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Kulturarbeit "ist Besseres,
Schöneres wollen und tun, ist also nicht nur Theater, Musik, Tanz, Literatur
usw., sondern ganz einfach: Besseres Leben! Das heißt aber - besser wissen,
besser können, besser machen!" (1)
Dieser Satz, mit dem der Vorsitzende der Kreiskulturkommission EKO 1953
die "Kulturarbeit" in Stalinstadt charakterisierte, könnte ebenso für
Wolfsburg in den fünfziger Jahren gelten. Beide Städte befanden sich im
Aufbau, die materiellen Bedürfnisse der Einwohner wurden nach und nach
erfüllt, der Fortschrittsglaube war ungebrochen, doch fehlten vorerst
die "kulturellen Freuden". So wurden in beiden Städten die fünfziger Jahre
nicht nur dem Aufbau des Werkes und der Stadt, sondern auch der "Kulturarbeit"
gewidmet, um auf diese Weise den Einwohnern neben dem sicheren Arbeitsplatz
in ihrer Freizeit ein "besseres Leben" zu gewährleisten. Aufgrund der
gesellschaftlichen Unterschiede in der Bundesrepublik und der DDR differierten
jedoch die Ansätze, Kultur in die neugegründeten Städte in 0st und West
zu bringen. Während in der DDR Kultur für jedermann offiziell gewünscht
und mit Leitbegriffen wie "Vorwärts zu der einen großen, gebildeten Nation"
propagiert wurde, lehnten viele Kulturpolitiker in der Bundesrepublik
das "anspruchsvolle Konzept jener "Hohen Kunst für jedermann" (2)
ab. Neben den "großen Linien" der Kulturpolitik wurde das kulturelle
Leben in der "Wirtschaftswunderstadt" und in der "ersten sozialistischen
Stadt Deutschlands" zudem - wenngleich in unterschiedlichem Maße - von
den beiden Werken mitgeformt.
In der Wohnstadt bei Fürstenberg, die für die Arbeiter des neuerrichteten
Eisenhüttenkombinates 0st (EKO) gebaut wurde, waren von Anfang an kulturelle
Einrichtungen eingeplant. Kurz nach der Gründung des EKO und der Stadt
entstanden Organisationen, die ein kulturelles Angebot für die junge Bevölkerung
aufzubauen versuchten. Kulturbund, Kulturgruppen und das Volkskunstkabinett
konstituierten sich auf der Basis der zentral in Berlin beschlossenen
Programme und Richtlinien. Da das kulturpolitische Programm der SED 1948
den "Führungsanspruch" der Arbeiterklasse mit der Forderung begründete,
daß der "schaffende Mensch mit all seinen Nöten, seinen Bedürfnissen und
Rechten" im Mittelpunkt der künstlerischen Gestaltung zu stehen habe,
(3) bemühten
sich seit 1951 SED und Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) besonders
um die Förderung einer sozialistisch orientierten Volkskunst. Nach der
ersten Deutschen Fachtagung für Volks- und Laienkunst in Berlin wurde
der FDGB aufgefordert, sich mit Unterstützung der Volkseigenen Betriebe
(VEB) besonders um die Förderung der Laienkunst zu bemühen. Eigens dafür
ausgebildete künstlerische Leiter sollten Werksangehörige, die sich in
ihrer Freizeit in sogenannten Zirkeln zusammenfanden, betreuen und anleiten.
(4) Als Treffpunkte
dienten Schulen oder von den Betrieben dafür errichtete Klubhäuser.
Im bereits 1951 erbauten Kulturhaus in der Wohnstadt bei Fürstenberg,
dem "Haus der Gewerkschaft", fanden vorerst Tanz- und Filmabende sowie
andere gesellige Veranstaltungen als Ausgleich für die Arbeit im Werk
statt. Damit war ein Zentrum für die kulturelle Arbeit mitten auf der
Baustelle geschaffen worden. (5)
Mit der Umwandlung in ein Klubhaus sollte auch das Angebot anspruchsvoller
werden. "Anspruchsvoller" bedeutete, den Wissensstand der Werktätigen
zu erhöhen. Nach den Vorstellungen des städtischen Volkskunstkabinettes
zählte auch die fachgerechte und professionelle Anleitung zum Beispiel
der Tanz-, Akkordeon- und Schalmeiengruppen dazu. (6)
Innerhalb von zehn Jahren entwickelten sich in Stalinstadt folgende Sparten
der Volkskunst: "Chor- und Instrumentalmusik", "Volkstanz", "Künstierisches
Wort" und "Bildnerisches Volksschaffen".
