![]() |
![]() |
Karin Herrmann Cherchez
les femmes: ein Rück- und Ausblick "Am Anfang war das Matriarchat." So könnte
die andere, die eigentliche Geschichte des Goethe-Instituts beginnen,
wenn man seine ersten zwanzig Jahre in Betracht zieht. Wie keine andere
prägte Dora Schulz, die bis zu ihrem Ausscheiden dessen Geschäftsführerin
bleiben sollte, diese Zeit. Sie tat dies mit der ihr eigenen, schier unverwüstlichen
Energie, ihrem umfassenden Organisationstalent, ihrem wirtschaftlichen
Geschick und ihrer Fürsorge um die Menschen, die dort arbeiteten. Ich lernte sie 1968 in den letzten Jahren ihres Wirkens kennen. Fast klösterlich gekleidet, begrüßte sie einen mit festem Händedruck, ihre lebendigen blauen Augen mit einem Blick alles Wesentliche erfassend. Sie machte nie große Worte, aber das wenige, was sie sagte, hatte unweigerlich Folgen. So erinnere ich mich, wie eines Tages ihr schon damals altertümlich wirkender Mercedes in Prien am Chiemsee, einem der wenigen heute noch erhaltenen oberbayerischen Unterrichtstätten, vorfuhr, sie mit raschem Gang ins Lehrerzimmer eilte und uns ohne Umschweife nach unseren Wünschen zur Verbesserung des Unterrichts fragte. Unvorsichtigerweise und noch unerfahren im Umgang mit "Tante Dora", war ich vorlaut genug, mich über den Mangel an maßgeschneidertem Tonbandmaterial für den Unterricht zu beklagen. "Dann schneidern Sie es eben selbst!", erwiderte sie barsch. Wenige Tage später fand ich mich mit 100 leeren Tonbändern wieder, die sie mir hatte zukommen lassen. So verbrachte ich zusammen mit einigen willigen Kollegen so manchen nebligen Winterabend am Chiemsee freiwillig damit, uns geeignet erscheinendes Tonbandmaterial "zusammenzuschnippeln". Als wir ihr die Vollendung unseres mühseligen Wirkens meldeten, erhielten wir von ihr - auch dies war für sie typisch- eine kurzen, herzlichen Brief des Dankes und der Anerkennung. Sie war eine gütige und gleichwohl strenge Matriarchin.
Die damalige Damenmode entsprach weder ihrem Geschmack noch ihren moralischen
Vorstellungen. So erging gegen Ende der sechziger Jahre an alle Mitarbeiterinnen
ein Rundbrief zur Kleiderordnung an den Unterrichtsstätten: keine
zu kurzen Röcke, die beim Schreiben an der Tafel Einblicke zuließen,
die die Studierenden das Regelwerk der deutschen Grammatik womöglich
vergessen ließen; aber auch keine Hosen - weder "hot"
noch "long" -, die uns womöglich als Mannweiber erscheinen
ließen. Ihr Ideal war die adrette, züchtige, liebenswürdige
Dozentin, deren Eros sich aufs Pädagogische beschränken sollte.
