Das Modell, für welches die KPM 10.000 Mark verlangte und dessen Verpackungskosten mit über 200 Mark der monatlichen Besoldung einer gräflichen Ehrendame am Kaiserhof entsprach, ist das repräsentativste und teuerste Standardgeschenk Wilhelms II. und wurde preislich nur von den individuell zusammengestellten Servicen und Tafelaufsätzen zu bedeutenden Hochzeiten sowie von Bildhauerarbeiten übertroffen. Neben Queen Victoria erhielten unter anderen auch der italienische König Umberto I. 1892, der chinesische Vizekönig Li-Hung-Chang 1896 und Papst Leo XIII. 1902 eine solche Uhr.

Wilhelm II. selbst wählte die Motive zur Ausschmückung der Kartuschen: Die große Kartusche an der Vorderseite zeigt das Neue Palais, gemalt von Julius Menzel, und die kleine auf dem Sockel Schloß Stolzenfels, möglicherweise von Alexander Kips selbst gemalt. Die Seiten tragen das kaiserliche Wappen und die Namenschiffre mit Kaiserkrone. Der Brauch, Porzellane der KPM mit Veduten preußischer Schlösser zu versehen, ging schon auf König Friedrich Wilhelm IV. zurück und wurde auch von Wilhelm II. mit Vorliebe gepflegt. Die Standuhr befindet sich noch heute in Osborne House, wo sie auch überreicht wurde. Sie steht dort im großen Treppenhaus.36 Steinsockel und Füße sind in Bronze eingefaßt und mit dem Hauptteil durch Bronzefassung verbunden, im Inneren durch Metallverstrebung gestützt. Das Mittelteil ist verziert mit üppigem plastischen Dekor, der zentralen vollplastischen Figur eines Posaune blasenden Engels.37

Porzellane mit freimodellierten Figuren und aufgelegtem, stark plastischem Schmuck waren im Historismus eine Spezialität der KPM und eine besondere Vorliebe des damaligen künstlerischen Direktors Alexander Kips. Die Voraussetzung für solche stark plastischen, bis ins feinste Detail durchmodellierten figürlichen Ausschmückungen schuf eine neue, feldspatfreie, sehr bildsame Porzellanmasse, welche es den Künstlern erlaubte, selbst große Stücke mit der Hand frei zu modellieren. Vor der Jahrhundertwende konnte von allen Manufakturen ausschließlich die KPM solche plastisch modellierten Porzellane fertigen. Der Kaiser selbst war stolz auf das Erzeugnis seiner Manufaktur und erwiderte das Dankesschreiben der Queen mit den Worten: "Ich bin so froh, daß Dir unsere Uhr gefällt, gehört sie doch zu den besten Kunstwerken, die jemals von unserer Königlichen Porzellan-Manufaktur hergestellt wurden."38