Bildende
Kunst, 20.10. 90 ... Der ernsthaft Interessierte wird guttun, die Ausstellung mehrmals zu besuchen und sich die Akzentsetzungen in der Auswahl nachdenkend klarzumachen. Daß ein großer Generationsgefährte und Widerpart Bismarcks, Karl Marx, trotz eines Ehrenplatzes, den das Kommunistische Manifest erhielt, insgesamt ziemlich kurz wegkommt, und im Unterschied zu Dutzenden anderer Personen nicht durch ein Porträt vertreten ist, mag gegenwärtig nicht besonders verwundern. Kunstwissenschaftler und Kunstfreunde werden zu neuerlichem Nachdenken über die Rolle von Bildern verschiedener Art bei der Aneignung der Realität und bei der praktischen Lebensgestaltung ebenso angehalten, wie zu Reflexionen über die Beziehungen zwischen Kunstgeschichte und allgemeiner Geschichte. Obwohl der Katalog (S. 485) vermerkt, daß die Geschichtswissenschaft "noch heute weitgehend bildfremd" sei, läßt die Ausstellung lebhaft empfinden, daß die von ihr behandelten historischen Vorgänge - und deren geistige Folgen - kaum ohne die zugehörige Bildwelt und deren emotionssteuernde Stereotypen und Klischees zutreffend begriffen werden können... Peter H. Feist |
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