Im Sinne dieses Frauenbildes lag es ihr auch fern, Frauen am Goethe-Institut
anzuspornen, leitende Aufgaben zu übernehmen oder eine solche Laufbahn
gar anzustreben. Die beginnenden siebziger Jahre waren gekennzeichnet durch die vermehrte Gründung neuer Institute im Ausland, eine große Zunahme neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Besetzung fast aller Leitungsstellen durch Mitarbeiter männlichen Geschlechts. Die Aufbruchstimmung der 68er-Generation, in deren Zentrum auch Forderungen nach gleichwertiger Behandlung von Frauen und Männern im Beruf standen, fand erst ein Jahrzehnt später am Goethe-Institut ihren Widerhall. |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||
So kam es, dass ich mich - ähnlich wie viele meiner
Kolleginnen - zu Beginn der siebziger Jahre für mehr als zwanzig
Stellen im Ausland bewarb, stets erfolglos. Der einzige gute Rat, den
man mir damals im Personalreferat geben konnte, bestand in der Empfehlung,
mich für eine Ortskraftstelle im Ausland zu bewerben. Dies bewog
mich zu meinem ersten publizistischen Beitrag in der damaligen Hauspostille
des Goethe-Instituts "andrerseits", in dem es unter anderem
hieß: "Die Kolleginnen im Inland stets mit Sprüchen abzuweisen
wie In dieses Land passt nun mal keine Frau oder Dieser
Institutsleiter wünscht sich leider einen Mann" zeugt langsam,
aber sicher von mangelnder Fantasie ... Die weiblichen Angestellten des
Goethe-Instituts sind zuallererst auch nur Menschen, die man
vor allem an ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit messen
sollte. Und Letzteres, so meinen einige unverbesserliche Optimistinnen,
sollte bei einer Auslandsentsendung wohl vorrangig sein." Dieses kleine, manchem damals wohl recht polemisch erscheinende
Traktat verfehlte zu meinem eigenen Erstaunen nicht seine Wirkung: Ein
halbes Jahr später befand ich mich auf dem Weg zu einem großen
Goethe-Institut in Norditalien, wenn auch nur "in Abordnung",
da ein Kollege für die Leitung der dortigen Sprachabteilung bereits
vorgesehen war. Indem durch eine Reihe unvorhersehbarer Ereignisse dieser
Kollege nie am neuen Dienstort eintraf, fand ich mich ein halbes Jahr
später - achtundzwanzig Jahre alt - als Leiterin und jüngstes
Mitglied eines zwölfköpfigen Lehrerkollegiums wieder. Ich blieb
dort sieben Jahre. Ein Jahr später klagte Christa Knirck-Bumke, die
sich mit ihrem das Institut leitenden Ehemann damals in Hyderabad befand,
erneut über die berufliche Ausblendung von ehemals am Goethe-Institut
tätigen Ehefrauen und forderte neue vertragliche Modelle für
Ehepartner zur Anerkennung ihrer geregelten Tätigkeit an Auslandsinstituten.
Diese Forderung steht immer noch im Raum und ging im Sturm der Umstrukturierungen
und Institutsschließungen unter, zum Schaden einer Institution,
in der das Know-how und Engagement von mitausreisenden Goethe-Mitarbeiterinnen
leider auch heute nur bei vorwiegend repräsentativen Aufgaben zum
Tragen kommt. Ein positiver Schritt in die richtige Richtung ist hier
das seit einigen Jahren an mehreren Institutsorten im Ausland erfolgreich
durchgeführte "Stellensplitting" von Ehe- und Lebenspartnern.
Die Frauenförderung am Goethe-Institut erlebte ihren
eigentlichen Aufbruch in den Jahren 1994/95. Zu dieser Zeit waren nicht
nur im Vorstand, sondern auch in den Abteilungsleitungen der Zentralverwaltung
ausschließlich Männer tätig. Dasselbe galt auch für
die damals 22 Regionalaufträge. Das bedeutete, dass nicht nur die
Führungsspitze, sondern auch alle leitenden Angestellten des Instituts
Männer waren. Es wurde mir die Anekdote zugetragen, dass, als sich
der genannte Personenkreis in dieser Zeit beim damaligen Bundespräsidenten
Herzog zum Besuch einfand, dieser erstaunt in die Runde blickte und nur
gefragt haben soll: " Und wo sind die Damen?" Es musste also etwas geschehen: 1995 wurde zum ersten
Mal in der Geschichte des Goethe-Instituts ein Frauenworkshop veranstaltet,
in dem eine Fülle von Anregungen, Vorschlägen und konkreten
Forderungen zusammengetragen und dem Vorstand präsentiert wurden.
Am 1.6.1995 wurde Karin Varga zur ersten Frauenbeauftragten des Goethe-Instituts
ernannt. Es gelang ihr, in Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Vorstand
bereits 1996 einen klar definierten Frauenförderplan aufzustellen.
