DHM
PETER BURSCHEL
MARK HÄBERLEIN

Familie, Geld und Eigennutz
Patrizier und Großkaufleute im Augsburg
des 16. Jahrhunderts

Anmerkung

I.

Im Jahre 1535 erlebte die Reichsstadt Augsburg einen drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise. Obwohl derartige Teuerungen in Städten der frühen Neuzeit immer wieder vorkamen, war der Maler und Chronist Jörg Breu nicht bereit, sie als gottgegeben oder als Ergebnis komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge anzunehmen. Vielmehr sah Breu die Ursache für die Teuerung im Gewinnstreben reicher Augsburger Bürger :

"Item es waren auch etlich begriffen im aufkaufen der schrandt, das kam von Got. das korn galt 8 ß. da kamen derselbigen diener und kauften alle marckttag 15 schaf korn und 15 schaf habern und hetten drei kesten, da sie es aufschüteten. und brachtens von aim marckttag bis zum andern auf 12 ß; wo man inens pot umb 10 ß, will ich 11 ß d darumb geben, bis daß mans innen wurde. da merckt auf unsere burger mit namen Leo Rafenspurger, ain ratsherr, Marx Pfister, Gabriel Settely, Jorg Stebenhaber und Sebastian Neithart die waren in ainer gesellschaft und schweger miteinander. der armuot ists verpoten".

Vier der fünf Personen, deren Namen Breu hier nennt, waren in der Tat "schweger miteinander": Leo Ravensburger, Raphael (bei Breu "Gabriel") Sättelin, Georg Stebenhaber und Sebastian Neidhart waren alle mit Töchtern des Augsburger Patriziers und Großkaufmanns Christoph Herwar verheiratet. Markus Pfister war zwar kein Schwager dieser vier, doch als Sohn eines Vetters von Christoph Herwarts Ehefrau Elisabeth Pfister zumindest entfernt mit ihnen verwandtschaftlich verbunden. Der 1529 verstorbene Christoph Herwart gehörte 1522 zu den zehn größten Steuerzahlern Augsburgs und war im Jahrzehnt vor seinem Tod auf Europas wichtigste Geld- und Warenmärkten zu finden. In Antwerpen, wo Herwarts Firma seit 1509 nachweisbar ist, vertraten ihn von 1514 bis 1520 der erwähnte Markus Pfister und in den 1520er Jahren die Brüder Lukas und Christoph von Stetten. In Tirol beteiligte sich Herwart seit 1526 zusammen mit den Brüdern Anton und Hans Bimmel und mit Anton Fugger an einem großen Montanunternehmen, dem Schwazer Berg-, Schmelz- und Pfennwerthandel. Gemeinsam mit den Brüdern Bimmel lieh er 1528 Erzherzog Ferdinand 45.000 Gulden. In Lissabon arbeiteten zwischen 1521 und 1529 nicht weniger als sechs Faktoren für Herwart, und durch ein Abkommen mit Jörg Pock, der 1520 als Vertreter der Nürnberger Hirschvogel nach Goa reiste, gelang ihm der Einstieg in den Ostindienhandel.

Herwarts Schwiegersöhne setzten sein Engagement im Fernhandel und Kreditgeschäft fort. So erscheint der aus Memmingen stammende Raphael Sättelin zwischen 1518, und 1531 als Geschäftspartner der Firma von Alexius, Funck in Wiener Neustadt. 1539 stand er in geschäftlichem Kontakt mit der Wiener Fugger-Faktorei. Stebenhaber, der wie Sättelin von Memmingen nach Augsburg kam und von 1514 bis etwa 1525 bei der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft diente, gewährte in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts gemeinsam mit Anton Fugger, Anton Haug und Sebastian Neidhart der Regierung Oberösterreichs mehrere größere Darlehen. Der Ulmer Patriziersohn Sebastian Neidhart schließlich wurde von 1530 an, als er mit Karl V. einen Kreditvertrag in Höhe von 40.000 Dukaten abschloß, zu einem der wichtigsten Geldgeber der Habsburger und beteiligte sich in den folgenden Jahren an mehreren spektakulären Unternehmungen in Spanisch-Amerika. Er rüstete 1535 gemeinsam mit dem Nürnberger Jakob Welser ein Schiff der Flotte aus, die der Konquistador Pedro de Mendoza an die Mündung des Rio de la Plata führte, erwarb 1537 Rechte an den Perlenbänken der Venezuela vorgelagerten Insel Cubagua und stieg gemeinsam mit dem in Sevilla lebenden deutschen Kaufmann Lazarus Nürnberger in den Silberbergbau im mexikanischen Zultepeque ein.

Diese Beispiele zeigen, daß die von Breu als Preistreiber identifizierten Männer der wirtschaftlichen Führungsgruppe der Augsburger Großkaufleute mit buchstäblich weltweiten Verbindungen angehörten. Ihre ökonomische Macht ging mit politischem Einfluß einher: Ravensburger, der wie sein Schwiegervater einer der alten Augsburger Patrizierfamilien entstammte, saß seit 1530 im Großen Rat der Reichsstadt und rückte 1540 in den Kleinen Rat auf. Neidbart, Pfister und Stebenhaber gelangten in den 30er Jahren als Mitglieder des Zwölferausschusses der Kaufleutezunft ebenfalls in den Rat, und als 1538 das Patriziat der Reichsstadt erweitert wurde, kamen auch Neidhart und Pfister in den Genuß einer Standeserhebung. Bezeichnenderweise treten diese Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Elite Augsburgs bei den von Breu geschilderten Kornaufkäufen nicht selbst in Erscheinung, sondern schicken ihre Diener.

Breus Kritik an der ökonomischen und politischen Elite Augsburgs, die er auch in diesem Fall mit offenkundigem Engagement vorbringt, ist oft als emotional, ungerecht und einseitig charakterisiert worden. Doch unabhängig davon, ob sich Breus Vorwürfe gegen die "Reichen" der Stadt im konkreten Einzelfall verifizieren lassen, verdienen derartige Passagen in seiner Chronik Beachtung, weil Breu in ihnen zwei Grundprobleme der frühneuzeitlichen Reichsstadt anspricht: zum einen die sozialen Interaktionen, insbesondere die verwandtschaftliche und wirtschaftliche Verflechtung, innerhalb der städtischen Elite - "die waren in ainer gesellschaft und schweger miteinander" -, zum anderen das Normensystem, welches das Zusammenleben von Elite und Stadtgemeinde bestimmte. Denn was die einflußreichsten Bürger der Stadt ungestraft täten, das sei, so Breu, dem armen Mann "verpoten". Diese beiden Grundprobleme sollen im folgenden an jeweils einem Beispiel aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts genauer untersucht werden. Während anhand der Patrizierfamilie Rehlinger exemplarisch gezeigt werden soll, wie verwandtschaftliche Verflechtung, ökonomische Macht und politischer Einfluß im Augsburg des frühen 16. Jahrhunderts zusammenwirkten, soll das Beispiel des Aufstiegs und Konkurses der Kaufmannsfamilie Höchstetter verdeutlichen, welche Normen und Konflikte das Zusammenleben in der Reichsstadt prägten.

II.

