Der Spiegel, 17.9.90

... Mit dem Zusammenbruch der DDR und dem Aufkommen der Hauptstadt-Diskussion verhärtete sich der Widerstand gegen jene "Kathedrale der deutschen Geschichte", die der Mailänder Architekt Aldo Rossi auf Helmut Kohls ausdrücklichen Wunsch vis-à-vis dem Reichstagsgebäude errichten sollte.
Daß der Gründungsdirektor und sein Aufbaustab nichts mit der feierlichen Metapher von der Kathedrale anfangen können, vielmehr ein freies, kritisches Forum anstreben, demonstrieren der kantige Historiker Stölzl und seine couragierte Ko Direktorin Marie-Louise von Plessen gerade eindrucksvoll mit ihrer ersten großen Ausstellung samt Rahmenprogramm: "Bismarck - Preußen, Deutschland und Europa" heißt die Schau im Berliner Gropius Bau.
Die plötzliche Aktualität dieser Ausstellung war nicht vorauszusehen, als das damals frisch gegründete DHM sich 1987 für Bismarck als Thema entschied - im September jenes Jahres hatte Helmut Kohl, wenn auch mürrisch, mit einem Staatsempfang für Erich Honecker die deutsche Zweistaatlichkeit gerade vor aller Welt manifestiert. Damals hatte Stölzl für das Bismarck-Projekt eher das Jahr 1992 im Blick; sein Motiv lag in der "Ahnung, daß an der Schwelle der europäischen Einigung Bedarf genug sei für einen Moment des prüfenden Erinnerns an die Rolle der Deutschen im Europa der Staaten und Nationen des 19. Jahrhunderts".
Nun sind die Ereignisse der Veranstaltung entgegengekommen; und der erste große Test, die Bewährungsprobe des DHM wird zum überwältigenden Erfolg, für die Frankfurter Allgemeine gar zu einem "Triumph"...