Der Morgen, 1./2. 9. 90

...1100 Objekte aus 280 Museen und Sammlungen der BRD, 13 europäischen Staaten und den USA wurden nach fast dreijähriger Vorbereitungszeit zusammengetragen. Damit sei die zahlenmäßige Dimension in aller Kürze abgehandelt. Denn nichtvorrangig die Fülle des Materials ist interessant, sondern die Art der Präsentation. Es ist eben doch viel mehr zu sehen, als Höhen und Tiefen einer Vita; nicht umsonst stellt das Motto der Ausstellung Bismarck in einen preußisch-deutsch-gesamteuropäischen Zusammenhang. Dem Betrachter wird einiges abverlangt. Keiner nimmt ihn mehr ans ideologische Händchen und zieht fein säuberlich die klassenkämpferischen Koordinaten. Niemand erklärt, wo die Guten sind und wo die Bösen. Zusammenhänge muß sich jeder selbst erschließen; jetzt ist Denken erste Bürgerpflicht. . .
Im Lichthof des Gropius-Baues sieht man weniger ein Panorama als vielmehr ein Kaleidoskop. Die Architektur von Boris Podrecca verbindet Erdgeschoß und Galerie durch eine kühne Treppenkonstruktion, auf der die Besucher sich Bismarcks Imago sozusagen schrittweise nähern. Ebenenwechsel nebst Ausblick, Anblick, Durchblick und Überblick vermittelt verschiedene Bildinformationen. Bismarck Büsten als Geländerschmuck bis zur letzten, so hoch aufgestellten Skulptur, daß sie mythologisch entrückt scheint...

Jan von Flocken