Die aus dem Landadel stammenden und vermutlich Anfang des 14. Jahrhunderts nach Augsburg eingewanderten Rehlinger gehörten dem alten Patriziat der Reichsstadt an, das sich bis in die 30er Jahre des 16. Jahrhunderts auf ganze sieben Familien reduziert hatte. Die Zugehörigkeit zum Patriziat brachte zunächst erheblichen politischen Einfluß und soziales Prestige mit sich. In politischer Hinsicht hatten die Zünfte zwar seit 1368 ein deutliches Übergewicht in den Augsburger Ratsgremien, doch stellten die Patrizier stets einen der beiden Bürgermeister und 8 der 42 Mitglieder des Kleinen Rats. Mitglieder der Familie Rehlinger bekleideten bereits im 14. und 15. Jahrhundert das Bürgermeisteramt. In sozialer Hinsicht äußerte sich die privilegierte Stellung des Patriziats unter anderem darin, daß der Zugang zur exklusiven Herrentrinkstube durch die Kriterien der patrizischen Geburt, der Einheirat in eine Patrizierfamilie oder Zugehörigkeit zum Adel beschränkt war. Schon für das 15. Jahrhundert werden die Rehlinger auch zu den 30 wirtschaftlich bedeutendsten Augsburger Familien gezählt - der politisch-sozialen entsprach also auch eine ökonomische Führungsposition.

Eine genauere Vorstellung von der wirtschaftlichen Stellung der Familie im Augsburg der Reformationszeit läßt sich aus den Steuerbüchern der Reichsstadt gewinnen. Obwohl die Steuersummen nur bedingt Rückschlüsse auf das tatsächliche Vermögen der Steuerzahler zulassen, sind sie aufgrund ihrer Vollständigkeit der beste Indikator für die Sozialstruktur der Stadt und für die Position einzelner Familien innerhalb der sozialen Hierarchie. Das Steuerbuch von 1534 verzeichnet nicht weniger als 20 Mitglieder der Familie Rehlinger, die sich auf neun Steuerbezirke verteilen und deren Vermögensverhältnisse in nebenstehender Tabelle zusammengestellt sind.

Mitglieder der Familie Rehlinger im
Augsburger Steuerbuch von 1534

Name Steuerbezirk Steuersumme
Konrad (alt) Vom Rapold 280 fl*
Bernhard (jung) Vom Schusterhaus 191 fl
Ulrich Vom Zimmerleuthaus 156 fl 34 x
Wolfgang Von St. Anthonino 155 fl
Konrad (jung) Auf Unser Frauen Graben 150 fl
Hans (alt) Von Unser Frauen Brüder 125 fl
Bernhard (alt) Von Unser Frauen Brüder 90 fl
Ulrich (jung) Von St. Anthonino 82 fl
Christophs Kinder Von Unser Frauen Brüder 79 fl 30 x
Magdalena Von Unser Frauen Brüder 73 fl
Marx' Frau Vom Schusterhaus 50 fl
Jakob Von St. Anthonino 42 fl 30 x
Leonhard Christoph Von St. Anthonino 41 fl 12 x
Christoph Christoph St. Katharinengasse 39 fl
Wilhelm St. Katharinengasse 34 fl
Hans (jung) Vom Zimmerleuthaus 25 fl 42 x
Konrad Außerhalb St. Gallen Tor 11 fl
Bernhard, Dr. Außerhalb St. Gallen Tor ohne Angabe
Leonhard Vom Diepold ohne Angabe
Hans, Dr. Vom Rapold ohne Angabe

*Konrad Rehlinger d. Ä. zahlte weitere 30 fl für seine vier Söhne

Für 17 der 20 Mitglieder dieses weitverzweigten Familienclans liegen Angaben über die Höhe der Steuersumme vor. Daß diese Angaben für Rehlinger fehlen, bedeutet jedoch keineswegs, daß diese kein Vermögen besessen hätten. Dies verdeutlicht das Beispiel des Juristen Dr. Hans Rehlinger, der offenbar als städtischer Ratskonsulent von der Steuer befreit war. Rehlinger, der sich neben Dr. Konrad Peutinger als Wortführer der oberdeutschen Handelsgesellschaften im sogenannten Monopolstreit einen Namen machte, hatte zum Zeitpunkt seines Todes fast 60.000 fl "in gold und münz" bei großen Augsburger und Nürnberger Unternehmen als Depositen eingelegt und besaß neben einem Haus in der Steingasse auch Güter außerhalb der Stadt.

Die Steuerleistungen der Rehlinger zeigen, daß die Angehörigen der Sippe um 1534 über beträchtliches Vermögen verfügten und fast durchweg zur ökonomischen Spitzengruppe der städtischen Bevölkerung gehörten. Zu einem Zeitpunkt, als weniger als ein Prozent der Augsburger Steuerzahler über 100 fl entrichtete, lagen die Steuerleistungen von sechs Rehlingern zwischen 125 und 280 fl. Fünf weitere Rehlinger zahlten zwischen 50 und 100 fl Steuern, während der Anteil dieser Steuergruppe an der Gesamtzahl der Steuerzahler wiederum unter einem Prozent lag. Auch die Gruppe der Steuerzahler, welche zwischen 20 und 50 fl entrichteten, und der fünf der sechs übrigen Rehlinger angehörten, machte weniger als zwei Prozent der steuerpflichtigen Einwohnerschaft aus. Gleichzeitig sind große Vermögensunterschiede innerhalb der Sippe unübersehbar. So steuerte zum Beispiel der reichste Rehlinger im Jahre 1534, Konrad d. Ä., das Siebenfache von Leonhard Christoph oder Christoph Christoph, das Elffache von Hans d. J. und das Sechsundzwanzigfache seines Namensvetters Konrad Rehlinger. Hinter diesen Zahlen verbergen sich erhebliche Altersunterschiede, aber auch divergierende wirtschaftliche Aktivitäten und verschiedene verwandtschaftliche Netzwerke. Die Entschlüsselung dieser Divergenzen vermittelt ein wesentlich differenzierteres Bild dieser Patrizierfamilie.

Konrad Rehlinger d. Ä., dessen Steuerleistung von 280 fl auf ein Vermögen von mindestens 56.000 fl schließen läßt, war 1534 bereits 64 Jahre alt und seit Jahrzehnten in Handelsgeschäften tätig. Er hatte 1503 Barbara Walther, die Tochter von Hans Walther, geehelicht, welcher zwischen 1503 und 1511 das Amt des Zunftmeisters der Kaufleute bekleidete, und war im gleichen Jahr eine Handelsgesellschaft mit seinem Schwager Andreas Grander und dem Sohn seines Schwagers Hans Honold eingegangen. Die Gesellschaft, der sich 1507 auch Hans Honolds Bruder Peter anschloß, bestand bis zu Granders Tod im Jahre 1531. Abgesehen von den überlieferten Gesellschaftsverträgen, liegen über die Aktivitäten der Firma nur sporadische Nachrichten vor; diese deuten jedoch darauf hin, daß der Warenhandel das Rückgrat der Gesellschaft bildete. 1508 mieteten Grander und Rehlinger Kammern im Fondaco dei Tedeschi in Venedig, 1514 erschien ein Vertreter der Firma zur Zeit der Safranernte im italienischen Aquila, und 1515 reiste Rehlingers Partner Hans Honold mit einem Kaufmannszug nach Frankfurt, der von Götz von Berlichingen überfallen wurde. Nach der Auflösung der Gesellschaft beteiligte sich Konrad Rehlinger unter anderem 1535 mit Hans Baumgartner d. J. und Hans Rehlinger d. Ä. am Quecksilberbergbau in Idria bei Triest und erscheint nach 1540 als Besitzer von eingedeichtem Polderland in Seeland. In den 20er und 30er Jahren war er zudem in mehreren städtischen Ämtern tätig: zwischen 1524 und 1539 saß er mit einer Unterbrechung jedes Jahr im Kleinen Rat. Ferner trat er mehrfach als Kirchenpfleger in Erscheinung und war 1523 bis 1524 als Steuermeister sowie 1526 bis1538 als Einnehmer für die städtischen Finanzen mitverantwortlich.

