauses für einen eventuellen Überfall getroffen.
Das Sekretariat erkannte den feindlichen Charakter der Demonstration erst um 17.30 Uhr, als sie vor dem Parteihaus Aufstellung nahm und Losungen, wie z. B. "Nieder mit der Regierung"
"Wir unterstützen Berlin"
"Wir wollen freie Wahlen"
"Schmeisst die Polacken aus Deutschland raus"
rief und faschistische Lieder wie "Siebst Du im Osten das Morgenrot" sangen.
Die Demonstranten sandten eine Abordnung ins Parteihaus und diese verlangten, dass die führenden Funktionäre auf den Marktplatz kommen sollen, um öffentlich zu sprechen. Diese Diskussion wurde im Eingang zum Parteihaus von 2 Mitgliedern des Sekretariats, dem Vorsitzenden der KPKK [Kreisparteikontrollkommission der SED, d. Red.] und einem Abteilungsleiter geführt. Die Rückfrage des 1. Kreissekretärs beim Gen. G. ergab, dass nicht öffentlich zu den Demonstranten zu sprechen ist. Diese Weisung wurde von uns eingehalten. Daraufhin versuchte man, uns zu provozieren, indem man die Parteifunktionäre beschimpfte und gegen sie hetzte. Daran beteiligte sich auch ein uns später bekanntgewordenes Mitglied unserer Partei, und zwar A. E., Lehrer in der Stalinstadt. Die Menge wurde von den Provokateuren zum Sturm auf das Parteigebäude aufgefordert. Infolge der geringen Zahl der im Hause verbliebenen Mitarbeiter und des Fehlens einer einheitlichen Linie gelang es den Eindringlingen, uns bis zum untersten Treppenabsatz im Gebäude zurückzudrängen. Dort kam es zum Handgemenge, in welchem wir voneinander getrennt wurden und es nicht mehr möglich war, geschlossen das Parteihaus zu verteidigen.
Zu diesen Tatsachen nahm das Sekretariat der Kreisleitung in seiner Sitzung vom 25. Juni 1953 Stellung und untersuchte die Ursachen für diese Vorkommnisse im Parteihaus der Kreisleitung Fürstenberg / Oder.
Das Sekretariat stellt folgende Ursachen fest:

1. Wie konnte es dazu kommen, dass die Rowdies in das Parteigebäude bis zum Sekretariat eindringen konnten?
Es fehlte eine einheitliche Linie für das Handeln der im Hause anwesenden Mitarbeiter.
Der 1. Kreissekretär, Gen. Ebert, der zu dieser Zeit im Hause war und die volle Verantwortung trug, war in dieser Situation kopflos geworden[,] und keine Ruhe auf die anderen Mitarbeiter strahlte von ihm aus. Als die Menschenmenge sich auf dem Marktplatz aufstellte, und der feindliche Charakter der Demonstration dadurch klar wurde, dass von ihr regierungsfeindliche Losungen gerufen wurden und sich zeigte, dass die Demonstration in eine Provokation ausgeartet war, war eine neue Lage entstanden und auch neue Entscheidungen gegenüber der vorher eingenommenen Haltung notwendig geworden. Diese neuen Entscheidungen wurden vom 1. Kreissekretär nicht gegeben.
Was hätte getan werden müssen und können?
In dieser Lage hätte alles nur auf ein Kommando hören müssen, das vom Gen. Ebert hätte übernommen werden müssen. Als die Lage ernst wurde, hätte sofort die Anwesenheit der noch im Hause verbliebenen Genossen festgestellt werden müssen und jeder mit einer bestimmten Aufgabe zur Verteidigung des Hauses beauftragt werden.
Die entstandene Lage verlangte den sofortigen Übergang zur aktiven Verteidigung des Parteihauses. Mit friedlichem Verhandeln konnte das Parteitaus nicht geschützt werden. Die Verteidigung hätte damit beginnen müssen, indem man alle Zugänge, Türen und Fenster verbarrikadiert hätte und sich die Mitarbeiter mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hätten bewaffnen müssen, um einzelnen Eindringlingen sofort entgegenzutreten.
Als die Lage bedrohlich wurde, wäre es Pflicht des 1. Kreissekretärs gewesen, sofort zu veranlassen, dass Polizei und Militärkommandantur um Hilfe zum Schutz des Parteihauses angesprochen werden mussten.
Als die Eindringlinge schon bis zum untersten Teppenabsatz gekommen waren, hätte immer noch die Möglichkeit bestanden, den Zugang zu den oberen Räumen zu sichern und auch die eingedrungenen Menschen mit Gewalt aus dem
Parteihaus zu entfernen. Das hätte so geschehen können, dass auf Anweisung des 1. Kreissekretärs die 2 Offiziere der Krs. Registrierabteilung, der Angehörige der Kriminalpolizei J. und der anwesende VP-Oberrat S. zusammengezogen worden wären. Von hieraus hätte die Aufforderung erfolgen müssen, sofort das Parteihaus zu räumen, andernfalls von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden würde.