1945 war der "Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" (7)
gegründet worden. Prominente Wissenschaftler und Künstler strebten eine
geistig-kulturelle Erneuerung Deutschlands an, die interzonal und überparteilich
wirksam werden sollte. Doch bereits Ende der vierziger Jahre wurde der
Kulturbund in den westlichen Besatzungszonen verboten. Anfang der fünfziger
Jahre folgte er im wesentlichen den kulturpolitischen Vorgaben der SED:
Bekenntnis zur deutschen Einheit, Freundschaft mit der Sowjetunion, Bündnis
zwischen Werktätigen und Intelligenz. (8)
Der Kulturbund Stalinstadt nahm 1953 seine
Tätigkeit mit einem Vortrag über "Das Volksbildungswesen im neuen
Ungarn" auf. Sogenannte Ausspracheabende mit der "Intelligenz", Vorträge,
Lesungen mit Schriftstellern und Kunstgespräche mit Malern und Bildbauern
bereicherten das kulturelle Leben der Stadt in den folgenden Jahren. Damit
sollte der Anspruch, Arbeiter, Wissenschaftler und Kulturschaffende einander
näher zu bringen, umgesetzt werden.
Dem offiziellen "bildungsbürgerlichen" Programm standen aber Zusammenschlüsse
mit weniger weitreichenden Inhalten, zum Beispiel die "Aquarianerfreunde",
entgegen. Der Mitgliederstatistik nach bildeten die Philatelisten die
größte Gruppe des Stalinstädter Kulturbundes. Sie nutzten zwar dessen
Räume und finanzielle Mittel, widmeten sich aber hauptsächlich ihrer Sammlerleidenschaft.
So wurden 1958 noch immer einige "Schwächen" in der Arbeit des Kulturbundes
in Stalinstadt beklagt, die ein "Arbeitsausschuß für das Vortrags-
und Veranstaltungswesen" beheben sollte. Er war in der folgenden
Zeit für das Kulturprogramm verantwortlich, um die Bevölkerung auch unter
politischen Aspekten "auf den richtigen Weg zu bringen" "lm Mittelpunkt
steht das Herantragen der Probleme des dialektischen Materialismus und
des sozialistischen Aufbaus, ferner Schwerpunkte zur Verwirklichung der
sozialistischen Kulturpolitik; sie alle müssen letztlich im Vortrag, in
der Diskussion bei unseren Werktätigen zum sozialistischen Staatsbewußtsein
führen." (9)
Als zentrale Aufführungsstätte und Kulturhaus wurde 1955 das Friedrich-Wolf-Theater,
das an der Magistrale im klassizistischen Baustil entstanden war, eröffnet.
Ein Großteil des kulturellen Lebens der Stadt spielte sich in diesem Bau
ab. Das Programm beinhaltete alle Gattungen der Kunst, den Film ebenso
wie das Theater und das Konzert, die politische Satire und die leichte
Muse in jeder Form. Das Theatergebäude wurde auch als Veranstaltungsort
für Feste wie die Jugendweihe, den Internationalen Frauentag oder den
Tag der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft genutzt. (10)
In Folge der "Bitterfelder Konferenz" (11)
von 1959, mit der die SED eine neue Etappe der kulturpolitischen Bemühungen
einläutete, formierte sich auch in Stalinstadt das Ensemble des EKO zu
einem "Arbeitermusiktheater", das sowohl Theateraufführungen und Ballettabende
als auch Konzerte veranstaltete. Die Mitglieder probten unentgeltlich
in ihrer Freizeit unter der Leitung von professionellen Dirigenten und
Regisseuren, die vom EKO eingestellt wurden. Die Akteure von damals haben
zum Teil noch heute Kontakt rniteinander und schwärmen von dieser Zeit,
als sie, getragen von ihrer Begeisterung für Aufführungen und gemeinsame
Unternehmungen, Freizeit und Wochenenden für die Kulturarbeit verwandten.
In Stalinstadt sollte etwas Neues, Besseres entstehen. Den existierenden
kulturellen Einrichtungen im benachbarten Fürstenberg wurde daher keine
Unterstützung gewährt, oder sie wurden in die neu entstandenen Stalinstädter
Organisationen zwangsintegriert. Da Vereine als "kleinbürgerlich" und
"reaktionär" galten, wurden alteingesessene Vereine in Fürstenberg den
Betriebssportgemeinschaften (BSG) eingegliedert, was zu teilweise absurden
Zuordnungen führte. So stand der "Männergesangverein "Germania" 1885"
als "BSG-Motor, Sektion Chor" auf der Bühne. Der Trägerbetrieb war die
Yachtwerft Fürstenberg. Die Trägerbetriebe finanzierten ihre Betriebssportgemeinschaften,
stellten die Mitglieder für Proben, Aufführungen und Training bei Bedarf
frei und sorgten für Räumlichkeiten.
Während in Stalinstadt aufgrund der vielfältigen "von oben" unterstützten,
aber auch gelenkten Aktivitäten bald ein reichhaltiges kulturelles Programm
angeboten wurde, beklagte in Wolfsburg in den fünfziger Jahren die Bevölkerung
wiederholt das Fehlen von kulturellen Einrichtungen und Möglichkeiten
zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Die Stadtverwaltung konnte sich zunächst
auf das kulturelle Angebot des Volkswagenwerkes stützen, das bereits Ende
der vierziger Jahre berühmte Künstler wie die Berliner Philharmoniker
unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler nach Wolfsburg geholt hatte.
