Mythen der Nationen. 1945 - Arena der Erinnerungen  
   
 


Frankreich

Kollaboration

Von den 70er Jahren an haben in Frankreich die Formen des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg tiefgreifende Veränderungen erfahren. Die Studentenrevolte von 1968, der Rückzug General de Gaulles sowie der Generationenwechsel in Kultur und Politik haben dazu geführt, daß die Leiterzählungen der Nachkriegszeit in Frage gestellt wurden. Junge Intellektuelle begannen, sich mit Fragen der Kollaboration und des spezifisch französischen Antisemitismus zu beschäftigen. Das Vichy-Regime wurde zu einem vorrangigen Gegenstand historischer Forschung. In der Folge wurde die Zeit der deutschen Besatzung benutzt, um politische Gegner zu diskreditieren.
Die bedeutsamste Veränderung dieser Zeit bestand in der Thematisierung des Völkermords an den europäischen Juden. Nun wurde die Frage nach der Beteiligung des Vichy-Regimes gestellt und in den 80er und 90er Jahren strengte man mehrere Prozesse wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an.
Der juristischen „Wiedergutmachung“ folgte die Wiedergutmachung auf symbolisch-politischer Ebene.
Die Mitverantwortung des französischen Staates bei der Deportation von Juden wurde offiziell anerkannt. 1993 wurde der 16. Juli in Erinnerung an die große Razzia vom 16./17. Juli 1942 in Paris zum nationalen Gedenktag erklärt.
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Der Film „Das Haus nebenan – Chronik einer französischen Stadt im Kriege“ von Marcel Ophüls bot zum ersten Mal eine ganz andere Sicht der Besatzungszeit an. In seiner Zusammenstellung von Interviews mit Zeitzeugen aus verschiedenen Berufsgruppen und sozialen Schichten, Ausschnitten aus Wochenschauen und Propagandafilmen zeigte Ophüls, wie sich ein großer Teil der französischen Gesellschaft in der Besatzungszeit eingerichtet hatte. Dies reichte vom Versuch, „normal“ weiterzuleben, bis hin zur aktiven Kollaboration mit den Besatzern.
Die collagenhafte Machart des Films wurde für das Plakat übernommen, das eine Reihe einzelner Bilder aus dem Film zeigt. Diese Photographien bilden verschiedene Aushänge ab. Sie verkünden Deutschlands Sieg an allen Fronten, werben um Freiwillige für den Kampf gegen den Bolschewismus und rufen die Franzosen dazu auf, die Ordnung aufrechtzuerhalten, sich nicht in eine Revolution stürzen zu lassen.
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Nach der Einführung des nationalen Gedenktages für die Opfer des Antisemitismus und der Anerkennung der Verantwortlichkeit des französischen Staates wurde von der französischen Post eine Gedenkbriefmarke herausgegeben. Der Entwurf zeigt eine stilisierte Blume, deren Blütenblätter auch Flammen sein könnten, vor einem tiefblauen Hintergrund. Hinter zwei Reihen Stacheldraht ist ein gelber Stern mit dem Aufdruck „Juif“ zu sehen, darüber hinweg blickt ein Augenpaar. Der Titel, „Freund, hörst Du?“, der Anfang des berühmten Widerstandsliedes „Chant des Partisans“, spielt wiederum auf die Tatenlosigkeit der Zeugen an. Er kann auch als Warnung für die Zukunft verstanden werden.

   
 
   
 
   
   
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