Einen Haken freilich hatte all ihr Bemühen um die Veränderung
festgefahrener Strukturen: Sie wurde - und dies gilt auch für ihre
Nachfolgerin Wiltrud Flick - für diese Tätigkeit nicht freigestellt,
auch wenn es dabei um die Betreuung von mehr als 2000 weiblichen Mitarbeitern
geht. Von den insgesamt 3174 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
sind (nach der Fusion mit Inter Nationes) 1181 (37,2%) männlich,
1993 (62,8%)
An diesen Zahlen zeigt sich, dass zum einen die Vorstandsebene
weiterhin eine Männerdomäne geblieben ist und sich auch die
Besetzung von BAT-IIA-Stellen leicht zu Ungunsten von Frauen weiterentwickelt
hat. In den Kategorien BAT IAZ und in ausgeprägter Weise bei BAT-IA-
und BAT-IB-Stellen sind die Dinge in Bewegung geraten, indem hier Zuwachsraten
bei Frauen zwischen 7,5% und 14,2% zu verzeichnen sind. Unverändert hingegen die Situation ab den Vergütungsgruppen
BAT III-VI. Ab Kategorie III zeigt sich weiterhin eine sich immer mehr
verstärkende Umkehr des Geschlechterverhältnisses: Ca. 75% der
in BAT III Eingruppierten sind Frauen, bei BAT IV sind es bereits 80%,
bei BAT V 88% und bei BAT VI schließlich 93%. Von einem sehr ähnlichen
Geschlechterverhältnis ist bei den nach ortsüblichen Tarifen
entlohnten Ortskräften im Ausland auszugehen. Ein Lichtblick in Hinblick auf eine gezielte Laufbahnplanung
im mittleren Dienst ist der seit 1999 angebotene Fernstudiengang zur Erreichung
der Angestelltenprüfung I und II. Er will Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
des mittleren Dienstes darauf vorbereiten, Verwaltungsleiterstellen im
In- und Ausland zu übernehmen. Die vorhin erwähnten Zahlen zeigen deutlich, dass
das Goethe-Institut völlig im Trend der bundesrepublikanischen Entwicklung
steht: eine Ausblendung von Frauen im Führungsgremium, eine zaghafte
bis deutlich positive Entwicklung auf der höheren und mittleren Führungsebene,
Stagnation im Bereich des gehobenen und mittleren Dienstes. Ein Ruhmesblatt
ist dies insbesondere im Vergleich zu unseren nord- und westeuropäischen
sowie nordamerikanischen Partnerländern gewiss nicht. Dort ist schon
seit längerer Zeit erkannt worden, dass Frauen im "Kulturgeschäft"
im weitesten Sinne häufig mehr Sensibilität, Dialog- und Teamfähigkeit,
Organisationstalent und Flexibilität an den Tag legen als so manche
ihrer männlichen Kollegen. Auf Arbeitgeberseite muss es daher ein ernsthaftes Anliegen
sein, dieses Potenzial an fähigen Frauen nach Kräften zu fördern
und Mitarbeiterinnen gezielt anzuspornen und darauf vorzubereiten, verantwortungsvolle
Stellen zu übernehmen. Bei den Frauen: mehr Risikofreude, Gelassenheit und Selbstvertrauen
sowie ein klares Abstecken von Berufszielen, die auch mit den privaten
Lebenszielen vereinbar sein müssen. Schließlich: Für eine Institution wie "Goethe-Institut Inter Nationes", die auch im 21. Jahrhundert ein soziokulturelles Schaufenster der Bundesrepublik Deutschland im Ausland sein wird und ca. 63% Mitarbeiterinnen hat, wünsche ich mir: mehr Frauen im Präsidium - warum nicht endlich eine Frau im Präsidentenamt? - und last but not least: einen nicht nur aus Männern bestehenden Vorstand.
Der Artikel ist in der Festschrift zur gleichnamigen Ausstellung erschienen: im
Kronprinzenpalais erschienen im C.H.
Beck Verlag
|