Außerdem veranstaltete es eine Reihe von großen Kunstausstellungen. 1947
wurde der "Kulturring Wolfsburg e.V.", der das kulturelle Leben Wolfsburgs
mit einem vielfältigen Programm wie Theatergastspielen,
Solistenabenden, Kabaretts und Orchesterkonzerten belebte, durch eine
Initiative aus der Bevölkerung gegründet. Das Orchester im Werk, Chorgemeinschaften,
Schul- beziehungsweise Laientheatergruppen luden zu ihren Aufführungen
ein. Ein Großteil dieser Aktivitäten entstand durch Privatinitiativen.
Was fehlte, waren feste Spielstätten wie ein Theater oder Kinos, die regelmäßig
Veranstaltungen anboten. Theateraufführungen fanden bis zum Bau der Stadthalle
1958 in einem Raum der Stadtwerke oder in der Aula des Ratsgymnasiums
statt. Auch hatte die schon seit längerem existierende Stadtbücherei keine
adäquaten Räumlichkeiten. Die in der nationalsozialistischen Zeit als
Veranstaltungssaal für rund 5000 Personen gebaute Tullio-Cianetti-Halle
war bei Kriegsende zerstört worden. (12)
Als Ende der fünfziger Jahre der Rat der Stadt den Bau eines Kulturzentrums
mit finanzieller Hilfe des Volkswagenwerkes beschlossen hatte, sollte
die Urbanität und Weltläufigkeit der Stadt durch einen modernen Bau ausgedrückt
werden. Das von dem berühmten finnischen Architekten Alvar Aalto entworfene
Kulturzentrum war nicht nur "als architektonisches Schmuckstück in der
Mitte Wolfsburgs", sondern auch als "Mittelpunkt des kulturellen Lebens"
(13) geplant.
Das Zentrum wurde 1962 eröffnet und beherbergte die Volkshochschule, die
Stadtbücherei, die Bildstelle, den Kulturring und das Verkehrsamt. Um
ein "offenes Haus" für alle Bürger der Stadt zu schaffen, wurde es auch
als "ein Heim der offenen Tü": für alle die eingerichtet, "die hier
Zuflucht und Geborgenheit, Besinnung und gehobene Geselligkeit suchen"
(14), vor
allem für die organisierte und auch die nicht-organisierte Jugend.
Ab Mitte der fünfziger Jahre förderte die Stadtverwaltung selbst verstärkt
Aktivitäten im kulturellen
Bereich der Stadt, was sich unter anderem in Zuschüssen ausdrückte, die
innerhalb von kurzer Zeit auf das Dreieinhalbfache anstiegen. (15)
Die kulturpolitische Zielsetzung der Stadt richtete sich in der Zeit von
1956 bis 1961 darauf, den Bürgern herausragende Einrichtungen und eine
Vielzahl anspruchsvoller Kulturveranstaltungen zu bieten. Damit hoffte
die Kommune, die Bindung des einzelnen an Wolfsburg zu vertiefen und Heimatverbundenheit
zu entwickeln. (16)
Dies äußerte sich in der großzügigen Förderung kultureller Veranstaltungen
wie Theater- und Konzertaufführungen und Ausstellungen sowie der Auslobung
eines Kunstpreises ebenso wie in der Finanzierung einer Bücherei, einer
Volkshochschule sowie eines Heimatmuseums und reichte bis zur finanziellen
Unterstützung von Kirchenbauten.
Das kulturelle Angebot vergrößerte sich in Wolfsburg rapide ab Ende der
fünfziger Jahre wesentlich basierend auf städtischen Subventionen, die
wiederum überhaupt nur möglich wurden, weil das VW-Werk mit zunehmendem
Geschäftserfolg einen gewaltigen Beitrag zum Gewerbesteueraufkommen der
Stadt leisten konnte. Die in Wolfsburg betriebene Kulturpolitik stellt
damit in gewisser Weise einen Sonderfall in der westdeutschen Kulturlandschaft
dar, indem sie das Konzept der "Hohen Kunst für jedermann" favorisierte
- und sich finanziell auch leisten konnte.
In Stalinstadt war ein breites kulturelles Angebot von Anfang an vorhanden.
Doch es wurde zentral aus Berlin gesteuert und fand in der Bevölkerung
nicht immer die gewünschte Resonanz. Der "Kulturspiegel" beklagte 1958
die leeren Zuschauerränge im Friedrich-Wolf-Theater, obwohl doch die Theater
in der DDR "nicht nur Unterhaltungs-, sondern auch Bildungseinrichtungen
[sind], die ihren Besuchern Kenntnisse und Erkenntnisse vermitteln"
(17). Dies
mag aber gerade der Grund für das geringe Interesse gewesen sein, denn
es scheint, daß Veranstaltungen der "politischen" Kulturarbeit oder der
klassischen "Hochkultur" im Vergleich zu den "kleinbürgerlichen" Aktivitäten
einzelner Zirkel weniger besucht wurden.
