Der Faksimile Verlag Luzern, ein wichtiger Kooperationspartner
bei der Erstellung einer Virtuellen Bibliothek für
die ständige Ausstellung des Deutschen Historischen
Museums (DHM) , überlässt dem Museum 45 Faksimile,
je ein Exemplar der bisher erschienenen umfangreichen
Faksimile-Editionen dieses auf dem Gebiet der Faksimilierkunst
führenden Verlagsunternehmens.
Das DHM würdigt diese Schenkung mit einer Kabinettausstellung
dieser wertvoll gebundenen Prachtausgaben und ermöglicht
damit das Lesen in Bibelhandschriften und Gebetbüchern,
Chroniken und astronomisch-astrologischen Handschriften
aus der Zeit vom 8. bis zum 16. Jahrhundert. Zwei bedeutende
Handschriften werden zugleich virtuell zugänglich
sein: Die Reichenauer Prachthandschrift „Bamberger
Apokalypse“ (um 1000 ) und der „Kodex Schürstab“(Mitte
15. Jh.), der im Auftrag eines Nürnberger Patriziers
gefertigt wurde und einen Heiligenkalender mit einem
medizinischen Handbuch verbindet. Mit Hilfe digitaler
Technik können sie am Computer studiert werden.
Einige besonders wertvolle Originale aus der Sammlung
des Deutschen Historischen Museums, die im direkten
historischen Bezug zu den Faksimiles stehen –
u.a. ein Porträt Kaiser Maximilians I., eine Rechentafel
und ein Vortragekreuz sowie ein Adler, der als liturgisches
Lesepult fungierte - ergänzen die Schau.
Vorträge im Rahmen der Ausstellung:
1. Die Brüder Limburg und
die „Belles Heures“ des Herzogs von Berry
- ein Stundenbuch der Superlative
Prof. Dr. Eberhard König
Professor am Kunsthistorischen Institut des
Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften
der Freien Universität Berlin
Mittwoch, 29. September 2004
19.30 Uhr im Zeughauskino
2. Das Faksimile – eine technische
und verlegerische Herausforderung
Dr. Manfred Kramer
Verlagsleiter Faksimile Verlag Luzern
mit Buchbindervorführung (Johannes Steinbrener)
Samstag , 2. Oktober 2004
15 Uhr im Auditorium der Ausstellungshalle von I.M.Pei
Stationen der Ausstellung
Die abendländische Buchmalerei
des Mittelalters
Nach dem Niedergang des reichen Buchwesens der
Antike
wurden Bücher in der Zeit vom 7. bis 13.
Jahrhundert
fast ausschließlich in den Klöstern
geschrieben, illuminiert und hergestellt.
Das Buch diente in erster Linie dem Gottesdienst
und der Veranschaulichung der christlichen Lehre.
Mit den aufstrebenden Städten, Universitäten
und Höfen
stieg ab dem 13. Jahrhundert der Bedarf an illuminierten
Handschriften,
die allmählich wieder gewerbsmäßig
hergestellt wurden;
auch die für die private Frömmigkeit
bestimmten Stundenbücher
förderten die Kunst und den Buchmarkt.
Die Handschrift galt noch bis in die Mitte des
16. Jahrhunderts,
das heißt nach Erfindung des Buchdrucks,
als Vorbild
und künstlerische Ausdrucksform von besonderem
Wert.
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Kleine Handschriftenkunde
Evangeliar
Der vollständige Text der vier Evangelien
des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes
vom Leben und Wirken Jesu. |
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Evangelistar
bzw. Perikopenbuch
Sammlung der Passagen aus den vier Evangelien,
die in der Messe vorgelesen werden. |
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Graduale
Das Graduale enthält die Wechselgesänge
der Messliturgie,
die von zwei Gruppen abwechselnd beim Gottesdienst
gesungen werden. |
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Stundenbuch
Gebetesammlung für den Laien, die sich aus
dem Brevier,
dem Gebetbuch für Geistliche, entwickelt.
Die Produktion von Stundenbüchern
erreichte zwischen dem 13. und
dem 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt.
Es besteht meist aus: Kalender mit den kirchlichen
Festen,
Lesungen aus den Evangelien, Gebetstexte zur Jungfrau
Maria,
zum Heiligen Geist, zur Passion Christi, Bußpsalmen
und das Totenoffizium. |
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Pergament als Beschreibstoff
Die Pergamentherstellung ist von zentraler Bedeutung
für die Überlieferung des mittelalterlichen
Wissens.
Die Haut von Kälbern und Schafen
wird für einige Tage in eine Kalklösung
gelegt,
danach Haare, Oberhaut und Fleischreste abgeschabt.
Nach der Reinigung wird die Haut gespannt, getrocknet
und mit Bimsstein und Kreide geglättet und
geweißt.
Für umfangreiche Handschriften waren die
Häute
von Hunderten von Tieren nötig.
Das beidseitig leicht zu beschreibende Pergamentblatt
bot gegenüber den Rollen der Antike –
im Verbund mehrerer gefalzter
und zusammengesteckter Doppelblätter –
neue Möglichkeiten
der bewussten Komposition von Schrift und Bild
und hat daher eine hochentwickelte Buchkunst
erst richtig möglich gemacht.
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Die Bibel und ihre Teile
Die Bibel (Altes und Neues Testament)
steht zwar im Zentrum mittelalterlicher Glaubensvorstellungen,
doch wurden meist nur einzelne Bücher abgeschrieben.