2. Dies alles ist nicht geschehen, trotzdem es möglich war. Darum übertrug sich auch die Kopflosigkeit des 1. Kreissekretärs auf die anwesenden Genossen. Das Haus wurde ohne energischen Widerstand von den Eindringlingen besetzt.
Das Verhalten der Offiziere der Krs. Registrierabteilung, besonders des Gen. Hauptmann H., wird vom Sekretariat der Kreisleitung verurteilt. Warum:
Weil sie ebenfalls den Kopf verloren hatten. Der Gen. H. und seine Frau kamen sehr oft zum 1. Krs. Sekretär gelaufen und verlangten von ihm die Besänftigung der Menge durch das Abhalten von Referaten. Er selbst stellte sich ans Fenster und fotografierte die Menge. Nachdem er das getan hatte, verlangten die Provokateure die Herausgabe des Films. Gen. Hauptmann H. benahm sich dumm und unüberlegt, indem er sich auf eine solche Einzelaktion einliess[,] in die brodelnde Menge hineinzugehen und den Film auszuhändigen. Er nahm an, die Menge würde dann friedlich das Haus verlassen.
Diese Handlungen trugen nicht dazu bei, eine Geschlossenheit zu erlangen.

3. Das Verhalten einiger im Hause anwesender Genossen erhöhte keineswegs die Kampfkraft. Es trat besonders dadurch vor, dass eine starke Unruhe geschaffen wurde, indem ständig Diskussionen und Forderungen über öffentliches Sprechen auftauchten, trotzdem Anweisung des Genossen 1. Bez. Sekretärs nicht zu sprechen, gegeben war.
Diese Unruhe trugen besonders der Gen. S. aufgrund Anweisung des Gen. H. von der BPKK zum Abhalten eines Referates und der Gen. Hauptmann H. und seine Frau hinein.
Nicht alle der im Hause anwesenden Genossen verhielten sich diszipliniert. So hat der Genosse R., Mitglied des Sekretariats[,] ohne besondere Aufforderung das Haus verlassen, als der Sturm auf das Parteigebäude begann. Sein Verhalten ist bis heute noch unerklärlich.

4. Die zur Agitation eingesetzten Mitarbeiter des Hauses, die sich während des Überfalles auf das Parteigebäude in unmittelbarer Nähe auf dem Marktplatz befanden, fühlten sich nicht verantwortlich dafür, den im Hause verbliebenen Genossen zu Hilfe zu kommen. Besonders zu verwerfen ist die Handlungsweise des Gen. K., Mitglied der Kreisleitung und der Genn. B., Abtgl. Leiterin für Wirtschaft, die, als der Demonstrationszug sie erreichte, das Parteiabzeichen abmachten, in der Furcht[,] von den Demonstranten belästigt zu werden. Ausserhalb des Hauses befanden sich folgende Genossen, die nicht im entscheidenden Augenblick den Weg ins Parteihaus fanden:
Gen. K., Genn. B., Genn. P., Gen. N., B., T. und G.