Das Vereinsleben in Wolfsburg entwickelte sich nach dem Kriegsende kontinuierlich,
jedoch weitgehend unabhängig von Werk und städtischen Kulturinitiativen.
Im Unterschied zu Stalinstadt griff man in Wolfsburg gezielt auf Traditionen
und Überlieferungen zurück, die vor 1938 lagen. Durch die Eingemeindung
umliegender Dörfer und Ortschaften, die bereits vor der Gründung der Stadt
des KdF-Wagens existiert hatten, gab es in der Wolfsburger Vereinslandschaft
Vereine mit vergleichsweise "langer" Tradition: Anfang der fünfziger Jahre
ging der 1905 gegründete "Schützenverein Heßlingen" in der neuen
"Schützengesellschaft Wolfsburg e.V." auf, die auf diese Weise schon nach
wenigen Jahren mit einem großen Schützenfest ihr fünfzigjähriges Bestehen
feiern konnte. Die Mitglieder der Schützengesellschaft waren hauptsächlich
Handwerker, aber auch Honoratioren der Stadt und Arbeiter des VW-Werkes.
Auch die "Wolfsburger Chorgemeinschaft von 1869 e.V." war eigentlich eine
Neugründung, hervorgegangen aus dem alten dörflichen Gesangverein der
Landgemeinde Heßlingen. Im Unterschied zum "Männergesangverein >Germania<
1885" in Fürstenberg durfte sie sich auf ihre Tradition berufen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Stalinstadt war die starke Präsenz
der zahlreichen Landsmannschaften, die in der DDR als "revanchistisch"
verboten waren. Sie vermittelten ihren Mitgliedern am neuen Wohnort ein
Gefühl von Verbundenheit und neuer Heimat und verfolgten zugleich die
allgemein von den westdeutschen Landsmannschaften propagierte restaurative
Politik zur "Rückgewinnung" ihrer ehemaligen Heimat. Seit Ende der vierziger
Jahre hatten sich in Wolfsburg die verschiedenen Landsmannschaften je
nach Herkunftsgebiet der Vertriebenen konstituiert. Mit geselligen Aktivitäten
wie zum Beispiel Weihnachtsfeiern, Faschingsveranstaltungen oder Erntedankfesten,
bei denen auch Gedichte und Lieder in Mundart vorgetragen wurden, versuchte
man, das Brauchtum in der neuen Umgebung zu erhalten. Den zweiten Schwerpunkt
der Arbeit der Landsmannschaften bildete die Unterstützung in Rechtsangelegenheiten,
zum Beispiel bei der Anmeldung von "Altostsparkonten", beim Lastenausgleich
oder beim Antrag auf Hausratshilfe.
Gemeinsam ist beiden Städten die Bedeutung des sportlichen Lebens. In
Stalinstadt stand es
in der Tradition des Arbeitersports, der schon in den zwanziger Jahren
wesentlicher Bestandteil der Arbeiterkultur gewesen war. Bereits 1948
wurde auf dem Territorium des späteren EKO die Betriebssportgemeinschaft
(BSG) "Grube Präsident" gegründet, die am 27. November 1950 als BSG "Stahl"
offiziell neugegründet wurde. Die ersten Sektionen waren Handball und
Turnen / Gymnastik; hinzu kam die Fußhallmannschaft der BSG "Stahl", die
seit 1951 in der Kreisklasse spielte. Die BSG der "VEB Bau-Union Stalinstadt"
(18) konstituierte
sich im November 1951. Ihr Träger waren die Baubetriebe der Stadt.
Die Träger finanzierten den Sportbetrieb und bauten die Sportanlagen.
Die Sportler repräsentierten aber nicht nur "ihren" Betrieb, sondern zugleich
auch die "große vaterländische Aufgabe", die "Wiedergeburt Deutschlands
als eines einigen, demokratischen und friedliebenden Staates" (19).
