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AUS DEN SAMMLUNGEN DES DHM
 

Virtuelle Bibliothek

Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums
Kurator: Heidemarie Anderlik

1. Februar bis 14. März 2004, Pei-Bau


Informationsmaterial für Lehrer
(.pdf-Datei)

In der Virtuellen Bibliothek können kostbarste Prachthandschriften (Codices) des Mittelalters am Computer studiert werden. Digitale Technik ermöglicht das Lesen eines Ritterromanes ebenso wie das Blättern in der legendären Goldenen Bulle oder einem medizinischen Handbuch mit Äderlassmännchen und astrologischen Ratschlägen. Ein Mausklick genügt und der Leser wird zum Experten mittelalterlicher Schriften vom 10. bis zum 15. Jahrhundert oder zum Übersetzer lateinischer und hebräischer Texte. Die reiche Bilderwelt der Codices, durch Kommentare erschlossen, kann mit einer Lupe im Detail betrachtet werden.

Führungen mit den Ausstellungsmachern
So 1.2., 8.2., 15.2., 22.2., 29.2. um 15.00 Uhr
Sa 7.2., 14.2., 21.2., 28.2. um 16.00 Uhr
Sa 6.3. und 13.3. um 16.00 Uhr
So 7.3. und 14.3. um 15.00 Uhr

Für die künftige Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums wird eine sogenannte Virtuelle Bibliothek vorbereitet, die dem künftigen Besucher einen Einblick in die Geschichte der Handschrift und des Buches im Mittelalter geben soll. Zur Zeit umfasst die Auswahl elf Handschriften, die als virtuelle Faksimilies aufbereitet und in der Ausstellung in ihrer Originalgröße gezeigt werden sollen. Wichtig für die Auswahl waren die Themen Sprache, Schrift und Bild.

Die ältesten ausgewählten Codices sind die Passio Kiliani (Fulda, 10. Jh.) und die Bamberger Apokalypse (Reichenau, 1000-1005). In der Passio wird die Vita des heiligen Kilian erzählt, der im 7. Jahrhundert die Franken im Würzburger Raum missionierte. Die Bamberger Apokalypse ist die reich illustrierte, im Benediktinerkloster auf der Reichenau im Bodensee geschaffene Abschrift der Offenbarung des Johannes aus dem Neuen Testament, benannt nach dem Ort, dem Kaiser Heinrich II. die Handschrift stiftetete.


Schriftlichkeit und Liturgie

Das Schriftwesen galt in der mittelalterlichen Welt als etwas Heiliges und der Glaube an den göttlichen Ursprung der Schrift und die göttliche Verfasserschaft von Texten gaben dem Buch- und Schriftwesen eine besondere Bedeutung. Handschriften für den sakralen Kult verfügten über einen hohen Stellenwert und Scriptorien der Zeit lagen in den Klöstern. Schreiben empfand man sogar als Mysterium, denn das Analphabetentum war sehr groß. Biblische und liturgische Handschriften waren wichtig für das Selbstverständnis einer Galubensgemeinschaft, die den Anspruch erhob, der Mythengläubigkeit heidnischer Kult- und Religionsgemeinschaften überlegen zu sein. In diesen Handschriften, Bibelabschriften und Heiligenviten findet man aber auch die erste Verbindung von Kunst und Literatur.


Kunst und Literatur

In der Apokalypse sind die Visionen vom Ende der Welt niedergeschrieben, die dem Seher Johannes gegen Ende des ersten Jahrhunderts auf der griechischen Insel Patmos von Gott offenbart wurden. Aus diesem Text stammen die Begriffe "Buch mit sieben Siegeln" oder "Tausendjähriges Reich". Wie in einem Drama schildern die Miniaturen der Apokalypse den Untergang der Welt und die Erlösung der Gläubigen. Die magische Zahl 7 wird in den 49 Bildern (7 x 7) aufgenommen.