5. Die Vokspolizei liess das Parteitaus auch vollkommen ohne Schutz. Erst sehr spät, als der Überfall seinen Höhepunkt erreicht hatte, kam ein Kommando der VP in Stärke von 10 Mann. Die VP und MfS waren von dem Charakter der Demonstration informiert[,] unternahmen aber nichts, um entweder die Partei zu verständigen oder entsprechende Sicherungsmassnahmen zu treffen.

6. Die in Fürstenberg / O. wohnenden Mitglieder der Kreisleitung standen den Ereignissen gleichgültig gegenüber, denn sie kümmerten sich nicht darum, ob das Sekretariat ihre Hilfe braucht. Die Parteiorganisationen in Fürstenberg / Oder haben nach den Ereignissen auch keine Massnahmen eingeleitet, die dem Schutz vor weiteren Provokationen gedient hätten. Einzig und allein die Parteiorganisationen des Rates des Kreises, die Parteiorganisation der Schiffswerft und die Kreisleitung der FDJ kümmerten sich darum, ob ihr Einsatz notwendig ist und leisteten auch Hilfe.

Anhand dieser festgestellten Ursachen zieht das Sekretariat folgende Schlussfolgerungen:

1. Es wird vorgeschlagen, den 1. Kreissekretär, Gen. Ebert, von seiner Funktion zu ent
binden und ein Parteiverfahren gegen ihn einzuleiten.
Begründung: Gen. Ebert hat bewiesen, dass er in dieser ernsten Lage nicht entschieden hat, wie es seiner Verantwortung zukommt. Statt die Leitung in den Händen zu behalten, hat er selbst angesichts der Eindringlinge im Hause sich nicht entschlossen, das Parteihaus zu verteidigen, sondern den Kopf verloren. Die Hauptschuld an den Vorkommnissen im Hause trifft deshalb den Genossen Ebert. Er hat damit gezeigt, dass er sich feige gegenüber seiner Verantwortung verhalten hat. Die im Hause anwesenden Mitarbeiter waren jederzeit bereit, zur aktiven Verteidigung überzugehen, wenn vom 1. Kreissekretär die entsprechende Anweisung gekommen wäre.

2. Es wird vorgeschlagen, den Genossen R. von seiner Funktion als Mitglied des Sekretariats zu entbinden.
Begründung: Der Genosse R. hat seinen Auftrag, im Hause der Partei zu verbleiben, nicht erfüllt, sondern hat angesichts des Sturmes auf das Parteitaus fluchtartig das Haus verlassen und dieses auf ungeklärte Art und Weise.

3. Die Handlungen des Genossen S. werden vom Sekretariat als richtig und besonnen angesehen. Seine Handlung, sich um Hilfe von aussen durch Polizei zu kümmern, war die richtige. Durch seinen Einsatz wurden die PKW's der Partei vor der Vernichtung geschützt.

4. Verworfen wird die Handlungsweise der Genossen Mitarbeiter, die sich unter der Menge auf dem Marktplatz befanden und trotz der Tatsache, dass das Parteihaus angegriffen wurde, nicht versuchten[,] in das Haus zu kommen, um die Kräfte der im Hause anwesenden Genossen zu erhöhen.
Verurteilt wird die Haltung des Genossen K., Mitglied der Kreisleitung, der an diesem Tage bei der Durchführung seines Auftrages[,] als Agitator der Partei unter den Demonstranten zu wirken, nicht in würdiger Form erfüllt hat. Er entfernte sein Parteiabzeichen, um nicht aufzufallen.