"Körperkultur und Sport" waren daher immer wieder Themen der Stadtverordnetenversammlungen
in Stalinstadt. Dem DTSB (20)
wurde beispielsweise "empfohlen", die sozialistische Erziehungsarbeit
weiter voranzutreiben. Jeder Sportler solle sich mit dem Studium des Marxismus-Leninismus
beschäftigen und im Jahr 1958 mindestens zehn Aufhaustunden leisten. (21)
In Wolfsburg wurde bereits in den ersten Monaten nach Kriegsende ein Sportverein
gegründet. Am 12. September 1945 konstituierte sich der Verein für Leibesübungen
(VfL) (22),
der bis heute der größte Sportverein der Stadt ist. Ein Areal von 92 000
Quadratmetern, das bis zum Kriegsende Eigentum der Deutschen Arbeitsfront
gewesen war, diente als erste Trainingsstätte. Zusammengehörigkeitsgefühl,
Geselligkeit und menschliche Wärme sollten beim sportlichen Zusammensein
vermittelt werden. (23)
Die zahlreichen angebotenen Sportarten deckten die meisten Interessen
ab. Mitglieder der Sparte Fußhall lösten sich noch im ersten Jahr vom
VfL und gründeten den "1. FC Wolfsburg e.V.", der bis zum Bau seines Stadions
auf dem Werksgelände des VW-Werks trainierte. 1955 wurde das zehnjährige
Jubiläum des "Vereins für Leibesübungen" in einer neuntägigen Festveranstaltung
gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte der VfL mehr als zweitausend Mitglieder.
In den Jubiläumsansprachen wurde immer wieder die Unterstützung des Werkes
und der Stadt für den Verein hervorgehoben, wobei diese sich wie in Stalinstadt
auch finanziell und in Arbeitsfreistellungen für die Sportler ausdrückte.
Wenngleich die Wolfsburger Sportler nicht unter dem Emblem des VW-Werkes
zu Wettkämpfen an traten,
gab es damit einen mittelbaren Zusammenhang zwischen Verein und Werk.
Neben Fußball und Leichtathletik spielte sowohl in Stalinstadt als auch
in Wolfsburg der Radsport eine wichtige Rolle. Wie sehr dieser in beiden
Städten an die Geschichte des Arbeitersportes anknüpfte, zeigt sich in
dem traditionsreichen Namen "Solidarität", den sowohl der Wolfsburger
als auch der Stalinstädter Radsportverein führten. Radrennen waren in
den fünfziger Jahren in beiden deutschen Staaten ausgesprochen populäre
Sportveranstaltungen. Unter dem Titel "Rund um das VW-Werk" fuhren die
Wolfsburger Radrennfahrer aus Anlaß des 500 000. Volkswagens, und "Rund
um das Eisenhüttenkombinat Ost" veranstaltete die BSG "Stahl EKO"; im
selben Jahr das erste Straßenrennen von Stalinstadt. Beide Rennen wurden
in den folgenden Jahren zu einer festen Einrichtung, verloren jedoch wie
überhaupt der Radrennsport im Laufe der Jahre an Attraktivität - nicht
zuletzt unter dem Einfluß der verstärkten Motorisierung der Bevölkerung.
Die Wolfsburger Vereine wurden zwar vom Volkswagenwerk in unterschiedlichster
Form unterstützt, jedoch kann keine direkte Einflußnahme des Werkes nachgewiesen
werden. Anders als die Zirkel in Stalinstadt waren sie nicht direkt an
das Werk gebunden. Das Vereinsleben in der "Volkswagenstadt" war eigenständig
organisiert. Neben ihrer Beteiligung an städtischen Festen richteten die
Vereine auch selbst Feierlichkeiten aus, zu denen die Bevölkerung eingeladen
wurde.
Auch die Wolfsburger Stadtverwaltung trat als Veranstalter von Feiern
auf. Diese sollten die Einwohner an die "junge Stadt" binden. In diesem
Sinne sollte der 1954 begangene "Tag der Wolfsburger Jugend" alle Schüler
und Schülerinnen in die Stadtgemeinschaft integrieren. Neben sportlichen
Wettkämpfen für die Schuljugend waren "volkstümliche" Veranstaltungen
dazu gedacht, auch die übrige Bevölkerung einzubeziehen. Ziel des Schul-
und Kulturausschusses war es, daraus ein Heimatfest zu entwickeln. (24)
Die Durchführung eines solchen hatte dieser bereits 1952 angeregt - allerdings
ohne Erfolg. Auch nach 1954 versuchte Wolfsburg, mit Heimatfesten Heimatgefühle
bei der überwiegend neu zugezogenen Bevölkerung zu schaffen - wiederum
ohne große Resonanz bei den Einwohnern.
Anfang der sechziger Jahre sollte durch Stadtfeste bürgerlicher Gemeinsinn
gefördert werden. "25 Jahre Wolfsburg" wurden daher am 1.Juli 1963 als
Fest der Stadt für ihre Einwohner gefeiert. Das Gründungsdatum der Stadt
des KdF-Wagens, der 1. Juli 1938, galt als Geburtsstunde Wolfsburgs, obwohl
die Stadt erst seit dem 26. Mai 1945 diesen Namen trug. Die Kontinuität
der Stadtgeschichte wurde damit offiziell anerkannt, obwohl die nationalsozialistische
Zeit im Festablauf unerwähnt blieb.
