Die Ausstellung aus dem Bestand der Plakatsammlung des DHM skizziert anhand von Produktwerbung und politischer
Propaganda die Darstellung von Klassenidealen und Klassenfeinden im Plakat der Jahrhundertwende bis in die
jüngste Vergangenheit.
Sie gliedert sich in sieben Abschnitte: die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, Erster Weltkrieg, Weimarer
Republik, „Drittes Reich“, Bundesrepublik, DDR und die Zeit nach 1990.
Das Phänomen der Klasse machte sich fest an wirtschaftlicher Macht und politischem Einfluß, an der
äußeren Erscheinung, der Mode, dem ostentativen Freizeitverhalten, dem Wohnen, am Konsum. Mode, Sport,
Reisen und Urlaub, Genussmittel und Vergnügungen, Bildung und Kultur, Haushalt und Wohnen, Arbeit,
Politik sind die Themen, an denen entlang die Darstellung des sich wandelnden Klassenideals und des Bildes vom
Klassenfeind im Plakat skizziert wird.
Die Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg war eine Klassengesellschaft aus Bürgertum, Arbeiterschaft und
Adel. Das Militär genoß in der zivilen Gesellschaft hohes Ansehen. In dieser Gesellschaft bestimmt der
Lebensstil der upper class die Werbung. Accessoires wie Frack, Monokel, Rassehunde sollen sie als Angehörige
einer Oberschicht kenntlich machen. Die Plakate vermitteln dem Konsumenten den Lebensstil einer Klasse, die sich
prestigeträchtige Sportarten wie Reiten, Tennis, Jagen leisten kann und Muße hat, sich zu bilden, zu reisen. Das Ideale liegt in der freien, an keine Verpflichtung gebundenen Lebensführung – das Ideal der
„leisure class“. Die Werbeplakate spekulieren mit den Aufstiegsbestrebungen der Verbraucher aus dem Kleinb
ürgertum und der Arbeiterschaft, weckt Wünsche und Sehnsüchte.
Die großen Namen der Plakatkunst der Jahre vor dem ersten Weltkrieg sind in der Ausstellung vertreten:
Lucian Bernhard, Ludwig Hohlwein, Hans Rudi Erdt, Edmund Edel Carl Moos.
Plakate der SPD zu den Reichstagswahlen 1912 bilden den stilistischen und inhaltlichen Kontrast zu den
Werbeplakaten. Die politische Propaganda thematisiert die bestehenden Klassenkonflikte der wilhelminischen
Gesellschaft. Hier klingt ein Thema an, das die politischen Vorstellungen der Weimarer Republik bestimmt .
Während des ersten Weltkrieges sollen die bestehenden innenpolitischen Konflikte beschwichtigt werden.
Der Aufruf Kaiser Wilhelms II. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche“ ist sprichwörtlich
geworden für diese Absicht. Die Politik versprach den Arbeitern, die Ausgrenzung zu beenden und sie zu
integrieren, die Arbeiter versprachen im Gegenzug einen Waffenstillstand im Klassenkampf (P. Nolte). In der
Produktwerbung, die während des Krieges insgesamt stark zurückgeht, dominiert das Militär als
gesellschaftliches Leitbild, werben Soldaten für Kaffee und Zigaretten als Liebesgaben.
Die Revolution hat stattgefunden, die Republik war ausgerufen, das Dreiklassenwahlrecht ist abgeschafft. Der
Arbeiter betritt die Plakatszene. Die Arbeiter sind ein großes Wählerpotential, um deren Stimme mit
martialischen und den Gegner diffamierenden Bildern geworben wird.
In der bildlichen Darstellung des Sozialismus und des Kommunismus wird der Arbeiter zum unüberwindlichen
Helden stilisiert. Die Gegenüberstellung von Klassenfeinden und Klassenidealen bestimmt größ
tenteils die Rhetorik der Bilder. Die Bilder formulieren eine Wunschvorstellung und eine Forderung. „Unser die
Macht “ - lautet diese Forderung, die in der Darstellung des kraftvollen, kämpferischen Arbeiters des
„Riesen Proletariat“ ihre bildliche Entsprechung hat. Die Arbeiterschaft will nicht nur die politische und
wirtschaftliche Macht, sie will auch die Inhalte der Kultur mitbestimmen, das bürgerliche Bildungsprivileg
brechen. Arbeiterkultur und Arbeitersport werden als Mittel zum Klassenkampf eingesetzt. Bei der Darstellung des
Klassenfeindes, der zugleich der politische Gegner ist, sparen Links wie Rechts nicht mit martialischen Bildern.