5. Das Sekretariat ist der Meinung, dass der Gen. Hauptmann H. sich wie ein Feigling benommen hat, aber nicht wie ein Offizier der Volkspolizei. Sein Verhalten trug dazu bei, die Stimmung der Provokateure noch mehr zu reizen und die Angriffslust zu steigern. Sein Versuch der Einzelaktion führte zu einer noch grösseren Verwirrung unter den Mitarbeitern des Hauses. Das Sekretariat empfiehlt der Bezirksleitung, Massnahmen zur Ablösung des Gen. Hauptmann H. von seiner Funktion als Leiter der Kreisregistrierabteilung Fürstenberg / Oder einzuleiten.

6. Das Verhalten des Genossen K., Leiter des VPKA [Volkspolizei-Kreisamt, d. Red.], muss
einer ernsthaften Kritik unterzogen werden. Er vernachlässigte, den Schutz des Parteihauses zu organisieren.

LHA Potsdam, Rep. 731, Kreisleitung Fürstenberg, IV / 4 / 07 / 482 (unpag.).

Über 90 Personen wurden am 17. Juni im Raum Stalinstadt verhaftet. Doch so war die Situation nicht zu beruhigen. Deshalb führte der Rat der Stadt am 7. Juli 1953 eine öffentliche Stadtverordnetenversammlung durch, die jedoch das Gegenteil bewirkte. Die Teilnehmer, Arbeiter und Ingenieure, verlangten vom anwesenden Sekretär des Rates des Bezirkes Frankfurt-Oder, daß er Ministerpräsident Otto Grotewohl wahrheitsgemäß über die Zustände in der Stadt unterrichte.

Bemerkenswert ist nicht zuletzt der Auftritt des 1. SED-Kreissekretärs von Stalinstadt, der - für einen SED-Funktionär völlig ungewöhnlich - in die Anklagen einstimmte. Da er auch danach an seiner Kritik festhielt, mußte er Anfang 1954 seinen Stuhl räumen.


Dokument 3 (Auszüge)

10. Juli 1953 [Datum des Eingangsstempels]
Rat des Bezirkes Frankfurt / Oder. Der Sekretär

An den Herrn Ministerpräsidenten
der Deutschen Demokratischen Republik
Otto Grotewohl
Berlin

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Entsprechend dem mir gegebenen Auftrag durch die Stadtverordnetenversammlung und den [sic!] Werktätigen der Stalinstadt, überreiche ich Ihnen in der Anlage einen Bericht über die Stadtverordnetenversammlung der Stalinstadt vom 7. 7.1953.
Ganz besonders die Werktätigen haben mich in der Pause und am Ende der Versammlung immer wieder gebeten, Ihnen persönlich einen ungeschminkten Bericht über das zu geben, was dort gesprochen wurde. [...]
Die Stadtverordnetenversammlung war, soweit es die Räumlichkeiten in der Stalinstadt erlaubten, von den Stadtverordneten, von den Werktätigen und der Intelligenz sehr gut besucht.
Der Oberbürgermeister erläuterte die Durchführung des neuen Kurses der Regierung und zeigte den Stadtverordneten ihre Aufgaben, die sie bei der unbürokratischen Durchführung der neuen Verordnungen zu erfüllen haben.