In den fünfziger Jahren organisierte das VW-Werk Feiern für "seine" Arbeiter
und die Bevölkerung Wolfsburgs. Damit sollte die Verbundenheit des Werkes
mit der Stadt demonstriert werden. Man wollte den gemeinsam erreichten
Erfolg auch gemeinsam feiern und dadurch identitätsstiftend für die Wolfsburger
Einwohner wirken. Höhepunkt war das Jubiläumsfest anläßlich der Produktion
des millionsten Volkswagens, das am 5. und 6. August 1955 als ein stadtübergreifendes,
ja internationales Fest stattfand.
An die Einzelhandels- und Handwerksbetriebe war die Aufforderung ergangen,
ihre Schaufenster besonders festlich zu dekorieren. Außerdem sollten die
Geschäfte am Sonnabend um 13.00 Uhr schließen, um allen die Möglichkeit
zu geben, an dem Jubiläum teilzunehmen. Das Festprogramm für die Bevölkerung
sah einen Festumzug, ein Fußball-Wettspiel, Unterhaltung und Tanz am Abend
vor. Begonnen wurde der Festtag mit Dankgottesdiensten, die in den Wolfsburger
Nachrichten als "Erntedankfest der Industriestadt" (25)
bezeichnet wurden. Die Kinder erhielten eine eigene Bühne, auf der Unterhaltungen
unterschiedlichster Art stattfanden.
Im Mittelpunkt des Jubiläums
standen der Volkswagen und der Generaldirektor des VW-Werkes, dessen maßgeblicher
Anteil am Erfolgsprodukt VW besonders hervorgehoben wurde. Nordhoffs Ehrung
von seiten der Stadt Wolfsburg und der Bundesrepublik Deutschland nahm
großen Raum im Programm ein. Vom Rat der Stadt Wolfsburg erhielt Nordhoff
als erster Wolfsburger
die Ehrenbürgerrechte, und Bundespräsident Theodor Heuss verlieh ihm das
Große Verdienstkreuz mit Stern des Bundesverdienstordens. Hunderte von
Journalisten aus aller Welt waren anwesend und wurden gemeinsam mit den
VW-Repräsentanten und -Händlern betreut und hofiert.
Das Symbol des bundesrepublikanischen "Wirtschaftswunders",
das Auto, wurde bejubelt. Entsprechend dem Motto "Der Volkswagen
in aller Welt" hatte sich das VW-Werk bemüht, die Welt nach Wolfsburg
zu holen. Bei den Festlichkeiten am Samstagnachmittag im VW-Stadion traten
berühmte Ensembles aus der Schweiz und Österreich, aus Schweden, Großbritannien,
Frankreich und den Niederlanden, aus den Vereinigten Staaten und aus Südamerika
auf. Musikalische und tänzerische Darbietungen sollten veran- schaulichen,
daß die "ganze Welt" mit der Belegschaft des VW-Werkes mitfeierte
- der VW als völkerverbindendes Element, das mehr Menschen zusammenbrachte
als beispielsweise Kongresse. (26)
"Jeder Volkswagen, der das Werk und damit die Stadt Wolfsburg verläßt,
gibt in aller Welt Kunde davon, daß in unserer Stadt glückliche und zufriedene
Menschen leben." (27)
Damit sollte überall der Wolfsburger als "glücklicher VW-Arbeiter"
propagiert werden. Als festlicher Höhepunkt wurden 51 Volkswagen unter
der Belegschaft verlost. Obwohl sich der Festnachmittag eigentlich nur
an die Werksangehörigen und ihre Familien richtete, wurden mehr als 140 000
Zuschauer gezählt. So waren bei diesem Spektakel hunderttausend Zuschauer
mehr anwesend, als die Stadt Einwohner hatte. Alle, die keinen Werksangehörigen
hatten, wurden zu den anderen öffentlichen Veranstaltungen eingeladen
und hatten beim Festkorso die Möglichkeit, einen Volkswagen zu gewinnen.
Den Abschluß der Festtage bildete ein großes Feuerwerk.
Auch in Stalinstadt feierte das EKO gemeinsam mit der Bevölkerung die
erfolgreiche Entwicklung
des Werkes. In Erinnerung an das Entzünden des ersten Hochofens durch
einen Jungen Pionier am 19. September 1951, der von Ministerpräsident
Otto Grotewohl die brennende Fackel überreicht bekommen hatte, wurde am
18. und 19. September 1954 das erste Hüttenfest in Stalinstadt veranstaltet.
Jedes Jahr sollte mit einem solchen die Bedeutung dieses Ereignisses für
die Stadt gefeiert werden.