Das virtuelle Faksimile erlaubt jede Seite der Handschrift zu betrachten, Texte und Bilder zu studieren und durch den Einsatz einer Leselupe wird jeder Betrachter zum Experten. Klickt man auf die Schrift, so erscheint eine Leselupe mit der hochdeutschen oder auf Wunsch auch englischen Übersetzung des Bibeltextes. Einfaches Ziehen der Leselupe mit der Maus genügt, den Text, Zeile für Zeile, abzufahren. Wer den lateinischen Originaltext lesen möchte, klickt im Menue das Feld Transkription an.

Auch die Miniaturen verfügen über eine Betrachtungs- und Erklärungshilfe. Beim einfachen Klick auf eine Miniatur erscheint daneben eine Tafel mit einer kurzen Bildbeschreibung und dem zugehörigen Bibelzitat. Wie bei der Leselupe sind die Texte in deutscher oder englischer Sprache aufbereitet.

Die Handschrift hat noch einen zweiten Teil, das Evangelistar. Es enthält Texte aus den Evangelien zur Lesung während der großen Feste des Kirchenjahres - Weihnachten, Ostern, Christ Himmelfahrt und Pfingsten. Für jedes dieser Feste ist eine Miniatur eingefügt. Dieser Teil der Bamberger Apokalypse konnte aus Kostengründen bisher noch nicht mit einer Leselupe versehen werden. Sponsoren werden gesucht!

Die Verbindung von Apokalypse und Evangelistar ist ungewöhnlich, noch ungewöhnlicher ist jedoch ein zwischen beide Teile gefügtes Doppelblatt, das einen namentlich nicht bekannten Herrscher zeigt. Die Forschung schwankt bei der Bestimmung zwischen Kaiser Otto III. und Kaiser Heinrich II.: Links oben thront der Kaiser zwischen den Aposteln Petrus und Paulus über den Provinzen - Gallia, Roma, Slavica, Germania. Auf der rechten Bildhälfte sieht man Abraham, Moses mit den Gesetzestafeln, König David und Hiob. Ihnen zur Seite stehen Frauen mit weißen Schleiern, die Tugenden, welche die am Boden liegenden Laster besiegt haben. Die Miniatur dokumentiert die Verbindung von öffentlichem Kult und privater Frömmigkeit.

Auf das Nebeneinander von Christentum und Judentum in den rheinischen Städten Speyer, Worms und Mainz seit dem 4. Jahrhundert verweist der Machsor Lipsiae. Das Gebetbuch enthält die Liturgie zu den Wallfahrtsfesten, zum Neujahrfest und Versöhnungstag, sowie zum Sabbat Chanukka. Die großzügige Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung ermöglichte die erstmalige Identifizierung der hebräischen Texte und ihre Aufbereitung für den deutschen Leser.


Mündlichkeit - Schriftlichkeit - Bild

Passio Kiliani und Bamberger Apokalypse sind in lateinischer Sprache geschrieben, denn Latein ist die Sprache des Mittelalters! Erst als im 12. Jahrhundert immer mehr Menschen Lesen und Schreiben lernen, beginnt die deutsche Volkssprache Einzug in die Literatur zu finden.
Für den zweiten Teil der Virtuellen Bibliothek wurde der erste Ritteroman in deutscher Sprache ausgewählt, Heinrich von Veldekes Eneasroman.

Die Verserzählung "Eneide" - die Geschichte vom trojanischen Helden Aeneas, dessen Nachfahren Rom gegründet haben sollen, ist im Umkreis von Hermann I., Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen (um 155-1217) auf der Wartburg entstanden und von dem Limburger Dichter Heinrich von Veldeke (um 1150-1200) geschrieben worden. Pate stand dabei die frühhöfische Erzählkunst des französischen Königshofes. Veldecke orientierte sich an einer altfranzösischen Vorlage und an dem antiken Dichter Vergil (70-19 v.Chr.). Das zeitgenössische Umfeld spiegelt sich in der reichen Illustration der in Bayern um 1220/30 gefertigten und heute im Besitz der Staatsbibliothek Berlin befindlichen Handschrift. Ritter, Turniere, Tafelrunden und natürlich die Minne spielen eine große Rolle.

