Bronzerelief "Lob des Kommunismus"
Joachim Jastram
In fesselnder künstlerischer Bildhaftigkeit und parteilicher Aussagekraft nimmt der Künstler Bezug auf das Gedicht von Bertolt Brecht:
"Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht. / Du bist doch kein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen. / Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm. / Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig. / Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit. / Die Ausbeuter nennen ihn ein Verbrechen / Aber wir wissen: / Er ist das Ende der Verbrechen. / Er ist keine Tollheit, sondern / Das Ende der Tollheit. / Er ist nicht das Chaos / Sondern die Ordnung. / Er ist das Einfache / Das schwer zu machen ist."
Das Gedicht ist für Joachim Jastram der Ausgangspunkt, um auf der Grundlage der Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse den Befreiungskampf der Menschheit in einem Bronzerelief bildkünstlerisch zu gestalten. Er bringt die historische Dimension des Brechtschen Gedankenreichtums nicht nur überzeugend plastisch zum Ausdruck; er behandelt das Thema von der Einsicht und Weitsicht unserer Tage her, in denen der Aufbau der kommunistischen Gesellschaft planmäßig vorbereitet wird. Der Künstler vermag in seinem Relief bildhaft-konkret und sinnbildhaft zugleich, die Entwicklungsgeschichte der Menschheit als Geschichte von Klassenkämpfen begreiflich und erlebbar zu machen.
Während an der rechten Schmalseite des vierseitigen Reliefkörpers der Text des
Gedichtes "Lob des Kommunismus" zu lesen ist, wird an der linken Schmalseite das
Gedicht Brechts "Lob des Lernens" aufgeführt. Rechts an der Schmalseite -
kompositorisch abgestimmt mit dem Text - befindet sich ein Porträt des weise lächelnden
Bertolt Brecht; links an der Schmalseite eine plastische Vignette, die inhaltlich Bezug
zum Text des Gedichtes "Lob des Lernens" nimmt.
"Lerne das Einfachste ! Für die / Deren Zeit gekommen ist / Ist es nie zu spät ! /
Lerne das ABC, es genügt nicht, aber / Lerne es ! Laß es dich nicht verdrießen! / Fang
an ! Du mußt alles wissen! / Du mußt die Führung übernehmen."
Die 14,40 Meter lange und 3,10 Meter hohe Reliefwand, auf ein Stahlskelett montiert, wurde
von Jastram an zwei Reliefebenen gestaltet. Das ermöglichte dem Künstler, einen
"inhaltlich-bildnerischen Zusammenhang ohne historische oder chronologische Folge zu
erreichen" (J.Jastram), Wesentliches zu akzentuieren und inhaltlich bedingte
Zuordnungen vorzunehmen. Das figurenreiche Relief wird auf diese Weise gut überschaubar
und ablesbar. Der ideell-ästhetische Beziehungsreichtum, die Parteilichkeit und
Volksverbundenheit, die
das gesamte Schaffen Joachim Jastrams auszeichnen, sind die Grundlage dafür, daß der
Künstler für sein großes Thema eine meisterhafte künstlerische Lösung gefunden hat.
Mag das auch ungewöhnlich erscheinen, das Relief ist von rechts nach links zu lesen. Das
zwingt in besonderem Maße zum Verweilen des Blickes am Relief, zur gründlichen
Auseinandersetzung mit dem Bildgeschehen.
Wir erkennen an der rechten Seite oben zwei bissige Hunde. Darunter, scheinbar allein gelassen, einen Jungen, verhalten, schüchtern und doch sich seiner Kraft bewußt werdend. Daneben steht links auf der nächsten Relieftafel die Gestalt eines brutalen Aufsehers. Drei gebeugte Frauengestalten bei der Feldarbeit werden von ihm angetrieben. Die Frauen werden in der künstlerischen Gestaltung als sensibel charakterisiert, die Schwere der Arbeit, die Unterdrückung lastet auf ihnen. Sie resignieren.
