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In der Virtuellen Bibliothek können kostbarste
Prachthandschriften (Codices) des Mittelalters am Computer
studiert werden. Digitale Technik ermöglicht das
Lesen eines Ritterromanes ebenso wie das Blättern
in der legendären Goldenen Bulle oder einem medizinischen
Handbuch mit Äderlassmännchen und astrologischen
Ratschlägen. Ein Mausklick genügt und der
Leser wird zum Experten mittelalterlicher Schriften
vom 10. bis zum 15. Jahrhundert oder zum Übersetzer
lateinischer und hebräischer Texte. Die reiche
Bilderwelt der Codices, durch Kommentare erschlossen,
kann mit einer Lupe im Detail betrachtet werden.
Führungen mit den Ausstellungsmachern
So 1.2., 8.2., 15.2., 22.2., 29.2.
um 15.00 Uhr
Sa 7.2., 14.2., 21.2., 28.2. um 16.00 Uhr
Sa 6.3. und 13.3. um 16.00 Uhr
So 7.3. und 14.3. um 15.00 Uhr
Für die künftige Dauerausstellung des Deutschen
Historischen Museums wird eine sogenannte Virtuelle
Bibliothek vorbereitet, die dem künftigen Besucher
einen Einblick in die Geschichte der Handschrift und
des Buches im Mittelalter geben soll. Zur Zeit umfasst
die Auswahl elf Handschriften, die als virtuelle Faksimilies
aufbereitet und in der Ausstellung in ihrer Originalgröße
gezeigt werden sollen. Wichtig für die Auswahl
waren die Themen Sprache, Schrift und Bild.
Die ältesten ausgewählten Codices sind die
Passio Kiliani (Fulda, 10. Jh.) und die Bamberger Apokalypse
(Reichenau, 1000-1005). In der Passio wird die Vita
des heiligen Kilian erzählt, der im 7. Jahrhundert
die Franken im Würzburger Raum missionierte. Die
Bamberger Apokalypse ist die reich illustrierte, im
Benediktinerkloster auf der Reichenau im Bodensee geschaffene
Abschrift der Offenbarung des Johannes aus dem Neuen
Testament, benannt nach dem Ort, dem Kaiser Heinrich
II. die Handschrift stiftetete.
Schriftlichkeit und Liturgie
Das Schriftwesen galt in der mittelalterlichen Welt
als etwas Heiliges und der Glaube an den göttlichen
Ursprung der Schrift und die göttliche Verfasserschaft
von Texten gaben dem Buch- und Schriftwesen eine besondere
Bedeutung. Handschriften für den sakralen Kult
verfügten über einen hohen Stellenwert und
Scriptorien der Zeit lagen in den Klöstern. Schreiben
empfand man sogar als Mysterium, denn das Analphabetentum
war sehr groß. Biblische und liturgische Handschriften
waren wichtig für das Selbstverständnis einer
Galubensgemeinschaft, die den Anspruch erhob, der Mythengläubigkeit
heidnischer Kult- und Religionsgemeinschaften überlegen
zu sein. In diesen Handschriften, Bibelabschriften und
Heiligenviten findet man aber auch die erste Verbindung
von Kunst und Literatur.
Kunst und Literatur
In der Apokalypse sind die Visionen vom Ende der Welt
niedergeschrieben, die dem Seher Johannes gegen Ende
des ersten Jahrhunderts auf der griechischen Insel Patmos
von Gott offenbart wurden. Aus diesem Text stammen die
Begriffe "Buch mit sieben Siegeln" oder "Tausendjähriges
Reich". Wie in einem Drama schildern die Miniaturen
der Apokalypse den Untergang der Welt und die Erlösung
der Gläubigen. Die magische Zahl 7 wird in den
49 Bildern (7 x 7) aufgenommen.
Das virtuelle Faksimile erlaubt jede Seite der Handschrift
zu betrachten, Texte und Bilder zu studieren und durch
den Einsatz einer Leselupe wird jeder Betrachter zum
Experten. Klickt man auf die Schrift, so erscheint eine
Leselupe mit der hochdeutschen oder auf Wunsch auch
englischen Übersetzung des Bibeltextes. Einfaches
Ziehen der Leselupe mit der Maus genügt, den Text,
Zeile für Zeile, abzufahren. Wer den lateinischen
Originaltext lesen möchte, klickt im Menue das
Feld Transkription an.
