DHM

MATHIAS LANG
BEATRTICE VON SCHMIDT-PAULI-HAUX
URSULA FUHRER



Die Restaurierung der vier Jahreszeiten Gemälde und ihre zeitliche Einordnung aus maltechnischer Sicht


Anmerkung


ZUR RESTAURIERUNG DER GEMÄLDE

Die Aufgabenstellung der Restaurierung wurde im Fall der vorliegenden vier Gemälde durch das Ausmaß der Schäden und die Versuche zu deren Behebung bei früheren Restaurierungen bestimmt: Schmutz, ein stark gegilbter Firnis und großflächige Überarbeitungen beeinträchtigten die malerische Gesamtwirkung derart, daß man sich entschloß, Proben zur Entfernung des Oberflächenschmutzes, zur Reduzierung oder Abnahme des Firnisses und der Übermalungen vorzunehmen.

Diese Proben wurden zuerst an jenem Gemälde durchgeführt, das den bei der Voruntersuchung festgestellten schlechtesten Erhaltungszustand aufwies, um in den folgenden Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten das Erscheinungsbild der vier zusammengehörigen Monatsbilder nicht "auseinanderzurestaurieren". Um dies zu vermeiden, hat man sich während des gesamten Restaurierungsprozesses nach den für das am schlechtesten erhaltene Bild möglichen restauratorischen Eingriffen gerichtet.

Das Ergebnis der Proben zur Reduzierung und Abnahme des Firnisses zeigte eine völlig veränderte Farbigkeit in den gereinigten Stellen und ließ ein großes Ausmaß an Übermalungen erkennen. Erste Versuche, die Übermalungen zu entfernen, ergaben, daß diese großflächig und großzügig über Fehlstellen gelegt waren und daß die darunter zum Vorschein kommenden originalen Malereien detaillierter ausgeführt und bedeutend qualitätvoller waren. Somit entschloß man sich nicht nur für rein konservatorische, d.h. erhaltende Maßnahmen, sondern für weitergehende restauratorische Eingriffe. Damit sollte eine neue Lesbarkeit der beeinträchtigten künstlerischen Gesamtwirkung erzielt werden.

Die in diesem Rahmen notwendigen maltechnischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen dienten auch dazu, noch offene Fragestellungen zu erhellen. Dies betraf Unsicherheiten bezüglich der genauen Entstehungszeit der Gemälde, der tatsächlichen Urheberschaft und Fragen nach der Zusammengehörigkeit aller vier Bilder. Die Zuschreibung an den Maler Jörg Breu d.Ä. und seine Werkstatt erfolgte wegen der motivischen Wiederaufnahme seiner Darstellungen von Tätigkeiten im Zusammenhang mit den einzelnen Monaten, die er um 1525 in Scheibenrissen festgehalten hatte. Maltechnische Vergleiche mit anderen Werken Breus und seiner Werkstatt sollten weiteren Aufschluß über die ungesicherte Zuschreibung geben.

Zusätzlich zur schriftlichen, grafischen und fotografischen Erfassung der Arbeiten und Ergebnisse wurde eine neue Form der Dokumentation mittels Videokamera angewandt. Alle Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten, die 1990 begonnen und im Sommer 1993 abgeschlossen wurden, konnten aufgrund der Übergröße der Gemälde nicht in der eigentlichen Gemälderestaurierung durchgeführt werden, sondern wurden in einem provisorisch eingerichteten Restaurierungsatelier geleistet und dokumentiert. Die Arbeiten unterlagen somit zusätzlichen Erschwernissen.

Allgemeine Beschreibung des Zustandes vor der Restaurierung

Die vier Gemälde waren, was den Zerstörungsgrad der originalen Substanz betraf, in unterschiedlich gutem Erhaltungszustand. Die spezifischen Schadensbilder der einzelnen Gemälde waren jedoch miteinander vergleichbar.

Der Verschmutzungsgrad der Oberflächen aller vier Bilder war unterschiedlich. Auffällig stark waren die die Oberfläche bestimmenden und sichtbar werdenden Noppen der Leinwand, die weder durch Grundierung noch durch Malschicht bedeckt waren oder in Teilen spätere, großflächige Übermalungen aufwiesen.

Der bei allen Bildern vorhandene Firnisüberzug war unterschiedlich stark vergilbt.

Erkenntlich waren überall Kittungen unterschiedlichen Materials, die alte Fehlstellen ausfüllten und die oft in die originale Malschicht hineinreichten und übermalt waren. Zusätzlich gab es übermalte, ungekittete Bereiche von Fehlstellen und Ausbrüche der Malschicht. Über die Gemäldeoberflächen zogen sich in der Bildmitte querverlaufende Fehlstellenbereiche. Viele Fehlstellen verliefen in linienförmigen Anordnungen. Ansonsten wies die Malschicht zusammen mit der Grundierung eine gute Haftung zum Bildträger auf.

Durch die mit Bleiweiß ausgemischten hellen Farbpartien, die im Laufe der Zeit transparent geworden waren, ließen sich die ansonsten mit dem bloßen Auge nicht sichtbaren Unterzeichnungen erkennen.

Alle originalen Leinwände sind beschnitten und auf neue Gewebe mit Kleister aufgebracht worden. Bei einer späteren Restaurierung wurden zusätzlich Leinwandstreifen entlang der Ränder angeklebt. Die Naht der immer aus zwei Teilen in der Bildmitte querverlaufend zusammengefügten Bildträger zeichnet sich durch die Doublierung auf der Bildvorderseite deutlich ab. Im Juli-September-Gemälde wurden die Überstände der Naht vor der Doublierung abgeschnitten. Bis auf wenige Risse und teilweise Loslösungen der Originalleinwand vom Doubliergewebe und unzureichende Befestigungen waren die Bildträger stabil. Eine zu geringe Spannung der Leinwände verursachte vor allem zu den unteren Bildkanten hin eine Beulenbildung. Alle Bildrückseiten waren verschmutzt. Die Keilrahmen, die bei allen vier Gemälden aus zwei einzeln zusammengefügten Querformaten bestanden, gefährdeten durch fehlende Holzverbindungen die Stabilität des Gesamtträgers.

Das Restaurierungskonzept

Die erste Überlegung bestand darin, die Gemälde rein konservatorisch zu behandeln. Aufgrund der starken Überarbeitung des Originals, die nach eingehender Untersuchung festgestellt wurde, entschloß man sich doch zu einer Abnahme der nicht mehr originalen und stark gegilbten Firnisschichten und der großflächigen Übermalungen und Überkittungen. Abnahmeproben von Schmutz, Firnis und alten Überarbeitungen hatten bei allen vorhandenen Zerstörungen die noch gut erhaltene Originalsubstanz freigelegt. Stabile, durch ihr Alter strukturierte und sich in die Oberfläche integrierende Kittungen sollten erhalten werden. Neukittungen sollten nur in reduziertem Maße und dann nur in Fehlstellen erfolgen, die den weiteren Verlust von Malschicht provozierten oder die Oberflächengesamtwirkung stark beeinträchtigten.

Die Vorretusche sollte auf alten und neuen Kittungen und auf bereits übermalter Leinwand in Tratteggiotechnik durchgeführt werden. Die abschließenden Lasuren sollten nach einem gestrichenen Firnisauftrag als Schlußretusche folgen. Bei näherer Betrachtung bleiben dann die Retuschen und damit der Verlust von originaler Malschicht durch diese Technik erkennbar. Kleinere, weniger stark zerstörte Bereiche können so weitgehend geschlossen werden, und größere Fehlstellen bleiben in einem neutralen Farbton der Umgebung angepaßt. Keilrahmen und Bildträger sollten eine rein konservatorische und stabilisierende Behandlung erhalten.

