PETER
BURSCHEL MARK
HÄBERLEIN
Familie,
Geld und Eigennutz
Patrizier und
Großkaufleute
im Augsburg
des
16. Jahrhunderts
Anmerkung
I.
Im
Jahre 1535 erlebte
die Reichsstadt
Augsburg einen
drastischen Anstieg
der Lebensmittelpreise.
Obwohl derartige
Teuerungen in
Städten der
frühen Neuzeit
immer wieder vorkamen,
war der Maler
und Chronist Jörg
Breu nicht bereit,
sie als gottgegeben
oder als Ergebnis
komplexer wirtschaftlicher
Zusammenhänge
anzunehmen. Vielmehr
sah Breu die Ursache
für die Teuerung
im Gewinnstreben
reicher Augsburger
Bürger :
"Item
es waren auch
etlich begriffen
im aufkaufen der
schrandt, das
kam von Got. das
korn galt 8 ß.
da kamen derselbigen
diener und kauften
alle marckttag
15 schaf korn
und 15 schaf habern
und hetten drei
kesten, da sie
es aufschüteten.
und brachtens
von aim marckttag
bis zum andern
auf 12 ß;
wo man inens pot
umb 10 ß,
will ich 11 ß
d darumb geben,
bis daß
mans innen wurde.
da merckt auf
unsere burger
mit namen Leo
Rafenspurger,
ain ratsherr,
Marx Pfister,
Gabriel Settely,
Jorg Stebenhaber
und Sebastian
Neithart die waren
in ainer gesellschaft
und schweger miteinander.
der armuot ists
verpoten".
Vier
der fünf
Personen, deren
Namen Breu hier
nennt, waren in
der Tat "schweger
miteinander":
Leo Ravensburger,
Raphael (bei Breu
"Gabriel") Sättelin,
Georg Stebenhaber
und Sebastian
Neidhart waren
alle mit Töchtern
des Augsburger
Patriziers und
Großkaufmanns
Christoph Herwar
verheiratet. Markus
Pfister war zwar
kein Schwager
dieser vier, doch
als Sohn eines
Vetters von Christoph
Herwarts Ehefrau
Elisabeth Pfister
zumindest entfernt
mit ihnen verwandtschaftlich
verbunden. Der
1529 verstorbene
Christoph Herwart
gehörte 1522
zu den zehn größten
Steuerzahlern
Augsburgs und
war im Jahrzehnt
vor seinem Tod
auf Europas wichtigste
Geld- und Warenmärkten
zu finden. In
Antwerpen, wo
Herwarts Firma
seit 1509 nachweisbar
ist, vertraten
ihn von 1514 bis
1520 der erwähnte
Markus Pfister
und in den 1520er
Jahren die Brüder
Lukas und Christoph
von Stetten. In
Tirol beteiligte
sich Herwart seit
1526 zusammen
mit den Brüdern
Anton und Hans
Bimmel und mit
Anton Fugger an
einem großen
Montanunternehmen,
dem Schwazer Berg-,
Schmelz- und Pfennwerthandel.
Gemeinsam mit
den Brüdern
Bimmel lieh er
1528 Erzherzog
Ferdinand 45.000
Gulden. In Lissabon
arbeiteten zwischen
1521 und 1529
nicht weniger
als sechs Faktoren
für Herwart,
und durch ein
Abkommen mit Jörg
Pock, der 1520
als Vertreter
der Nürnberger
Hirschvogel nach
Goa reiste, gelang
ihm der Einstieg
in den Ostindienhandel.
Herwarts
Schwiegersöhne
setzten sein Engagement
im Fernhandel
und Kreditgeschäft
fort. So erscheint
der aus Memmingen
stammende Raphael
Sättelin
zwischen 1518,
und 1531 als Geschäftspartner
der Firma von
Alexius, Funck
in Wiener Neustadt.
1539 stand er
in geschäftlichem
Kontakt mit der
Wiener Fugger-Faktorei.
Stebenhaber, der
wie Sättelin
von Memmingen
nach Augsburg
kam und von 1514
bis etwa 1525
bei der Großen
Ravensburger Handelsgesellschaft
diente, gewährte
in den 30er Jahren
des 16. Jahrhunderts
gemeinsam mit
Anton Fugger,
Anton Haug und
Sebastian Neidhart
der Regierung
Oberösterreichs
mehrere größere
Darlehen. Der
Ulmer Patriziersohn
Sebastian Neidhart
schließlich
wurde von 1530
an, als er mit
Karl V. einen
Kreditvertrag
in Höhe von
40.000 Dukaten
abschloß,
zu einem der wichtigsten
Geldgeber der
Habsburger und
beteiligte sich
in den folgenden
Jahren an mehreren
spektakulären
Unternehmungen
in Spanisch-Amerika.
Er rüstete
1535 gemeinsam
mit dem Nürnberger
Jakob Welser ein
Schiff der Flotte
aus, die der Konquistador
Pedro de Mendoza
an die Mündung
des Rio de la
Plata führte,
erwarb 1537 Rechte
an den Perlenbänken
der Venezuela
vorgelagerten
Insel Cubagua
und stieg gemeinsam
mit dem in Sevilla
lebenden deutschen
Kaufmann Lazarus
Nürnberger
in den Silberbergbau
im mexikanischen
Zultepeque ein.
Diese
Beispiele zeigen,
daß die
von Breu als Preistreiber
identifizierten
Männer der
wirtschaftlichen
Führungsgruppe
der Augsburger
Großkaufleute
mit buchstäblich
weltweiten Verbindungen
angehörten.
Ihre ökonomische
Macht ging
mit politischem
Einfluß
einher: Ravensburger,
der wie sein Schwiegervater
einer der alten
Augsburger Patrizierfamilien
entstammte, saß
seit 1530 im Großen
Rat der Reichsstadt
und rückte
1540 in den Kleinen
Rat auf.
Neidbart,
Pfister und Stebenhaber
gelangten in den
30er Jahren als
Mitglieder
des Zwölferausschusses
der Kaufleutezunft
ebenfalls in den
Rat, und als 1538
das Patriziat
der Reichsstadt
erweitert wurde,
kamen auch Neidhart
und Pfister in
den Genuß
einer Standeserhebung.
Bezeichnenderweise
treten diese
Vertreter der
wirtschaftlichen
und politischen
Elite Augsburgs
bei den
von Breu geschilderten
Kornaufkäufen
nicht selbst in
Erscheinung, sondern
schicken ihre
Diener.
Breus
Kritik an der
ökonomischen
und politischen
Elite Augsburgs,
die er auch
in diesem
Fall mit offenkundigem
Engagement vorbringt,
ist oft als emotional,
ungerecht und
einseitig charakterisiert
worden. Doch unabhängig
davon, ob
sich Breus Vorwürfe
gegen die "Reichen"
der Stadt im konkreten
Einzelfall
verifizieren lassen,
verdienen derartige
Passagen in seiner
Chronik Beachtung,
weil Breu in ihnen
zwei Grundprobleme
der frühneuzeitlichen
Reichsstadt anspricht:
zum einen die
sozialen Interaktionen,
insbesondere
die verwandtschaftliche
und wirtschaftliche
Verflechtung,
innerhalb der
städtischen
Elite - "die waren
in ainer gesellschaft
und schweger
miteinander"
-, zum anderen
das Normensystem,
welches das Zusammenleben
von Elite
und Stadtgemeinde
bestimmte. Denn
was die einflußreichsten
Bürger der
Stadt ungestraft
täten, das
sei, so Breu,
dem armen Mann
"verpoten". Diese
beiden Grundprobleme
sollen im folgenden
an jeweils einem
Beispiel aus den
ersten Jahrzehnten
des 16. Jahrhunderts
genauer untersucht
werden. Während
anhand der Patrizierfamilie
Rehlinger exemplarisch
gezeigt werden
soll, wie verwandtschaftliche
Verflechtung,
ökonomische
Macht und politischer
Einfluß
im Augsburg des
frühen 16.
Jahrhunderts zusammenwirkten,
soll das Beispiel
des Aufstiegs
und Konkurses
der Kaufmannsfamilie
Höchstetter
verdeutlichen,
welche Normen
und Konflikte
das Zusammenleben
in der Reichsstadt
prägten.
II.
Die
aus dem Landadel
stammenden und
vermutlich Anfang
des 14. Jahrhunderts
nach Augsburg
eingewanderten
Rehlinger gehörten
dem alten Patriziat
der Reichsstadt
an, das sich bis
in die 30er Jahre
des 16. Jahrhunderts
auf ganze sieben
Familien reduziert
hatte. Die Zugehörigkeit
zum Patriziat
brachte zunächst
erheblichen politischen
Einfluß
und soziales Prestige
mit sich. In politischer
Hinsicht hatten
die Zünfte
zwar seit 1368
ein deutliches
Übergewicht
in den Augsburger
Ratsgremien, doch
stellten die Patrizier
stets einen der
beiden Bürgermeister
und 8 der 42 Mitglieder
des Kleinen Rats.
