Ausstellungen

 

Kabinettausstellungen

Mittelalterliche Bilderwelten

Die Editionen des Faksimile Verlags Luzern

25. September bis 3. Oktober 2004
in der Ausstellungshalle von I. M. Pei

 

Der Faksimile Verlag Luzern, ein wichtiger Kooperationspartner bei der Erstellung einer Virtuellen Bibliothek für die ständige Ausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) , überlässt dem Museum 45 Faksimile, je ein Exemplar der bisher erschienenen umfangreichen Faksimile-Editionen dieses auf dem Gebiet der Faksimilierkunst führenden Verlagsunternehmens.

Das DHM würdigt diese Schenkung mit einer Kabinettausstellung dieser wertvoll gebundenen Prachtausgaben und ermöglicht damit das Lesen in Bibelhandschriften und Gebetbüchern, Chroniken und astronomisch-astrologischen Handschriften aus der Zeit vom 8. bis zum 16. Jahrhundert. Zwei bedeutende Handschriften werden zugleich virtuell zugänglich sein: Die Reichenauer Prachthandschrift „Bamberger Apokalypse“ (um 1000 ) und der „Kodex Schürstab“(Mitte 15. Jh.), der im Auftrag eines Nürnberger Patriziers gefertigt wurde und einen Heiligenkalender mit einem medizinischen Handbuch verbindet. Mit Hilfe digitaler Technik können sie am Computer studiert werden.

Einige besonders wertvolle Originale aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums, die im direkten historischen Bezug zu den Faksimiles stehen – u.a. ein Porträt Kaiser Maximilians I., eine Rechentafel und ein Vortragekreuz sowie ein Adler, der als liturgisches Lesepult fungierte - ergänzen die Schau.


Vorträge im Rahmen der Ausstellung:

1. Die Brüder Limburg und die „Belles Heures“ des Herzogs von Berry - ein Stundenbuch der Superlative
Prof. Dr. Eberhard König
Professor am Kunsthistorischen Institut des
Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften
der Freien Universität Berlin
Mittwoch, 29. September 2004
19.30 Uhr im Zeughauskino

2. Das Faksimile – eine technische und verlegerische Herausforderung
Dr. Manfred Kramer
Verlagsleiter Faksimile Verlag Luzern
mit Buchbindervorführung (Johannes Steinbrener)
Samstag , 2. Oktober 2004
15 Uhr im Auditorium der Ausstellungshalle von I.M.Pei

 


 

Stationen der Ausstellung

Die abendländische Buchmalerei des Mittelalters

Nach dem Niedergang des reichen Buchwesens der Antike
wurden Bücher in der Zeit vom 7. bis 13. Jahrhundert
fast ausschließlich in den Klöstern
geschrieben, illuminiert und hergestellt.
Das Buch diente in erster Linie dem Gottesdienst
und der Veranschaulichung der christlichen Lehre.
Mit den aufstrebenden Städten, Universitäten und Höfen
stieg ab dem 13. Jahrhundert der Bedarf an illuminierten Handschriften,
die allmählich wieder gewerbsmäßig hergestellt wurden;
auch die für die private Frömmigkeit bestimmten Stundenbücher
förderten die Kunst und den Buchmarkt.
Die Handschrift galt noch bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts,
das heißt nach Erfindung des Buchdrucks, als Vorbild
und künstlerische Ausdrucksform von besonderem Wert.

 


 

Kleine Handschriftenkunde

Evangeliar
Der vollständige Text der vier Evangelien
des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes
vom Leben und Wirken Jesu.



 

Evangelistar bzw. Perikopenbuch
Sammlung der Passagen aus den vier Evangelien,
die in der Messe vorgelesen werden.

 


 

Graduale
Das Graduale enthält die Wechselgesänge der Messliturgie,
die von zwei Gruppen abwechselnd beim Gottesdienst
gesungen werden.

 


 

Stundenbuch
Gebetesammlung für den Laien, die sich aus dem Brevier,
dem Gebetbuch für Geistliche, entwickelt.
Die Produktion von Stundenbüchern
erreichte zwischen dem 13. und
dem 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt.
Es besteht meist aus: Kalender mit den kirchlichen Festen,
Lesungen aus den Evangelien, Gebetstexte zur Jungfrau Maria,
zum Heiligen Geist, zur Passion Christi, Bußpsalmen
und das Totenoffizium.

 


 

Pergament als Beschreibstoff

Die Pergamentherstellung ist von zentraler Bedeutung
für die Überlieferung des mittelalterlichen Wissens.
Die Haut von Kälbern und Schafen
wird für einige Tage in eine Kalklösung gelegt,
danach Haare, Oberhaut und Fleischreste abgeschabt.
Nach der Reinigung wird die Haut gespannt, getrocknet
und mit Bimsstein und Kreide geglättet und geweißt.
Für umfangreiche Handschriften waren die Häute
von Hunderten von Tieren nötig.
Das beidseitig leicht zu beschreibende Pergamentblatt
bot gegenüber den Rollen der Antike – im Verbund mehrerer gefalzter
und zusammengesteckter Doppelblätter – neue Möglichkeiten
der bewussten Komposition von Schrift und Bild
und hat daher eine hochentwickelte Buchkunst
erst richtig möglich gemacht.