DIE RESTAURIERUNG

Keilrahmen: Die zwei jeweils zusammengesetzten Keilrahmen wurden durch vier leichte, aber stabile und mit Filz unterfütterte Aluminiumschienen zusätzlich noch einmal miteinander verbunden. Fehlende Holzverbindungen und Keile wurden ergänzt.
Leinwand: Bei allen vier Gemälden wurde die Leinwand nachgespannt und rückseitig gereinigt. Durch das Ersetzen fehlender Keile und ein erneutes Auskeilen der Rahmen konnte die Beulenbildung der Bildträger beseitigt werden. Ein Riß in der Originalleinwand in der rechten Bildhälfte des Juli-September-Gemäldes wurde mit Kleister geschlossen und wieder auf der Doublierleinwand verklebt.
Firnis und Malschicht: Löseproben zum Entfernen des Oberflächenschmutzes, des Firnisses und der alten Übermalungen erforderten den Einsatz von verschiedenen Lösemitteln und ein mehrschichtiges Reinigen. Der Oberflächenschmutz wurde wäßrig entfernt, der Firnis und die Übermalungen, die zum Teil aufgrund ihrer unterschiedlichen Alterung besonders in den weiß ausgemischten Partien sehr hartnäckig waren, ließen sich mit Gemischen aus organischen Lösemitteln beseitigen oder zumindest reduzieren. Während der Firnisabnahme wurde wiederholt unter UV-Licht kontrolliert. Nach der Reduktion der obersten Firnisschichten war diese Art der Untersuchung sehr hilfreich bei der Beurteilung der abzunehmenden Übermalungen.
Uberkittungen: Sie lösten sich zum Teil bereits während der Abnahme der Übermalungen. Ansonsten wurden sie mechanisch mit dem Skalpell entfernt.
Neukittung: Sie erfolgte in den Fehlstellen mit einem Gemisch aus Kreide und tierischem Leim.
Retusche: Die Retusche wurde mit Aquarellfarbe vorgelegt und mit Lasuren von Pigmenten in gelöstem Dammarharz abgeschlossen. Hierbei wurde die beschriebene Tratteggiotechnik angewendet.
Firnis: Der verwendete Dammarfirnis wurde in einer Zwischenlage nach Abschluß der vorgelegten Aquarellretusche aufgestrichen.

Resümee

Alle vier Gemälde zeigten in unterschiedlichem Ausmaß vergleichbare Schäden. Zumeist waren die Malschichten der rechten Bildhälften zerstörter und überarbeiteter als die übrigen Malschichten. Dies kann mit einer früheren unsachgemäßen Lagerung und Handhabung oder dem früheren Standort der Bilder zusammenhängen. Es können auch Fehler beim maltechnischen Aufbau der Gemälde eine Rolle spielen. Andere Verluste der Malschicht, wie die in vielen Fällen quer oder schräg über die Oberflächen laufenden Fehlstellenbereiche, sind bei der Abnahme der Leinwände von ihren Spannrahmen und durch unsachgemäße Lagerung mit Faltung oder Knicken und Rollen der Bildträger entstanden. Bei den Fehlstellen in Bereichen der dickeren Nahtstelle ist der Gewebeuntergrund eine natürliche Schwachstelle für die Haftung von Mal- und Grundierschichten.

Es ist nachweisbar, daß die Gemälde verschiedenen Restaurierungen unterzogen wurden. Alle Bildformate wurden vermutlich vor der Doublierung verkleinert. Dies ist innerhalb ein und derselben Restaurierung durchgeführt worden. Allerdings läßt sich nicht sagen, wann diese stattgefunden hat.

Unterschiedliche Kittungsarten, nichtgekittete und über das Original hinaus übermalte Partien sind auf verschiedene Restaurierungen zurückzuführen. Die Übermalungen besaßen ebenfalls unterschiedliche Qualität. So existierten großflächige, auffällige Überarbeitungen und feiner ausgeführte, die schwerer zu erkennen waren. Dies können Hinweise auf unterschiedliche Hände oder verschiedene Restaurierungsphasen sein. Im Bereich der großflächigen Übermalungen bestand die Tendenz, die auffällig zutage tretenden Noppen der Leinwand und verstreute Fehlstellen zu verdecken. Überall war das unter der Überarbeitung befindliche Original intakter als angenommen. Allerdings wiesen die Malschichten einen unterschiedlichen Verputzungsgrad auf. Erstaunlicherweise sind empfindliche Farblacke gut erhalten geblieben.

Beim abgenommenen Firnis handelt es sich nicht mehr um den Originalfirnis. Er war in mehreren Schichten und unterschiedlich dick aufgetragen. Unter den Übermalungsschichten befanden sich bei einer vorangegangenen Restaurierung unvollständig abgenommene Reste von Originalfirnis.

Technologische Untersuchung

Keilrahmen: Es handelt sich um zwei jeweils im Querformat aufeinandergesetzte Keilrahmen, die ihrerseits wiederum durch Keile miteinander verbunden sind. Sie sind ohne diese Verbindung theoretisch "zusammenklappbar".
Bildträger: Das sind hier Leinwände, die vergleichbare Webdichten aufweisen, deren Mittelwert zwischen 9 x 12 Fäden pro Quadratzentimeter liegt. Zwei Leinwandbahnen sind bei allen Gemälden mittig und parallel zur Ober- und Unterkante zusammengenäht. Die jetzigen Maße der Bahnbreiten lassen darauf schließen, daß die ursprünglichen Bahnbreiten der Gewebe mindestens 130 cm betrugen - die in der damaligen Zeit übliche Webstuhlbreite.
Vorleimung: Die Anfärbungen der Schliffe ließen keine eindeutige Vorleimung der Leinwände mit tierischem Leim erkennen. Mikroskopisch konnte allerdings eine dünne Schicht, die aus Leim bestehen kann, zwischen Grundierung und Leinwand festgestellt werden.
Grundierung: Alle Bildträger besitzen eine erste, weiße Grundierungsschicht. Darüber befindet sich bei allen vier Gemälden eine im Verhältnis dünnere graue Farbschicht, die in die Farbwirkung der späteren Malerei miteinbezogen wurde. Es bleibt eine Frage der Definition, inwieweit diese Schicht eine zweite Grundierungsschicht ist oder eine sogenannte Imprimitur. Sie ist in sich relativ dick und deckend aufgetragen.
Unterzeichnung: Sie ist mit bloßem Auge in Bereichen von Fehlstellen und in verseiften Partien erkennbar. Bei allen Gemälden liegt sie auf der zweiten grauen Schicht und umreißt häufig die Konturen der Darstellung. Bei dem April-Juni- und dem Oktober-Dezember-Gemälde ist sie in einem bräunlichen Farbton ausgeführt, bei den anderen beiden Bildern sind rote Vorzeichnungen sichtbar. Vermehrt finden sich auch Pentimenti, das sind in der Malerei letztendlich nicht ausgeführte oder veränderte Anlagen.
Farbschicht: Der Aufbau der einzelnen Farbschichten erfolgt in jedem Gemälde nach dem gleichen Prinzip: Die graue Untermalung oder letzte Grundierungsschicht wurde in die Schattenwirkung von modellierten Körpern durch teilweises Freilassen miteinbezogen. Ansonsten wurden auf diesen grauen Grund Mitteltöne gelegt, auf die wiederum noch dunklere Schatten oder hellere Partien gesetzt wurden. Darauf wurden die hellsten Höhungen gesetzt. Farbmischungen wurden meist direkt ausgemischt und nur in wenigen Partien durch Aufbringen lasierender Farblacke erreicht.
Firnis: Stellenweise konnte anhand von Resten des Originalfirnis belegt werden, daß die Gemälde einen Firnisüberzug besaßen, der möglicherweise direkt nach Beendigung der Malerei aufgetragen wurde.
Oberflächenstruktur: Stark auffallende, nicht durch die Malschicht bedeckte Noppen der Leinwand, die den Oberflächencharakter prägen, weisen auf Vorgänge beim Grundierungsprozeß hin. Zwischenschleifgänge einzeln aufgetragener Grundierungsschichten können hier die Ursache für die Freilegung der oberen Noppen der Leinwand gewesen sein.
Spätere Eingriffe und Veränderungen: Die vier Bilder wurden mehrere Male restauriert. Der letzte Eingriff aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts war eine Firnisabnahme und eine Abnahme von Übermalungen. Er ist anhand alter Fotos dokumentiert. Es wurden alle Bildformate bis in die figürlichen Darstellungen hinein beschnitten. Wann dies geschah, ist nicht nachvollziehbar.