Aus Konrads Ehe mit Barbara Walther waren acht Kinder hervorgegangen, mit denen sich Konrad 1517 von dem Memminger Maler Bernhard Stringel porträtieren ließ. Nach dem Tod seiner Frau heiratete Konrad Rehlinger 1525 Sibilla Artzt, die Witwe Jacob Fuggers des Reichen, mit dem er einige Jahre zuvor in geschäftlicher Verbindung gestanden hatte. Diese Eheschließung barg erheblichen Konfliktstoff, da Jacob Fugger seiner Witwe dem Chronisten Clemens Sender zufolge testamentarisch "ain gros guot an gold, silber und klainettern vermacht, auch ir leben lang die behausung und gärtten, wa si in dem witwestand beleib", eingeräumt habe. Konrad Rehlinger, den Sender als "ain alts mendlin" charakterisiert, habe "haimlich um die Fuggerin gebuollet" und sie dazu bewegt, mitsamt ihrem Heiratsgut in sein Haus zu kommen und ihn "auff die lutherische Art" zu heiraten. Rehlingers Verhalten erscheint Sender um so verwerflicher, als Jacob Fugger ihm "über leib und guot vertraut hat, vil fraindtschaft bewissen und stets ob seinem tisch gehapt zuo gast (...)". Andere Chroniken widersprechen, allerdings der Version Senders. Die sogenannte Langenmantelsche Chronik berichtet etwa, daß "der fugger" Konrad Rehlinger und seine Frau "mit gewalt und gewaffnether Handt durch seine diener genottrengt und bezwungen das sie ain andern (Haus) nemmen muessen", wodurch der Frau nach ihrer eigenen Einschätzung 20.000 fl an Vermögen verloren gegangen seien.

Wie bereits Konrad Rehlinger selbst und seine Schwestern gingen auch seine Kinder vorwiegend Heiratsverbindungen mit Familien ein, die dem Kaufmannsstand angehörten. Konrad d. J., der 1534 150 fl steuerte, hatte 1528 Barbara Wieland geehelicht, vermutlich eine Tochter des Kaufmanns Georg Wieland, der 1522 zu den zehn reichsten Augsburgern zählte; seine Schwester Magdalena heiratete 1532 Christoph von Stetten, den ehemaligen Faktor Christoph Herwarts; und ihre Schwester Apollonia ehelichte 1536 Christoph Manlich, dessen Gesellschaft in den 40er und 50er Jahren an mehreren großen Bergbauunternehmen beteiligt war. Die Frau von Konrad Rehlingers d. Ä. Sohn Markus, Apollonia Pfister, die 1534 50 fl an Steuern zahlte, entstammte ebenfalls einer Kaufmannsfamilie.

Auch die Handelsaktivitäten der Rehlinger in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden in erster Linie von Nachkommen Konrad Rehlingers d. Ä. fortgeführt. Sein Sohn Hieronymus, der 1534 noch nicht im Steuerbuch erscheint und 1536 Apollonia Haintzel, die Tochter des an der Welser-Gesellschaft beteiligten Peter Haintzel, heiratete, war Gläubiger der englischen Krone und des deutschen Kaisers und stellte zwischen 1571 und seinem Tod 1581 Vollmachten für geschäftliche Vertreter in Leipzig, Danzig, Antwerpen, Paris, Lyon, Venedig und Neapel aus. Sein Sohn Markus führte den Handel bis zum Ende des 16. Jahrhunderts fort, und sein Enkel Marx Konrad hatte noch in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges europaweite Geschäftsverbindungen und war im englischen und holländischen Überseehandel engagiert.

Eine zweite, größere Gruppe von Mitgliedern des Rehlinger-Clans im Steuerbuch von 1534 umfaßt die Brüder Bernhard d. Ä. (90 fl) und Hans d. Ä. (125 fl) samt ihren Söhnen, ihre unverheiratete Schwester Magdalena (73 fl) sowie die Söhne ihres verstorbenen Bruders Christoph, Leonhard Christoph (41 fl), Christoph Christoph (39 fl) und ihre vier noch ledigen Geschwister (79fl 30x). Von den drei Brüdern der älteren Generation war Christoph mit der Tochter Peter Honolds, eines Mitglieds der Kaufleutezunft, verheiratet. Hans d. Ä. hatte 1504 Anna Dietenhaimer und Bernhard d.Ä. ein Jahr zuvor Richardis Mißbeck, eine Straßburger Patriziertochter, geehelicht.

Von primärer wirtschaftlicher Bedeutung scheint für alle drei Brüder jedoch ihre verwandtschaftliche Beziehung zu Hans Baumgartner d. Ä., der mit ihrer Kusine Felizitas verheiratet war, und mit dessen gleichnamigem Sohn gewesen zu sein. Christoph Rehlinger war von 1517 bis zu seinem Tod 1520 mit 10.000 fl an der Handelsgesellschaft von Hans Baumgartner d. J. und Wolfgang Rudolf beteiligt, Hans und Bernhard Rehlinger kauften 1519 Silber von Hans Baumgartner d. J., Bernhard Rehlinger trat demselben um 1524 Bergwerksanteile in Tirol ab, und Hans Rehlinger und Hans Baumgartner engagierten sich um 1535 gemeinsam im Quecksilberbergbau zu Idria. Wie eng die Beziehungen zwischen beiden Familien waren, zeigt auch eine Reihe von Urkunden und Verträgen der Baumgartner. Als Hans Baumgartner d. J. während einer Krankheit seines Vaters 1516/17 die Geschäfte weiterführt, siegelt Bernhard Rehlinger seine Abrechnungen; 1520 ernennt Hans Baumgartner d. Ä. Hans Rehlinger zu seinem Testamentsvollstrecker; 1528 siegelt Hans Rehlinger den Heiratsvertrag zwischen Hans Baumgartner d. J. und Regina Fugger; und 1530 siegelt derselbe das Inventar der Witwe Hans Baumgartners d. Ä.

Auch in der folgenden Generation sind innerhalb dieses Zweiges der Rehlinger Zusammenhänge zwischen verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen erkennbar. Bernhard Rehlinger d. J., der 1528 Anna Bimmel, die Tochter des Großkaufmanns Anton Bimmel, geheiratet hatte und 1534 von allen Rehlingern die zweithöchste Vermögenssteuer entrichtete, erschien 1533 mit der stattlichen Summe von 13.600 fl als Depositengläubiger der Firma von Anton Haug, Hans Langnauer und Ulrich Linck, welche aus dem Unternehmen von Anton und Hans Bimmel hervorgegangen war. In dieselbe Gesellschaft hatten auch die Söhne Christoph Rehlingers Depositen eingelegt. Nach der Verehelichung von Anna Rehlinger, einer Tochter von Hans d. Ä., mit Anton Fugger 1527 erschienen Hans und Bernhard Rehlinger auch als größere Gläubiger des Fuggerschen Unternehmens. Generell dürften Handelsgeschäfte für die Nachkommen von Hans d. Ä., Bernhard d. Ä. und Christoph Rehlinger nur eine geringe Rolle gespielt haben. "Stille" Beteiligungen an anderen Firmen, die Übernahme städtischer Ämter, Grundbesitz im Umland von Augsburg und Heiraten mit dem Landadel werden spätestens seit der Jahrhundertmitte für diesen Zweig der Familie charakteristisch.

Eine dritte Gruppe innerhalb des Rehlinger-Clans im Augsburg der Reformationszeit bilden schließlich Ulrich d. Ä. und seine Söhne Ulrich und Jakob. Ulrich d. Ä. hatte 1497 Ursula Gossembrot geheiratet und war mit zwei der reichsten Augsburger Kaufleute der 20er Jahre, Lukas Gassner und Ambrosius Höchstetter, verschwägert. Er war von 1521 bis 1535 in allen ungeraden Jahren Bürgermeister von Augsburg und zahlte 1534 die dritthöchste Steuersumme innerhalb der Sippe. Als Kaufmann ist sein Sohn Jakob hervorgetreten, der mit 42 fl 30 x allerdings eine vergleichsweise geringe Steuerleistung erbrachte. Er war wahrscheinlich als Faktor der Fugger in Italien -1529 und 1530 in Neapel, 1534 in Venedig - tätig. Als selbständiger Kaufmann engagierte er sich Mitte der 30er Jahre in Geldgeschäften in Venedig und versuchte sich an einem spekulativen Luxuswarengeschäft, in dessen Rahmen flämische Gobelins via Venedig nach Konstantinopel geschafft und dort an den türkischen Sultan verkauft werden sollten.