 


 

Die Bibel und ihre Teile

Die Bibel (Altes und Neues Testament)
steht zwar im Zentrum mittelalterlicher Glaubensvorstellungen,
doch wurden meist nur einzelne Bücher abgeschrieben.
Von den biblischen Büchern nimmt die religiöse Literatur
(Auslegungen, Predigtsammlungen) ihren Ausgang.
Grundlage ist die Vulgata des Hieronymus,
die lateinische Übersetzung der Bibel aus dem 4. Jahrhundert.
Die prächtigen Evangeliare der Frühzeit
wurden als heilige Bücher verehrt
und ihre Abschrift galt als Gottesdienst.
Das wohl rätselhafteste Buch, die Apokalpyse,
hat die Buchmaler der Romanik und Gotik
immer wieder zu malerischen Höchstleistungen inspiriert.
Typologische Handschriften wie die »Biblia Pauperum«
bringen in Wort und Bild Szenen aus dem Alten Testament
in einen direkten Zusammenhang mit dem Neuen Testament.

 


 

Stunden- und Gebetbücher

Stundenbücher sind dem Wunsch entwachsen,
Elemente des geistlichen Gebets
auch dem Laien zugänglich zu machen.
Die Bezeichnung leitet sich ab von der Stundenaufteilung
des mönchischen Tages.
Der Tag beginnt mir der Prim (6 Uhr morgens),
danach folgen im 3-Stunden-Rhythmus bestimmte Gebetsfolgen.
In abgemilderter Form wurde diese Aufteilung dann übernommen.
Im 14. und 15. Jahrhundert
entwickelte sich dieser Buchtyp zu einem wahren Bestseller.
Häufig als kostbare Prestigeobjekte bibliophiler Fürsten
in Auftrag gegeben,
entfaltet sich in ihnen die Meisterschaft der besten Buchmaler.
Die Textbestandteile waren in großen Zügen festgelegt,
doch konnte der Auftraggeber
immer individuelle Ausstattungswünsche anbringen.

 


 

Jean de Berry und die französische Buchkunst

Frankreich konnte vom 13. bis zum 15. Jahrhundert
die Vorrangstellung in der Buchkunst beanspruchen.
Ab etwa 1370 beginnt unter der Herrschaft Karls V.
die Einwanderung ausländischer Künstler,
in erster Linie Niederländer und Italiener, nach Paris.
Die Bibliophilie des Königs
wurde nur von seinem Bruder
Jean de Berry (1340–1416) übertroffen.
Mit seinem Namen verbinden sich heute
die berühmtesten Stundenbücher des Mittelalters,
wie die Très Riches Heures und die Belles Heures.
Er verstand es, junge Talente zu entdecken
und renommierte Künstler zu radikal Neuem zu bewegen.
So gehörten zu seinen Buchmalern André Beauneveu
und Jacquemart de Hesdin, die Brüder Limburg,
der Boucicaut-Meister und der Bedford-Meister.

 


 

Weltliche Fach- und Unterhaltungsliteratur

Neben den religiösen Werken
existierte eine Vielzahl weltlicher Handschriften.
Wenigstens ein Bruchteil
des umfangreichen naturwissenschaftlichen Wissens der Antike
lebte in den Klöstern fort.
Medizinische Schriften und Herbarien (Pflanzen- und Kräuterbücher)
erläutern Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden.
Zoologisches Pendant dazu sind die Bestiarien,
die sich, in belehrender Absicht,
mit den Wesensmerkmalen der Tiere befassen.
Anhand der antiken Schriftsteller
wurde das Bildungssystem aufgebaut.
Reiseberichte, historische und allegorische Romane
befriedigen zunehmend das Bedürfnis nach Unterhaltungsliteratur.
Eine Rarität dagegen, da echte Verbrauchshandschriften,
sind die Muster- und Skizzenbücher aus den Werkstätten der Künstler.

 


 


Astronomisch-astrologische Handschriften

Der Sternenlauf und seinen Einfluss auf das irdische Leben
hat die Menschen zu allen Zeiten fasziniert.
Zur Zeit Karls des Großen entstehen astronomische Werke,
die antiken mythologischen Vorbildern folgend,
Sternbilder wiedergeben
und die Gestirne in die Konturen menschlicher,
tierischer oder legendärer Wesen einbeschreiben.
In den Bibliotheken der Fürstenhöfe späterer Zeit,
namentlich der italienischen Renaissance,
waren prachtvoll illuminierte astrologische Schriften keine Seltenheit.

 


 

Weltchroniken und Schweizer Chroniken

Mittelalterliche Chronikliteratur ist Weltchronistik,
das heißt, die Erzählung beginnt mit der Erschaffung der Welt.
Die historischen Ereignisse werden dabei
nicht einem willkürlich waltendem Schicksal zugeschrieben
sondern geschehen gemäß des göttlichen Erlösungsplans.
Im 13. Jahrhundert werden erstmals Chroniken
nicht mehr nur in Latein
sondern in der Volkssprache geschrieben.
Die spätmittelalterlichen Schweizer Bilderchroniken
zeichnen die eigene Geschichte auf.
Sie wurden meist von Ratsmitgliedern
bedeutender Kantone wie Bern, Zürich oder Luzern
verfasst und auch ausgemalt.
Das selbst Erlebte fließt direkt ein
und wird so zum unmittelbaren Ausdruck des Selbstverständnisses
der führenden Schicht der Eidgenossenschaft.