NATURWISSENSCHAFTLICHE UNTERSUCHUNGEN

Die vier Gemälde wurden zuerst im Tageslicht mit und ohne Technoskop untersucht. Dies ergab erste Aufschlüsse über das Ausmaß der Übermalungen und die spezifische Maltechnik der Bilder. Die Untersuchung unter ultraviolettem Licht sollte zur besseren Einschätzung des Erhaltungszustandes der originalen Malschicht und zur Beurteilung der unterschiedlich dicken Firnisschichten beitragen. Die Infrarotaufnahmen sollten die Unterzeichnungen und eventuelle Abweichungen davon in der ausgeführten Malerei deutlicher hervorheben und zeigen. Auf Röntgenaufnahmen mußte wegen des Fehlens einer mobilen Röntgenanlage und der geeigneten Räumlichkeiten verzichtet werden. Zur Bestimmung des Malaufbaus und der Bindemittel wurden Querschliffe von Malschichtproben aller vier Gemälde angefertigt, die anschließend angefärbt wurden.
Das Rathgen-Forschungslabor in Berlin ergänzte diese Untersuchungen durch die Bestimmung einzeln verwendeter Pigmente in den Bildern. Diese Ergebnisse sollten mit zur Klärung der Entstehungszeit der Gemälde beitragen.

Die Ergebnisse

UV-Untersuchung: Bei der Betrachtung im ultravioletten Licht wurden nur einige der schon gealterten Firnis- und Übermalungsschichten erkennbar. Da das Bindemittel der Übermalungs- und Firnisschichten bereits stark oxidiert war, konnte jedoch mit dieser Untersuchung kein befriedigendes Ergebnis erzielt werden.
Infrarotuntersuchung: Die Unterzeichnung der Gemälde wurde nicht ersichtlich, dafür aber die starke Übermalung des Originals.
Bindemitteluntersuchung: Die Vorleimung zeigte kein positives Ergebnis in der Anfärbung auf Proteine. Ob die Vorleimung mit den sonst üblichen tierischen Leimen ausgeführt wurde, bleibt deshalb fraglich. Die weiße Grundierung zeigte eine positive Reaktion in der Anfärbung auf trocknende Öle und keine Reaktion auf Proteine. Die graue Schicht zeigte eine positive Reaktion in der Anfärbung auf trocknende Öle und ergab keinen Nachweis auf Proteine. Die Malschicht zeigte eine positive Reaktion in der Anfärbung auf trocknende Öle und keine Reaktion auf Proteine.
Pigmentuntersuchung: Zur Überprüfung vergleichbarer Pigmente aller vier Gemälde wurde vom Rathgen-Forschungslabor von Proben folgender, nicht sämtlicher, Pigmente eine Bestimmung durchgeführt:
a) Blau und Grün: Kupferverbindungen, die als Azurit und Malachit identifiziert werden konnten, sowie grüne Erde.
b) Gelb: Es entbält viel Aluminium und Bleiweiß.
c) Weiß: Bleiweiß, in der Grundierung und in allen Ausmischungen vorkommend.
d) Rot: Zinnober und Eisenverbindungen.

Beurteilung der Ergebnisse der technologischen und naturwissenschaftlichen Untersuchung
und der Restaurierung

Der maltechnische Aufbau aller vier Gemälde ist ähnlich und vergleichbar. Dies betrifft auch die Ergebnisse aller durchgeführten Analysen. Das ist ein Hinweis darauf, daß alle vier Gemälde aus derselben Werkstatt stammen. Die Pigmentanalysen bestätigen die Möglichkeit einer Entstehung der Gemälde im 16. Jahrhundert. Diese Ergebnisse allein lassen jedoch keine genaue zeitliche Eingrenzung zu, da alle Pigmente auch noch nach dem 16. Jahrhundert Verwendung fanden. Eine zeitliche Grenze stellt unter Umständen zumindest die Verwendung des Azurits dar, das ab dem 17. Jahrhundert aufgrund von Beschaffungsschwierigkeiten nördlich der Alpen nur noch selten Verwendung fand. Die Bindemittelanalyse läßt keine zeitliche Eingrenzung zu, da die Verwendung von Ölen als Bindemittel ohne Unterbrechung bis in unsere Zeit üblich ist.

Der Zustand der Gemälde nach der Restaurierung zeigt in vielen Partien und trotz aller Beschädigungen, daß die originale Malerei nicht so zerstört war, wie zuvor angenommen. Die maltechnische Qualität kann nun klarer und wesentlich differenzierter in Erscheinung treten. Die Farbigkeit der Malerei hat sich sichtbar verändert und hat wesentlich an Aussagekraft gewonnen. Alle vier Gemälde näherten sich im Zuge der Abnahme aller Überarbeitungen in ihrem Erscheinungsbild immer mehr einander an.

Betont werden muß, daß auch der nun geschaffene Zustand keine Rückführung zum originalen Erscheinungsbild darstellt. Eine Alterung der Malschicht, wie z.B. eine farbliche Veränderung, ist unwiderruflich. Schäden, die durch im Laufe der Zeit entstandene natürliche Einwirkungen oder durch bewußte Eingriffe erfolgen, hinterlassen bei der Zerstörung oder dem Verlust von Originalsubstanz nachhaltige Spuren. Auch die aktuelle Restaurierung wird bei aller Zurückhaltung in der Wahl der Methoden immer geprägt sein durch die Anschauungen des späten 20. Jahrhunderts. Sie bedeutet hier den Versuch einer Annäherung an das originale Erscheinungsbild.

Anmerkungen zu den einzelnen Bildern

Januar-März

Die Oberfläche war weniger verschmutzt als bei dem April-Juni- und dem Juli-September-Gemälde.
Der Firnis ließ sich leichter lösen, da er unter anderem als dünnere Schicht aufgetragen war.
Die Übermalungen waren so flächig ausgeführt, daß das Ausmaß der Beschädigungen des Originals erst bei deren Abnahme erkannt werden konnte: So war die gesamte Waldpartie in der oberen rechten Bildhälfte übermalt. In der linken Bildhälfte war die verschneite Landschaft mit noch mehr Schnee übermalt. Bei der Abnahme dieser Übermalungen wurden, soweit möglich, später aufgetragene Schneeflocken entfernt. Um die Malschicht nicht durch eine zu starke Reinigung zu gefährden, wurden dabei in der jetzigen Restaurierung einige Flocken der Übermalung belassen. Diese Reste beeinflussen jedoch kaum das Erscheinungsbild.

Die Figuren und die Reitergruppe in der rechten Bildhälfte sind dicht gedrängt, und es fehlen die Zusammenhänge: Es ist nicht klar, welcher Reiter auf welchem Pferd sitzt und zu welcher Figur welches Bein gehört. Dies war vermutlich der Grund, warum ein in der Malschicht beschädigtes Bein, welches nicht eindeutig einer Gestalt zuzuordnen ist, bei einer früheren Restaurierung gänzlich übermalt wurde.

Die Turnierdecke mit der Inschrift "MEIN SPIES SPICZ - ICH HIE SICZ" ist während des ursprünglichen Malvorgangs verändert worden. Die aufgesetzten Leuchter verschwinden teilweise unter der darüberliegenden Malschicht und sind dann nochmals in doppelter Ausführung darüber gemalt worden. Alle drei Versionen gehören aber zu der ursprünglichen Fassung des Bildes. Die Farbigkeit und die Oberflächenstruktur der Malweise des Umhanges entsprechen nicht der sie umgebenden Malerei. Die Malschicht erschien mit bloßem Auge grau, enthält aber, wie man unter dem Mikroskop erkennen konnte, blaue Körnung.


Es kommen zwei unterschiedliche Kittungen vor, die auf zwei vorangegangene Restaurierungen schließen lassen. Eine der Kittmassen ist in ihrer Farbigkeit hell und leicht lösbar, die andere ist gelblich und vermutlich in Öl gebunden. Sie konnte dort, wo sie die originale Malschicht bedeckte, nur mechanisch entfernt werden.

