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Kölner Stadt Anzeiger, 29.
8. 90
... Die Ausstellungsobjekte sind fast ausschließlich Originale,
die aus allen Himmelsrichtungen kamen, auch aus Polen. Das Posener Museum
stellt zum Beispiel Moritz von Schwinds monumentales Gemälde "Vater
Rhein" zur Verfügung, auf dem der alte Herr von seinen personifizierten
Nebenflüssen umgeben ist und das ein schöner Beitrag zum Kapitel
"Der Deutschen Seelensuche" ist. Von der Mythologie zur Politik
führt die Fahne mit der Losung "Deutschlands Wiedergeburt",
die der Kaufmann Abresch 1832 beim Hambacher Fest zum Schloß trug;
ausgebleicht und zerrissen ist ihr Stoff, aber eindeutig zu erkennen sind
die Farben Schwarz, Rot, Gold.
Neue Horizonte taten sich allenthalben auf. Davon zeugen rare Schaustücke,
die schon auf der Pariser Weltausstellung von 1867 zu sehen waren, etwa
sechs Modelle für "Bewegungsmaschinen". Davon kündet
auch ein Plakat von 1890, das zu einem Hamburger Spektakel einlädt:
"Das Amazonen-Corps (weibliche Krieger) aus der Leibgarde des Königs
von Dahomey in Westafrika unter Führung der Oberkriegerin "Gumma"
So schlug der Imperialismus, der rücksichtslos nach kolonialen Ufern
drängte, durch bis zum Hamburger Spielbudenplatz.
Davon und von vielem anderen mehr handelt die Premiere des Deutschen Historischen
Museums. Sehenswert ist sie, weil Widersprüche und Zusammenhänge
deutlich werden, weil keine bequemen Kategorisierungen vorgenommen und
keine Feierstunden abgehalten werden. Es ist so, wie Lothar Gall im Katalog
schreibt: "Ein Laboratorium wird sichtbar, in dem mit Ingredienzien
hantiert wurde, die uns teils sehr fremd geworden und teils noch höchstvertraut
sind, und in dem manche Mischungen erzeugt wurden, die den nachfolgenden
Generationen dann um die Ohren flogen."
Martin Oehlen
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