Mythen der Nationen. 1945 - Arena der Erinnerungen  
   
 


Schweden

Utopia

Schweden betrachtete sich bereits am Ende des Ersten Weltkriegs als Großmacht der Humanität. Dieses Bild einer friedlichen Oase am Rande Europas hatte sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg noch gefestigt, als man sich entschied, die Neutralität um jeden Preis zu wahren. Der schwedische Soldat, der an der Landesgrenze Wache hält, wurde so Motiv für das wichtigste Bild der nationalen Selbstdarstellung. Neutralität, die man zur Not mit der Waffe verteidigen würde, war ein noch wertvolleres Gut.
Dieses Selbstbild wurde mit Bildern des Leidens, der Zerstörung und moralischen Korrumpierung der kriegführenden Länder und der besetzten Nachbarländer kontrastiert. Das neutrale Schweden positionierte sich gegen den Wahnsinn des Krieges als Verteidiger der Schwachen und der Humanität.
Eine Konstante der schwedischen Selbstwahrnehmung war der Einsatz im Dienste von Menschenrechten, Humanität und Barmherzigkeit. Nach dem Krieg sei Schweden das einzige Land in Europa gewesen, das Hilfe leisten konnte, so die offizielle Interpretation. Dies betrachtete man als Erfolg der Neutralitätspolitik. Nach wie vor ist die Verbindung von Neutralität und Humanität ein zentraler Bestandteil des offiziellen schwedischen Selbstbildes.
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Ein Beispiel für die Verbindung des Leitthemas Neutralität mit der Figur „Soldat auf dem Wachposten“ zeigt bereits der Spielfilm „Alle man på post“ von 1940. Das Motiv war auch auf Postkarten, als Photographie oder Zeichnung in der Tagespresse, auf Plakaten oder in Wochenschauen präsent. Ein typisches Beispiel ist die Photographie eines Soldaten, der – Schnee und Eis trotzend – über sein Land wacht. Die Photographie ist der Prototyp der nachfolgenden Bildproduktion.
Charakteristisch für die Komposition dieser Bilder ist ihr niedriger Blickwinkel vor einer typisch schwedischen Landschaft. Diese Szenerie als symbolischer Hintergrund für die Gestalt des Soldaten verstärkt die Aussage der Bilder: Durch den entschlossenen Willen der Soldaten, ganz Schweden zu verteidigen, werden andere Bilder des drohenden Krieges entkräftet. Der weite Himmel wird zur sinnstiftenden Kulisse und verliert seine potentielle Bedrohung wegen feindlicher Fliegerangriffe.
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Noch 1999 wird das Motiv des wachenden Soldaten ohne eine Veränderung der Interpretation übernommen. Es erscheint als Motiv innerhalb einer Briefmarken-serie mit dem Titel „Unser 20. Jahrhundert“. Als einzige dieser Serie nimmt diese Briefmarke Bezug auf die Kriegsjahre. Gegen den von Flakscheinwerfern dramatisch erhellten Nachthimmel zeichnet sich die wohlbekannte Silhouette des schwedischen Wachsoldaten ab. Die Silhouette stammt von dem Titelblatt des Notenhefts zu Ulla Billquists Schlager „Min soldat“. Der Titel des Liedes ist ebenfalls auf der Briefmarke vermerkt. Die Sängerin selbst erscheint dem ewig standhaften Soldaten wie ein Traumbild am Nachthimmel.
Nur diese Briefmarke der Serie bildet ihr Thema nicht direkt ab, sondern nimmt den Umweg über eine andere Präsentation. Das symbolische Bild des Krieges scheint der einzige Zugang für eine Nation zu sein, die sich mit allen Mitteln aus dem Krieg heraushielt, die aber dennoch eine Identität im Verhältnis zu ihm entwickeln muß.
   
 
   
 
   
   
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