Zur Palast-Galerie

Auszug aus: Mann, Bärbel; Schütrumpf, Jörn: Galerie im Palast der Republik. In: Monika Flacke (Hg.): Auftrag: Kunst. 1949-1990. Bildende Künstler in der DDR zwischen Ästhetik und Politik. Ausst.-Kat. Berlin 1995, S.245-260.

Das 42 m breite, doppelt so lange und über zwei Etagen reichende, 8 m hohe Foyer ist der räumliche Mittelpunkt des Palastes. Die mit Marmor verkleideten Hauptwände von etwa 3 x 24 m standen für bildende Kunst zur Verfügung. Der Baustab hatte sich auf das in der DDR selten verwandte, weil zu teure Material Marmor festgelegt. Das polierte Gestein mit seiner dominierenden Wirkung engte die Einbeziehung von bildender Kunst weiter ein.
Cremers Idee, diese Raumsituation als Galerie von »wandhaften« und kraftvollen Bildern zu gestalten und in ihr die Bewegung, die in die Kunst der DDR gekommen war, das »Brechen der stilistischen Einheitsfront« darzustellen, fand nicht den Beifall der Architekten. Der Chefarchitekt Graffunder schlug statt dessen eine Gestaltung (mit Köpfen, Tauben, Händen) in Marmor vor, ausgelegt mit Blattgold. Dies wurde von den Bildhauern und Malern abgelehnt. Auch die anfangs erwogene Überlegung, wie bei den Wandbildentwürfen zu der 2. Deutschen Kunstausstellung 1949 jeweils mehrere Maler im Kollektiv arbeiten zu lassen, wurde verworfen, statt dessen wollten die Künstler verschiedene Sichten und Gestaltungsweisen zu einem weit gefaßten Thema, das zugleich von der Partei- und Staatsführung akzeptiert werden konnte, vorstellen. Mit dem ursprünglichen Thema »Kampf und Sieg des Sozialismus« war dies kaum realisierbar, weil sich einige Künstler einem solchen Ansinnen verweigert hätten. Als einen Kompromiß, mit dem beide Seiten gut leben konnten, schlug Fritz Cremer deshalb das Lenin-Zitat »Dürfen Kommunisten träumen?« vor.
Die Art der Auftragserteilung konnte sich in der Geschichte der DDR auf keinerlei Vorbilder beziehen. Der kunstwissenschaftliche Berater der Palast-Galerie, zum damaligen Zeitpunkt Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Peter H. Feist, erinnert sich: »Die Auftragserteilung an sechzehn sehr verschiedene Maler war ein kühnes Unterfangen, aber es entsprach der gegenwärtigen Situation der sozialistisch-realistischen Kunst und der durch den VIII. Parteitag der SED eingeleiteten Kulturpolitik. Für den sozialistischen Realismus sind eine große Spannweite der Gestaltungsweisen und ausgeprägte Individualität der Künstler kennzeichnend geworden [...]. Wenn die Galerie im Foyer den Sinn haben sollte, Wesentliches von den Leistungs- und Wirkungsmöglichkeiten der DDR-Malerei anschaulich zu machen und zum Tragen zu bringen, dann mußte sie die Vielfalt unserer Malerei zeigen.« [Feist, Peter H.: Die Galerie im Palast. In: Bildende Kunst, Heft 7 (1976), S. 315.]  Cremer, der das Vertrauen der Parteiführung besaß, konnte sich mit diesem Vorschlag des Künstlerkollektivs durchsetzen. Im Januar 1974 fand im Ministerium für Kultur ein Arbeitsgespräch mit neunzehn namhaften Malern statt. Eingeladen wurden Gerhard Bondzin, Günther Brendel, René Graetz, Erhard Großmann, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Arno Mohr, Karl Erich Müller, Willi Neubert, Ronald Paris, José Renau, Kurt Robbel, Horst Sagert, Wolfram Schubert, Willi Sitte, Günter Tiedeken, Werner Tübke, Hans Vent und Walter Womacka. An der endgültigen Realisierung nahmen Bondzin, Tiedeken, Müller, Renau und Sagert nicht teil.Dafür kamen die Maler Matthias Wegehaupt und Lothar Zitzmann noch hinzu.
