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Bauwelt, 5.10. 90
Wer sie damals gesehen hat, dem bleibt sie vor Augen: die Ausstellungsarchitektur
zu "Berlin Berlin" (dazu Heft 35/1987, Seite 1268). Eine kunstvoll
gebaute Metapher der Großstadt, Vitalität ausstrahlend, füllte
den Lichthof des Martin-Gropius Baus an der Mauer. Wer diesen Raum heute
betritt, fühlt sich sofort an die großartig-bizarre Installation
erinnert. Wie damals führen Rampen zwischen dräuenden Wänden
nach oben, ist Schwarz die beherrschende Farbe, wird Schiefheit zum Signet.
Nun sind es Bismarck und sein Geist, die in einer groß angelegten
historischen Ausstellung vorgeführt werden und nicht die roaring
twenties in Berlin, und der Architekt ist Boris Podrecca aus Wien und
nicht Hans Dieter Schaal aus Attenweiler.
Bei genauem Hinsehen wird der Unterschied zu damals offenkundig. Während
Schaal - nicht nur im Lichthof, sondern in allen Themenräumen - mit
architektonischen Mitteln die jeweilige Atmosphäre als Unterstützung
der Ausstellungsstücke verstärkte, bleibt Podrecca "neutral".
Sein durchgängiges Mittel sind Paravents, die die großen Räume
im Erdgeschoß des Martin-Gropius-Baus unterteilen und Wandfläche
für Bilder, Dokumente und kleine Ausstellungsstücke und Schrifttafeln
schaffen. Sie sind aus rohem Stahl, in Rottönen gestrichene Wandtafeln
und Naturholzleisten, insgesamt edel, fast zu edel für ihr zeitliches
Dasein. Im Lichthof greift Podrecca dann zu plakativeren Mitteln: Riesige
schräge Stahlwände, doppelt und innen mit Stegen auf Abstand
gehalten, stemmen sich in die Höhe und grenzen Räume ab, in
denen Kojen verborgen sind oder Rampen nach oben führen, begleitet
von Bismarck-Büsten, Tafelbildern und Graffiti-Inschriften mit politischen
Parolen. Die Wege enden auf einer Plattform (wo man bei schlechter Beleuchtung
im Katalog blättern kann) von der es weiter über eine Wendeltreppe
auf die Lichthofgalerie im 1. Obergeschoß geht - aus der Bismarck-Ausstellung
heraus.
Der Sinn dieser "begehbaren Skulptur" bleibt im Dunkeln. Sie
hat weder etwas mit Bismarck zu tun (es sei denn mit dem "Eisernen
Kanzler"), noch spiegelt sie seine Zeit wider oder konfrontiert sie
bewußt mit der Gegenwart. Ein wenig Serra und ein wenig Gehry. Und
natürlich Podrecca...
Peter Rumpf
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