Das Programm des ersten Hüttenfestes zeigte die Absicht, die ganze Bevölkerung
der Stadt und der Umgebung einzubinden. Den Auftakt zum Festumzug, der
auf dem Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft begann, bildete ein
Platzkonzert. Den größten Raum im Programm nahmen sportliche Wettkämpfe
ein: Fußball, Handball, Radrennen, Vergleichskegeln und eine Boxveranstaltung
konkurrierten mit Wettkämpfen der Schüler, für die ein Staffellauf durch
Stalinstadt und ein Volleyballturnier organisiert wurden. Die Kinder vergnügten
sich beim Kinderballett, beim Puppentheater und dem "bunten Treiben"
auf einem Bauernmarkt. Abends kamen die Erwachsenen durch Filmvorstellungen,
Modeschauen und Tanzveranstaltungen auf ihre Kosten. Ein Fackelzug zu
den Diehloer Höhen mit anschließendem Feuerwerk sammelte am Sonntagabend
alle Festteilnehmer und erinnerte gleichzeitig an die Fackel des Jungen
Pioniers wenige Jahre zuvor.
Die erwartete und auch geforderte Beteiligung der Bevölkerung ließ jedoch
in den folgen den Jahren bei den Vorbereitungen oft zu wünschen übrig.
Der kommissarische Abteilungsleiter der Abteilung Kultur beklagte sich
1955 daher auch über unzureichende Vorbereitungen zum geplanten Hüttenfest.
Die Tageszeitung Neuer Tag, die die Propagierung des Hüttenfestes mitbetrieb,
stellte besonders aktive Hausgemeinschaften vor, um das Hüttenfest "zu
einer machtvollen Willenskundgebung für die Sache des Friedens und des
schnellen Sieges des Sozialismus" (28)
werden zu lassen und weitere Hausgemeinschaften zu mehr Aktivitäten zu
motivieren.
Die Frage, ob diese alljährlich stattfindenden Hüttenfeste nicht mit Heimatfesten
in anderen Städten zu vergleichen seien, beantwortete der "Kulturspiegel"
dabingehend, daß das Hüttenfest jedes Jahr neu gefeiert werde in dem Bewußtsein
und in dem Stolz, Einwohner der "ersten sozialistischen Stadt"
Deutschlands zu sein. (29)
Mit diesen Festen wollte man sich also bewußt gegen ein Heimatverständnis
im traditionalistischen Sinne wenden. Das stellt einen interessanten Gegensatz
zu den Wolfsburger Heimatfesten und Stadtjubiläen dar, die sich auf historische
Kontinuität und Traditionen beriefen.
Anläßlich des zehnjährigen Bestehens von Stalinstadt und des Eisenhüttenkombinates
"J. W. Stalin" wurde das Hüttenfest im August 1960 während einer
ganzen Woche gefeiert. Für die Vorbereitungen war eigens das "Komitee
10 Jahre Stalinstadt" gebildet worden. In freiwilligem Einsatz bauten
die Stalinstädter Bürger eine Freilichtbühne mit 3000 Sitzplätzen in den
Diehloer Höhen. Hier fand die Uraufführung des Massenfestspiels "BIast
das Feuer an!" statt, das zu diesem Anlaß geschaffen worden war.
"Schon laufen die Vorbereitungen auf vollen Touren: Die Schriftsteller
dichten, die Komponisten komponieren." (30)
Werner Bauer und Helmut Preißler verfaßten den Text und Andre
Asriel, Günter Kochan, Guido Masanetz und Siegfried Matthus die Musik.
2000 Mitwirkende, darunter mehr als 300 Stalinstädter, überwiegend aus
den Zirkeln der Volkskunst, zeigten in einer Szenenfolge, wie sie ihre
Stadt und ihr Werk aufgebaut und "von Sieg zu Sieg geführt"
hatten. Ministerpräsident Otto Grotewohl hielt im Friedrich-Wolf-Theater
die Festrede.
Um das Fest auch in die
Wohnbezirke hineinzutragen, wurden zusätzlich sechs Bühnen aufgebaut.
Die einzelnen Programmpunkte zeigten die Verknüpfung von Werk, Stadt und
SED. Das Stadtjubiläum galt als Bestätigung dafür, daß der Sozialismus
die bessere Lebensform sei. Dementsprechend wurde fast jeder noch so vergnügliche
Beitrag zu einer politischen Willenskundgebung stilisiert: "Bei Sport
und Spiel sammeln wir neue Kräfte zum Aufbau des Sozialismus", "Wir
beschließen den Tag der Hüttenwerker mit Tanz als Ausdruck der Lebensfreude
des sozialistischen Menschen", "Künstlerische Selbstbetätigung
ist Ausdruck unseres neuen sozialistischen Lebens", hieß es beispielsweise
im Programm zum "Tag des Hüttenwerkers" (31).
Aus diesem Grund wirkten auch Vertreter der Partei, des Staatsapparats
und Gruppen aus anderen Städten der DDR beim Fest mit. Die Einwohner der
Vorzeigestadt sollten durch ihre Teilnahme Verantwortung für den Aufbau
der Stadt und des Werkes demonstrieren. Dadurch wurde auch die Verbundenheit
von Stadt und Werk, der Kollektive mit den Einwohnern verstärkt. Die ganze
Stadt konnte sich geehrt fühlen, als das Festspielensemble mit dem "Staatspreis
für künstlerisches Volksschaffen I. Klasse" ausgezeichnet wurde.