Durch den Minister für Kultur wurden die »16 profilierten Künstler« berufen. Es fand ein weiteres Arbeitsgespräch im Künstlerheim des Kulturfonds der DDR in Wiepersdorf statt, wo die Zwischenschritte der Vertragsrealisierung aufgrund erster Ideenskizzen irn Maßstab l:20 bzw. 1:10 festgelegt sowie die ungewöhnliche Auflage einer schriftlichen Kurzfassung des Inhaltes durch die Künstler für März 1974 vereinbart wurden. Der ausführungsreife Entwurf sollte dann im Maßstab 1:4 im Januar des folgenden Jahres vorgelegt werden. Im Vertrag wird die Pflicht des Auftragnehmers festgehalten, »alle Entwicklungsstadien seiner künstlerischen Arbeit mit dem Beirat für künstlerische Gestaltung [...], der auch die notwendigen Zwischen- und Endabnahmen wahrnimmt«, zu beraten. So blieb der eigentliche Auftraggeber, das Ministerium für Kultur (MfK), im Hintergrund. Mit den nun feststehenden 16 Künstlern wurden im August 1974 durch die Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin, namentlich durch Prof. Dr. Ing. Gißke, fur das »Investvorhaben 'Palast der Republik'« auf der Grundlage der Honorarordnung Bildende Kunst von 1971 Verträge vereinbart. Durch Stempel und Unterschrift bestätigte das MfK auf den Verträgen seine Zustimmung. Aus dem Wortlaut des Dokuments geht hervor, daß sich die Künstler in vier Kollektiven zu je vier Malern mit den Kollektivleitern Tübke, Womacka, Paris und Schubert formieren sollten. Diese Zuordnung blieb im Prozeß des Malens jedoch ohne Bedeutung.
Unter das Thema »Dürfen Kommunisten träumen?« gestellt, ließen sich alle Ideenvorschläge und Programme der Maler subsumieren. Die »Werke für den Palast der Republik [bedeuten] keine Ausnahme im Schaffen der Künstler im Sinne völliger thematischer Neuheit [...]. Themen, denen sich diese Maler bereits früher zugewandt hatten, gestalterische Lösungen, die sie für gewichtig halten konnten, beeinflußten ihre Beiträge für die Ausgestaltung des Hauses.«
Bei der Abnahme der Bilder verzichtete der Auftraggeber auf große Zeremonien. Die Bilder wurden sozusagen en bloc vom Auftraggeber akzeptiert. Die Galerie im unteren und oberen Foyer wurde mit der öffentlichen Einweihung des Palastes der Republik am 23. April 1976 vorgestellt. Peter H. Feist erinnert sich, am Tag dieser Eröffnung den Auftrag erhalten zu haben, für die am nächsten Morgen erscheinende Ausgabe der Tageszeitung »Neues Deutschland« eine Rezension zu schreiben. Über Nacht entwarf er eine Interpretation, die bei genauem Lesen bereits eine vorbeugende Argumentation für verunsicherte offizielle Fragestellungen lieferte. Mit dem Verweis darauf, daß auch im Sozialismus nicht jedem jedes Bild gefallen müsse und auch »Qualitätsunterschiede« vorhanden seien, versuchte Feist beim Auftraggeber und Palastbesucher um Verständnis zu werben: »Sehr verschiedene Charaktere und Temperamente sprechen ihn auf unterschiedliche Weise an. Niemand kann erwarten, daß ihn jeder dieser 'Gesprächspartner' gleichermaßen liegt.«
Interne Meinungsverschiedenheiten über das Gelingen des Vorhabens drangen nicht »nach außen«. In den Medien fand keine nennenswerte kritische Rezeption statt. Die Zeit der öffentlichen Debatten war vorbei. Ein Jahr später veranstaltete die Akademie der Künste in ihren Ausstellungsräumen im Marstall eine Werkausstellung zur Palast-Galerie. Die im Foyer beteiligten Maler erhielten kollektiv den Orden »Banner der Arbeit«.

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