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Als Klaus Jentzsch sogar zum Ehrenmitglied des Zentralrates der FDJ aufsteigt, versteht so mancher Renftfan an der sächsischen Basis allerdings die Welt nicht mehr. Rote Renft und Schweine-Renft skandieren die Enttäuschten. Der Underground-Touch wird zur verdrängten Geschichte. Sie haben damals den Aufruhr verspielt(13), meint Gerulf Pannach. Der unbequeme Texter und Liedermacher, bei der Stasi als Leipziger Biermann geführt, darf fortan nicht mehr bei Renft ans Mikrofon. Der Schmusekurs geht soweit, daß sich die Klaus-Renft-Combo zunächst sogar auf die clevere Funktionärs-Idee einläßt, mit dem Rock-Singeklub Jahrgang 49(14) ein gemeinsames Programm aufzuführen. Dafür wird sogar ein Probelager arrangiert. Doch der Coup mißlingt die Renft-Leute entscheiden sich gegen den Kompromiß. Als sie den verduzten Polit-Sängern vorschlagen, statt des gemeinsamen Programmes lieber nacheinander vors Publikum zu treten, obendrein noch mit Gedichten von Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach, platzt die krude Idee wie eine Seifenblase. Überhaupt gewinnt die Band nach dem Höhenrausch der Weltfestspiele wieder an Profil. Renft drängt mit Macht zurück an die Wurzeln. Vor allem Christian Kunert setzt sich für den mittlerweile verbotenen Pannach ein. Die Band bietet ihm ein Podium, fortan tritt der Liedermacher als junges Talent getarnt wieder bei den Gigs mit auf. Pannach revanchiert sich auf seine Weise. Die Renft-Songs Glaubensfragen oder Otto-Ballade(15), allesamt aus seiner Feder, sind absolute Tabubrecher. Nirgendwo sonst in jener Zeit werden Themen wie Wehrdienstverweigerung oder DDR-Flucht so deutlich angesprochen zumal in überfüllten Sälen, in denen das Publikum den Kurswechsel der Renft-Combo als Rückbesinnung feiert. Für Klaus Renft ist allerdings klar, daß die Sache nicht ewig so weiterläuft. Wenn die sich das bieten lassen, resümiert er, dann hätten sie den ganzen Staat umbauen müssen. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen.(16) So ist er auch nicht allzusehr überrascht, als der Generaldirektor des Komitees für Unterhaltungskunst, Peter Czerny, einen neuen Einstufungstermin einberuft unplanmäßig. Ein erster Schuß vor den Bug, denkt er, doch die Diskussion endet im scheinbar unauflösbarem Streit. Nach dem Termin nimmt ein Funktionär den entnervten Bandleader zur Seite. Und bietet einen Kompromiß an: Wenn der Bandleader sich von den kritischen Köpfen in der Band trennt, dann würde er als Gegenleistung in den Genuß von West-Auftritten und Valutamitteln kommen. Das war das fieseste Angebot, was mir einer machen konnte. Da war für mich klar: Wenn du jemals wieder ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel schauen willst, dann mußt du dich jetzt für die Leute entscheiden, die ehrlich sind.(17) Inzwischen läuft der um seine Sicherheit besorgte Staatsapparat auf Hochtouren. Konzerte werden unter obskuren Begründungen abgesagt, die Band muß ihre Bühenansagen vor den Auftritten schriftlich einreichen, der Exklusivvertrag mit dem Unterhaltungskunst-Komitee wird nicht verlängert. Die zweite Platte, von der ein Teil der Auflage in der Sowjetunion gepreßt wird, soll eingestampft werden. Schließlich wird die Edition in den Plattenläden verramscht. Ganze 5 Mark kostet das ehemals kostbare Stück untrügliche Vorzeichen für ein ausstehendes Finale. Der Druck von außen führt zu internen Konflikten. Auf der einen Seite stehen Christian Kunert und Gerulf Pannach, mit engen Kontakten zum Biermann-Havemann-Kreis in Berlin. Sie lehnen jeden Kompromiß konsequent ab. Auf der anderen Seite plädiert Peter Gläser, der sich nach der Wende als IM(18) outet, für ein Arrangement. Mittendrin