Von den biblischen Büchern nimmt die religiöse
Literatur
(Auslegungen, Predigtsammlungen) ihren Ausgang.
Grundlage ist die Vulgata des Hieronymus,
die lateinische Übersetzung der Bibel aus
dem 4. Jahrhundert.
Die prächtigen Evangeliare der Frühzeit
wurden als heilige Bücher verehrt
und ihre Abschrift galt als Gottesdienst.
Das wohl rätselhafteste Buch, die Apokalpyse,
hat die Buchmaler der Romanik und Gotik
immer wieder zu malerischen Höchstleistungen
inspiriert.
Typologische Handschriften wie die »Biblia
Pauperum«
bringen in Wort und Bild Szenen aus dem Alten
Testament
in einen direkten Zusammenhang mit dem Neuen Testament.
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Stunden- und Gebetbücher
Stundenbücher sind dem Wunsch entwachsen,
Elemente des geistlichen Gebets
auch dem Laien zugänglich zu machen.
Die Bezeichnung leitet sich ab von der Stundenaufteilung
des mönchischen Tages.
Der Tag beginnt mir der Prim (6 Uhr morgens),
danach folgen im 3-Stunden-Rhythmus bestimmte Gebetsfolgen.
In abgemilderter Form wurde diese Aufteilung dann
übernommen.
Im 14. und 15. Jahrhundert
entwickelte sich dieser Buchtyp zu einem wahren
Bestseller.
Häufig als kostbare Prestigeobjekte bibliophiler
Fürsten
in Auftrag gegeben,
entfaltet sich in ihnen die Meisterschaft der besten
Buchmaler.
Die Textbestandteile waren in großen Zügen
festgelegt,
doch konnte der Auftraggeber
immer individuelle Ausstattungswünsche anbringen.
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Jean de Berry und die französische
Buchkunst
Frankreich konnte vom 13. bis zum 15. Jahrhundert
die Vorrangstellung in der Buchkunst beanspruchen.
Ab etwa 1370 beginnt unter der Herrschaft Karls
V.
die Einwanderung ausländischer Künstler,
in erster Linie Niederländer und Italiener,
nach Paris.
Die Bibliophilie des Königs
wurde nur von seinem Bruder
Jean de Berry (1340–1416) übertroffen.
Mit seinem Namen verbinden sich heute
die berühmtesten Stundenbücher des Mittelalters,
wie die Très Riches Heures und die Belles
Heures.
Er verstand es, junge Talente zu entdecken
und renommierte Künstler zu radikal Neuem
zu bewegen.
So gehörten zu seinen Buchmalern André
Beauneveu
und Jacquemart de Hesdin, die Brüder Limburg,
der Boucicaut-Meister und der Bedford-Meister.
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Weltliche Fach- und Unterhaltungsliteratur
Neben den religiösen Werken
existierte eine Vielzahl weltlicher Handschriften.
Wenigstens ein Bruchteil
des umfangreichen naturwissenschaftlichen Wissens
der Antike
lebte in den Klöstern fort.
Medizinische Schriften und Herbarien (Pflanzen-
und Kräuterbücher)
erläutern Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden.
Zoologisches Pendant dazu sind die Bestiarien,
die sich, in belehrender Absicht,
mit den Wesensmerkmalen der Tiere befassen.
Anhand der antiken Schriftsteller
wurde das Bildungssystem aufgebaut.
Reiseberichte, historische und allegorische Romane
befriedigen zunehmend das Bedürfnis nach
Unterhaltungsliteratur.
Eine Rarität dagegen, da echte Verbrauchshandschriften,
sind die Muster- und Skizzenbücher aus den
Werkstätten der Künstler.
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Astronomisch-astrologische
Handschriften
Der Sternenlauf und seinen Einfluss auf das irdische
Leben
hat die Menschen zu allen Zeiten fasziniert.
Zur Zeit Karls des Großen entstehen astronomische
Werke,
die antiken mythologischen Vorbildern folgend,
Sternbilder wiedergeben
und die Gestirne in die Konturen menschlicher,
tierischer oder legendärer Wesen einbeschreiben.
In den Bibliotheken der Fürstenhöfe
späterer Zeit,
namentlich der italienischen Renaissance,
waren prachtvoll illuminierte astrologische Schriften
keine Seltenheit.
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Weltchroniken und Schweizer
Chroniken
Mittelalterliche Chronikliteratur ist Weltchronistik,
das heißt, die Erzählung beginnt mit
der Erschaffung der Welt.
Die historischen Ereignisse werden dabei
nicht einem willkürlich waltendem Schicksal
zugeschrieben
sondern geschehen gemäß des göttlichen
Erlösungsplans.
Im 13. Jahrhundert werden erstmals Chroniken
nicht mehr nur in Latein
sondern in der Volkssprache geschrieben.
Die spätmittelalterlichen Schweizer Bilderchroniken
zeichnen die eigene Geschichte auf.
Sie wurden meist von Ratsmitgliedern
bedeutender Kantone wie Bern, Zürich oder
Luzern
verfasst und auch ausgemalt.
Das selbst Erlebte fließt direkt ein
und wird so zum unmittelbaren Ausdruck des Selbstverständnisses
der führenden Schicht der Eidgenossenschaft.
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