Außerhalb der genannten Gruppen steht Wilhelm Rehlinger, der einer weiteren Linie der weitverzweigten Familie entstammte. Er war der Schwager von Hans Honold, dem Partner Konrad Rehlingers d. Ä.; seine Tochter heiratete wiederum in eine Linie der Rehlinger ein, als sie sich 1532 mit Christoph Christoph Rehlinger vermählte. Als Kaufmann erscheint er um 1507 in Kalabrien, Aragon und Lissabon als Geschäftspartner der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft im Seiden- und Gewürzhandel. Im gleichen Jahr gehörte er zu einer Gruppe deutscher Kaufleute, deren Waren auf dem Wasserweg von Arnemuiden nach Antwerpen von Piraten geraubt wurden. Wilhelm Rehlinger war von 1526 bis 1529 und von 1532 bis 1544 Mitglied des Kleinen Rats der Reichsstadt und bekleidete mehrere andere städtische Ämter. Von 1526 bis 1542 war er mit Ausnahme von 1536 jedes Jahr städtischer Steuermeister. Seine eigene Steuersumme nimmt sich 1534 mit 34 fl relativ bescheiden aus.

Der Familienclan der Rehlinger weist somit eine starke innere Differenzierung auf. Die einzelnen Linien engagierten sich unterschiedlich stark im Handel und gehörten verschiedenen Verwandtschaftsnetzen an. Im Zuge der Reformation bildeten sich dann auch konfessionelle Unterschiede innerhalb der Sippe aus. Auf protestantischer Seite traten dabei vor allem die beiden Bürgermeister der 20er und 30 Jahre, Ulrich und Wolfgang Rehlinger, hervor.

Ulrich Rehlinger demonstrierte seine pro-reformatorische Haltung bereits 1525 durch seine Teilnahme am Hochzeitszug des evangelischen Predigers Urbanus Rhegius. Zwei Jahre später drangen Soldaten Herzog Wilhelms von Bayern dem Bericht des Chronisten Jörg Breu zufolge gewaltsam auf Rehlingers Landsitz Leeder bei Landsberg ein, um dort den Prediger Michael Keller, einen der Wortführer der Reformation, gefangenzunehmen. 1533 nahm Rehlinger mit einem Schreiben an Jacob Sturm in Straßburg Kontakt zum Schmalkaldischen Bund auf, und sein gleichnamiger Sohn beteiligte sich 1531 an Zerstörungen in der Augsburger Heilig-Kreuz-Kirche.

1534 wurde Wolfgang Rehlinger, ein Sohn Bernhard Rehlingers d. Ä. und Ricardis Mißbecks und Jörg Breu zufolge "ain junger man zwuschen 27 und 28 jaren, ain jurist, gelert", erstmals zum Bürgermeister gewählt. Breu äußerte nach der Wahl die Befürchtung, daß der unerfahrene Rehlinger völlig unter den Einfluß seines Bürgermeisterkollegen Hieronymus Imhof, "der was ains gantzen rath zuchtmaister und unterweiser", geraten würde. Tatsächlich avancierte Rehlinger, der auch 1536, 1539 und 1541 das Bürgermeisteramt innehatte, zu einem der engagiertesten Förderer der Reformation in Augsburg und des Beitritts der Stadt zum Schmalkaldischen Bund. Für den damaligen Stadtschreiber Georg Froelich war Rehlinger der Cicero der Augsburger Stadtrepublik - ein tugendhafter und gerechter Mann, der "den handl gottes ernstlich in die hand nam, dz faul bis uf dz lebendig herausser schnidt, unverschont menigliche auch seiner bluets verwanten und fürdersten Inn amptern hand hapte und alles begangen ubel half straffen". Der Patrizier Matthäus Langenmantel, der Rehlinger kritischer gegenüberstand, vertrat die Auffassung, der Bürgermeister habe die Stadt ganz nach seinem Willen regiert. Angesichts zunehmender Opposition zog sich Rehlinger allerdings 1543 zunächst aus der Stadtpolitik zurück und gab im folgenden Jahr sein Bürgerrecht auf, um nach Straßburg - dem Herkunftsort seiner Mutter - zu ziehen. Nach der Aufhebung der Augsburger Zunftverfassung durch Kaiser Karl V. 1548 und der Einführung eines patrizischen Regiments gewannen die katholischen Familien Hans und Christoph Rehlingers stark an politischem Gewicht: 1548 wurde Leonhard Christoph Rehlinger, ein Sohn Christophs, Bürgermeister, und ein Jahr später gelangte Hans Rehlingers Sohn Heinrich in das neugeschaffene Amt des Stadtpflegers.

Den Rehlingern beider Konfessionen eröffnete ihre soziale, wirtschaftliche und politische Führungsstellung im Augsburg des 16. Jahrhunderts vielfältige Möglichkeiten der Repräsentation und des Mäzenatentums. Reichtum, Standesbewußtsein und politische Macht konnten auf Hochzeiten oder anläßlich von Reichstagen demonstriert werden. Die prachtvolle Hochzeit Anton Fuggers mit Anna Rehlinger 1527 - auf welcher dem Chronisten Clemens Sender zufolge "jedermann fürstlich gehalten worden, und darneben der armen auch nit vergessen worden" sei - ist dafür ebenso ein Beispiel wie der Einzug Kaiser Karls V. in Augsburg 1530. Die Chronisten beschreiben ausführlich die prächtigen Gewänder und die geschmückten Pferde, mit denen Konrad und Ulrich Rehlinger neben anderen führenden Repräsentanten der Stadt dem Kaiser entgegenritten, und erwähnen Hans und Wilhelm Rehlinger unter den Trägern des Thronhimmels. Im Bereich der Kunstförderung ist das bereits erwähnte, von Bernhard Strigel gemalte Bildnis Konrad Rehlingers und seiner acht Kinder ebenso als Ausdruck patrizischen Selbstbewußtseins zu verstehen wie der spätgotische Schnitzaltar, den Daniel Mauch um 1520 für die Rehlinger fertigte, und der als Hauptwerk des Ulmer Künstlers gilt.

Als weitere Zeugnisse patrizischen Selbstverständnisses können schließlich das 1559 angefertigte Ehrenbuch der Rehlinger sowie die 1550 von den sechs Söhnen Christoph Rehlingers ins Leben gerufene Rehlingersche Fraternitäts-Stiftung angesehen werden. Die sechs Brüder äußern im Stifftungsbrief die Überzeugung, daß "die Geschlecht allein durch den mannlichen Stamm erhalten werden, welcher Ehr und Würdigkeit aber außer Reichthum und gutem stattlichem Vermögen nicht bestehen noch bleiben mag, sondern durch Armuth in Abfall und Verachtung kommt". Gleichzeitig unterstreichen sie den Führungsanspruch der durch altes Herkommen und materielle Sicherheit charakterisierten Geschlechter in der Reichsstadt: die Geschlechter würden sich "mehr Ehren und Tugend befleißen, auch dise[r] alten ehrlichen Stadt Augspurg, als ihres Vaterlands, Nuz, Frommen und Aufnehmen" stärker fördern als andere. Die Stiftung setzt sich daher das Ziel, den Wohlstand ihrer Nachkommenschaft "im Mannesstamme" zu sichern.

