Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Neueste Geschichte
Dr. des. Kiran Klaus Patel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM, Brigitte Vogel und Stefan Bresky, Museumspädagogik)
Wintersemester 2001/2, Mi 14-16 Uhr, Raum 3015

 

Die Vernichtung der europäischen Juden
als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM

 

"Ich wußte immer, dass wir die Spielesammlung hätten mitnehmen sollen", sagte Max,
"Hitler spielt wahrscheinlich im Augenblick Dame damit!"
"Und hat mein rosa Kaninchen lieb", sagte Anna und lachte.
Aber gleichzeitig liefen ihr die Tränen über die Wangen.

Zum Inhalt
Die neunjährige Anna erzählt aus ihrer Sicht die Geschichte der Flucht 1933 aus Deutschland über Zürich und Paris nach London. Ihr Vater ist ein berühmter jüdischer Schriftsteller, der bis 1933 mit seiner Familie in Berlin lebte. Kurz nach dem Reichstagsbrand verläßt die Familie überstürzt Deutschland in Richtung Schweiz, zurück bleiben die Spielesammlung des Bruders und Annas rosa Kaninchen. Eine lange Reise beginnt, die für Anna und ihren Bruder anfangs sehr aufregend ist. Bald jedoch zeigen sich die ersten Schwierigkeiten, als sie vom Alltag eingeholt werden. Anna versteht wenig von den Hintergründen ihrer Flucht. Noch in Berlin entziffert sie mühevoll den Namen Hitlers auf einem Plakat, den Mann dazu findet sie unsympathisch. Sie spürt die Ausgrenzung, als deutsche Kinder in der Schweiz mit ihr nicht spielen wollen. Sie sieht die verzweifelten Gesichter ihrer Eltern, wenn Nachrichten aus Deutschland sie erreichen. Für Anna stehen aber die Alltagsschwierigkeiten im Mittelpunkt. Es ist nicht leicht, sich jedesmal neu einzuleben. Sie lernt die Armut kennen, muß Sprachbarrieren überwinden und sich überall neu eingewöhnen. Wie bekannt war im Gegensatz dazu alles in Berlin. Und jedesmal wenn sie beginnt, sich wohl zu fühlen, zwingt die wirtschaftliche Situation die Familie, es erneut woanders zu versuchen. In der Schweiz werden die Schriften des Vaters gegen das Naziregime aus Neutralitätsgründen nicht veröffentlicht, in Frankreich verdient er wegen der allgemeinen Wirtschaftslage nicht ausreichend Geld für den Unterhalt der Familie, und so versucht die Familie schließlich in London ihr Glück.

Zur Autorin
Judith Kerr hat mit diesem Roman eine Geschichte mit autobiographischen Zügen erzählt. Als Tochter des bekannten jüdischen Schriftstellers und Theaterkritikers Alfred Kerr wurde sie am 14. Juni 1923 in Berlin geboren. 1933 mußte die Familie Deutschland verlassen und emigrierte über die Schweiz und Paris 1935 nach London. Dort studierte Kerr nach dem Schulabschluß drei Jahre an der Central School of Arts and Crafts. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie beim Roten Kreuz. Später war sie für die britische Rundfunkgesellschaft BBC tätig, schrieb und illustrierte Kinderbücher.
Bekannt wurde sie durch das Buch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl", das 1971 auf Englisch ("When Hitler stole pink rabbit"), zwei Jahre später dann auf Deutsch erschien. 1974 erhielt sie dafür den Deutschen Jugendbuchpreis.
Als Fortsetzung der Geschichte Annas erschienen in den darauffolgenden Jahren der zweite Band "Warten bis der Frieden kommt" und als Abschluss der Trilogie "Eine Art Familientreffen". Der zweite Band erzählt vom Aufwachsen im Exil bis zum Kriegsende 1945. Der dritte Band schliesslich dreht sich um einen Besuch in Berlin im Jahr 1956, die Suche nach den Stätten der frühen Kindheit und die schwierige Mutter-Kind-Beziehung.

Zur Einschätzung
Die Geschichte zeigt aus seiner kindlichen Perspektive das Los der politischen Flüchtlinge als geduldete Emigranten nach 1933. Anna erfährt erst in diesem Zusammenhang, dass sie Jüdin ist, und was es heißt, in dieser Zeit jüdisch zu sein. Politische Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus kommen zur Sprache, sie bilden aber nur den Hintergrund für den Roman. Wie Anna das Schlimme hauptsächlich nur ahnen kann, bekommt ein junger Leser auch nur eine Ahnung vom Ausmaß der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.
Deshalb ist das Buch, das in sehr einfacher, kindlicher Sprache geschrieben ist, ein guter Einstieg in das Thema Nationalsozialismus und kann ab dem Alter von 9 Jahren gelesen werden. Es bietet dem Leser Identifikationsmöglichkeit und regt zu weiterer Beschäftigung mit dem Thema des Nationalsozialismus an.
Friedrun Portele

KERR, Judith, Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Ravensburg 1997, € 5, 95
Die Folgebände
KERR, Judith, Warten bis der Friede kommt, Ravensburg 1997
KERR, Judith, Eine Art Familientreffen, Ravensburg 1997


 

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