April-Juni

Bei diesem Gemälde sind die obere und die untere Bildkante auffällig stark beschädigt, und beide weisen weitreichende Farbschichtverluste auf.
Die Firnisschichten waren unterschiedlich dick aufgetragen, sehr stark gegilbt und teilweise nur in einem langwierigen Prozeß lösbar. Im oberen Drittel des Gemäldes war der Firnis im Vergleich zur restlichen Oberfläche dünner aufgetragen worden. Alte, stark gedunkelte und wohl ursprüngliche Firnisreste wurden bei der jetzigen Restaurierung an der oberen Bildkante freigelegt und belassen.
Hartnäckige Übermalungen, die wohl kurz nach der Entstehungszeit der Bilder ausgeführt worden waren, wurden so belassen, z.B. auf den Körpern der Badenden und den Häusern im Bildvordergrund. Sie beeinträchtigen aber nicht die Form oder die Inhalte der ursprünglichen Darstellung. Zur gleichen Zeit wurden auch Gesichter und Körper der Figuren teilweise übermalt, einerseits um Schäden zu überdecken, aber auch um ihnen eine andere Farbigkeit oder einen anderen Ausdruck zu verleihen. So wurde auf die ursprünglich hellrosa Fassung auf dem Körper des links im Badehaus stehenden Mannes eine noch hellere Inkarnatfassung aufgetragen, ohne daß die darunterliegende Malschicht beschädigt gewesen wäre.

Das Gesicht, der auf dem Pferd sitzenden Frau war stark beschädigt, und so wurde es wegen der Fehlstellen ähnlich wie bei dem Badenden mit einem hellrosa Inkarnat übermalt. Die Wolken in der linken oberen Ecke des Himmels wiesen im Zusammenhang großer Malschichtverluste an der oberen und unteren Bildkante ebenfalls großflächige Übermalungen auf, die zwar die Form der Wolken wiederholten, aber wesentlich dunkler in der Farbgebung waren. Diese Übermalungen wurden, soweit es möglich war, entfernt. Die kleine Figur eines Erschlagenen wurde aufgrund ihrer Beschädigung ebenfalls vollständig übermalt. Sie wurde freigelegt und konnte wieder in die Gesamtszene integriert werden.


Die Unterzeichnung wurde bei einigen Gesichtern vom Maler im Bereich der Konturen belassen und mit in die Malerei einbezogen. Eine sichtbare Unterzeichnung eines nicht an dieser Stelle, sondern weiter oben ausgeführten Pferdes in der linken Bildhälfte ist ein interessanter Hinweis auf eine Veränderung während des Malens. Ein weiterer Hinweis auf eine konzeptionelle Veränderung beim Malvorgang zeigt sich entlang der Fehlstellen im oberen Drittel, besonders im Bereich der Berge in der rechten Bildhälfte. An diesen Stellen weist das Gemälde eine andere Oberflächenstruktur auf. Entlang der offenen Fehlstellen ist ein Rest von Malerei unterhalb der darüberliegenden zu erkennen. Auf weitergehende Untersuchungen dieser Bildpartie wurde verzichtet, da sie ohne Zerstörung der originalen Malschicht nicht durchführbar gewesen wären und, wie bereits erwähnt, eine Röntgenuntersuchung nicht möglich war.

Auch hier kommen zwei Arten von Kittungen vor: eine helle, leicht lösbare und eine gelblich erscheinende, die kaum lösbar war und vermutlich mit Öl gebunden wurde. Dies deutet wiederum auf zwei Restaurierungsphasen hin.

Juli-September

Die Firnisschichten waren wie bei dem April-Juni-Gemälde unterschiedlich stark aufgetragen.
Sie waren somit entsprechend und unterschiedlich schwer löslich.
Auch hier fanden sich zahlreiche Übermalungen. So ist die in der unteren rechten Ecke befindliche Darstellung der beiden Männer, die im Tunnel die Fässer öffnen, stark verputzt, zerstört und übermalt worden. Die Übermalung verunklärte die ursprüngliche Ausführung. Die Kopfbedeckung des linken Mannes sah durch die Übermalung wie eine Melone aus und entsprach gewiß nicht der Vorstellung des Malers der Bilder. Leider konnte aufgrund der starken Beschädigung auch nach der Abnahme von Übermalung und Überkittung die ursprüngliche Kopfbedeckung nicht rekonstruiert werden. In einem Scheibenriß von Jörg Breu d. Ä., in dem diese Darstellung fast identisch mit der auf dem Gemälde ist, trägt der Mann ein Kopftuch. Da aber eine Ergänzung in diesem Sinne eine neue Interpretation von Resten vorhandener originaler Malerei bedeuten würde und dies im Rahmen einer Restaurierung nicht üblich ist, wurde bei der abschließenden Retusche der jetzigen Restaurierung der Fehlstellenbereich neutral ergänzt. Das verwundete Bein des Bettlers in der linken unteren Ecke wurde bis zur Unkenntlichkeit mit dem Farbton der Umgebung übermalt; ebenso wurde die untergehende Sonne hinter den Bäumen im linken Bildbereich verändert: Ursprünglich war sie nur angedeutet und wurde bei einer früheren Restaurierung farblich verstärkt, mit Strahlen versehen und mit leuchtenden Wolken verziert. Diese Übermalung wurde bei der jetzigen Restaurierung dokumentiert und entfernt. Feine Details in der Malerei wie der 1cm klein gemalte Mann am Galgen im Hintergrund in der Bildmitte waren durch die gealterte Firnisschicht und die dunkle Oberflächenverschmutzung nicht mehr zu erkennen.

Bei dem Jungen mit dem Blumenkranz in der linken Bildhälfte scheint das Hemd transparenter geworden zu sein. Dies läßt auf eine Veränderung von Bindemittel und Pigment schließen.

Bei einigen Gewandpartien wiederholt sich das Phänomen der grauen Farbschicht, die unter dem Mikroskop blaue Körnung enthält.


Die rote Unterzeichnung ist an einigen Stellen wie zum Beispiel im Mauerwerk am Tunnel in der rechten unteren Bildecke zu erkennen. Veränderungen von Darstellungen beim Malprozeß konnten nicht festgestellt werden.

Wie bei allen Bildern sind zwei Arten der Kittung vorhanden: die weiße und die gelblichere, vermutlich in Öl gebundene Version.

Oktober-Dezember

Die Oberfläche war entsprechend dem Januar-März-Gemälde weniger stark verschmutzt als bei den anderen Gemälden.
Der Firnis wie auch einige Übermalungen ließen sich wie bei den drei anderen Gemälden lösen. Nach der Abnahme der Firnis- und Übermalungsschichten konnten Reste eines älteren, vermutlich ursprünglichen Firnisses in den Vertiefungen festgestellt werden. Sie wurden als Dokument belassen.
Es gab jedoch eine Serie von Übermalungen, die im Vergleich zu den anderen drei Bildern kaum bzw. gar nicht lösbar waren. Bei einer Bindemitteluntersuchung konnten hier Proteine festgestellt werden, was die Schwierigkeit der Entfernung der Übermalungen erklärt.

Der dargestellte Schlitten und die goldene Skulptur auf dem Brunnen sind im Vergleich zur Umgebung eher pastos ausgeführt. Die ursprüngliche Vermutung, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wurden, bestätigt sich jedoch nicht. Ungeklärt bleibt die Frage, ob sie von einer anderen Hand innerhalb derselben Werkstatt ausgeführt wurden.

In der linken Bildhälfte an der rechten Hauswand gibt es Malschichtüberlappungen. Dies sind Korrekturen des Malers. Die darunterliegende Malerei ist in ihrer Struktur zu erkennen, im Gegensatz zu der möglichen Korrektur der Berge im April-Juli-Gemälde, wo die untere Schicht sich nur im Fehlstellenbereich andeutet.


Die Unterzeichnung ist bräunlich. Bei den Gesichtern der Männer im rechten Bildvordergrund ist die Backenlinie teilweise akzentuiert. Diese Art der Betonung kommt bei den anderen Gemälden nicht vor. Es handelt sich um eine Unterzeichnung, die mit in die Darstellung integriert wurde. Auffällig ist auch im Vergleich zu den anderen Bildern, daß hier die Konturen der Gesichter stärker vom Maler betont wurden.