Mitglieder der
Familie Rehlinger
bekleideten bereits
im 14. und 15.
Jahrhundert das
Bürgermeisteramt.
In sozialer Hinsicht
äußerte
sich die privilegierte
Stellung des Patriziats
unter anderem
darin, daß
der Zugang zur
exklusiven Herrentrinkstube
durch die Kriterien
der patrizischen
Geburt, der Einheirat
in eine Patrizierfamilie
oder Zugehörigkeit
zum Adel beschränkt
war. Schon für
das 15. Jahrhundert
werden die Rehlinger
auch zu den 30
wirtschaftlich
bedeutendsten
Augsburger Familien
gezählt -
der politisch-sozialen
entsprach also
auch eine ökonomische
Führungsposition.
Eine
genauere Vorstellung
von der wirtschaftlichen
Stellung der Familie
im Augsburg der
Reformationszeit
läßt
sich aus den Steuerbüchern
der Reichsstadt
gewinnen. Obwohl
die Steuersummen
nur bedingt Rückschlüsse
auf das tatsächliche
Vermögen
der Steuerzahler
zulassen, sind
sie aufgrund ihrer
Vollständigkeit
der beste Indikator
für die Sozialstruktur
der Stadt und
für die Position
einzelner Familien
innerhalb der
sozialen Hierarchie.
Das Steuerbuch
von 1534 verzeichnet
nicht weniger
als 20 Mitglieder
der Familie Rehlinger,
die sich auf neun
Steuerbezirke
verteilen und
deren Vermögensverhältnisse
in nebenstehender
Tabelle zusammengestellt
sind.
Mitglieder
der Familie Rehlinger
im
Augsburger Steuerbuch
von 1534
Name |
Steuerbezirk |
Steuersumme |
Konrad
(alt) |
Vom Rapold
|
280 fl* |
Bernhard
(jung) |
Vom Schusterhaus |
191 fl |
Ulrich |
Vom Zimmerleuthaus |
156 fl
34 x |
Wolfgang
|
Von St.
Anthonino
|
155 fl |
Konrad
(jung) |
Auf Unser
Frauen Graben
|
150 fl |
Hans (alt) |
Von Unser
Frauen Brüder
|
125 fl |
Bernhard
(alt) |
Von Unser
Frauen Brüder |
90 fl |
Ulrich
(jung) |
Von St.
Anthonino |
82 fl |
Christophs
Kinder |
Von Unser
Frauen Brüder
|
79 fl
30 x |
Magdalena
|
Von Unser
Frauen Brüder |
73 fl |
Marx'
Frau |
Vom Schusterhaus |
50 fl |
Jakob
|
Von St.
Anthonino |
42 fl
30 x |
Leonhard
Christoph |
Von St.
Anthonino
|
41 fl
12 x |
Christoph
Christoph
|
St. Katharinengasse |
39 fl |
Wilhelm
|
St. Katharinengasse |
34 fl |
Hans (jung) |
Vom Zimmerleuthaus |
25 fl
42 x |
Konrad
|
Außerhalb
St. Gallen
Tor |
11 fl |
Bernhard,
Dr. |
Außerhalb
St. Gallen
Tor |
ohne Angabe |
Leonhard |
Vom Diepold |
ohne
Angabe |
Hans,
Dr. |
Vom Rapold
|
ohne
Angabe |
*Konrad
Rehlinger d. Ä.
zahlte weitere
30 fl für
seine vier Söhne
Für
17 der 20 Mitglieder
dieses weitverzweigten
Familienclans
liegen Angaben
über die
Höhe der
Steuersumme vor.
Daß diese
Angaben für
Rehlinger fehlen,
bedeutet jedoch
keineswegs, daß
diese kein Vermögen
besessen hätten.
Dies verdeutlicht
das Beispiel des
Juristen Dr. Hans
Rehlinger, der
offenbar als städtischer
Ratskonsulent
von der Steuer
befreit war. Rehlinger,
der sich neben
Dr. Konrad Peutinger
als Wortführer
der oberdeutschen
Handelsgesellschaften
im sogenannten
Monopolstreit
einen Namen machte,
hatte zum Zeitpunkt
seines Todes fast
60.000 fl "in
gold und münz"
bei großen
Augsburger und
Nürnberger
Unternehmen als
Depositen eingelegt
und besaß
neben einem Haus
in der Steingasse
auch Güter
außerhalb
der Stadt.
Die
Steuerleistungen
der Rehlinger
zeigen, daß
die Angehörigen
der Sippe um 1534
über beträchtliches
Vermögen
verfügten
und fast durchweg
zur ökonomischen
Spitzengruppe
der städtischen
Bevölkerung
gehörten.
Zu einem Zeitpunkt,
als weniger als
ein Prozent der
Augsburger Steuerzahler
über 100
fl entrichtete,
lagen die Steuerleistungen
von sechs Rehlingern
zwischen 125 und
280 fl. Fünf
weitere Rehlinger
zahlten zwischen
50 und 100 fl
Steuern, während
der Anteil dieser
Steuergruppe an
der Gesamtzahl
der Steuerzahler
wiederum unter
einem Prozent
lag. Auch die
Gruppe der Steuerzahler,
welche zwischen
20 und 50 fl entrichteten,
und der fünf
der sechs übrigen
Rehlinger angehörten,
machte weniger
als zwei Prozent
der steuerpflichtigen
Einwohnerschaft
aus. Gleichzeitig
sind große
Vermögensunterschiede
innerhalb der
Sippe unübersehbar.
So steuerte zum
Beispiel der reichste
Rehlinger im Jahre
1534, Konrad d.
Ä., das Siebenfache
von Leonhard Christoph
oder Christoph
Christoph, das
Elffache von Hans
d. J. und das
Sechsundzwanzigfache
seines Namensvetters
Konrad Rehlinger.
Hinter diesen
Zahlen verbergen
sich erhebliche
Altersunterschiede,
aber auch divergierende
wirtschaftliche
Aktivitäten
und verschiedene
verwandtschaftliche
Netzwerke. Die
Entschlüsselung
dieser Divergenzen
vermittelt ein
wesentlich differenzierteres
Bild dieser Patrizierfamilie.
Konrad
Rehlinger d. Ä.,
dessen Steuerleistung
von 280 fl auf
ein Vermögen
von mindestens
56.000 fl schließen
läßt,
war 1534 bereits
64 Jahre alt und
seit Jahrzehnten
in Handelsgeschäften
tätig. Er
hatte 1503 Barbara
Walther, die Tochter
von Hans Walther,
geehelicht, welcher
zwischen 1503
und 1511 das Amt
des Zunftmeisters
der Kaufleute
bekleidete, und
war im gleichen
Jahr eine
Handelsgesellschaft
mit seinem Schwager
Andreas Grander
und dem
Sohn seines Schwagers
Hans Honold eingegangen.
Die Gesellschaft,
der sich 1507
auch Hans Honolds
Bruder Peter anschloß,
bestand bis zu
Granders Tod im
Jahre 1531. Abgesehen
von den überlieferten
Gesellschaftsverträgen,
liegen über
die Aktivitäten
der Firma nur
sporadische Nachrichten
vor; diese deuten
jedoch darauf
hin, daß
der Warenhandel
das Rückgrat
der Gesellschaft
bildete. 1508
mieteten Grander
und Rehlinger
Kammern im Fondaco
dei Tedeschi in
Venedig, 1514
erschien ein Vertreter
der Firma zur
Zeit der Safranernte
im italienischen
Aquila, und 1515
reiste Rehlingers
Partner Hans
Honold mit einem
Kaufmannszug nach
Frankfurt, der
von Götz
von Berlichingen
überfallen
wurde. Nach der
Auflösung
der Gesellschaft
beteiligte sich
Konrad Rehlinger
unter anderem
1535 mit Hans
Baumgartner d.
J. und
Hans Rehlinger
d. Ä. am
Quecksilberbergbau
in Idria bei Triest
und erscheint
nach 1540 als
Besitzer von eingedeichtem
Polderland in
Seeland. In den
20er und 30er
Jahren war er
zudem in mehreren
städtischen
Ämtern tätig:
zwischen 1524
und 1539 saß
er mit einer Unterbrechung
jedes Jahr im
Kleinen Rat. Ferner
trat er mehrfach
als Kirchenpfleger
in Erscheinung
und war 1523 bis
1524 als Steuermeister
sowie 1526 bis1538
als Einnehmer
für die städtischen
Finanzen mitverantwortlich.