Auf der nächsten Relieftafel, die aus der unteren Ebene hervortritt und die ganze Höhe des Reliefs einnimmt, wird die Situation eines revolutionären Aufbruchs geschildert. Zehn psychologisch reich differenzierte Personen sind halbpyramidenförmig in der Bewegungsrichtung von rechts unten nach links oben auf die Bildfläche geordnet. Unaufhaltsam ist die nach oben drängende Kraft dieser Figurengruppe. Auch ein Herabsinkender wird - getragen von der Kraft der Gruppe - nach oben mitgenommen. Die kollektive Kraft der Gruppe wird von den individuellen Qualitäten der als Typenporträt aufgefaßten Personen, von ihrem Verhältnis zum Kollektiv, zur Aufgabe getragen. Der Hoffende, der Vertrauende, der Drängende, die Frauen - gleichsam erwachend, sich ihrer Kraft bewußt werdend - schaffen emotionale Nähe und Beziehungsreichtum, stellen unaufdringliche Fragen an den Betrachter, fordern ihn zum Mitdenken, zum Mitverantworten auf. Geschichtlich Fernes - wie der Sklavenaufstand unter Spartakus und Nahes - wie der Kampf der um ihre Befreiung vom Imperialismus ringenden Völker - werden assoziiert. Die differenzierte psychologische Charakterisierung in Mimik und Gestik der dargestellten Personen vermittelt diese Nähe und diese Weite. Auf den links folgenden Relieftafeln tritt uns wieder ein Peiniger unterdrückter Menschen entgegen. Er steht mit einem Wolfshund auf den Rücken der sich mühsam in gebückter Stellung haltenden gequälten Menschen. Das "unterdrückte und zur Unterdrückung benutzte Tier", wie es der Künstler formuliert, erhält sinnbildhafte Bedeutung für die Menschenfeindlichkeit aller Gesellschaftsordnungen, in denen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gegeben ist. Daneben erkennen wir drei Philosophen, die vom Geschehen abgewandt, ein "Geistesgespräch" führen. Darunter steigt aus einer Gruppe von Männern, die darum ringt, sich von den Fesseln der Unterdrückung zu befreien, die Gestalt Galileis auf, der lnquisition die Stirn bietend. Die Verantwortung des Forschers für die Wahrheit, für sein Erkenntnisstreben im Dienste der Menschheit wird gleichnishaft zum Ausdruck gebracht.
Aus dieser Gruppe löst sich eine Gestalt. Sie geht den Weg des Aufbaus einer neuen Zeit. Andere aus der Gruppe richten sich auf oder sammeln Kraft, um den gleichen Weg zu gehen. Der Aufsteigende wird von einer Gruppe begrüßt, die bereits mit dem Aufbauwerk begonnen hat. Auch diese Personen sind psychologisch differenziert erfaßt. An ihnen werden die Schwere der Arbeit, das bewußte Planen und Mitentscheiden der Arbeitenden, die Klugheit und der Optimismus des Einzelnen verdeutlicht. Auffliegende Tauben künden vom Sinn, vom Ziel der gemeinsamen Arbeit in einer von Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft.
Links davon, wiederum aus der unteren Reliefebene hervortretend, erleben wir die figurenreichste Gruppe des gesamten Bildgeschehens im Relief Joachim Jastrams. Ein Kollektiv von Menschen, das ein gemeinsames Ziel hat, in dem sich alle für das Ganze und der einzelne für die anderen verantwortlich fühlen, tritt uns mit dem Optimismus entgegen, der dem Glück und der Schönheit unseres Lebens das Gepräge gibt. Die Unbeschwertheit der Jugend, das Mutterglück, die Schönheit der Frau, der genußvolle Erkenntniszuwachs beim Lesen eines Buches, die innige Zuneigung eines Liebespaares, das Streitgespräch, im Bestreben, die Wahrheit und neue Lösungswege zu finden, eine höhere Qualität der Arbeit zu erreichen, sind ideelle Bezugspunkte dieser Tafel, die den Betrachter mit seinen eigenen Erfahrungen in das Bildgeschehen mit einbeziehen wollen.
Die Vorderfront des vierseitigen Reliefs wird durch das Glück gemeinsamen Spiels von Kindern abgeschlossen. Der historische Bogen vom vereinsamten Kind in Ausbeuterordnungen bis zur gemeinsamen frohen Geborgenheit der Kinder im Sozialismus ist geschlossen. Darüber stehen zwei Fahnenträger, begleitet von einer Frau, und sie verweisen darauf, daß wir unseren Weg weitergehen werden, auf dem auch das Vermächtnis, das Streben, der Kampf um gesellschaftlichen Fortschritt vergangener Generationen Erfüllung finden werden.
Die Geschlossenheit, die hohe künstlerische Qualität, mit der Joachim Jastram sein Thema zu bewältigen wußte, vermitteln ein nachhaltiges ästhetisches Erlebnis. Das Relief ist gültiger bildkünstlerischer Ausdruck revolutionärer Prozesse in der Geschichte der Menschheit. Sinnbildhaft erfaßt es das, was sich gesellschaftlich entwickelte und veränderte, zugleich aber auch jenes, was sich im Zusammenhang damit auch in den Menschen verändern mußte.
Beeindruckend ist, wie der Künstler meisterhaft die Mittel künstlerischer plastischer Gestaltung einsetzt. Die Körperlichkeit, die Bewegung, Mimik, Gestik der Figuren, inhaltlich gezielt und sensibel differenziert eingesetzter kompositorischer Beziehungsreichtum, ja selbst die Ausdrucksfähigkeit des Materials Bronze, werden zum Träger des ideell-ästhetischen Anliegens des Bildhauers, das sich dem Betrachter voll mitteilt.<<
Der Palast der Republik. Text von Heinz Graffunder und Martin Beerbaum. Fotos von Gerhard Murza. VEB E.A. Seemann Verlag Leipzig 1977, S.56-58.