Zusätzlich zu den weißlichen und gelblichen Kittungen, die bei den drei anderen Gemälden ausschließlich vorkamen, gab es eine weitere, kaum lösbare ockerfarbene Füllmasse, die auf drei vorangegangene Restaurierungsphasen hinweist.

Das Gemälde ist im Vergleich zu den drei anderen besonders stark bis in die Darstellung reichend beschnitten worden. Hinzu kommt der Verlust von Malschicht durch das frühere Aufspannen auf einen zu kleinen Keilrahmen. Auf den Spannkanten befinden sich Überreste der Turmspitze an der Bildoberkante, Reste von Schuhen an der Bildunterkante und des Schlafzimmers links im Bild.


ZEITLICHE EINORDNUNG
AUS MALTECHNISCHER SICHT


Die Datierung 1531 auf dem Turnierbild und die in den vier Gemälden wiederkehrenden Motive, die von Scheibenrissen von Jörg Breu d.Ä. übernommen wurden, wie auch stilistische Ähnlichkeiten mit anderen Werken der Werkstatt Breus sind aus kunsthistorischer Sicht Veranlassung gewesen, den Jahreszeiten-Zyklus der Werkstatt Jörg Breus d.Ä. zuzuschreiben. Gode Krämer faßt 1980 die bisherigen Meinungen in der Literatur zusammen. Er knüpft dabei an die von Wolfgang Wegner geäußerten Zweifel an der gleichzeitigen Entstehungszeit der Sommer- und der Winterbilder an. Wie Wegner scheint auch ihm die Entstehung der Winterbilder erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich; andererseits schließt er Wegners Meinung, das Monogramm HSFA auf dem Turnierbild sei das von Hans Friedrich Schorer (um 1585 bis nach 1654 in Augsburg) und dieser sei damit auch der Maler der Winterbilder, aus.

Um die Gemälde aus maltechnischer Sicht zueinander zeitlich einordnen zu können, wurde der maltechnische Aufbau der einzelnen Bilder zuerst miteinander verglichen. Dabei sollte die Frage, ob sie alle gleichzeitig und in einer Werkstatt entstanden sind, geklärt werden.

Die Authenzität der Beschriftungen auf den Bildern wurde geprüft, um ausschließen zu können, daß sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgetragen wurden.

Alle Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, daß die vier Gemälde aus einer Werkstatt stammen, da der maltechnische Aufbau bei allen vier Bildern gleich ist. Die Inschriften, Wappen, Monatsschilder und die aufgemalte Datierung "1531" gehören zu der ursprünglichen Fassung der Bilder.

Die Ausführung der Darstellungen auf den einzelnen Gemälden ist gleich, aber es fallen auch Unterschiede auf, die auf eine Werkstattarbeit hinweisen. Dies kann am Beispiel zweier Frauengesichter im Vergleich zu dem Gesicht eines älteren und eines jungen Mannes verdeutlicht werden. Die Frauenköpfe (im Frühling und Herbst) bestehen aus mehreren aufeinanderliegenden dünnen Farbschichten, die Licht und Schatten fließend modellieren. Sie sind klar von der Umgebung abgegrenzt. Im Gesicht der beiden Männer (im Winter und Sommer) bildet die graue Imprimitur den Grundton des Schattens, auf dem klar ausgemischte helle Farbtöne aufgetragen wurden. Hier wird die Form nicht wie bei den Frauengesichtern modelliert, sondern Licht und Schatten liegen übergangslos nebeneinander.

Um die Frage, ob alle vier Gemälde wirklich um 1531 entstanden sein können, zu klären, wurden die vorhandenen Untersuchungsergebnisse ausgewertet und mit den wenigen maltechnischen Quellen der Zeit und Belegen aus der Sekundärliteratur verglichen. Des weiteren wurde der maltechnische Aufbau der vier Gemälde mit dem von originalen Werken Breus d. Ä. und seiner Werkstatt verglichen. Ausgewählt wurden Hauptwerke aus seiner Frühzeit und solche, die um 1530 entstanden sind, um die Entwicklung seiner Maltechnik bis 1530 nachvollziehen zu können. Ebenso wurden Werke von Hans Schöpfer d. Ä. und Hans Sebald Beham in ihrem maltechnischen Aufbau mit Werken Jörg Breus d. Ä. verglichen, da beide im Umfeld Breus tätig waren, so z. B. an der Serie von Historienbildern für Wilhelm IV. und seine Gemahlin Jacobea von Baden für die Münchener Residenz. Es ist anzunehmen, daß dieser Zyklus und die Maler dieser Bilder Zeitgenossen und spätere Generationen anregten und beeinflußten.

Sämtliche Untersuchungen befassen sich mit dem Bildaufbau: dem Träger der Grundierung, der Imprimitur, der Art der Unterzeichnung, dem Aufbau der Farben (sind sie lasierend aufgebaut, mehrschichtig oder ausgemischt?) und vergleichbaren maltechnisch bedingten Veränderungen durch Anwendung ähnlicher Bindemittel und Pigmente.

Bildträger

Die Maltechnik um 1530 orientierte sich nördlich der Alpen noch vorwiegend an der spätgotischen Maltradition. Es war üblich, Malträger aus Holz zu verwenden oder wie Albrecht Dürer mit einem wäßrigen Bindemittel auf "Tüchlein" zu malen.

E. Bosshard datiert die anfängliche Entwicklung der Ölmalerei auf Leinwand in Italien um 1454 mit der "Heiligen Euphemia" von Andrea Mantegna. Nach 1500 kommt diese Technik in Italien häufig vor. Aber: "Ganz anders als in Italien stellt sich die Situation nördlich der Alpen dar: In Deutschland tauchen die ersten Olgemälde auf Leinwand erst ab 1550 auf ...". Aber: "... Eine Verwendung von Leinwand statt Holz könnte zumindest bei Altar und Orgelflügeln, auch in statischen Überlegungen begründet sein". Bosshard führt die Verzögerung auf die Tüchleinmalerei zurück, einen "Modus teutonicus", eine Malerei auf ungrundierter, feiner Leinwand mit einem wasserlöslichen Bindemittel. "Zu einem absoluten Höhepunkt aber kommt diese Technik unter den Händen von Albrecht Dürer in Nürnberg und Niklaus Mannel Deutsch in Bern".

In der evangelischen Kirche St. Anna in Augsburg befinden sich auf Leinwand gemalte Orgelflügel, die um 1518 datiert werden und Jörg Breu d.Ä. zugeschrieben sind. Dies wäre ein, wie E. Bosshard erwähnt, sehr frühes Erscheinen von Ölmalerei auf Leinwand im nördlichen Raum der Alpen, deren Verwendung vermutlich mit einer statischen Notwendigkeit zu begründen ist. Hierzu M. Koller: "Leinwandbemalte Orgelflügel als neue Bildgattung werden nach dem Vorbild Venedigs rasch auch nördlich der Alpen übernommen (z. B. Augsburg, St. Anna, Fuggerkapelle: Jörg Breu d.Ä., 1518).

Die Größe der Orgelflügel ist vergleichbar mit der der vier Jahreszeiten-Bilder. Sie sind in direkter Anlehnung an italienische Vorbilder ausgeführt und unterscheiden sich sehr von den kleinen Orgelflügeln auf Holz, die sich am selben Altar befinden und sicherlich von Jörg Breu d. Ä. sind. Es gibt keinen Beleg, wann Jörg Breu d.Ä. die großen Orgelflügel wirklich fertiggestellt haben soll. Breu war 1514/15 in Italien und wird auch die derzeitige Entwicklung der Maltechnik in Italien gekannt haben. Mit Ausnahme der Orgelflügel läßt sich jedoch kein weiteres Leinwandgemälde von ihm belegen, noch eine Anlehnung an die italienische Manier zu dieser Zeit in seinem maltechnischen Bildaufbau.

