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Operative Kombination Totenhaus
Das MfS als Penck-Kopist: Wie die Staatssicherheit 1981 in Dresden mit
obskuren Methoden eine Künstlerintrige inszenierte
Der Maler Helge Leiberg, Jahrgang 1954, eine enger Freund des 1980 augebürgerten
Malers A.R. Penck, erfährt am 29.10.1981 durch die Kriminalpolizei
von einem Einbruch in sein sogenanntes Totenhaus. Dabei handelt es sich
um einen einzelliegenden Pavillon, der am Elbhang bei Scharfenberg im
Kreis Meißen steht. Dieses Haus, ohne Wasseranschluß und ohne
direkten Zufahrtsweg, nutzt Leiberg als Atelier und Domizil. Als der Maler
nach der Einbruchsmeldung nach dem Rechten sieht, bietet sich ihm ein
Bild der Verwüstung. Der Verdacht eines Diebstahls ist jedoch schnell
zu entkräften, denn neben den Zeugnissen roher Gewalt haben die Täter
verräterische Indizien hinterlassen. So hängt unter dem Kruzifix
jetzt ein Foto von A.R. Penck. Über eine Zeichnung Leibergs haben
die Täter ein typisches Penck-Strichmännchen gekritzelt, und
auf der Malertruhe liegt demonstrativ ein Spielzeugrevolver. Solche Zeichen
hinterlassen keine Einbrecher. Vielmehr drängt sich nicht nur Leiberg
der Verdacht auf, bei den vermeintlichen Dieben handele es sich um Bekannte
oder Freunde, die über sein vertrautes Verhältnis zu Penck,
das auch nach dessen Übersiedlung fortbesteht, gut informiert sind.
Mehr als zehn Jahre später erfährt Helge Leiberg, der seit
1984 in West-Berlin lebt, die wahren Hintergründe der Aktion, die
ihm damals schon einen gehörigen Schrecken einjagte und
das Vertrauensverhältnis zu einigen seiner Freunde auf die Probe
stellte. Aus Helge Leibergs MfS-Akten geht hervor, daß die Staatssicherheit
den Einbruch und die Verwüstungen selbst durchgeführt hat
nach den bis auf die Minute ausgefeilten Maßnahmeplänen der
Operativen Kombination Totenhaus. Planung, Durchführung
und Analyse der Aktion können in den folgenden Dokumenten nachvollzogen
werden. Die Penck-Zeichnungen wurden angebracht, um bei Leiberg den Eindruck
zu erwecken, bei den Tätern handele es sich um Personen, die seine
guten Beziehungen zu Penck mit Mißgunst betrachten. Ziel der
operativen Kombination, so heißt es im Abschlußbericht,
bestand in der weiteren Verunsicherung der OV-Personen, der Verbindungspersonen
zum OV und oppositionellen Gruppen im Bereich der politischen Untergrundtätigkeit
bildender Künstler. Mit der Kombination sollte in der Zielstellung
eine weitere Zersetzung genannter oppositioneller Gruppen und das Herausbrechen
von einzelnen Personen erfolgen. Es kann eingeschätzt werden, daß
diese Zielstellung erreicht wurde.
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