Aus
Konrads Ehe mit
Barbara Walther
waren acht Kinder
hervorgegangen,
mit denen sich
Konrad 1517 von
dem Memminger
Maler Bernhard
Stringel porträtieren
ließ. Nach
dem Tod seiner
Frau heiratete
Konrad Rehlinger
1525 Sibilla Artzt,
die Witwe Jacob
Fuggers des Reichen,
mit dem er einige
Jahre zuvor in
geschäftlicher
Verbindung gestanden
hatte. Diese Eheschließung
barg erheblichen
Konfliktstoff,
da Jacob Fugger
seiner Witwe dem
Chronisten Clemens
Sender zufolge
testamentarisch
"ain gros guot
an gold, silber
und klainettern
vermacht, auch
ir leben lang
die behausung
und gärtten,
wa si in dem witwestand
beleib", eingeräumt
habe. Konrad Rehlinger,
den Sender als
"ain alts mendlin"
charakterisiert,
habe "haimlich
um die Fuggerin
gebuollet" und
sie dazu bewegt,
mitsamt ihrem
Heiratsgut in
sein Haus zu kommen
und ihn "auff
die lutherische
Art" zu heiraten.
Rehlingers Verhalten
erscheint Sender
um so verwerflicher,
als Jacob Fugger
ihm "über
leib und guot
vertraut hat,
vil fraindtschaft
bewissen und stets
ob seinem tisch
gehapt zuo gast
(...)". Andere
Chroniken widersprechen,
allerdings der
Version Senders.
Die sogenannte
Langenmantelsche
Chronik berichtet
etwa, daß
"der fugger" Konrad
Rehlinger und
seine Frau "mit
gewalt und gewaffnether
Handt durch seine
diener genottrengt
und bezwungen
das sie ain andern
(Haus) nemmen
muessen", wodurch
der Frau nach
ihrer eigenen
Einschätzung
20.000 fl an Vermögen
verloren gegangen
seien.
Wie
bereits Konrad
Rehlinger selbst
und seine Schwestern
gingen auch seine
Kinder vorwiegend
Heiratsverbindungen
mit Familien ein,
die dem Kaufmannsstand
angehörten.
Konrad d. J.,
der 1534 150 fl
steuerte, hatte
1528 Barbara Wieland
geehelicht, vermutlich
eine Tochter des
Kaufmanns Georg
Wieland, der 1522
zu den zehn reichsten
Augsburgern zählte;
seine Schwester
Magdalena heiratete
1532 Christoph
von Stetten, den
ehemaligen Faktor
Christoph Herwarts;
und ihre Schwester
Apollonia ehelichte
1536 Christoph
Manlich, dessen
Gesellschaft in
den 40er und 50er
Jahren an mehreren
großen Bergbauunternehmen
beteiligt war.
Die Frau von Konrad
Rehlingers d.
Ä. Sohn Markus,
Apollonia Pfister,
die 1534 50 fl
an Steuern zahlte,
entstammte ebenfalls
einer Kaufmannsfamilie.
Auch
die Handelsaktivitäten
der Rehlinger
in der zweiten
Hälfte des
16. Jahrhunderts
wurden in erster
Linie von Nachkommen
Konrad Rehlingers
d. Ä. fortgeführt.
Sein Sohn Hieronymus,
der 1534 noch
nicht im Steuerbuch
erscheint und
1536 Apollonia
Haintzel, die
Tochter des an
der Welser-Gesellschaft
beteiligten Peter
Haintzel, heiratete,
war Gläubiger
der englischen
Krone und des
deutschen Kaisers
und stellte zwischen
1571 und seinem
Tod 1581 Vollmachten
für geschäftliche
Vertreter in Leipzig,
Danzig, Antwerpen,
Paris, Lyon, Venedig
und Neapel aus.
Sein Sohn Markus
führte den
Handel bis zum
Ende des 16. Jahrhunderts
fort, und sein
Enkel Marx Konrad
hatte noch in
der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges europaweite
Geschäftsverbindungen
und war im englischen
und holländischen
Überseehandel
engagiert.
Eine
zweite, größere
Gruppe von Mitgliedern
des Rehlinger-Clans
im Steuerbuch
von 1534 umfaßt
die Brüder
Bernhard d. Ä.
(90 fl) und Hans
d. Ä. (125
fl) samt ihren
Söhnen, ihre
unverheiratete
Schwester Magdalena
(73 fl) sowie
die Söhne
ihres verstorbenen
Bruders Christoph,
Leonhard Christoph
(41 fl), Christoph
Christoph (39
fl) und ihre vier
noch ledigen Geschwister
(79fl 30x). Von
den drei Brüdern
der älteren
Generation war
Christoph mit
der Tochter Peter
Honolds, eines
Mitglieds der
Kaufleutezunft,
verheiratet. Hans
d. Ä. hatte
1504 Anna Dietenhaimer
und Bernhard d.Ä.
ein Jahr zuvor
Richardis Mißbeck,
eine Straßburger
Patriziertochter,
geehelicht.
Von
primärer
wirtschaftlicher
Bedeutung scheint
für alle
drei Brüder
jedoch ihre
verwandtschaftliche
Beziehung zu Hans
Baumgartner d.
Ä., der mit
ihrer Kusine Felizitas
verheiratet war,
und mit dessen
gleichnamigem
Sohn gewesen zu
sein. Christoph
Rehlinger war
von 1517 bis zu
seinem Tod 1520
mit 10.000
fl an der Handelsgesellschaft
von Hans Baumgartner
d. J. und Wolfgang
Rudolf beteiligt,
Hans und Bernhard
Rehlinger kauften
1519 Silber von
Hans Baumgartner
d. J., Bernhard
Rehlinger trat
demselben um 1524
Bergwerksanteile
in Tirol ab, und
Hans Rehlinger
und Hans Baumgartner
engagierten sich
um 1535 gemeinsam
im Quecksilberbergbau
zu Idria. Wie
eng die
Beziehungen zwischen
beiden Familien
waren, zeigt auch
eine Reihe von
Urkunden und
Verträgen
der Baumgartner.
Als Hans Baumgartner
d. J. während
einer Krankheit
seines Vaters
1516/17 die Geschäfte
weiterführt,
siegelt Bernhard
Rehlinger seine
Abrechnungen;
1520 ernennt Hans
Baumgartner d.
Ä. Hans Rehlinger
zu seinem Testamentsvollstrecker;
1528 siegelt
Hans Rehlinger
den Heiratsvertrag
zwischen Hans
Baumgartner d.
J. und Regina
Fugger; und 1530
siegelt derselbe
das Inventar der
Witwe Hans
Baumgartners
d. Ä.
Auch
in der folgenden
Generation sind
innerhalb dieses
Zweiges der Rehlinger
Zusammenhänge
zwischen verwandtschaftlichen
und geschäftlichen
Beziehungen
erkennbar. Bernhard
Rehlinger d. J.,
der 1528 Anna
Bimmel, die Tochter
des Großkaufmanns
Anton Bimmel,
geheiratet hatte
und 1534 von
allen Rehlingern
die zweithöchste
Vermögenssteuer
entrichtete, erschien
1533 mit
der stattlichen
Summe von 13.600
fl als Depositengläubiger
der Firma von
Anton Haug, Hans
Langnauer und
Ulrich Linck,
welche aus dem
Unternehmen von
Anton und Hans
Bimmel hervorgegangen
war. In dieselbe
Gesellschaft hatten
auch die Söhne
Christoph Rehlingers
Depositen eingelegt.
Nach der Verehelichung
von Anna Rehlinger,
einer Tochter
von Hans d. Ä.,
mit Anton Fugger
1527 erschienen
Hans und Bernhard
Rehlinger auch
als größere
Gläubiger
des Fuggerschen
Unternehmens.
Generell dürften
Handelsgeschäfte
für die Nachkommen
von Hans d. Ä.,
Bernhard d. Ä.
und Christoph
Rehlinger nur
eine geringe Rolle
gespielt haben.
"Stille" Beteiligungen
an anderen Firmen,
die Übernahme
städtischer
Ämter, Grundbesitz
im Umland von
Augsburg und Heiraten
mit dem Landadel
werden spätestens
seit der Jahrhundertmitte
für diesen
Zweig der Familie
charakteristisch.
Eine
dritte Gruppe
innerhalb des
Rehlinger-Clans
im Augsburg der
Reformationszeit
bilden schließlich
Ulrich d. Ä.
und seine Söhne
Ulrich und Jakob.
Ulrich d. Ä.
hatte 1497 Ursula
Gossembrot geheiratet
und war mit zwei
der reichsten
Augsburger Kaufleute
der 20er Jahre,
Lukas Gassner
und Ambrosius
Höchstetter,
verschwägert.