Den Jüngeren und Neuzugezogenen präsentierte das Massenfestspiel die junge
Geschichte der Stadt als Erfolgsgeschichte des Sozialismus.
Finanzielle Zuschüsse und die vielfältigen Initiativen wirkten sich auch
weiterhin positiv auf das städtische Kulturleben aus. In vielen Stalinstädter
Betrieben wurden neue Gruppen und Zirkel gebildet, die in einem zentralen
Wettbewerb des künstlerischen Volksschaffens 1961 unter dem Motto "Singt
das Lied des Sozialismus" um den ersten Preis stritten. Der "Kreisvergleichskampf"
im Oderbezirk fand bei den 1. Oderfestspielen vom 7. bis 14. Mai 1961
statt. Auch hier stand der Aufbau von Werk und Stadt im Vordergrund.
Die anläßlich der Hüttenfeste gehaltenen offiziellen Ansprachen
feierten den einzelnen, der für die "Schaffung eines besseren Lebens
durch den Sozialismus" arbeitete. In Wolfsburg wurde den Werksangebörigen
während der VW-Jubiläumsfeste zwar mit Prämien gedankt, und Nordhoff nahm
die Ehrungen stellvertretend für alle Beschäftigten entgegen (32);
eigentlich gefeiert aber wurde das Produkt, der Volkswagen. Seiner Erfolgsgeschichte
lag die Arbeit vieler zugrunde - eine Arbeit, die Generaldirektor Nordhoff
zum wahren Inhalt eines ansonsten "leeren" Lebens erklärte:
"Sicher wäre ein freier Sonnabend für viele ein schönes Geschenk,
aber für viele auch ein Fluch. Die meisten Menschen leben ohnehin auf
der Flucht vor sich selbst, ihnen wird ein fehlender Arbeitstag die Leere
noch vergrößern und die trostlose Flachheit, in der freie Zeit vertrödelt
wird, noch stärker zutage treten lassen." (33)
Kulturelles Leben in Wolfsburg und Stalinstadt entwickelte sich in den
fünfziger Jahren vor dem Hintergrund zweier Gesellschaftssysteme in vielem
unterschiedlich: Auf der einen Seite die entstehende Konsumwelt der "Wirtschaftswunderzeit",
die für viele Wolfsburger ebenso von der Befriedigung ihrer materiellen
Wünsche wie auch von einem fehlenden Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt
war auf der anderen Seite die im Aufbau befindliche sozialistische Gesellschaft,
in der jeder einzelne für den "Sieg des Sozialismus" eingespannt
werden sollte, dem sich aber viele durch den Rückzug ins Privatleben oder
in die "kleinbürgerlichen" Aktivitäten der Zirkel entzogen.
Die Problematik der beiden Städte war jedoch ähnlich: Der größte
Teil der Einwohner war nicht in der Stadt geboren, familiäre und generationsübergreifende
Bindungen gab es wenige, die städtische Einheit mußte erst geschaffen
werden. Stadtfeste wie auch ein vielfältiges Vereins beziehungsweise Zirkelleben
sollten dazu beitragen. Dabei blieb das Werk in beiden Städten ein zentraler
Faktor. In Wolfsburg organisierte und finanzierte das VW-Werk in den fünfziger
Jahren nicht nur die wichtigsten kulturellen Ereignisse, sondern es unterstützte
mit seinen finanziellen Zuwendungen auch die Vereine. Erst in der zweiten
Hälfte der fünfziger Jahre wurde auch die Kommune zunehmend Trägerin des
Kulturlebens. Auch in Stalinstadt wurden kulturelle Veranstal- tungen
zunächst in erster Linie vom EKO initiiert. Die Stadtverordnetenversammlung
übernahm nach ihrer Konstituierung
1953 die Verantwortung für das kulturelle Leben, wobei sie sich verstärkt
an der staatlichen Kulturpolitik orientierte und sich auf die offiziellen
Kulturorganisationen wie den Kulturbund stützte. Von Berlin aus wurden
nicht nur die finanziellen Mittel für kulturelle Aktivitäten und Feste
zur Verfügung gestellt, sondern auch detalllierte Programmvorschläge eingebracht.
Auf beiden Seiten wurde das kulturelle Leben durch Stadt und Werk geprägt.
Finanziell von diesen unterstützt, entstanden und lebten die Wolfsburger
Vereine jedoch vorwiegend aus der Privatinitiative ihrer Mitglieder. Die
enge Bindung der Stalinstädter Zirkel und Gruppen an die Betriebe hingegen
geschah nicht zuletzt, um auf diese Weise die kollektiven Freizeitaktivitäten
dem Gesamtziel des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft einzufügen.
Doch hier wie dort waren der eigentliche Beweggrund für ein Engagement
des einzelnen oftmals der Wunsch nach Geselligkeit und das Bedürfnis nach
Abwechslung vom Arbeitsalltag.
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