In seinen Ausführungen ging der Oberbürgermeister auf einige Mißstände ein, die in der Stalinstadt herrschen:
So berichtete er u.a., daß das Ministerium für Aufbau eine vollkommen losgelöste Arbeit mit den Werktätigen der Stadt leistet. Es werden nur Wohnungen gebaut und nicht die dazu gehörigen Kultur- und Erholungsstätten. Ewige Beratungen werden geführt, ob man ein großes oder ein kleines Kulturhaus in der Stalinstadt zuerst baut.
Mit den Barackenlagern hat die Stadt z.Zt. eine Einwohnerzahl von ca. 20 000. Für diese 20 000 Menschen gibt es keine Gaststätte in der Stadt. Als der Oberbürgermeister im Ministerium für Aufhau bei dem Kollegen N., der verantwortlich ist für den Schwerindustriebau, Rücksprache genommen hat über den Bauplan 1954, wurde ihm von diesem erklärt, daß er als Oberbürgermeister keinen Einblick in die Bauplanung 1954 nehmen kann, weil das eine geheime Verschlußsache ist.
In seinen weiteren Ausführungen wies der Oberbürgermeister darauf hin, daß die Wasserversorgung der Stadt außerordentlich schlecht ist. Es werden Beratungen, Beratungen und nochmals Beratungen durchgeführt mit allen verantwortlichen Stellen in Berlin, aber die Stadt hat eine so schlechte Wasserversorgung, daß es bei großer Hitze Wasser nur in bestimmten Stunden gibt. Der Bau der Wasserversorgungsanlage geht langsam und schleppend voran.
Die nach den Ausführungen des Oberbürgermeisters außerordentlich kämpferisch geführte Diskussion zeigte, daß die Stadtverordneten und auch die anwesenden Arbeiter sehr die Arbeitsweise des Ministeriums für Aufbau des Sonderbevollmächtigten kritisieren[,] und ihrer Diskussion hat man angemerkt, wie sie kein Verständnis aufbringen können, daß schon über ein Jahr von den verantwortlichen Stellen einschl. des stellvertretenden Mininisterpräsidenten Bolz, den Werktätigen der Stalinstadt Versprechungen gemacht werden, die aber nie realisiert werden.
Die Werktätigen haben in ihrer unmißverständlichen Ausdrucksweise gefordert, daß der stellvertr. Ministerpräsident Dr. Bolz in kürzester Zeit in der Stalinstadt Rechenschaft gibt, warum trotz seiner mehrmaligen Versprechungen nichts verändert wurde und warum die Wünsche der Werktätigen der Stalinstadt in der Frage der Planung, in der Frage der Architektur, in der Frage der Innenarchitektur, in der Schaffung von Versorgungsanlagen, in der Errichtung von Kultur-, Erholungs- und Sportstätten überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Als Beispiel einige sinngemäße Ausführungen der Diskussionsreden:

Helmut Dahinten 1. Kreissekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands:
- Die Stalinstadt ist weiter nichts als eine Ansammlung von Häusern, es fehlt aber alles das[,] was zu einer Stadt gehört. Durch die Presse ist uns bekannt, daß Studiengruppen in der Sowjetunion waren, die den Städtebau dort studierten. Was haben diese Menschen dort drüben studiert, hier merkt man nichts davon. 20 000 Menschen sitzen hier auf einem Fleck und sind angewiesen auf die Kneipen der umliegenden Dörfer und die paar zweifelhaften Lokale in Fürstenberg. Warum haben wir kein Kulturhaus[,] und wenn es auch nur improvisiert ist?
Das Schlange stehen der Bevölkerung beim Einkaufen ist schon zur Regel geworden. Bei uns in der Stadt gibt es weiter nichts als eine Ladenstraße; dort spielt sich das ganze Leben ab. Diese Ladenstraße besteht aber aus 5 Geschäften, vor deren Türen sich riesige Menschenschlangen bilden, die dort einkaufen.
Die Beratungen[,] die wir in Berlin geführt haben[,] waren vollkommen sinnlos. Die Pläne kommen nachher hier anders an[,] als wie wir sie in Berlin vorgeschlagen und beraten haben. [...]

Ein Arbeiter, der als Gast anwesend war, sagte:
- [. ..] In der ganzen Stadt gibt es außerdem einen einzigen Briefkasten[,] und ebenso fehlen die öffentlichen Bedürfnisanstalten. Wenn jemand austreten will in der Stadt, und das ist ja immerhin bei 20 000 Menschen und bei den sich sonst am Tage von auswärts aufhaltenden Arbeitern keine Seltenheit, dann muß man irgendwo in eine Wohnung gehen und fragen, ob man austreten kann. [...]