Er war von 1521
bis 1535 in allen
ungeraden Jahren
Bürgermeister
von Augsburg und
zahlte 1534 die
dritthöchste
Steuersumme innerhalb
der Sippe. Als
Kaufmann ist sein
Sohn Jakob hervorgetreten,
der mit 42 fl
30 x allerdings
eine vergleichsweise
geringe Steuerleistung
erbrachte. Er
war wahrscheinlich
als Faktor der
Fugger in Italien
-1529 und 1530
in Neapel, 1534
in Venedig - tätig.
Als selbständiger
Kaufmann engagierte
er sich Mitte
der 30er Jahre
in Geldgeschäften
in Venedig und
versuchte sich
an einem spekulativen
Luxuswarengeschäft,
in dessen Rahmen
flämische
Gobelins via Venedig
nach Konstantinopel
geschafft und
dort an den türkischen
Sultan verkauft
werden sollten.
Außerhalb
der genannten
Gruppen steht
Wilhelm Rehlinger,
der einer weiteren
Linie der weitverzweigten
Familie entstammte.
Er war der Schwager
von Hans Honold,
dem Partner Konrad
Rehlingers d.
Ä.; seine
Tochter heiratete
wiederum in eine
Linie der Rehlinger
ein, als sie sich
1532 mit Christoph
Christoph Rehlinger
vermählte.
Als Kaufmann erscheint
er um 1507 in
Kalabrien, Aragon
und Lissabon als
Geschäftspartner
der Großen
Ravensburger Handelsgesellschaft
im Seiden- und
Gewürzhandel.
Im gleichen Jahr
gehörte er
zu einer Gruppe
deutscher Kaufleute,
deren Waren auf
dem Wasserweg
von Arnemuiden
nach Antwerpen
von Piraten geraubt
wurden. Wilhelm
Rehlinger war
von 1526 bis 1529
und von 1532 bis
1544 Mitglied
des Kleinen Rats
der Reichsstadt
und bekleidete
mehrere andere
städtische
Ämter. Von
1526 bis 1542
war er mit Ausnahme
von 1536 jedes
Jahr städtischer
Steuermeister.
Seine eigene Steuersumme
nimmt sich 1534
mit 34 fl relativ
bescheiden aus.
Der
Familienclan der
Rehlinger weist
somit eine starke
innere Differenzierung
auf. Die einzelnen
Linien engagierten
sich unterschiedlich
stark im Handel
und gehörten
verschiedenen
Verwandtschaftsnetzen
an. Im Zuge der
Reformation bildeten
sich dann auch
konfessionelle
Unterschiede innerhalb
der Sippe aus.
Auf protestantischer
Seite traten dabei
vor allem die
beiden Bürgermeister
der 20er und 30
Jahre, Ulrich
und Wolfgang Rehlinger,
hervor.
Ulrich
Rehlinger demonstrierte
seine pro-reformatorische
Haltung bereits
1525 durch seine
Teilnahme am Hochzeitszug
des evangelischen
Predigers Urbanus
Rhegius. Zwei
Jahre später
drangen Soldaten
Herzog Wilhelms
von Bayern dem
Bericht des Chronisten
Jörg Breu
zufolge gewaltsam
auf Rehlingers
Landsitz Leeder
bei Landsberg
ein, um dort den
Prediger Michael
Keller, einen
der Wortführer
der Reformation,
gefangenzunehmen.
1533 nahm Rehlinger
mit einem Schreiben
an Jacob Sturm
in Straßburg
Kontakt zum Schmalkaldischen
Bund auf, und
sein gleichnamiger
Sohn beteiligte
sich 1531 an Zerstörungen
in der Augsburger
Heilig-Kreuz-Kirche.
1534
wurde Wolfgang
Rehlinger, ein
Sohn Bernhard
Rehlingers d.
Ä. und Ricardis
Mißbecks
und Jörg
Breu zufolge "ain
junger man zwuschen
27 und 28 jaren,
ain jurist, gelert",
erstmals zum Bürgermeister
gewählt.
Breu äußerte
nach der Wahl
die Befürchtung,
daß der
unerfahrene Rehlinger
völlig unter
den Einfluß
seines Bürgermeisterkollegen
Hieronymus Imhof,
"der was ains
gantzen rath zuchtmaister
und unterweiser",
geraten würde.
Tatsächlich
avancierte Rehlinger,
der auch 1536,
1539 und 1541
das Bürgermeisteramt
innehatte, zu
einem der engagiertesten
Förderer
der Reformation
in Augsburg und
des Beitritts
der Stadt zum
Schmalkaldischen
Bund. Für
den damaligen
Stadtschreiber
Georg Froelich
war Rehlinger
der Cicero der
Augsburger Stadtrepublik
- ein tugendhafter
und gerechter
Mann, der "den
handl gottes ernstlich
in die hand nam,
dz faul bis uf
dz lebendig herausser
schnidt, unverschont
menigliche auch
seiner bluets
verwanten und
fürdersten
Inn amptern hand
hapte und alles
begangen ubel
half straffen".
Der Patrizier
Matthäus
Langenmantel,
der Rehlinger
kritischer gegenüberstand,
vertrat die Auffassung,
der Bürgermeister
habe die Stadt
ganz nach seinem
Willen regiert.
Angesichts zunehmender
Opposition zog
sich Rehlinger
allerdings 1543
zunächst
aus der Stadtpolitik
zurück und
gab im folgenden
Jahr sein Bürgerrecht
auf, um nach Straßburg
- dem Herkunftsort
seiner Mutter
- zu ziehen. Nach
der Aufhebung
der Augsburger
Zunftverfassung
durch Kaiser Karl
V. 1548 und der
Einführung
eines patrizischen
Regiments gewannen
die katholischen
Familien Hans
und Christoph
Rehlingers stark
an politischem
Gewicht: 1548
wurde Leonhard
Christoph Rehlinger,
ein Sohn Christophs,
Bürgermeister,
und ein Jahr später
gelangte Hans
Rehlingers Sohn
Heinrich in das
neugeschaffene
Amt des Stadtpflegers.
Den
Rehlingern beider
Konfessionen eröffnete
ihre soziale,
wirtschaftliche
und politische
Führungsstellung
im Augsburg des
16. Jahrhunderts
vielfältige
Möglichkeiten
der Repräsentation
und des Mäzenatentums.
Reichtum, Standesbewußtsein
und politische
Macht konnten
auf Hochzeiten
oder anläßlich
von Reichstagen
demonstriert werden.
Die prachtvolle
Hochzeit Anton
Fuggers mit Anna
Rehlinger 1527
- auf welcher
dem Chronisten
Clemens Sender
zufolge "jedermann
fürstlich
gehalten worden,
und darneben der
armen auch nit
vergessen worden"
sei - ist dafür
ebenso ein Beispiel
wie der Einzug
Kaiser Karls V.
in Augsburg 1530.
Die Chronisten
beschreiben ausführlich
die prächtigen
Gewänder
und die geschmückten
Pferde, mit
denen Konrad
und Ulrich Rehlinger
neben anderen
führenden
Repräsentanten
der Stadt dem
Kaiser entgegenritten,
und erwähnen
Hans und Wilhelm
Rehlinger unter
den Trägern
des Thronhimmels.
Im Bereich der
Kunstförderung
ist das bereits
erwähnte,
von Bernhard Strigel
gemalte Bildnis
Konrad Rehlingers
und seiner acht
Kinder ebenso
als Ausdruck patrizischen
Selbstbewußtseins
zu verstehen wie
der spätgotische
Schnitzaltar,
den Daniel Mauch
um 1520 für
die Rehlinger
fertigte, und
der als Hauptwerk
des Ulmer
Künstlers
gilt.
Als
weitere Zeugnisse
patrizischen Selbstverständnisses
können schließlich
das 1559
angefertigte
Ehrenbuch der
Rehlinger sowie
die 1550 von den
sechs Söhnen
Christoph Rehlingers
ins Leben gerufene
Rehlingersche
Fraternitäts-Stiftung
angesehen werden.
Die sechs Brüder
äußern
im Stifftungsbrief
die Überzeugung,
daß "die
Geschlecht allein
durch den mannlichen
Stamm erhalten
werden, welcher
Ehr und Würdigkeit
aber außer
Reichthum und
gutem stattlichem
Vermögen
nicht bestehen
noch bleiben mag,
sondern durch
Armuth in Abfall
und Verachtung
kommt". Gleichzeitig
unterstreichen
sie den Führungsanspruch
der durch altes
Herkommen und
materielle Sicherheit
charakterisierten
Geschlechter in
der Reichsstadt:
die Geschlechter
würden sich
"mehr Ehren und
Tugend befleißen,
auch dise[r] alten
ehrlichen Stadt
Augspurg, als
ihres Vaterlands,
Nuz, Frommen und
Aufnehmen" stärker
fördern als
andere. Die Stiftung
setzt sich daher
das Ziel, den
Wohlstand ihrer
Nachkommenschaft
"im Mannesstamme"
zu sichern.