Die Demonstration von Macht und Reichtum seitens der wirtschaftlichen und politischen Eliten Augsburgs riefen beim "gemeinen Mann" aber durchaus auch Kritik hervor. Dies zeigt sich deutlich an der Beurteilung des Bürgermeisters Wolfgang Rehlinger in Jörg Breus Chronik. Obwohl Breu Rehlingers pro-reformatorische Haltung teilte, nehmen sich seine Äußerungen über den Bürgermeister nach 1534 sehr negativ aus. Für 1536 berichtet Breu, daß Rehlinger und sein Kollege Mang Seitz "gar aufblasen und geschwollen mit macht" gewesen seien - "nichts, das nit adelich zuogieng". Ein Jahr zuvor hatte sich Rehlinger auf dem Gelände des ehemaligen Judenfriedhofs einen Lustgarten anlegen und ein Sommerhaus errichten lassen. Die Schnelligkeit, mit der die Arbeiten vonstatten gegangen waren, erschien Breu verdächtig: "ich will glauben, den statwerckleuten sei ain guet trinckgelt geben, ist ab dem rathaus zalt worden". Somit wird - zumindest für Breu - auch Rehlinger zum Repräsentanten einer Oberschicht, die ihre eigenen Interessen über den "gemeinen Nutzen" stellt und durch ihre Macht korrumpiert wird.

III

Als 1519 in Augsburg die Nachricht von der Kaiserwahl Karls V. eintraf, schickten sich neben Jacob Villinger, dem kaiserlichen Rat und Schatzmeister, auch die Kaufleute Jacob Fugger und Ambrosius Höchstetter an, vor ihren Häusern Freudenfeuer zu entzünden, um das Ereignis gebührend zu feiern. Doch es kam anders. Nicht ohne Befremden und voller Ironie berichtet der Chronist Wilhelm Rem: "Nun was es vor der gebrauch nit gewesen, daß purger in der statt solten frödenfeur machen, es hett die statt vor nie frödenfeur gehabt; also schickt ain ratt zuo dem Fillinger und den andren und lies in sagen, ain ratt welt den unkosten selb zalen. und die statt lies in die vorstett auch etliche machen, und auff dem Berlach da ward das allerhüpschest gemacht, es waren vil verborgner bixen darin, die schuossend im feur ab; es kost danocht vil gelt, es was hüpsch zuogericht".

Auf den ersten Blick mag sich diese Nachricht anekdotisch ausnehmen. Bei genauerem Hinsehen jedoch entpuppt sie sich als Beispiel für das Aufeinandertreffen zweier Prestigesphären, ja zweier Wertsysteme. Auf der einen Seite der Rat, der auf Maßhalten bedacht ist, auf die Wahrung von Einigkeit und Frieden; auf der anderen Seite mit Jacob Fugger und Ambrosius Höchstetter zwei Exponenten des Frühkapitalismus, Firmenhäupter, Bankiers, die selbst den Bruch mit der städtischen Tradition nicht scheuen, um ihre ökonomische Potenz zur Schau stellen zu können; zwei soziale Aufsteiger: schwerreich, aber eben auch neureich; zwei Angehörige von Familien, die im Unterschied zu den Rehlingern oder Welsern noch nicht zu jenem Kreis der "Geschlechter" zählen, welche in Augsburg das geburtsständische Patriziat bilden.

Wie vollzog sich dieser Aufstieg? Vor allem aber: Wie vertrug er sich mit einer Wertstruktur, die durch zünftige Beschränkung charakterisiert war? Diese Fragen sollen im folgenden am Beispiel der Höchstetter beantwortet werden - einer Familie, die es an Aufsteigerqualitäten durchaus mit den prominenteren Fuggern aufnehmen kann, die darüber hinaus aber auch noch aus anderen Gründen geeignet scheint, hier als Repräsentant eines zweiten Typus städtischer Führungsgruppen etwas genauer betrachtet zu werden. So galten die Höchstetter nicht nur als überaus gerissene und ehrgeizige Spekulanten und Monopolisten, sondern auch als extensive Nutzer von Fremdkapital in Form von Depositen. Hinzu kommt, daß der Zusammenbruch der Höchstetter-Gesellschaft 1529 in eine Zeit fiel, in der besonders hitzig über die Monopolfrage gestritten wurde. Und schließlich erlaubt der langwierige und aktenerzeugende Prozeß, der diesem spektakulären Bankrott folgte, Einblicke in Struktur und soziale Verflechtung der Höchstetter-Gläubiger.

Aufstieg - das war zuerst einmal ökonomischer Aufstieg. Ein Blick in die Augsburger Steuerbücher des 15. Jahrhunderts führt ihn vor Augen: Steuerte ein Sigfrid Höchstetter, von Beruf einfacher Bleicher, 1403 die noch recht bescheidene Summe von 1 1/2 fl, mußte sein Enkel Ulrich, wie schon sein Vater selbständiger Gewandschneider, 1494 bereits 120 fl abführen, eine Summe, die ihn als Angehörigen der ökonomischen Oberschicht ausweist. Politischer Erfolg schloß sich an: Seit 1461 saß erwähnter Ulrich als Zunftmeister der Schneider im Kleinen Rat; und seit 1482 gehörte er bis zu seinem Tod 1495 als Baumeister bzw. Einnehmer sogar dem Dreizehnerausschuß an, dem eigentlichen Entscheidungszentrum in Augsburg. Schließlich ein Beispiel für den gesellschaftlichen Aufstieg der Höchstetter: Ulrichs Sohn Ambrosius heiratete 1493 Anna Rehlinger, die Tochter des Patriziers Jacob Rehlinger, und kam damit auf der sozialen Leiter ein gutes Stück voran. Allerdings scheint Anna Rehlinger auch in ökonomischer Hinsicht alles andere als eine schlechte Partie gewesen zu sein; spöttelt doch Clemens Sender in seiner Chronik: "die hat im zuopracht zuo heirotguot und darnach ererbt 60.000 fl.".

Es liegt auf der Hand, daß sich solche Erfolge nicht allein auf besondere Kunstfertigkeit, auf Detailhandel, auf den Tuchverkauf in Augsburg zurückführen lassen. Schon Ulrich Höchstetter, Ambrosius' Vater, trieb aller Wahrscheinlichkeit nach Fernhandel, engagierte sich jedenfalls als Tuchhändler in Antwerpen, wo noch zu seinen Lebzeiten eine Höchstetter-Niederlassung etabliert wurde und wo die Höchstetter bald auch Grundhesitz erwarben. Textillager in Frankfurt, Nürnberg, Wien und Venedig folgten, später auch Niederlassungen in Mailand, Lissabon und Lyon. Dann der Einstieg in den Gewürz- und Getreidehandel, beides in großem Stil; vor allem aber der Einstieg in den expandierenden Montanbereich - und damit in das ebenso lukrative wie riskante Geschäft mit dem Geld. Denn wer es im Bergbau, im Hüttenwesen und Metallhandel zu Einfluß und Reichtum bringen wollte, der mußte den hohen Herren Kredit gewähren können, der mußte zum Bankier und Finanzier werden, um in den Genuß von Schürfrechten, Schutzbriefen und Kartellkonzessionen zu gelangen; das war gewiß nichts Neues, das wußte man schon zu Zeiten Karls IV.; doch wußte das um 1500 niemand besser als die Augsburger Fugger, Welser und Höchstetter.