Ein Stadtverordneter, Oberrat der Volkspolizei[,] sagte u.a.,
- wenn über der Stalinstadt ein Gewitter ist, dann gehen die Menschen in den Häusern in die Keller, zweimal hat es schon eingeschlagen, es gibt in der ganzen Stadt nicht einen einzigen Blitzschutz[,] und die Flachdächer bieten gerade bei Gewitter eine ernste Gefahr. [...]
Die anwesenden Frauen brachten zum Ausdruck, daß sie manchmal tagelang saure Milch bekommen und nicht wissen, was sie ihren Kleinstkindern zu trinken geben sollen. [...]

Daraufhin wurden anschließend an den Sonderbevollmächtigten des Ministers für Aufbau[,] Kollegen Köhler[,] konkrete Fragen gestellt, die er sehr schlecht beantwortete und worüber sich die Werktätigen auch empörten. - Er sprach nur immer - wir können nicht, wir haben Schwierigkeiten, vielleicht[,] und wir wollen es mal versuchen.
Außerdem erklärte er, daß der Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei[,] Walter Ulbricht[,] entschieden hat, daß zunächst kein Kulturhaus in Stalinstadt gebaut wird und dafür im Jahre 1954 ein großes Kino.
Ein Arbeiter stand sofort auf und sagte:
- Ich glaube nicht, daß Walter Ulbricht das gesagt hat[,] und wenn er es gesagt hat, dann will ich wissen, zu welchem Zeitpunkt. Schwester Thea äußerte sich in ihrem Diskussionsbeitrag darüber, daß keine öffentlichen Bedürfnisanstalten bestehen. Sie hat die größte Angst, daß eines Tages irgendeine Seuche in die Stadt getragen wird. [...]

Als letzter Diskussionsredner sprach der Aufbauleiter des Eisenhüttenkombinats J.W. Stalin, Nationalpreisträger Ringel. Er sagte so ziemlich wörtlich: -
[...] Der stellvertretende Ministerpräsident Dr. Bolz traut sich nicht mehr her, weil er uns alles versprochen und nichts gehalten hat. Ich bin jetzt etwas entlastet worden durch die Planänderung in der Schwerindustrie. Ich habe den Wunsch der Kumpels durchgesetzt und habe ihnen in wenigen Tagen in ihrer Barackenstadt eine Kinobaracke aufgebaut. Nur der Staatsapparat hat versagt. Die Baracke stand in wenigen Tagen[,] aber beim Rat des Bezirkes und bei der Regierung in Berlin war es nicht möglich, eine Kinoapparatur zu bekommen.
Bei mir laufen die Bauunionen herum[,] die nichts zu tun haben, ganze Brigaden von Zimmerleuten suchen Arbeit, warum wird hier nicht koordiniert, warum setzt man sie nicht ein in der Stadt? [...]
Zu der öffentlichen Stadtverordnetenversammlung möchte ich zusammenfassend sagen:
Die Stimmung der Werktätigen und der technischen Intelligenz war auf einem Siedepunkt. Die Werktätigen, das kann man in einem
Bericht garnicht so zum Ausdruck bringen, forderten mit erhobenen Fäusten am Rednerpult, daß jetzt endgültig eine Änderung erfolgt.
Charakteristisch ist, daß in der Pause zu mir Arbeiter gekommen sind und zu mir sagten: "Das[,] was Sie heute hier erlebt haben, sagen Sie das Grotewohl, ohne daß es geschminkt wird, sagen Sie es so genau und so, wie es hier heute war."

In den Diskussionsbeiträgen kam auch immer zum Ausdruck, daß das[,] was in der Stalinstadt vorgeht, nicht der Wille der Regierung ist[,] und jetzt verlangen die Kumpels Rechenschaft.

gez. Springer
Sekretär des Rates des Bezirkes Frankfurt-Oder

Bundesarchiv, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorgansationen der DDR, NY 4090, Bl. 104 ff.

Letzten Endes beschloß die SED für den Raum Stalinstadt wie überall im Land Maßnahmen, um die Lage der Bevölkerung erträglicher zu machen.