Die
Demonstration
von Macht und
Reichtum seitens
der wirtschaftlichen
und politischen
Eliten Augsburgs
riefen beim "gemeinen
Mann" aber durchaus
auch Kritik hervor.
Dies zeigt sich
deutlich an der
Beurteilung des
Bürgermeisters
Wolfgang Rehlinger
in Jörg Breus
Chronik. Obwohl
Breu Rehlingers
pro-reformatorische
Haltung teilte,
nehmen sich seine
Äußerungen
über den
Bürgermeister
nach 1534 sehr
negativ aus. Für
1536 berichtet
Breu, daß
Rehlinger und
sein Kollege Mang
Seitz "gar aufblasen
und geschwollen
mit macht" gewesen
seien - "nichts,
das nit adelich
zuogieng". Ein
Jahr zuvor hatte
sich Rehlinger
auf dem Gelände
des ehemaligen
Judenfriedhofs
einen Lustgarten
anlegen und ein
Sommerhaus errichten
lassen. Die Schnelligkeit,
mit der die Arbeiten
vonstatten gegangen
waren, erschien
Breu verdächtig:
"ich will glauben,
den statwerckleuten
sei ain guet trinckgelt
geben, ist ab
dem rathaus zalt
worden". Somit
wird - zumindest
für Breu
- auch Rehlinger
zum Repräsentanten
einer Oberschicht,
die ihre eigenen
Interessen über
den "gemeinen
Nutzen" stellt
und durch ihre
Macht korrumpiert
wird.
III
Als
1519 in Augsburg
die Nachricht
von der Kaiserwahl
Karls V. eintraf,
schickten sich
neben Jacob Villinger,
dem kaiserlichen
Rat und Schatzmeister,
auch die Kaufleute
Jacob Fugger und
Ambrosius Höchstetter
an, vor ihren
Häusern Freudenfeuer
zu entzünden,
um das Ereignis
gebührend
zu feiern. Doch
es kam anders.
Nicht ohne Befremden
und voller Ironie
berichtet der
Chronist Wilhelm
Rem: "Nun was
es vor der gebrauch
nit gewesen, daß
purger in der
statt solten frödenfeur
machen, es hett
die statt vor
nie frödenfeur
gehabt; also schickt
ain ratt zuo dem
Fillinger und
den andren und
lies in sagen,
ain ratt welt
den unkosten selb
zalen. und die
statt lies in
die vorstett auch
etliche machen,
und auff dem Berlach
da ward das allerhüpschest
gemacht, es waren
vil verborgner
bixen darin, die
schuossend im
feur ab; es kost
danocht vil gelt,
es was hüpsch
zuogericht".
Auf
den ersten Blick
mag sich diese
Nachricht anekdotisch
ausnehmen. Bei
genauerem Hinsehen
jedoch entpuppt
sie sich als Beispiel
für das Aufeinandertreffen
zweier Prestigesphären,
ja zweier Wertsysteme.
Auf der einen
Seite der Rat,
der auf Maßhalten
bedacht ist, auf
die Wahrung von
Einigkeit und
Frieden; auf der
anderen Seite
mit Jacob Fugger
und Ambrosius
Höchstetter
zwei Exponenten
des Frühkapitalismus,
Firmenhäupter,
Bankiers, die
selbst den Bruch
mit der städtischen
Tradition nicht
scheuen, um ihre
ökonomische
Potenz zur Schau
stellen zu können;
zwei soziale Aufsteiger:
schwerreich, aber
eben auch neureich;
zwei Angehörige
von Familien,
die im Unterschied
zu den Rehlingern
oder Welsern noch
nicht zu jenem
Kreis der "Geschlechter"
zählen, welche
in Augsburg das
geburtsständische
Patriziat bilden.
Wie
vollzog sich dieser
Aufstieg? Vor
allem aber: Wie
vertrug er sich
mit einer Wertstruktur,
die durch zünftige
Beschränkung
charakterisiert
war? Diese Fragen
sollen im folgenden
am Beispiel der
Höchstetter
beantwortet werden
- einer Familie,
die es an Aufsteigerqualitäten
durchaus mit den
prominenteren
Fuggern aufnehmen
kann, die darüber
hinaus aber auch
noch aus anderen
Gründen geeignet
scheint, hier
als Repräsentant
eines zweiten
Typus städtischer
Führungsgruppen
etwas genauer
betrachtet zu
werden. So galten
die Höchstetter
nicht nur als
überaus gerissene
und ehrgeizige
Spekulanten und
Monopolisten,
sondern auch als
extensive Nutzer
von Fremdkapital
in Form von Depositen.
Hinzu kommt, daß
der Zusammenbruch
der Höchstetter-Gesellschaft
1529 in eine Zeit
fiel, in der besonders
hitzig über
die Monopolfrage
gestritten wurde.
Und schließlich
erlaubt der langwierige
und aktenerzeugende
Prozeß,
der diesem spektakulären
Bankrott folgte,
Einblicke in Struktur
und soziale Verflechtung
der Höchstetter-Gläubiger.
Aufstieg
- das war zuerst
einmal ökonomischer
Aufstieg. Ein
Blick in die Augsburger
Steuerbücher
des 15. Jahrhunderts
führt ihn
vor Augen: Steuerte
ein Sigfrid Höchstetter,
von Beruf einfacher
Bleicher, 1403
die noch recht
bescheidene Summe
von 1 1/2 fl,
mußte sein
Enkel Ulrich,
wie schon sein
Vater selbständiger
Gewandschneider,
1494 bereits 120
fl abführen,
eine Summe, die
ihn als Angehörigen
der ökonomischen
Oberschicht ausweist.
Politischer Erfolg
schloß sich
an: Seit 1461
saß erwähnter
Ulrich als Zunftmeister
der Schneider
im Kleinen Rat;
und seit 1482
gehörte er
bis zu seinem
Tod 1495 als Baumeister
bzw. Einnehmer
sogar dem Dreizehnerausschuß
an, dem eigentlichen
Entscheidungszentrum
in Augsburg. Schließlich
ein Beispiel für
den gesellschaftlichen
Aufstieg der Höchstetter:
Ulrichs Sohn Ambrosius
heiratete 1493
Anna Rehlinger,
die Tochter des
Patriziers Jacob
Rehlinger, und
kam damit auf
der sozialen Leiter
ein gutes Stück
voran. Allerdings
scheint Anna Rehlinger
auch in ökonomischer
Hinsicht alles
andere als
eine schlechte
Partie gewesen
zu sein; spöttelt
doch Clemens Sender
in seiner Chronik:
"die hat im zuopracht
zuo heirotguot
und darnach ererbt
60.000 fl.".
Es
liegt auf der
Hand, daß
sich solche Erfolge
nicht allein auf
besondere Kunstfertigkeit,
auf Detailhandel,
auf den Tuchverkauf
in Augsburg zurückführen
lassen. Schon
Ulrich Höchstetter,
Ambrosius' Vater,
trieb aller Wahrscheinlichkeit
nach Fernhandel,
engagierte sich
jedenfalls als
Tuchhändler
in Antwerpen,
wo noch zu seinen
Lebzeiten eine
Höchstetter-Niederlassung
etabliert wurde
und wo die Höchstetter
bald auch Grundhesitz
erwarben. Textillager
in Frankfurt,
Nürnberg,
Wien und Venedig
folgten, später
auch Niederlassungen
in Mailand, Lissabon
und Lyon. Dann
der Einstieg in
den Gewürz-
und Getreidehandel,
beides in großem
Stil; vor allem
aber der Einstieg
in den expandierenden
Montanbereich
- und damit in
das ebenso lukrative
wie riskante Geschäft
mit dem Geld.
Denn wer es im
Bergbau, im Hüttenwesen
und Metallhandel
zu Einfluß
und Reichtum bringen
wollte, der mußte
den hohen Herren
Kredit gewähren
können, der
mußte zum
Bankier und Finanzier
werden, um in
den Genuß
von Schürfrechten,
Schutzbriefen
und Kartellkonzessionen
zu gelangen; das
war gewiß
nichts Neues,
das wußte
man schon zu Zeiten
Karls IV.; doch
wußte das
um 1500 niemand
besser als die
Augsburger Fugger,
Welser und Höchstetter.
Geldbedürftige
Fürsten gab
es im Zuge der
frühmodernen
Staatsbildung
mehr als genug.
Jene aber, die
über Bergregalien
verfügen
konnten wie sonst
niemand, waren
die Habsburger;
und an sie hielten
sich die Höchstetter
zumeist auch (wie
all die anderen
Kaufleute-Finanziers
der oberdeutschen
Reichsstädte).
1509 willigte
Kaiser Maximilian,
der den Höchstettern
wohl seit längerem
schon finanziell
verpflichtet war,
in Bau und Betrieb
einer Schmelzhütte
für Kupfer
und Messing am
Stainenberg bei
Pflach in Tirol
ein und ermöglichte
damit weitere
Aktivitäten
der Familie im
Montanbereich.