Geldbedürftige Fürsten gab es im Zuge der frühmodernen Staatsbildung mehr als genug. Jene aber, die über Bergregalien verfügen konnten wie sonst niemand, waren die Habsburger; und an sie hielten sich die Höchstetter zumeist auch (wie all die anderen Kaufleute-Finanziers der oberdeutschen Reichsstädte). 1509 willigte Kaiser Maximilian, der den Höchstettern wohl seit längerem schon finanziell verpflichtet war, in Bau und Betrieb einer Schmelzhütte für Kupfer und Messing am Stainenberg bei Pflach in Tirol ein und ermöglichte damit weitere Aktivitäten der Familie im Montanbereich. So bezogen die Höchstetter seit 1511 Kupfer aus Taufers und seit 1514 selbst aus Schwaz: Jacob Fugger hatte sich auf habsburgischen Druck hin verpflichten müssen, die Höchstetter nicht gänzlich vom dortigen Verkauf auszuschließen. Spannungen und zunehmender Konkurrenzdruck waren die Folge. Rasch entstanden weitere Hüttenbetriebe: am Hornbach in Tirol und im sächsischen Freiberg. Bald schon engagierten sich die Höchstetter auch im Silberbergbau: in Steinfelden (Tirol), in St. Joachimstal (Böhmen) und in Schneeberg (Sachsen). Dann erste Versuche, im schottischen und englischen Bergbau Fuß zu fassen. Gleichzeitig der Vorstoß in das gewinnversprechende Geschäft mit dem Quecksilber. Einige Stationen: 1525 sicherten sich die Höchstetter für vier Jahre die Quecksilber- und Zinnoberproduktion in Idria. Ein Jahr später gelang es ihnen, Ausfuhrbeschränkungen für Quecksilber aus Böhmen durchzusetzen. 1527 folgte ein Syndikatsvertrag mit dem böhmischen Bergwerksbesitzer Wigkel; und im folgenden Jahr sogar der ehrgeizige, auf ein Monopol zielende Versuch, mit Hilfe König Ferdinands in den Besitz der spanischen Quecksilbergruben in Almadén zu gelangen. Damit aber hatten die Höchstetter den Bogen überspannt. Genueser und spanische Unternehmer boten einen höheren Pachtpreis als die Augsburger und machten das Rennen. Die Fugger waren gewarnt und sogleich bestrebt, aus der Niederlage des alten Konkurrenten Kapital zu schlagen. Und die Höchstetter standen vor dem Problem, ihre beträchtlichen Quecksilber- und Zinnobervorräte abstoßen zu müssen, die sie nicht zuletzt in der Hoffnung auf ein Monopol gehortet hatten.

Bereits an dieser Stelle läßt sich festhalten, daß die Geschichte des ökonomischen Aufstiegs der Höchstetter zugleich auch eine Geschichte der ökonomischen Risiken ist, die eingehen mußte, wer seit dem späten Mittelalter als Großproduzent, Fernhändler und Montanunternehmer Geschäfte machen wollte; Risiken, die nicht zuletzt auch zur Entwicklung neuer Formen der Organisation und Kapitalbeschaffung beitrugen. Denn Erschließung, Verarbeitung, Abbau und Vertrieb von Metallen machten einen finanziellen Einsatz erforderlich, der selbst für Kaufleute von Format allein nicht ohne weiteres möglich war. Wie sahen diese Formen aus? Was ist eigentlich gemeint, wenn von "den Höchstettern" als ökonomisch handelndem Kollektiv die Rede ist? Ein Blick in die Gesellschaftsverträge von 1515 und 1524 gibt Aufschluß: Spätestens seit 1510 arbeitete, investierte und spekulierte die Firma in Form einer typischen süddeutschen Fernhandelsgesellschaft, die als relativ geschlossenes, auf Familienbasis wirtschaftendes Unternehmen mit gleichzeitigem Vermögens- und Arbeitseinsatz der Gesellschafter zu charakterisieren ist. Der Firmenname war mit dem Familiennamen identisch. Für 1512 ist nachweisbar: "Georg und Ambrosius Höchstetter Gebrüder"; und für 1515: "ambrosius und hanus gebrüder die höchstetter und geselschaft" (Georg war 1514 gestorben). Wer gehörte dieser Gesellschaft an? Neben Ambrosius d. Ä. erscheinen im Vertrag von 1515 noch sein Bruder Hans, die drei Söhne des verstorbenen Georg, deren Schwager Hans Ungelter d. J. aus Eßlingen, Lukas Rem, ein entfernter Verwandter, sowie Philipp Gaßner und Stefan Gabler, der eine Augsburger, der andere Nürnberger Bürger. 1520 waren beteiligt: Ambrosius Höchstetter d. Ä., sein Bruder Hans, dessen Sohn Josef, der gleichnamige Sohn des alten Ambrosius, sowie Hans Ungelter und Hans-Franz Baumgartner, ein Schwiegersohn des Ambrosius. Fast die gleiche Zusammensetzung dann 1524; hinzu kam lediglich ein weiterer Sohn Ambrosius d. Ä., Joachim Höchstetter. Wer aber führte die Geschäfte, wer war das Oberhaupt der Firma? Der Vertrag von 1524 schrieb die kollektive Geschäftsführung fest. Doch steht in der Forschung völlig außer Frage, daß es Ambrosius d. Ä. war, der die wichtigen Entscheidungen traf und die Firmenpolitik bestimmte.

Ein weiterer Bestandteil der Verträge von 1515 und 1524 waren Bestimmungen, die sich auf das Gesellschaftskapital bezogen. Ihre obersten Prinzipien: Zusammenhalt der Firma und Gläubigerschutz. So konnten zum Beispiel die Stammeinlagen nicht vorzeitig gekündigt werden; und auch im Todesfall eines Gesellschafters sollten die Erben ihr Geld nicht vor Ende der Laufzeit erhalten. Hervorzuheben ist auch, daß eine Fremdfinanzierung der Einlagen (Gelder aus Heirats- und Erbfällen ausgeschlossen) verboten war. Vor allem aber: Wer der Gesellschaft als arbeitendes Mitglied angehörte, haftete uneingeschränkt für Gesellschaftsschulden! Über die Höhe des Betriebskapitals hingegen finden sich in den Verträgen keine Angaben. Doch weist eine während des Konkursverfahrens angefertigte Abschrift aus dem verlorengegangenen Höchstetter-Geheimbuch für den Zeitraum von 1524 bis 1532 eine Summe von 98.943 fl aus. Das war gewiß nicht wenig, aber doch kaum ausreichend für die vielfältigen Anleihegeschäfte, Bergbauinvestitionen und Fernhandelsaktivitäten der Höchstetter. Woher also kam das nötige Geld? Wie wurde all das finanziert?

Eine Möglichkeit war die Bildung von Gelegenheitsgesellschaften, von Konsortien, die aus mehreren normalerweise voneinander unabhängigen Unternehmen bestanden und in aller Regel der Finanzierung eines zeitlich befristeten, kapitalintensiven Projekts dienten, einer Überseefahrt zum Beispiel oder einer großen Anleihe. Da aber auch diese Form der Kapitalbeschaffung bei weitem nicht ausreichte, um allen wirtschaftlichen Anforderungen gerecht werden zu können, beschritten die Höchstetter noch einen anderen Weg, um ihre Kapitalkraft zu stärken: den Weg der Fremdfinanzierung in Form von Depositen, nicht zuletzt von kleinen Einlagen in großer Zahl und aus allen Bevölkerungsschichten. Ja, Clemens Sender und nach ihm mancher Historiker meinten sogar, in diesem Finanzierungstyp ein strukturelles Merkmal der Höchstetter-Gesellschaft ausgemacht zu haben. Doch konnte Ulrich Klinkert 1983 über eine Verflechtungsanalyse der Firmengläubiger nachweisen, daß sich die Höchstetter keineswegs ausgeprägter oder erfolgreicher oder möglicherweise sogar skrupelloser um Depositen bemüht haben als die Konkurrenz. Anders formuliert: Die Kapitalbeschaffung auf dem Depositenweg war allgemein üblich, war kein Spezifikum der Höchstetter-Gesellschaft. Der Unterschied zu den Fuggern und anderen Unternehmen bestand vielmehr darin, daß es den Höchstettern nicht gelang, genügend Kapitalgeber aus der Augsburger Oberschicht, der wichtigsten Gläubigergruppe, für ihre Zwecke zu gewinnen, was zur Folge hatte, daß sie sich in immer stärkerem Maße auf auswärtiges Fremdkapital stützen mußten. Doch woher die Depositen auch stammten, ob aus Augsburg oder entfernteren Orten, zu denen verwandtschaftliche oder wirtschaftliche Beziehungen bestanden, ob aus der Ober- oder Unterschicht: sie vergrößerten nicht nur die Expansionschancen eines Unternehmens, sie vergrößerten auch seine Abhängigkeit vom Kapitalmarkt und damit die Gefahr, zunehmend krisenanfälliger zu werden. Ein "Run" der Gläubiger, die um ihre Einlagen fürchteten, konnte zum Zusammenbruch einer Gesellschaft führen - und im Falle der Höchstetter sollte genau das eintreten.