Dokument 4

Sekretariatsvorlage
für den 9. 7. bei der Kreisleitung der SED

Das Kommunique des Politbüros des ZK der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und die Beschlüsse und die Verordnungen unserer Regierung der Deutschen Demokratischen Republik fanden in der gesamten Bevölkerung starke und freudige Zustimmung. Die Bevölkerung erkennt daraus, dass unsere Partei und Regierung stark genug ist, um die begangenen Fehler zu korrigieren. Sie sieht aus diesen Maßnahmen einen weiteren Schritt in der Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes. In den Beschlüssen und Verordnungen kommt zum Ausdruck, dass die Partei und Regierung stets bemüht sind, den Lebensstandard der gesamten Bevölkerung zu heben. Um die Verordnungen und Beschlüsse schnellstens wirksam werden zu lassen, gilt es deshalb, die Arbeit im Staatsapparat unbürokratisch durchzuführen, damit die Bevölkerung schnellstens in den Genuss aller Begünstigungen gelangt.
Vom Rat des Kreises Fürstenberg-Oder werden bezw. sind folgende Maßnahmen eingeleitet worden:
Um zu gewährleisten, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgegenständen reibungslos durchgeführt wird, überprüft die Abteilung Handel und Versorgung den gesamten Warenbereitstellungsplan bezw. die Zuweisungspläne für das lll. Quartal 1953, um festzustellen, ob die bereitgestellten Mengen zur Versorgung der Bevölkerung ausreichen. Ausserdem hat der Organisationsstab jeden Tag kurze Beratungen durchzuführen und die Voraussetzungen zur reibungslosen Versorgung der Bevölkerung zu schaffen. Zur besseren Versorgung der Bevölkerung mit Gemüse hat das Gemüseaktiv in seinen Besprechungen - Dienstag - Freitag - den Bedarf festzulegen und für eine kontinuierliche Auslieferung durch den VEAB Sorge zu tragen. Die ständige Kommission für Handel und Versorgung befasst sich ebenfalls mit den Beschlüssen und Verordnungen der Regierung, um einmal zu gewährleisten, dass breite Schichten der Bevölkerung an der Durchführung beteiligt werden[,] und die Gewähr dafür zu bieten, dass von der Abteilung Handel und Versorgung alle Maßnahmen eingeleitet werden, um die Versorgung der Bevölkerung ständig zu verbessern.
Bisher wurde für die bessere Versorgung der Bevölkerung folgendes veranlasst bezw. durchgeführt:
1. Zur Speiseeisherstellung wurde sofort 4,- to Weißzucker für HO und Privatbetriebe freigegeben.
2. Als Sonderzuteilung für Monat Juni bekam die HO 2,- to Schlachtfette und KG 0,3 to Schlachtfette zugewiesen.
3. Weiterhin wurde für den Monat Juni 100,- to Roggengebäck zusätzlich freigegeben.
4. Für die Monate Juni und Juli wurden der HO 9,- to Zucker und der KG 5,- to Zucker für den freien Verkauf freigegeben.
5. An Fischkonserven wurden sofort zugeteilt der HO 6,1 to[,] der KG 1,6 to.

6. Der KG und der HO wurde informatorisch bekanntgegeben, dass aus dem Warenbereitstellungsplan folgende Freigaben sofort erfolgen.

  Butter Margarine Schlachtfette Pflanzenöl
HO 10,67 to 33,3 to 16,8 to 5,5 to
KG 0,4 to 3,7 to 2,2 to 0,9 to


7. Frühkartoffeln werden im Laufe der nächsten Woche eintreffen, und zwar aus Importen und aus der Volksrepublik Polen. [...]