So bezogen die
Höchstetter
seit 1511 Kupfer
aus Taufers und
seit 1514 selbst
aus Schwaz: Jacob
Fugger hatte sich
auf habsburgischen
Druck hin verpflichten
müssen, die
Höchstetter
nicht gänzlich
vom dortigen Verkauf
auszuschließen.
Spannungen und
zunehmender Konkurrenzdruck
waren die Folge.
Rasch entstanden
weitere Hüttenbetriebe:
am Hornbach in
Tirol und im sächsischen
Freiberg. Bald
schon engagierten
sich die Höchstetter
auch im Silberbergbau:
in Steinfelden
(Tirol), in St.
Joachimstal (Böhmen)
und in Schneeberg
(Sachsen). Dann
erste Versuche,
im schottischen
und englischen
Bergbau Fuß
zu fassen. Gleichzeitig
der Vorstoß
in das gewinnversprechende
Geschäft
mit dem Quecksilber.
Einige Stationen:
1525 sicherten
sich die Höchstetter
für vier
Jahre die Quecksilber-
und Zinnoberproduktion
in Idria. Ein
Jahr später
gelang es ihnen,
Ausfuhrbeschränkungen
für Quecksilber
aus Böhmen
durchzusetzen.
1527 folgte ein
Syndikatsvertrag
mit dem böhmischen
Bergwerksbesitzer
Wigkel; und im
folgenden Jahr
sogar der ehrgeizige,
auf ein Monopol
zielende Versuch,
mit Hilfe König
Ferdinands in
den Besitz der
spanischen Quecksilbergruben
in Almadén
zu gelangen. Damit
aber hatten die
Höchstetter
den Bogen überspannt.
Genueser und spanische
Unternehmer boten
einen höheren
Pachtpreis als
die Augsburger
und machten das
Rennen. Die Fugger
waren gewarnt
und sogleich bestrebt,
aus der Niederlage
des alten Konkurrenten
Kapital zu schlagen.
Und die Höchstetter
standen vor dem
Problem, ihre
beträchtlichen
Quecksilber- und
Zinnobervorräte
abstoßen
zu müssen,
die sie nicht
zuletzt in der
Hoffnung auf ein
Monopol gehortet
hatten.
Bereits
an dieser Stelle
läßt
sich festhalten,
daß die
Geschichte des
ökonomischen
Aufstiegs der
Höchstetter
zugleich auch
eine Geschichte
der ökonomischen
Risiken ist, die
eingehen mußte,
wer seit dem späten
Mittelalter als
Großproduzent,
Fernhändler
und Montanunternehmer
Geschäfte
machen wollte;
Risiken, die nicht
zuletzt auch zur
Entwicklung neuer
Formen der Organisation
und Kapitalbeschaffung
beitrugen. Denn
Erschließung,
Verarbeitung,
Abbau und Vertrieb
von Metallen machten
einen finanziellen
Einsatz erforderlich,
der selbst für
Kaufleute von
Format allein
nicht ohne weiteres
möglich war.
Wie sahen diese
Formen aus? Was
ist eigentlich
gemeint, wenn
von "den Höchstettern"
als ökonomisch
handelndem Kollektiv
die Rede ist?
Ein Blick in die
Gesellschaftsverträge
von 1515 und 1524
gibt Aufschluß:
Spätestens
seit 1510 arbeitete,
investierte und
spekulierte die
Firma in Form
einer typischen
süddeutschen
Fernhandelsgesellschaft,
die als relativ
geschlossenes,
auf Familienbasis
wirtschaftendes
Unternehmen mit
gleichzeitigem
Vermögens-
und Arbeitseinsatz
der Gesellschafter
zu charakterisieren
ist. Der Firmenname
war mit dem Familiennamen
identisch. Für
1512 ist nachweisbar:
"Georg und Ambrosius
Höchstetter
Gebrüder";
und für 1515:
"ambrosius und
hanus gebrüder
die höchstetter
und geselschaft"
(Georg war 1514
gestorben). Wer
gehörte dieser
Gesellschaft an?
Neben Ambrosius
d. Ä. erscheinen
im Vertrag von
1515 noch sein
Bruder Hans, die
drei Söhne
des verstorbenen
Georg, deren Schwager
Hans Ungelter
d. J. aus Eßlingen,
Lukas Rem, ein
entfernter Verwandter,
sowie Philipp
Gaßner und
Stefan Gabler,
der eine Augsburger,
der andere Nürnberger
Bürger. 1520
waren beteiligt:
Ambrosius Höchstetter
d. Ä., sein
Bruder Hans, dessen
Sohn Josef, der
gleichnamige Sohn
des alten Ambrosius,
sowie Hans Ungelter
und Hans-Franz
Baumgartner, ein
Schwiegersohn
des Ambrosius.
Fast die gleiche
Zusammensetzung
dann 1524; hinzu
kam lediglich
ein weiterer Sohn
Ambrosius d. Ä.,
Joachim Höchstetter.
Wer aber führte
die Geschäfte,
wer war das Oberhaupt
der Firma? Der
Vertrag von 1524
schrieb die kollektive
Geschäftsführung
fest. Doch steht
in der Forschung
völlig außer
Frage, daß
es Ambrosius d.
Ä. war, der
die wichtigen
Entscheidungen
traf und die Firmenpolitik
bestimmte.
Ein
weiterer Bestandteil
der Verträge
von 1515 und 1524
waren Bestimmungen,
die sich auf das
Gesellschaftskapital
bezogen. Ihre
obersten Prinzipien:
Zusammenhalt der
Firma und Gläubigerschutz.
So konnten zum
Beispiel die Stammeinlagen
nicht vorzeitig
gekündigt
werden; und auch
im Todesfall eines
Gesellschafters
sollten die Erben
ihr Geld nicht
vor Ende der Laufzeit
erhalten. Hervorzuheben
ist auch, daß
eine Fremdfinanzierung
der Einlagen (Gelder
aus Heirats- und
Erbfällen
ausgeschlossen)
verboten war.
Vor allem aber:
Wer der Gesellschaft
als arbeitendes
Mitglied angehörte,
haftete uneingeschränkt
für Gesellschaftsschulden!
Über die
Höhe des
Betriebskapitals
hingegen finden
sich in den Verträgen
keine Angaben.
Doch weist eine
während des
Konkursverfahrens
angefertigte Abschrift
aus dem verlorengegangenen
Höchstetter-Geheimbuch
für den Zeitraum
von 1524 bis 1532
eine Summe von
98.943 fl aus.
Das war gewiß
nicht wenig, aber
doch kaum ausreichend
für die vielfältigen
Anleihegeschäfte,
Bergbauinvestitionen
und Fernhandelsaktivitäten
der Höchstetter.
Woher also kam
das nötige
Geld? Wie wurde
all das finanziert?
Eine
Möglichkeit
war die Bildung
von Gelegenheitsgesellschaften,
von Konsortien,
die aus mehreren
normalerweise
voneinander unabhängigen
Unternehmen bestanden
und in aller Regel
der Finanzierung
eines zeitlich
befristeten, kapitalintensiven
Projekts dienten,
einer Überseefahrt
zum Beispiel oder
einer großen
Anleihe. Da aber
auch diese Form
der Kapitalbeschaffung
bei weitem nicht
ausreichte, um
allen wirtschaftlichen
Anforderungen
gerecht werden
zu können,
beschritten die
Höchstetter
noch einen anderen
Weg, um ihre Kapitalkraft
zu stärken:
den Weg der Fremdfinanzierung
in Form von Depositen,
nicht zuletzt
von kleinen Einlagen
in großer
Zahl und aus allen
Bevölkerungsschichten.
Ja, Clemens Sender
und nach ihm mancher
Historiker meinten
sogar, in diesem
Finanzierungstyp
ein strukturelles
Merkmal der Höchstetter-Gesellschaft
ausgemacht zu
haben. Doch konnte
Ulrich Klinkert
1983 über
eine Verflechtungsanalyse
der Firmengläubiger
nachweisen, daß
sich die Höchstetter
keineswegs ausgeprägter
oder erfolgreicher
oder möglicherweise
sogar skrupelloser
um Depositen bemüht
haben als die
Konkurrenz. Anders
formuliert: Die
Kapitalbeschaffung
auf dem Depositenweg
war allgemein
üblich, war
kein Spezifikum
der Höchstetter-Gesellschaft.
Der Unterschied
zu den Fuggern
und anderen Unternehmen
bestand vielmehr
darin, daß
es den Höchstettern
nicht gelang,
genügend
Kapitalgeber aus
der Augsburger
Oberschicht, der
wichtigsten Gläubigergruppe,
für ihre
Zwecke zu gewinnen,
was zur Folge
hatte, daß
sie sich in immer
stärkerem
Maße auf
auswärtiges
Fremdkapital stützen
mußten.