Schon für Clemens Sender stand außer Zweifel: Vom gescheiterten Versuch der Höchstetter, in Almaden Fuß zu fassen, führte ein direkter Weg in den Bankrott der Firma. Die Forschung hat diese Ansicht bestätigt und auf die Verluste hingewiesen, die den Höchstettern entstanden, als sie in aller Eile versuchten, ihre Quecksilber- und Zinnobervorräte abzustoßen. Sie hat die Vertrauenskrise analysiert, die diesen Transaktionen folgte und noch dadurch verstärkt wurde, daß es den Höchstettern nach dem Verlust mehrerer Getreideladungen nicht gelang, ihre Verträge mit der englischen Firma Gresham einzuhalten. Sie hat in der viel zu dünnen Eigenkapitaldecke der Höchstetter ein konkursträchtiges Strukturdefizit frühneuzeitlicher Handelsgesellschaften zu identifizieren vermocht. Und sie hat schließlich auch nach dem Anteil der Fugger am Höchstetter-Zusammenbruch gefragt und am Ende eine Strategie rekonstruieren können, die nicht nur dazu diente, einen Konkurrenten aus dem Geschäft zu werfen, sondern auch darauf abzielte, dabei noch ein Geschäft zu machen. So ließen die Fugger seit März 1528 in Lyon und Antwerpen gezielt das Gerücht verbreiten, ein Bankrott der Höchstetter stehe kurz bevor. Bald darauf begannen sie damit, systematisch Schuldforderungen des angeschlagenen Unternehmens in ihren Besitz zu bringen. Etwa gleichzeitig zahlte Anton Fugger einige Gläubiger der Höchstetter aus oder stellte sie mit entsprechenden Sicherheiten zufrieden - allerdings keineswegs, um das Unternehmen doch noch zu retten, sondern vermutlich vor allem, um Zeit zu gewinnen, vielleicht sogar, um für Unruhe unter jenen Gläubigern zu sorgen, die noch Forderungen zu stellen hatten. Weitere Initiativen dieser Art folgten: so im Winter 1528 ein Darlehen über 23.141 fl und im Frühjahr 1529 eines über 59.783 fl, jeweils gegen Warenabtretungen. Im April 1529 fielen die Kupferlieferungen aus Taufers an die Fugger; im Mai desselben Jahres die Schmelzhütten in Jenbach. Und als wenig später in Augsburg die ersten Gläubiger den Rat bedrängten, endlich Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen, gelangten schließlich auch die Besitzungen der Höchstetter in Schwaz in die Hand der Fugger. Damit war erreicht, was erreicht werden sollte. Als sich Ambrosius d. Ä. kurze Zeit später mit der Bitte an Anton Fugger wandte, doch gemeinsam mit anderen angesehenen Kaufleuten etwas zur Rettung des Unternehmens zu tun, fand er kein Gehör mehr. Dann überschlugen sich die Ereignisse: Nachdem die Gläubiger verlangt hatten, alle Höchstetter unverzüglich festzunehmen, verbreitete sich das Gerücht, die Familie verstecke Wertsachen in Warenballen mit fremden Handelszeichen und schaffe sie in aller Heimlichkeit aus der Stadt. Gleichzeitig wurde bekannt, daß zwei vollhaftende Gesellschafter der Höchstetter geflohen waren: Joachim, ein Sohn Ambrosius' d. Ä., und Hans-Franz Baumgartner, der Schwiegersohn - höchste Zeit für den Rat, sich der Sache anzunehmen, die aufgebrachten Gläubiger zu beruhigen und den Frieden in der Stadt wiederherzustellen. Am 9. August 1529 ließ er Ambrosius Höchstetter, seinen gleichnamigen Sohn und seinen Neffen Josef gefangennehmen, ein Inventar ihres Besitzes anfertigen und kurz darauf in der Hoffnung auf einen baldigen Vergleich wieder auf freien Fuß setzen. Doch die Hoffnung trog. Trotz langwieriger Verhandlungen, trotz Appellationen und Gutachten konnte lediglich der kleinere Teil der Gläubiger zufriedengestellt werden. Am 28. Juni 1531 mußte der Rat die erneute Festnahme der drei genannten Höchstetter verfügen; am 23. September desselben Jahres ordnete er an, sie in den Schuldturm bringen zu lassen. Ihr Besitz wurde verkauft und der Erlös bis auf weiteres beim Stadtvogt hinterlegt; dauerte doch der Prozeß noch an, inzwischen vor dem Reichskammergericht. 1544 kamen Ambrosius d. J. und Josef Höchstetter auf Intervention des Kaisers frei. Der alte Ambrosius war bereits 1534 an den Folgen der Haft gestorben. Sein Sohn Joachim und sein Enkel Daniel blieben Kaufleute und Montanunternehmer und brachten es in England wieder zu Einfluß und einigem Reichtum. In Augsburg selbst aber konnten die nachfolgenden Höchstetter-Generationen nicht mehr an frühere Erfolge der Firma anknüpfen.

Einer der ersten, die den Bankrott der Höchstetter kommentierten, und einer der wenigen, die das ohne Häme taten, war der Augsburger Stadtschreiber Conrad Peutinger, ein Vetter Ambrosius' d. Ä.: "Gott möge einen jeden vor solchem Unheil behüten. Aber das ist nichts Neues, sondern von jeher ist es so, nicht nur in Geschäften, sondern auch gleichsam in allen anderen Handlungen: der eine wird reich, der andere gerät in offenbare Not. Dem einen lächelt das Glück, dem anderen gönnt es nichts. Nicht wir alle werden unter der Konstellation des Reichtums geboren (Rotat omne fatum). Aber daraus folgt nicht, daß deshalb keine großen Geschäfte unternommen werden dürfen, noch daß die großen Gesellschaften beseitigt werden sollten".

Conrad Peutinger hatte allen Grund, sein Bedauern über den Höchstetter-Bankrott mit einem Plädoyer für die "großen Gesellschaften", die "großen Geschäfte" zu verbinden, die er seit Jahren schon verteidigte. Folgte doch den ökonomischen Erfolgen der Höchstetter rasch auch der Vorwurf, die Familie stelle den Eigennutz über den Gemeinnutz und verstoße damit gegen jene Norm, die städtisches Zusammenleben erst ermögliche. So heißt es etwa bei Clemens Sender über Ambrosius Höchstetter, er habe "offt den gemeinen nutz und armen mann truckt", ja "offt ain gantze war mit ainander auffkaufft, theurer, dann es wert ist gewessen, damit er die andern kauffleut nach gefallen truck, die solichs nit vermigt haben. darnach hat er in die war ain auffschlag in allen landen darein gemacht und so verkaufft nach seinem willen". Hinzu kam, daß sich auch all die anderen großen Gesellschaften vorhalten lassen mußten, ihr Aufstieg sei nicht viel mehr als das Resultat von Vorkauf, Wucher und Preistreiberei - allen voran die Fugger; und nicht zuletzt so manches alte Kaufleutegeschlecht. Erinnert sei nur an die Rehlinger, die in Jörg Breu einen Kritiker fanden, der mit Spott nicht geizte: trotz ihrer patrizischen Traditionen, trotz ihrer festen Einbindung in das zunftbürgerlich geprägte Wertsystem.