8. Die KG erhielt für den Monat Juni zusätzlich 17,- to Fleisch und Wurstwaren zur Aufstockung der Bestände.

9. Für die Versorgung der Bevölkerung mit Berufskleidung sind für das lll. Quartal 1953 von der HO und vom Konsum vertraglich gebunden:

Arbeitsanzüge 8.000
Kombinationen 300
Arbeitshosen und Mäntel 2.040
Arbeitshemden 11.000
Arbeitsblusen 700
Schürzen 570
Schwesternschürzen geschlossen 640

10. Die Versorgung derjenigen Kreise der Bevölkerung mit Lebensmittelkarten, welche seit dem 1. 4. 1953 keine mehr erhielten, ist restlos erfolgt. Karten waren in ausreichender Menge vorhanden, so dass sogar der Stalinstadt ausgeholfen werden konnte.
In Grenz- und Härtefällen wurden noch für den Monat Juni 99,9 % der Bevölkerung mit Lebensmittelkarten versorgt.

11. Für das lll. Quartal stehen folgende Kartoffelmengen zur Verfügung.

HO 190,- to
KG 850,- to
Privathandel 290,- to
Werkküchen und Grossbetriebe 160,- to

12. Agenturverträge wurden bisher 27 abgeschlossen.

Durch die Riashetze sind verschiedene Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, z.TI. Grossbauern, irregeführt worden und haben das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verlassen. Durch die Verordnung der Regierung gewinnen diese Menschen jedoch Vertrauen zu unserem Staat und zur Partei und wollen sich wieder in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik begeben. Um zu gewährleisten, dass ein Besitzer einer Landwirtschaft bei seiner Rückkehr in die DDR seine Wirtschaft wieder übernehmen kann, müssen alle bestehenden devastierten Betriebe anhand der vorliegenden Inventaraufstellung überprüft werden, um festzustellen, inwieweit sich der Bestand verändert hat. [...]

LHA Potsdam, Rep. 731, Kreisleitung Fürstenberg, IV / 4 / 07 / 352 (unpag.).

Besonders irritiert reagierten die Behörden auf die Solidarität unter den Arbeitern. Geldsammlungen für Angehörige von Verhafteten gehörten in der deutschen Arbeiterschaft zu den traditionellen Formen der Solidarität und des Widerstands. Nach dem 17. Juni kam es in vielen Streikzentren der DDR zu Geldsammlungen, auch im EKO, wie der nachfolgende Spitzelbericht zeigt.


Dokument 5

Stalinstadt, den 13. 3. 1953
SED-Kreisleitung Stalinstadt

Der Jugendfreund Horst S., geb. am 13. 10. 1935 in Fürstenberg / Oder, wohnhaft Gla[s]hüttenstr. 9, Beruf: Schlosser, beschäftigt Hochofenmechanik / Werkstatt, Schicht G., sagt aus:
Am Mittwoch, den 12. 3. 1953 gegen 13,30 Uhr sprach mich der Hilfsarbeiter Erich G. an und fragte mich, ob ich ihm DM 2,00 borgen kann. Daraufhin fragte ich ihn, wozu er das Geld benötige. Er sagte, das wäre zur Unterstützung einer Frau mit 2 Kindern, deren Mann abgeholt worden ist. Daraufhin lieh ich ihm das Geld. Ich gab ihm ausserdem noch DM 2,00 von mir mit dem Auftrag, diese dem Brigadier Rolf G. als meinen Beitrag zu überreichen. Der Koll. G. kam in diesem Moment bei uns vorbei. Er fragte den Koll. G.[,] ob er denn schon das Geld hätte, da er die Listen wegbringen wolle. Daraufhin gab ihm der Koll. G. das Geld.
[gez. Horst S.]
aufgenommen: gez. [unleserlich]

LHA Potsdam, Rep. 731, Kreisleitung Eisenhüttenstadt, IV / 4 / 06 / 170 (unpag.).

  Inhaltsverzeichnis Katalog

  Anmerkungen
1 z. B.: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 7. Von 1949 bis 1955, Berlin / DDR 1966, S. 234.
2 Semmelmann, Dagmar:"Schauplatz Stalinstadt / EKO". Erinnerungen an den 17. Juni 1953, Heft 1 und 2, Potsdam 1993.