und zwischendurch operiert ratlos Klaus Jentzsch, krampfhaft bemüht, die Band beieinander zuhalten. Die ist ein Job, der den toleranten Chef überfordert. Am 22.9.1975 geht es schließlich zur Sache. Die überzeugte Botin der schlechten Nachricht ist Ruth Oelschlägel, Direktorin der Konzert- und Gastspieldirektion Leipzig. Eigentlich ist ein harmloses Vorspiel angesetzt. Doch noch bevor die Band den ersten Ton spielen kann, spricht die eloquente KGD-Chefin ein letztes Machtwort, das die Band heimlich mitgeschnitten hat: Ich möchte Ihnen im Namen der Komission mitteilen, daß wir nicht der Auffassung sind, daß dieses Vorspiel heute stattfindet. Und zwar aus folgenden Gründen: Die Texte, die Sie mir übergeben haben, haben mit der sozialistischen Wirklichkeit keine Übereinstimmung. Und wir sind der Auffassung, daß damit die Gruppe Renft als nicht mehr existent anzusehen ist. Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe.(19) Noch am selben Tag erhalten die Musiker die Nachricht, daß sie ihre Berufsausweise unverzüglich zurückzugeben haben. Urplötzlich werden sie im Radio nicht mehr gespielt die einst so kumpelhaften DT64-Moderatoren erwähnen ihre einstige Starband nicht einmal mehr. Eine Eingabe von Klaus Jentzsch an den Kulturminister bleibt ohne Resonanz. Stattdessen beraten hohe Funktionäre wie die Konkursmasse der Leipziger Formation ideologisch gewinnbringend verhökert werden kann. Bizarre Szenarios enstehen: So schlägt Peter Held, Leiter der Abteilung Kultur beim ZK der SED, ernsthaft vor, einen Teil der Band einfach umzuschichten w ie Theatermobiliar auf der Probebühne. Gitarrist Peter Gläser soll fortan in der Gruppe Automobil, Multitalent Peter Kschentz in der Formation Fusion und Schlagzeuger Jochen Hohl bei onfougo spielen. Für Keyboarder Christian Kunert hat der umsichtige ZK-Kulturchef bereits eine Orchesterstelle als Korrepititor oder Organist vorgesehen möglichst in einem maroden Stadtheater, weit ab vom Schuß. Sänger Thomas Schoppe, in der Band nur als Monster bekannt, weil er den gleichnamigen Steppenwolf-Hit bravourös interpretiert, soll einfach wieder arbeiten gehen. Nur für Klaus Jentzsch kommt selbst die Prügelpädagogik der Kulturfunktionäre zu spät: Für Klaus Jentzsch ist es gegenwärtig nicht möglich, so der Bericht von Peter Heldt an Politbüromitglied Kurt Hager, eine Lösung zu bieten. Seine musikalischen Leistungen sind außerordentlich schwach, er selbst ist politisch und moralisch verkommen.(20) Damit ist das dritte Verbot in seiner DDR-Laufbahn perfekt. Zwar versucht er mit einer Eingabe an Honecker das Blatt noch zu wenden, doch das Schiff hat schon deutliche Schlagseite. Ende Januar 1976 senkt Erich Honecker persönlich den Daumen. Die Mehrzahl der Bandmitglieder verläßt daraufhin chancenlos die DDR(21) Pannach und Kunert nach einer neunmonatigen Haft. Renft ist zum Mythos geworden. Die entstehende Leerstelle will der realitätsblinde Kultur-Apparat einfach per Dienstanweisung füllen. Ein Renft-Nachfolger soll möglichst schnell in Leipzig aufgebaut werden. Deshalb beauftragt Honecker die zuständigen Stellen in der Messestadt, eine namentlich zu benennende führende Tanzkapelle ihres Verantwortungsbereiches politisch-ideologisch und künstlerisch zu fördern.(22) Das Ergebnis solcher Förderung ist in der zweiten Hälfte der 70er Jahre zu hören mit seichten Sounds und einem pseudolyrischen Metaphernbrei verliert die DDR-Rockszene ihre subversive Kraft. Nach uns kam nur noch Schleim(23), urteilt etwa Peter Gläser. Und Klaus Jentzsch blickt ein wenig wehmütig zurück: Wir haben zusammen mit dem Publikum ein autonomes Gebiet gebildet. Ein Stück Freiheit war das schon.(24)
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