Doch auch damit nicht genug: Der Vorwurf, das "große Geschäft" gefährde die soziale Harmonie und damit den inneren Frieden, war zugleich ein zentrales Argument der sogenannten Antimonopolbewegung, die seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert von sich reden machte und neben einflußreichen Fürsten auch Reichsritter und Reformatoren zu ihren Wortführern zählen konnte. Ausgehend von einem ebenso unpräzisen wie publikumswirksamen Monopolbegriff, der im Grunde alle frühkapitalistischen Erscheinungsformen der Wirtschaft umfaßte, propagierte diese Bewegung den alten, von Kirche und Obrigkeit sanktionierten Kaufmannshandel und trat vehement für eine Abschaffung der großen Kapitalgesellschaften ein. Politisch war diese Forderung nicht durchsetzbar, hatte doch keiner die Kredite der Kaufleute-Finanziers nötiger als der Kaiser; und auch ökonomisch führte der Weg längst in eine ganz andere Richtung. Die antikapitalistische Grundstimmung der Zeit aber, den Wunsch nach überschaubaren, nach weniger komplexen, weniger entwickelten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen traf sie sehr genau.

So fiel es den Befürwortern der großen Gesellschaften zwar nicht eben schwer, die oft emotionalen Argumente der Monopolgegner zu entkräften; und Conrad Peutingers Einsicht, daß ein Kaufmann, der nach individuellem Gewinn strebe, dem Gemeinwohl nicht etwa schade, sondern es befördere und daher in seiner ökonomischen Handlungsfreiheit auch keinesfalls eingeschränkt werden dürfe, hat sogar intellektuelles Format und läßt an Bernard Mandeville und Adam Smith denken. Auch konnten die "Monopolisten" auf das karitative Engagement der großen Kaufherren verweisen, auf ihre Stiftungen, ihre Kunstförderung, ihre Bereitschaft, den erwirtschafteten Reichtum als soziale Verpflichtung zu verstehen. Die Zeitgenossen aber, die Mitbürger, die kleinen Leute vor allem, die jeden Tag sahen, wie sich die Reichen kleideten, wie sie wohnten und repräsentierten, scheinen von diesen Argumenten und Aktivitäten sehr viel weniger beeindruckt worden zu sein als nachfolgende Historikergenerationen. Jedenfalls fehlt es in den Quellen nicht an Belegen für den Unmut des kleinen Mannes über die "großen Hansen", für den Haß, der ihnen entgegenschlagen konnte, für die Konflikte zwischen Unternehmertum und Stadtgemeinde, und wieder ist es die Chronik Wilhelm Rems, die dafür ein besonders aussagekräftiges Beispiel liefert.

Am 6. August 1524 versammelte sich vor dem Augsburger Rathaus lärmend und drohend eine über tausendköpfige Menschenmenge, drang auf soziale und religiöse Reformen und forderte schließlich auch die Freilassung eines Gefangenen: "zum andren haben sie wellen begern, daß sie den Bartholme Remen ledig lassen, der ligt jetz hie bei 1 3/4 jar gefangen". Wer war dieser Mann? Bartholomäus Rem entstammte einer Augsburger Patrizierfamilie, trat als Buchhalter in die Dienste der Höchstetter und legte 1511 900 fl in die Firma ein. Als er 1517 die Gesellschaft verließ, forderte er einen Geschäftsanteil von 33.000 fl und geriet dieser Forderung wegen mit Ambrosius Höchstetter in Streit, der lediglich 26.000 fl zahlen wollte. Rem klagte, erkannte aber den von der Stadt Augsburg vermittelten Schiedsspruch nicht an und lenkte damit das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die kaum vorstellbaren Gewinnrelationen der Gesellschaft. 1521 wandte er sich ohne Erfolg an den Kaiser und die in Worms versammelten Stände und erregte schließlich reichsweites Aufsehen, als er einen Warentransport der Höchstetter überfiel. Rem wurde gefangengesetzt, entkam, floh von Worms nach Speyer, wurde wieder inhaftiert und am Ende nach Augsburg verbracht, wo er 1525 im Gefängnis sterben sollte. Einen Vergleich mit den Höchstettern hatte er bis zuletzt abgelehnt.

IV

"Familie, Geld und Eigennutz" - die Menschen, die sich 1524 vor dem Augsburger Rathaus versammelten, hätten diesen Titel als Umschreibung für die Voraussetzungen von Macht und Einfluß städtischer Führungsgruppen wohl kopfnickend zur Kenntnis genommen. Und ein Jörg Breu, Clemens Sender oder Wilhelm Rem hätten wohl auch den Versuch begrüßt, diesen Voraussetzungen am Beispiel der Rehlinger und Höchstetter nachzuspüren; wußten sie doch nur allzugut, daß die Erfolge dieser beiden Familien nicht zuletzt auf der Fähigkeit beruhten, verwandtschaftliche Beziehungen gegen den gemeinen Nutzen zu aktivieren.

Seit alters her politisch aktiv und einflußreich, standesbewußt und in das städtische Wertsystem integriert, zählte die Patrizier- und Kaufleutefamilie Rehlinger zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch zur ökonomischen Elite der Stadt Augsburg. Ein Blick in das Steuerbuch von 1534 zeigt allerdings, daß innerhalb des Clans erhebliche Vermögensunterschiede bestanden, eine Tatsache, die allein mit divergierenden wirtschaftlichen Aktivitäten und Interessen einzelner Familienmitglieder, mit ihrem verschieden stark ausgeprägten Engagement im Fernhandel zum Beispiel oder im Montanbereich nur unzureichend erklärt werden kann. Zu berücksichtigen ist vielmehr über diese Divergenzen hinaus, daß sich hinter den Eintragungen im Steuerbuch mehrere Familienzweige verbargen, die unterschiedlichen Verwandtschaftsnetzen angehörten und im Zuge der Reformation auch konfessionell getrennte Wege gingen. Mit anderen Worten: Der Familienclan der Rehlinger wies eine komplexe Binnenstruktur auf, eine innere Differenzierung, die als dichtes Netz verwandtschaftlicher Beziehungen ökonomische Macht, politischen Einfluß und soziale Exklusivität ermöglichte und auf Dauer garantierte.

Traditionelle Bindungen, überliefertes Ansehen, ein fester Platz in der Spitzengruppe der Standeshierarchie - all das fehlte den Höchstettern. Wie die Fugger hatten sie als erfolgreiche Fernhändler, Montanunternehmer und Bankiers innerhalb weniger Jahrzehnte in die ökonomische Oberschicht Augsburgs vorstoßen und rasch auch gesellschaftliche Prestigegewinne verzeichnen können; wie die Fugger aber zählten auch sie als neureiche Aufsteiger ohne die Qualität patrizischer Herkunft nur mit Einschränkungen zur sozialen und politischen Elite der Stadt. Und wie ihr Konkurrent mußten auch sie sich bald schon den Vorwurf gefallen lassen, ihr Aufstieg sei gegen jene Fundamentalnorm erfolgt, die urbane Gemeinschaft, soziale Ordnung und inneren Frieden begründe und erhalte: den gemeinen Nutzen. Als sich 1529 die Nachricht von ihrem Bankrott zu verbreiten begann, wollte nur Conrad Peutinger gute Worte für die Höchstetter finden - der vehemente "Monopolist" und nahe Verwandte.

Die Einleitung und das Kapitel über die Rehlinger stammen von Mark Häberlein, das Kapitel über die Höchstetter und der Schluß von Peter Burschel.

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