Die Berliner Eneit ist ein neuer Typ Bilderhandschrift, der die Abfolge von Bildern und Textpassagen bewußt strukturiert und das literarisch Erzählte in eine Bilderzählung umsetzt. Erläuternde Schriftzeilen und beschriftete Spruchbänder holen den vom Bild getrenntenText wieder ins Bildmedium zurück. Auch diese Illustrationsfolge geht auf französische Einflüsse zurück. Für den modernen Betrachter ist das Verfahren aktuell, das Comic läßt grüßen! Die Leselupe für diese Handschrift ist dreispaltig, aus Kostengründen fehlt allerdings eine englische Übersetzung.

Zu dieser Gruppe zählen weiter das Werk des Berufsliteraten Rudolf von Ems: Weltchronik, Der Stricker: Karl der Große, aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts und die Große Heidelberger Liederhandschrift C, der sogenannte Codex Manesse. Es ist die bedeutendste illustrierte Überlieferung volkssprachlicher Lied- und Spruchdichtung der Zeit, entstanden am Beginn des 14. Jahrhunderts im Oberrheinischen und mit 138 ganzseitigen Autorenbildern ausgestattet. Der Dichter steht seinem Werk als Autor voran. Das Anspruchsniveau der weltlichen Laienliteratur erreicht damit einen ersten Höhepunkt.


Schriftlichkeit und öffentliches Leben

Die dritte Gruppe der Virtuellen Bibliothek sind Schriften, die das Rechtsleben betreffen. Eines der wichtigsten Gesetze des Heiligen Römischen Reiches wird 1356 auf den Hoftagen von Nürnberg und Metz ausgefertigt und in der sogenannten Goldenen Bulle das Verfahren der Königswahl festgeschrieben, die Wahl des deutschen Königs durch die sieben Kurfürsten nach dem Mehrheitsprinzip. Das Gesetz ist in gotischer Urkundenschrift und lateinischer Sprache geschrieben. Der Interessierte kann mit der Leselupe den Text in deutscher oder englischer Übersetzung studieren.

Gezeigt wird die Ausfertigung für Kaiser Karl IV., der als König von Böhmen zu den Kurfürsten zählte. Benannt ist die Goldene Bulle nach dem anhängenden goldenen Siegel, das auf der Vorderseite das Abbild des Siegelinhabers zeigt, Kaiser Karl IV. auf dem Thron sitzend und die Reichsinsignien in den Händen haltend. Die lateinische Umschrift auf beiden Seiten der Bulle, die Rückseite zeigt stark stilisierte die Stadt Rom, ist in der Beschreibung wiedergegeben und übersetzt.

Die Volkssprache übernimmt Ende des 14. Jahrhunderts einen Großteil des öffentlichen Lebens. Auch im Bereich des Rechts hält nun die deutsche Sprache Einzug. Für die Virtuelle Bibliothek wird hierfür der Sachsenspiegel vorbereitet, das Wolfenbüttler Exemplar der Rechtshandschrift. Hier erfährt die Verbindung von Schrift, deutscher Sprache und über 700 Bildern eine neue Kultur.


Handschrift und Buchdruck

Eine vierte Gruppe der Virtuellen Bibliothek befasst sich mit Handschriften des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit des technischen Medienwandels tritt das gedruckte Buch das Erbe der Handschrift antritt. Als klassisches Werk der beschriebenen Übergangszeit kann der Codex Schürstab bezeichnet werden, der im Auftrag eines Nürnberger Patriziers gefertigt wurde und einen Heiligenkalender mit einem medizinischen Handbuch verbindet. Das Iatromathematische Hausbuch verdeutlicht die Verbindung von medizinischem Wissen mit metaphysischen und abergläubischen Vorstellungen des mittelalterlichen Denkens, anschaulich bebildert mit Bildern von Sternzeichen, Aderlassmännchen und Jahreszeitenbildern.

Einzigartige Darstellungen von Handwerkskunst und -technik bietet das Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung. Zugleich gewährt es Einblick in eine private Stiftung zur Altenversorgung, denn Aufgabe der Mendelschen Stiftung war die Pflege von jeweils zwölf Handwerkern bis zu deren Tod. So wurde im Hausbuch jedem Stiftungspfleger und Bruder eine ganzseitige Zeichnung gewidmet.

 

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