Wenn der Vierjahreszeiten-Zyklus um 1531 entstanden ist, wäre dies in Anbetracht der Entwicklung der Leinwandmalerei im Raum der nördlichen Alpen spektakulär, auch wenn Jörg Breu d.Ä. Leinwand als Träger für die großen Orgelflügel verwendet hat. Es ist anzunehmen, daß diese aus statischer Notwendigkeit auf Leinwand gemalt wurden, da sie sehr groß sind und somit, wenn auf Holz gemalt, zu schwer wären, um sie bei gegebenen Kirchenfeiern öffnen und schließen zu können. Bei der Richtigkeit der Zuschreibung der Orgelflügel an Jörg Breu d. Ä. ist die Verwendung von Leinwand als Bildträger in seiner Werkstatt jedoch nicht auszuschließen.

Grundierung und Imprimitur

Die Leinwände der vier Gemälde sind weiß grundiert. Darauf befindet sich eine graue Schicht, die als farbiges Element mit in die Malerei einbezogen wurde. In diesem Sinne ist für die graue Schicht in ihrer Funktion eher der Begriff einer Imprimitur, d.h. einer farbigen Untermalung, deren Farbigkeit mit in die Malerei einbezogen wird, angebracht als der einer zweiten Grundierungsschicht, deren Farbigkeit die Gesamtwirkung aller darüberliegenden Farben beeinflußt. Sie dient hier, wie schon beschrieben, z.B. bei den Gesichtern als Schattenpartie. Sie enthält Öl als Bindemittel. Interessant wird dies im Hinblick auf den Inhalt folgender Anmerkungen:
"Die frühesten Farbimprimituren finden sich, wie zu erwarten, bei den Bildern venezianischer Maler. Nachdem für Spätwerke Giovanni Bellinis in London ... die bräunliche Färbung oberer Gipsgrundschichten inzwischen als Eidotterlösche bestimmt werden konnte .. ., gilt weiterhin Tizians Londoner 'Madonna mit Kind und den hll. Johannes und Katharina' auf Leinwand um 1530 gemalt, als frühestes Beispiel einer farbigen Ölimprimitur über Gips-Leim-Grundierung erst mit Ocker, dann mit Grau". - "In Deutschland haben die Maler erst im späten 16. Jh. unter dem Einfluß niederländischer Manieristen Imprimituren des Kreidegrundes in ihren Malaufbau einbezogen".

Vasari (1511-1574) beschreibt ausführlich die verschiedenen Möglichkeiten der Herstellung dieser Imprimituren: "Ich muß jetzt erklären, wie mit der Arbeit zu beginnen ist. Wenn der Künstler anzufangen wünscht, das heißt nachdem er den Gips auf die Tafeln oder auf die aufgespannte Leinwand aufgetragen und geglättet hat, breitet er hierüber mit einem Schwamm vier oder fünf Schichten des glattesten Leimes und fährt fort, die Farben mit Walnuß- oder Leinöl aufzustreichen ... Zuerst muß jedoch eine Mischung von Farbstoffen, die trocknende Eigenschaften besitzen, aufgetragen werden, wie Bleiweiß, Trockner und Erde, wie sie zum Glockenguß benützt wird, alles gut durcheinander gemischt und von einem Farbton. Wenn der Leim trocken ist, muß diese Mischung über das Brett gestrichen [werden], ... so daß sie glatt verbunden Alles überzieht. Diese heißen viele 'Imprimatura'".

Die auf allen vier Bildern aufgetragene grau erscheinende Imprimitur enthält verschiedene Farbkörper. Dies setzt die Kenntnis dieser oder einer ähnlichen Rezeptur voraus. Es konnten bislang auch bei Tafelgemälden aus dieser Zeit im Raum nördlich der Alpen keine vergleichbaren Imprimituren belegt werden, daher erscheint in diesem Kontext das Entstehungsdatum der vier Gemälde um 1531 sehr früh.

Unterzeichnung

Die Gemälde sind mit Rot bzw. Braun unterzeichnet. Die Unterzeichnung ist an weiß ausgemischten, transparent gewordenen Partien, in Fehlstellenbereichen sowie als Kontur zu erkennen. Sie ist erhaben aufgetragen und von unterschiedlich starkem Strich. Dies läßt auf einen Auftrag mit dem Pinsel schließen. Schatten werden durch die Vorzeichnung nicht angegeben.

Knut Nicolaus beschreibt den Gebrauch von rötlichen und bräunlichen Pigmenten bei der Unterzeichnung: Sie gehören "zu den ältesten Formen der Unterzeichnung mit dem Pinsel ... Geht man von der Häufigkeit der bisher festgestellten roten oder braunen Unterzeichnungen aus, so scheint ihr Schwerpunkt in der deutschen Malerei um 1400 und in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts zu liegen".

Die Feststellung, daß die rote Unterzeichnung in der deutschen Malerei um 1400 vorkommt, schließt nicht aus, daß sie auch um 1531 Anwendung fand, es ist jedoch zu bemerken, daß bei allen untersuchten Gemälden von Jörg Breu d. Ä. und seinem näheren Umkreis diese Farbigkeit nicht beobachtet werden konnte.

Pigmente und Bindemittel

Die Ergebnisse der Pigmentuntersuchung geben keine Auskunft bezüglich der möglichen Entstehungszeit der Bilder. Interessant ist jedoch, wie die Farben aufgetragen wurden. Die Farbtöne sind meist ausgemischt und im Vergleich zu den untersuchten Werken aus dieser Zeit selten lasierend übereinander gemalt.

Das verwendete ölhaltige Bindemittel läßt sich sowohl im 16. Jahrhundert als auch später auf Tafelgemälden und dann auf Leinwandgemälden belegen.

Firnis

Entsprechend der spätgotischen Maltradition, aber auch der üblichen Maltechnik in den folgenden Jahrhunderten, waren die Bilder gefirnist. Da die Bilder aber schon bei einer früheren Restaurierung gereinigt worden sind und der Firnis dabei entfernt wurde, kann anhand kleiner Reste nur noch belegt werden, daß sie einen Firnis besaßen; aus welchen Materialien dieser Firnis zusammengesetzt war, wurde nicht analysiert. Es kann somit keine Aussage getroffen werden, ob seine Zusammensetzung um 1531 gebräuchlich war.

Resümee

Die aufgemalte Datierung "1531" ist nicht auf das Entstehungsjahr der Gemälde, sondern auf ein für den Auftraggeber wichtiges Ereignis oder auf eine Vorlage zurückzuführen.

Es wird angenommen, daß die großen Orgelflügel in der evangelischen Kirche St. Anna in Augsburg von Jörg Breu d.Ä. sind. Sollten diese und auch die Jahreszeiten-Bilder auf die Werkstatt bzw. den Umkreis Jörg Breus d. Ä. als Urheber zurückzuführen sein, so wäre dies ein seltenes und hervorzuhebendes Beispiel für die Anwendung von Ölmalerei auf Leinwand im frühen 16. Jahrhundert im Raum nördlich der Alpen. Die großen Orgelflügel sind um 1518 datiert. Weder von Jörg Breu d.Ä. noch aus seinem Umkreis gibt es einen weiteren Beleg für die Verwendung dieses Bildträgers. Es kann daher angenommen werden, daß die großen Orgelflügel aufgrund ihrer Größe und ihrer Verwendung eine zweckgebundene Ausnahme sind. Es sind im Raum Augsburg keine weiteren großformatigen Werke in Öl auf Leinwand gesichert. In Deutschland gibt es bisher vor dem späten 16. Jahrhundert kein weiteres Beispiel für die Verwendung von farbigen Gründen, die mit in die Malerei einbezogen wurden. Es ist unwahrscheinlich, daß bereits um 1531 einerseits der für diese Zeit ungewöhnliche Bildträger "Leinwand" als auch die noch nicht verbreitete Technik der Imprimitur verwendet wurden, zumal dies gewiß Nachahmung gefunden hätte, wenn es von einer entsprechend prominenten Werkstatt, wie der von Jörg Breu d. Ä. oder seinem Umkreis, geschehen wäre.