Doch woher die
Depositen auch
stammten, ob aus
Augsburg oder
entfernteren Orten,
zu denen verwandtschaftliche
oder wirtschaftliche
Beziehungen bestanden,
ob aus der Ober-
oder Unterschicht:
sie vergrößerten
nicht nur die
Expansionschancen
eines Unternehmens,
sie vergrößerten
auch seine Abhängigkeit
vom Kapitalmarkt
und damit die
Gefahr, zunehmend
krisenanfälliger
zu werden. Ein
"Run" der Gläubiger,
die um ihre Einlagen
fürchteten,
konnte zum Zusammenbruch
einer Gesellschaft
führen -
und im Falle der
Höchstetter
sollte genau das
eintreten.
Schon
für Clemens
Sender stand außer
Zweifel: Vom gescheiterten
Versuch der Höchstetter,
in Almaden Fuß
zu fassen, führte
ein direkter Weg
in den Bankrott
der Firma. Die
Forschung hat
diese Ansicht
bestätigt
und auf die Verluste
hingewiesen, die
den Höchstettern
entstanden, als
sie in aller Eile
versuchten, ihre
Quecksilber- und
Zinnobervorräte
abzustoßen.
Sie hat die Vertrauenskrise
analysiert, die
diesen Transaktionen
folgte und noch
dadurch verstärkt
wurde, daß
es den Höchstettern
nach dem Verlust
mehrerer Getreideladungen
nicht gelang,
ihre Verträge
mit der englischen
Firma Gresham
einzuhalten. Sie
hat in der viel
zu dünnen
Eigenkapitaldecke
der Höchstetter
ein konkursträchtiges
Strukturdefizit
frühneuzeitlicher
Handelsgesellschaften
zu identifizieren
vermocht. Und
sie hat schließlich
auch nach dem
Anteil der Fugger
am Höchstetter-Zusammenbruch
gefragt und am
Ende eine Strategie
rekonstruieren
können, die
nicht nur dazu
diente, einen
Konkurrenten aus
dem Geschäft
zu werfen, sondern
auch darauf abzielte,
dabei noch ein
Geschäft
zu machen. So
ließen die
Fugger seit März
1528 in Lyon und
Antwerpen gezielt
das Gerücht
verbreiten, ein
Bankrott der Höchstetter
stehe kurz bevor.
Bald darauf begannen
sie damit, systematisch
Schuldforderungen
des angeschlagenen
Unternehmens in
ihren Besitz zu
bringen. Etwa
gleichzeitig zahlte
Anton Fugger einige
Gläubiger
der Höchstetter
aus oder stellte
sie mit entsprechenden
Sicherheiten zufrieden
- allerdings keineswegs,
um das Unternehmen
doch noch zu retten,
sondern vermutlich
vor allem, um
Zeit zu gewinnen,
vielleicht sogar,
um für Unruhe
unter jenen Gläubigern
zu sorgen, die
noch Forderungen
zu stellen hatten.
Weitere Initiativen
dieser Art folgten:
so im Winter 1528
ein Darlehen über
23.141 fl und
im Frühjahr
1529 eines über
59.783 fl, jeweils
gegen Warenabtretungen.
Im April 1529
fielen die Kupferlieferungen
aus Taufers an
die Fugger; im
Mai desselben
Jahres die Schmelzhütten
in Jenbach. Und
als wenig später
in Augsburg die
ersten Gläubiger
den Rat bedrängten,
endlich Maßnahmen
zu ihrem Schutz
zu ergreifen,
gelangten schließlich
auch die Besitzungen
der Höchstetter
in Schwaz in die
Hand der Fugger.
Damit war erreicht,
was erreicht werden
sollte. Als sich
Ambrosius d. Ä.
kurze Zeit später
mit der Bitte
an Anton Fugger
wandte, doch gemeinsam
mit anderen angesehenen
Kaufleuten etwas
zur Rettung des
Unternehmens zu
tun, fand er kein
Gehör mehr.
Dann überschlugen
sich die Ereignisse:
Nachdem die Gläubiger
verlangt hatten,
alle Höchstetter
unverzüglich
festzunehmen,
verbreitete sich
das Gerücht,
die Familie verstecke
Wertsachen in
Warenballen mit
fremden Handelszeichen
und schaffe sie
in aller Heimlichkeit
aus der Stadt.
Gleichzeitig wurde
bekannt, daß
zwei vollhaftende
Gesellschafter
der Höchstetter
geflohen waren:
Joachim, ein Sohn
Ambrosius' d.
Ä., und Hans-Franz
Baumgartner, der
Schwiegersohn
- höchste
Zeit für
den Rat, sich
der Sache anzunehmen,
die aufgebrachten
Gläubiger
zu beruhigen und
den Frieden in
der Stadt wiederherzustellen.
Am 9. August 1529
ließ er
Ambrosius Höchstetter,
seinen gleichnamigen
Sohn und seinen
Neffen Josef gefangennehmen,
ein Inventar ihres
Besitzes anfertigen
und kurz darauf
in der Hoffnung
auf einen baldigen
Vergleich wieder
auf freien Fuß
setzen. Doch die
Hoffnung trog.
Trotz langwieriger
Verhandlungen,
trotz Appellationen
und Gutachten
konnte lediglich
der kleinere Teil
der Gläubiger
zufriedengestellt
werden. Am 28.
Juni 1531 mußte
der Rat die erneute
Festnahme der
drei genannten
Höchstetter
verfügen;
am 23. September
desselben Jahres
ordnete er an,
sie in den Schuldturm
bringen zu lassen.
Ihr Besitz wurde
verkauft und der
Erlös bis
auf weiteres beim
Stadtvogt hinterlegt;
dauerte doch der
Prozeß noch
an, inzwischen
vor dem Reichskammergericht.
1544 kamen Ambrosius
d. J. und Josef
Höchstetter
auf Intervention
des Kaisers frei.
Der alte Ambrosius
war bereits 1534
an den Folgen
der Haft gestorben.
Sein Sohn Joachim
und sein Enkel
Daniel blieben
Kaufleute und
Montanunternehmer
und brachten es
in England wieder
zu Einfluß
und einigem Reichtum.
In Augsburg selbst
aber konnten die
nachfolgenden
Höchstetter-Generationen
nicht mehr an
frühere Erfolge
der Firma anknüpfen.
Einer
der ersten, die
den Bankrott der
Höchstetter
kommentierten,
und einer der
wenigen, die das
ohne Häme
taten, war der
Augsburger Stadtschreiber
Conrad Peutinger,
ein Vetter Ambrosius'
d. Ä.: "Gott
möge einen
jeden vor solchem
Unheil behüten.
Aber das ist nichts
Neues, sondern
von jeher ist
es so, nicht nur
in Geschäften,
sondern auch gleichsam
in allen anderen
Handlungen: der
eine wird reich,
der andere gerät
in offenbare Not.
Dem einen lächelt
das Glück,
dem anderen gönnt
es nichts. Nicht
wir alle werden
unter der Konstellation
des Reichtums
geboren (Rotat
omne fatum). Aber
daraus folgt nicht,
daß deshalb
keine großen
Geschäfte
unternommen werden
dürfen, noch
daß die
großen Gesellschaften
beseitigt werden
sollten".
Conrad
Peutinger hatte
allen Grund, sein
Bedauern über
den Höchstetter-Bankrott
mit einem Plädoyer
für die "großen
Gesellschaften",
die "großen
Geschäfte"
zu verbinden,
die er seit Jahren
schon verteidigte.
Folgte doch den
ökonomischen
Erfolgen der Höchstetter
rasch auch der
Vorwurf, die Familie
stelle den Eigennutz
über den
Gemeinnutz und
verstoße
damit gegen jene
Norm, die städtisches
Zusammenleben
erst ermögliche.
So heißt
es etwa bei Clemens
Sender über
Ambrosius Höchstetter,
er habe "offt
den gemeinen nutz
und armen mann
truckt", ja "offt
ain gantze war
mit ainander auffkaufft,
theurer, dann
es wert ist gewessen,
damit er die andern
kauffleut nach
gefallen truck,
die solichs nit
vermigt haben.
darnach hat er
in die war ain
auffschlag in
allen landen darein
gemacht und so
verkaufft nach
seinem willen".
Hinzu kam, daß
sich auch all
die anderen großen
Gesellschaften
vorhalten lassen
mußten,
ihr Aufstieg sei
nicht viel mehr
als das Resultat
von Vorkauf, Wucher
und Preistreiberei
- allen voran
die Fugger; und
nicht zuletzt
so manches alte
Kaufleutegeschlecht.