Der auf den Plakaten ausgetragene Klassenkampf in Bildern war zugleich ein Kampf um politische und
gesellschaftliche Systeme.
Als Folge der Verarmung des Mittelstandes war Zielgruppe der Werbung nun nicht mehr eine großbü
rgerliche Oberschicht mit ihren Idealen, sondern die breite Schicht der männlichen und weiblichen
Angestellten.
Der Nationalsozialismus propagierte die Zerschlagung des bürgerliches Klassenstaates. Es gab nur noch die
Volksgemeinschaft, in der alle Klassengegensätze aufgehoben zu sein schienen und der Klassenkampf beendet
war. Alle sollten sich als Volksgenossen dieser Volksgemeinschaft zugehörig fühlen. Das Ideal war der
Arbeiter. Auch die nationalsozialistische Plakatpropaganda umwarb ihn mit pathetischen Bildern, auf denen er als
Heros, als Gigant dargestellt wurde.
In der Konsumwerbung wurde neben völkisch- deutsch anmutenden Werbeplakaten auch weiterhin für Genu
ßmittel und Luxusartikel mit Bildern geworben, die dem Konsumenten suggerierten, daß der Genuß
dieser Marke Glück, Schönheit, Eleganz, Liebe, die große Welt verhieß. Auf diesen Plakaten
wirkten die alten Klassenideale von Vergnügen, Freiheit, Chic und Lebensstil.
Mit den Grundrechten in der Bundesrepublik sollte eine demokratische Gesellschaft entstehen. Von den Plakaten
ist der klassenkämpferische Duktus verschwunden, aus den Arbeitern sind Arbeitnehmer geworden. Sie recken
nicht mehr kämpferisch die Faust sondern lächeln gelassen von den Plakaten. Mit dem Titel des Buches
„Wohlstand für alle“ von Ludwig Erhardt warb das Plakat für die Bundestagswahl 1957. Das Grundrecht auf
Konsum sollte breiten Schichten der Bevölkerung umfassenden Konsum ermöglichen. Viele Klassenideale
sind für die Menschen der bundesrepublikanischen Gesellschaft selbstverständlich geworden. „Kö
nigin Kundin“ kann sich einen vollen Einkaufskorb leisten. Wo auf den Plakaten Anklänge an alte
Klassengegensätze zwischen Arbeit und Kapital formuliert werden, wird der Auseinandersetzung durch eine
satirische oder humorvolle Darstellung die Spitze genommen.
Die UDSSR erhob in ihrer Besatzungszone hohe Reparationsforderungen. Bis zur Gründung der DDR hatte die
SMAD die Weichen für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturpolitische Entwicklung bereits
gestellt. Auf den Plakate tauchen die alten Feindbilder aus der Weimarer Republik wieder auf: Aristokraten,
Junker, Kapitalisten und Militär in Verbindung mit Adel und Kirche. Auch das motivische und stilistische
Repertoire der DDR Plakate knüpft an die Bildsprache der Weimarer Zeit - und die der Nationalsozialisten -
an.
Bezugspunkt der Plakatpropaganda und auch der kommerziellen Werbung ist der Arbeiter. In dem Arbeiter – und
Bauernstaat verkörpert er das Klassenideal und wird auf den Plakaten in den Mittelpunkt gestellt: Er ü
bt Klassensolidarität indem er sich freudig und optimistisch für den Aufbau des Sozialismus einsetzt.
Der sozialistische Mensch lebt nicht für sich sondern für die sozialistische Gemeinschaft. Die Plakate
stellen keinen gesellschaftlichen Ist-Zustand dar, sondern propagieren ein für die Zukunft angestrebtes
Ideal, das der Arbeiter erreichen und erfüllen soll.
Die alten Klassenideale sind für den Arbeiter verwirklicht: Urlaub, Bildung, Kultur, Reisen, Studium
sollten nicht der persönlichen, individuellen Bildung dienen, sondern waren dem einen Zweck untergeordnet: der
Erfüllung der Wirtschaftspläne, der Stärkung der DDR.
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