 

Der Jahreszeiten-Zyklus im maltechnischen Vergleich zu Werken Jörg Breus d. Ä. und seiner Zeitgenossen

Das Frühwerk und Gemälde, die um 1530 von Jörg Breu d.Ä. geschaffen wurden, ein Gemälde von Jörg Breu d. J., "Die Eroberung von Rhodos durch die Königin Artemisia", um 1535, und Werke von Hans Schöpfer d.Ä. und Barthel Beham, die auch um 1530 entstanden sind, wurden mit in die Untersuchung einbezogen.

Georg Pencz ist von großem Interesse, weil seine um 1531 veröffentlichte Planetenkinderfolge zwar maltechnisch nicht verglichen werden kann, da es sich um Holzschnitte handelt, aber doch erwähnt werden muß, da erstens das Erscheinungsdatum, zweitens die Darstellungen und drittens das Thema dieser Folge gewiß in einem Zusammenhang mit dem Jahreszeiten-Zyklus stehen.

Alle Untersuchungen wurden am Aufstellungsort mit Hilfe eines transportablen Handmikroskops ohne jeglichen Eingriff in die Originalsubstanz vorgenommen.

Zu Werken von Jörg Breu d. Ä.

Folgende Werke von Jörg Breu d. Ä. wurden miteinander verglichen:

1. Der Bernhardi-Altar, nicht signiert, um 1500, Kirche des Zisterzienserstifts Zwettl/Österreich
2. Der Aggsbacher Altar, Breu und Schüler bzw. Mitarbeiter, signiert und datiert 1501, Museum von Herzogenburg/Österreich
3. Der Melker Altar, Breu und Schüler, nicht signiert und datiert, um 1500-1502, Museum Stift Melk/Österreich
4. Der Apostelabschied, signiert, 1514, Städtische Kunstsammlungen Augsburg
5. Die Verspottung Christi, nicht signiert und datiert, um 1522, Städtische Kunstsammlungen Augsburg
6. Die Geschichte der Lukretia, signiert und datiert, 1528, Alte Pinakothek München
7. Die Schlacht bei Zama, signiert und datiert, 1530, Alte Pinakothek München
8. Meitingsches Epitaph, nicht signiert und datiert, jedoch am Zierrahmen bezeichnet, um 1534, St. Anna Kirche in Augsburg

Bei all diesen Werken handelt es sich um Tafelmalerei. Die Maltechnik entspricht bei allen Werken der spätgotischen Maltradition:
helle Grundierung, heller Grundton, mit lasierenden Schatten, und zum Schluß Lichter durch helle Farbtöne akzentuiert.

Keines der Gemälde besitzt eine graue Imprimitur oder Grundierung. Bei allen Tafelbildern konnte die Unterzeichnung als dunkel bzw. schwarz identifiziert werden. Schattenpartien waren häufig mit quer- und parallelverlaufenden Strichen vorgelegt.

Ein Beispiel für den beschriebenen maltechnischen Aufbau ist die "Schlacht bei Zama", die 1530 signiert und datiert ist. Ein Jahr später soll der Jahreszeiten-Zyklus entstanden sein? Die Malerei ist auf einer hellen weißlichen Grundierung ausgeführt. Die an vielen Stellen heute gut sichtbare dunkle Unterzeichnung gibt Schatten bzw. Flächen durch parallel aneinander gesetzte Striche an. Die Gesichter haben einen einfachen hellen Grundton und sind durch Lasuren in Schattenpartien aufgebaut. Die Profile der Gesichter sind durch Konturen zur Umgebung abgegrenzt.

Die Verwendung von Lasuren auf hellem Grundton wiederholt sich bei dem "Meitingschen Epitaph" von 1534. Dieselbe Art der Unterzeichnung ist deutlich durch die transparent gewordenen Malschichten zu erkennen.

Bei der "Verspottung Christi" von 1522 (im Bereich des Heiligenscheins) und bei der "Anbetung der Könige" (im Gesicht des Caspar) in Herzogenburg, um 1501, hat Breu die nasse lasierende Farbe mit dem Finger getupft; zurück bleiben eine ganz feine Reliefstruktur seiner Fingerabdrücke und ein Hauch von Farbe (Abb. 31). Auffällige Frühschwundrisse, entstanden durch bindemittelreich aufgetragene Pigmente, sind bei Rot, Grün und Blau häufig zu beobachten. Diese Farben bilden ein starkes Oberflächenrelief.

Auf den Bildern tauchen auch traditionelle Techniken gotischer Tafelmalerei auf, wie Vergoldungen von Hintergründen und Lichtsetzungen durch Höhungen aus Feingold z.B. am Gewand der Lukretia in dem Gemälde "Die Geschichte der Lukretia".

Am Melker Altar in Melk und am Aggsbacher Altar in Herzogenburg hat Breu das Konzept der Darstellung häufig geändert bzw. überarbeitet. Dies ist nicht nicht nur durch Abweichungen vorhandener Vorzeichnungen zu der ausgeführten Darstellung zu erkennen. An vielen Pentimenti und Malschichtüberlappungen, die bereits mit bloßem Auge erkennbar sind, wird deutlich, daß ganze schon ausgeführte Bildpartien verändert wurden.

Sowohl bei den Beispielen in Melk als auch in Herzogenburg hat Breu in Zusammenarbeit mit Schülern oder anderen Malern die Altäre geschaffen. Es sind unterschiedliche Handschriften erkennbar, denen jedoch immer derselbe maltechnische Aufhau zugrunde liegt. Zur Verdeutlichung werden im folgenden zwei Christusköpfe verglichen. Das Inkarnat zeigt bei beiden einen lasierenden SchattenaufLau auf einem hellen Grundton mit abschließend aufgesetzten Höhungen. Die Lichtsetzung um Augen und Mund ist bei dem Beispiel des Melker Altars wesentlich feiner strukturiert. Vermutlich wurde dieser Kopf von Breu selbst gemalt. Beim Christuskopf aus der Darstellung der Verspottung Christi auf der Rückseite des Aggsbacher Altars von Herzogenburg sind bei diesem Beispiel Licht und Schatten im Vergleich wesentlich flächiger aufgetragen. Es wird hier deutlich, daß der Maler (ein Schüler oder ein Mitarbeiter Breus) dieses Kopfes die Malweise und Maltechnik des Meisters Jörg Breu d. Ä. annimmt, wobei die abweichende Handschrift unverkennbar ist.

Die Malweise der Jahreszeiten-Bilder beinhaltet nur noch wenige Elemente spätgotischer Maltechnik. Der Bildaufbau ist vom Dunkeln ins Helle ausgeführt. Die einzelnen Farbtöne sind direkt ausgemischt und selten lasierend aufgetragen, daher sind kaum bindemittelbedingte Veränderungen wie z. B. ausgeprägte Frühschwundrisse in der Malschicht zu erkennen. Unterschiedliche Ausführungen einzelner Gesichter z. B. weisen auf eine Werkstattarbeit hin, wobei es nicht erkennbar ist, wessen Handschrift die des Meisters ist.

"Die Schlacht bei Zama" von Jörg Breu d. Ä. von 1530, auch ein Bild mit weltlicher Thematik, ist noch entsprechend dem spätgotischen Stil ausgeführt. In der Gegenüberstellung scheint es unmöglich, daß Breu, seine Werkstatt oder sein Umkreis ein Jahr später einen neuen Malstil entwickelt haben, auf einem bis dahin unüblichen Malträger, mit einer neuen Möglichkeit, Licht und Schatten plastisch darzustellen, ohne weiteren Einfluß auf andere Zeitgenossen, die diesen maltechnischen Stil erst mehr als 60 Jahre später aufnehmen.

In Italien war die Leinwandmalerei schon seit 1454 durch Mantegnas Werk bekannt, und erst 1530 malte Tizian das Gemälde "Madonna mit Kind". Wie schon erwähnt, ist dieses Bild bisher das früheste Beispiel eines Gemäldes mit einer farbigen Imprimitur. Auch Jörg Breu d. Ä. wird, als er in Italien war, einige "moderne" Maltechniken kennengelernt haben. Warum finden sie bei keinem seiner signierten Werke, weder im Bildaufbau noch im Gebrauch von Leinwand als Bildträger, Anwendung? Wieso kann auch in seinem Umkreis kein weiteres Beispiel belegt werden, das eine vergleichbare Maltechnik aufweist? Wieso übernimmt kein anderer deutscher Maler schon viel früher diese neuen Techniken in der Malerei? Sind es die Wünsche der Auftraggeber oder (bzw. und) die Vorgaben der Zünfte, die dies verhindert haben können?