Erinnert sei nur
an die Rehlinger,
die in Jörg
Breu einen Kritiker
fanden, der mit
Spott nicht geizte:
trotz ihrer patrizischen
Traditionen, trotz
ihrer festen Einbindung
in das zunftbürgerlich
geprägte
Wertsystem.
Doch
auch damit nicht
genug: Der Vorwurf,
das "große
Geschäft"
gefährde
die soziale Harmonie
und damit den
inneren Frieden,
war zugleich ein
zentrales Argument
der sogenannten
Antimonopolbewegung,
die seit der Wende
vom 15. zum 16.
Jahrhundert von
sich reden machte
und neben einflußreichen
Fürsten auch
Reichsritter und
Reformatoren zu
ihren Wortführern
zählen konnte.
Ausgehend von
einem ebenso unpräzisen
wie publikumswirksamen
Monopolbegriff,
der im Grunde
alle frühkapitalistischen
Erscheinungsformen
der Wirtschaft
umfaßte,
propagierte diese
Bewegung den
alten, von
Kirche und Obrigkeit
sanktionierten
Kaufmannshandel
und trat vehement
für eine
Abschaffung der
großen Kapitalgesellschaften
ein. Politisch
war diese Forderung
nicht durchsetzbar,
hatte doch keiner
die Kredite der
Kaufleute-Finanziers
nötiger als
der Kaiser; und
auch ökonomisch
führte der
Weg längst
in eine ganz andere
Richtung. Die
antikapitalistische
Grundstimmung
der Zeit aber,
den Wunsch nach
überschaubaren,
nach weniger komplexen,
weniger entwickelten
wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnissen
traf sie sehr
genau.
So
fiel es den Befürwortern
der großen
Gesellschaften
zwar nicht eben
schwer, die oft
emotionalen Argumente
der Monopolgegner
zu entkräften;
und Conrad Peutingers
Einsicht, daß
ein Kaufmann,
der nach individuellem
Gewinn strebe,
dem Gemeinwohl
nicht etwa schade,
sondern es befördere
und daher in seiner
ökonomischen
Handlungsfreiheit
auch keinesfalls
eingeschränkt
werden dürfe,
hat sogar intellektuelles
Format und läßt
an Bernard Mandeville
und Adam Smith
denken. Auch konnten
die "Monopolisten"
auf das karitative
Engagement der
großen Kaufherren
verweisen,
auf ihre Stiftungen,
ihre Kunstförderung,
ihre Bereitschaft,
den erwirtschafteten
Reichtum als soziale
Verpflichtung
zu verstehen.
Die Zeitgenossen
aber, die Mitbürger,
die kleinen Leute
vor allem, die
jeden Tag sahen,
wie sich die Reichen
kleideten, wie
sie wohnten und
repräsentierten,
scheinen von diesen
Argumenten und
Aktivitäten
sehr viel weniger
beeindruckt worden
zu sein als nachfolgende
Historikergenerationen.
Jedenfalls fehlt
es in den Quellen
nicht an Belegen
für den Unmut
des kleinen Mannes
über die
"großen
Hansen", für
den Haß,
der ihnen entgegenschlagen
konnte, für
die Konflikte
zwischen Unternehmertum
und Stadtgemeinde,
und wieder ist
es die Chronik
Wilhelm Rems,
die dafür
ein besonders
aussagekräftiges
Beispiel liefert.
Am
6. August 1524
versammelte sich
vor dem Augsburger
Rathaus lärmend
und drohend eine
über tausendköpfige
Menschenmenge,
drang auf soziale
und religiöse
Reformen und forderte
schließlich
auch die Freilassung
eines Gefangenen:
"zum andren haben
sie wellen begern,
daß sie
den Bartholme
Remen ledig lassen,
der ligt jetz
hie bei 1 3/4
jar gefangen".
Wer war dieser
Mann? Bartholomäus
Rem entstammte
einer Augsburger
Patrizierfamilie,
trat als Buchhalter
in die Dienste
der Höchstetter
und legte 1511
900 fl in die
Firma ein. Als
er 1517 die Gesellschaft
verließ,
forderte er einen
Geschäftsanteil
von 33.000 fl
und geriet dieser
Forderung wegen
mit Ambrosius
Höchstetter
in Streit, der
lediglich 26.000
fl zahlen wollte.
Rem klagte, erkannte
aber den von der
Stadt Augsburg
vermittelten Schiedsspruch
nicht an und lenkte
damit das Augenmerk
der Öffentlichkeit
auf die kaum vorstellbaren
Gewinnrelationen
der Gesellschaft.
1521 wandte er
sich ohne Erfolg
an den Kaiser
und die in Worms
versammelten Stände
und erregte schließlich
reichsweites Aufsehen,
als er einen Warentransport
der Höchstetter
überfiel.
Rem wurde gefangengesetzt,
entkam, floh von
Worms nach Speyer,
wurde wieder inhaftiert
und am Ende nach
Augsburg verbracht,
wo er 1525 im
Gefängnis
sterben sollte.
Einen Vergleich
mit den Höchstettern
hatte er bis zuletzt
abgelehnt.
IV
"Familie,
Geld und Eigennutz"
- die Menschen,
die sich 1524
vor dem Augsburger
Rathaus versammelten,
hätten diesen
Titel als Umschreibung
für die Voraussetzungen
von Macht und
Einfluß
städtischer
Führungsgruppen
wohl kopfnickend
zur Kenntnis genommen.
Und ein Jörg
Breu, Clemens
Sender oder Wilhelm
Rem hätten
wohl auch den
Versuch begrüßt,
diesen Voraussetzungen
am Beispiel der
Rehlinger und
Höchstetter
nachzuspüren;
wußten sie
doch nur allzugut,
daß die
Erfolge dieser
beiden Familien
nicht zuletzt
auf der Fähigkeit
beruhten, verwandtschaftliche
Beziehungen gegen
den gemeinen Nutzen
zu aktivieren.
Seit
alters her politisch
aktiv und einflußreich,
standesbewußt
und in das städtische
Wertsystem integriert,
zählte die
Patrizier- und
Kaufleutefamilie
Rehlinger zu Beginn
des 16. Jahrhunderts
auch zur ökonomischen
Elite der Stadt
Augsburg. Ein
Blick in das Steuerbuch
von 1534 zeigt
allerdings, daß
innerhalb des
Clans erhebliche
Vermögensunterschiede
bestanden, eine
Tatsache, die
allein mit divergierenden
wirtschaftlichen
Aktivitäten
und Interessen
einzelner Familienmitglieder,
mit ihrem verschieden
stark ausgeprägten
Engagement im
Fernhandel zum
Beispiel oder
im Montanbereich
nur unzureichend
erklärt werden
kann. Zu berücksichtigen
ist vielmehr über
diese Divergenzen
hinaus, daß
sich hinter den
Eintragungen im
Steuerbuch mehrere
Familienzweige
verbargen, die
unterschiedlichen
Verwandtschaftsnetzen
angehörten
und im Zuge der
Reformation auch
konfessionell
getrennte Wege
gingen. Mit anderen
Worten: Der Familienclan
der Rehlinger
wies eine komplexe
Binnenstruktur
auf, eine innere
Differenzierung,
die als dichtes
Netz verwandtschaftlicher
Beziehungen ökonomische
Macht, politischen
Einfluß
und soziale Exklusivität
ermöglichte
und auf Dauer
garantierte.
Traditionelle
Bindungen, überliefertes
Ansehen, ein fester
Platz in der Spitzengruppe
der Standeshierarchie
- all das fehlte
den Höchstettern.
Wie die Fugger
hatten sie als
erfolgreiche Fernhändler,
Montanunternehmer
und Bankiers innerhalb
weniger Jahrzehnte
in die ökonomische
Oberschicht Augsburgs
vorstoßen
und rasch auch
gesellschaftliche
Prestigegewinne
verzeichnen können;
wie die Fugger
aber zählten
auch sie als neureiche
Aufsteiger ohne
die Qualität
patrizischer Herkunft
nur mit Einschränkungen
zur sozialen und
politischen Elite
der Stadt. Und
wie ihr Konkurrent
mußten auch
sie sich bald
schon den Vorwurf
gefallen lassen,
ihr Aufstieg sei
gegen jene Fundamentalnorm
erfolgt, die urbane
Gemeinschaft,
soziale Ordnung
und inneren Frieden
begründe
und erhalte: den
gemeinen Nutzen.
Als sich 1529
die Nachricht
von ihrem Bankrott
zu verbreiten
begann, wollte
nur Conrad Peutinger
gute Worte für
die Höchstetter
finden - der vehemente
"Monopolist" und
nahe Verwandte.
Die
Einleitung und
das Kapitel über
die Rehlinger
stammen von Mark
Häberlein,
das Kapitel über
die Höchstetter
und der Schluß
von Peter Burschel.
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