Zu Werken von Zeitgenossen Jörg Breus d. Ä.

Es konnte zum Vergleich das einzige von Jörg Breu d.J. erhaltene Tafelgemälde herangezogen werden. Die

"Eroberung von Rhodos durch die Königin Artemisia" von 1535 weist jedoch auch keine maltechnische Beziehung zum Jahreszeiten-Zyklus auf. Hier wirkt die Ölmalerei auf Holz fast wie ein Aquarell. Die Farbe ist sehr transparent auf einem hellen Grund aufgetragen. Allein der Duktus der Unterzeichnung ähnelt interessanterweise der Unterzeichnung des Jahreszeiten-Zyklus, nicht aber die Farbigkeit. Es ist ein sich verjüngender Strich zu erkennen, der anscheinend mit in die Malerei einbezogen wurde, so z. B. bei Konturen von Häusern. Wie bei dem Jahreszeiten-Zyklus sind keine Schattenangaben durch die Vorgabe einer Unterzeichnung zu erkennen.

Die von Hans Schöpfer d.Ä. 1537 gemalte "Geschichte der Susanna" wurde zum Vergleich herangezogen. Im Rahmen desselben Historienbilder-Zyklus wurden u.a. sowohl Hans Schöpfer d.Ä. als auch Jörg Breu d.Ä. von Wilhelm IV. beauftragt. Die zeitliche Nähe dieser Bilder zum angenommenen Entstehungsdatum des Jahreszeiten-Zyklus und Ähnlichkeiten in der Ausführung einiger Gesichter gaben Anlaß zum Vergleich mit den Jahreszeiten-Bildern. Auch hier kann die bis dahin übliche Maltechnik beobachtet werden: heller Grund, Aufbau der Farben vom Hellen ins Dunkle.

Bildliche Details wie die Ausführung der Berge oder die kippende Architektur erinnern an die Darstellungen in dem Jahreszeiten-Zyklus. Auch der scheinbar versteckte alte Mann im rechten Bildhintergrund erinnert an den im Spiegel versteckten alten Mann im Oktober-Dezember-Gemälde, der noch deutlicher in der Augsburger Kopie dieses Gemäldes zu erkennen ist. Da die Maltechnik sich jedoch unterscheidet, stellt sich eher die Frage, ob vielleicht dieses Werk oder andere von Hans Schöpfer d.Ä. die Maler des Jahreszeiten-Zyklus beeinflußt haben. Das Gemälde "Geschichte der Helena", 1530 von Barthel Beham gemalt, gehört auch zu dem Historienbilder-Zyklus und hat wie die beschriebenen Werke von Hans Schöpfer d.Ä. und Jörg Breu d. Ä. den bis dahin üblichen Bildaufbau.

Ergebnis

Das Ergebnis der vergleichenden Untersuchungen schließt das Entstehungsdatum des Jahreszeiten-Zyklus von 1531 aus. Die vier Gemälde wurden weder von Jörg Breu d. Ä., seiner Werkstatt, noch von seinem Sohn Jörg Breu d.J., der die Werkstatt 1534 übernahm, geschaffen. Der Zyklus muß zu einem späteren Zeitpunkt gemalt worden sein.

Die Zuschreibungsfrage

Georg Pencz, der wie Hans Sebald und Barthel Beham einer der sogenannten "drei gottlosen Maler" von Nürnberg war, schuf die Folge der "Planetenkinder", die Albrecht Glockendon 1531 verlegte. Die Darstellung "Sol" ist mit "Prima Augusti 1531" beschriftet. Diese Folge war nach Zschelletzky "in ungewöhnlich großem Format für einen Kleinmeister ausgeführt". Zu den einzelnen Blättern gehört eine Renaissance-Umrahmung, die mit einem zweiten Holzstock gedruckt wurde. Die einzelnen Drucke sind mit Umrahmung jeweils 350 mm hoch und 230 mm breit und können zu einem etwa anderthalb Meter langen Fries zusammengesetzt werden. Es gibt innerhalb dieser Blätter Motive, die sich in dem Jahreszeiten-Zyklus wiederholen. Hier sei nur eines erwähnt: Das Jagdmotiv in der Darstellung des Mars erinnert nicht nur durch die Darstellung der Waldlichtung und die Position des Pferdes mit Reiter, sondern auch durch die Häuser im rechten Hintergrund an die Darstellung in dem Juli-September-Gemälde.

Ist es ein Zufall, daß die Darstellung "Sol" aus dieser Planetenkinder-Folge mit "1531" beschriftet ist und das Turnierbild aus dem Jahreszeiten-Zzyklus auch? Kann es sein, daß der Jahreszeiten-Zyklus diese Folge zitiert? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Größe der Blätter der Planetenkinder-Folge, die in 10facher Verkleinerung der der vier Gemälde (zwar im Querformat) beinahe entspricht?

Die Planetenkinder-Folge wird auf eine um 1460 in Italien entstandene Folge gleichen Inhaltes zurückgeführt. Die Arbeiten von Pencz wurden wiederum in veränderter Form bis ins 17. Jahrhundert hinein kopiert.

In Sebald Behams "Das große Kirchweihfest" befinden sich zwei Darstellungen desselben Kopfes eines Mannes, dessen Haar nach hinten gekämmt ist. Dieser Kopf ähnelt einer ohnehin sehr auffälligen Darstellung in dem April-Juni-Gemälde. Hier werden wie bei dem Jahreszeiten-Zyklus Szenen des alltäglichen Lebens dargestellt, wie der Besuch beim Zahnarzt, die Weinprobe und tanzende Bauern.

Die vier Bilder bestehen aus einer Fülle von Vorlagen und Zitaten. Ist die Turnierszene von Pferde- und Schlachtendarstellungen Paolo Uccellos beeinflußt? Wer ist der Mann im Spiegel in dem Oktober-Dezember-Gemälde? In dem Jahreszeiten-Zyklus sind verwendete Vorlagen und Ähnlichkeiten zu Werken u.a. von den beiden Breus, von Georg Pencz und vielleicht Hans Schöpfer d.Ä. zu erkennen. Es wird aber keiner dieser Maler der Urheber der Gemälde sein, weil sie in einer anderen Maltechnik, nämlich der, die ihrer Wirkungszeit entspricht, malen.

Auf dem Januar-März-Gemälde gibt es einen Hinweis auf das Jahr 1531 und ein Monogramm. Nach dem Hinweis von Wegener und den Ausführungen im Monogrammisten-Lexikon könnte eine Beziehung von HSFA zu Hans Friedrich Schorer hergestellt werden. Er war Maler und Zeichner. Ende des 16. Jahrhunderts lernte er in Italien, er lebte in Venedig und kehrte dann nach Nürnberg und Augsburg zurück, wo er 1639 noch als Bürger der Stadt nachgewiesen werden kann. Durch seine Studien kannte er die Entwicklung der italienischen Maltechnik im 16. Jahrhundert und ihren Einfluß auf die Maltechnik in Deutschland gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Ihm waren die Werke der genannten Maler durch seine Tätigkeit in Nürnberg und Augsburg gewiß bekannt. Die Verwendung von Bildvorlagen war zu dieser Zeit gängig. Der Jahreszeiten-Zyklus selbst findet seine Wiederholung in dem einzigen, als Kopie des Oktober-Dezember-Gemäldes bezeichneten Bild in Augsburg.

Kann es nicht doch sein, daß Schorer in Absprache mit dem Auftraggeber Motive einiger der bedeutendsten Künstler im Augsburger Raum in dem Jahreszeiten-Zyklus zusammengefaßt hat? Daß die Ansammlung von Zitaten und Inhalten aus Werken im Besitz anderer prominenter Auftraggeber, wie z. B. die Serie der Historienbilder für die Münchener Residenz von Wilhelm IV. und seiner Gemahlin, das Repräsentationsbedürfnis eines Auftraggebers befriedigen sollte?

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