Auch die Miniaturen verfügen über eine Betrachtungs-
und Erklärungshilfe. Beim einfachen Klick auf eine
Miniatur erscheint daneben eine Tafel mit einer kurzen
Bildbeschreibung und dem zugehörigen Bibelzitat.
Wie bei der Leselupe sind die Texte in deutscher oder
englischer Sprache aufbereitet.
Die Handschrift hat noch einen zweiten Teil, das Evangelistar.
Es enthält Texte aus den Evangelien zur Lesung
während der großen Feste des Kirchenjahres
- Weihnachten, Ostern, Christ Himmelfahrt und Pfingsten.
Für jedes dieser Feste ist eine Miniatur eingefügt.
Dieser Teil der Bamberger Apokalypse konnte aus Kostengründen
bisher noch nicht mit einer Leselupe versehen werden.
Sponsoren werden gesucht!
Die Verbindung von Apokalypse und Evangelistar ist
ungewöhnlich, noch ungewöhnlicher ist jedoch
ein zwischen beide Teile gefügtes Doppelblatt,
das einen namentlich nicht bekannten Herrscher zeigt.
Die Forschung schwankt bei der Bestimmung zwischen Kaiser
Otto III. und Kaiser Heinrich II.: Links oben thront
der Kaiser zwischen den Aposteln Petrus und Paulus über
den Provinzen - Gallia, Roma, Slavica, Germania. Auf
der rechten Bildhälfte sieht man Abraham, Moses
mit den Gesetzestafeln, König David und Hiob. Ihnen
zur Seite stehen Frauen mit weißen Schleiern,
die Tugenden, welche die am Boden liegenden Laster besiegt
haben. Die Miniatur dokumentiert die Verbindung von
öffentlichem Kult und privater Frömmigkeit.
Auf das Nebeneinander von Christentum und Judentum
in den rheinischen Städten Speyer, Worms und Mainz
seit dem 4. Jahrhundert verweist der Machsor Lipsiae.
Das Gebetbuch enthält die Liturgie zu den Wallfahrtsfesten,
zum Neujahrfest und Versöhnungstag, sowie zum Sabbat
Chanukka. Die großzügige Unterstützung
der Ostdeutschen Sparkassenstiftung ermöglichte
die erstmalige Identifizierung der hebräischen
Texte und ihre Aufbereitung für den deutschen Leser.
Mündlichkeit - Schriftlichkeit
- Bild
Passio Kiliani und Bamberger Apokalypse sind in lateinischer
Sprache geschrieben, denn Latein ist die Sprache des
Mittelalters! Erst als im 12. Jahrhundert immer mehr
Menschen Lesen und Schreiben lernen, beginnt die deutsche
Volkssprache Einzug in die Literatur zu finden.
Für den zweiten Teil der Virtuellen Bibliothek
wurde der erste Ritteroman in deutscher Sprache ausgewählt,
Heinrich von Veldekes Eneasroman.
Die Verserzählung "Eneide" - die Geschichte
vom trojanischen Helden Aeneas, dessen Nachfahren Rom
gegründet haben sollen, ist im Umkreis von Hermann
I., Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen
(um 155-1217) auf der Wartburg entstanden und von dem
Limburger Dichter Heinrich von Veldeke (um 1150-1200)
geschrieben worden. Pate stand dabei die frühhöfische
Erzählkunst des französischen Königshofes.
Veldecke orientierte sich an einer altfranzösischen
Vorlage und an dem antiken Dichter Vergil (70-19 v.Chr.).
Das zeitgenössische Umfeld spiegelt sich in der
reichen Illustration der in Bayern um 1220/30 gefertigten
und heute im Besitz der Staatsbibliothek Berlin befindlichen
Handschrift. Ritter, Turniere, Tafelrunden und natürlich
die Minne spielen eine große Rolle.
Die Berliner Eneit ist ein neuer Typ Bilderhandschrift,
der die Abfolge von Bildern und Textpassagen bewußt
strukturiert und das literarisch Erzählte in eine
Bilderzählung umsetzt. Erläuternde Schriftzeilen
und beschriftete Spruchbänder holen den vom Bild
getrenntenText wieder ins Bildmedium zurück. Auch
diese Illustrationsfolge geht auf französische
Einflüsse zurück. Für den modernen Betrachter
ist das Verfahren aktuell, das Comic läßt
grüßen! Die Leselupe für diese Handschrift
ist dreispaltig, aus Kostengründen fehlt allerdings
eine englische Übersetzung.
Zu dieser Gruppe zählen weiter das Werk des Berufsliteraten
Rudolf von Ems: Weltchronik, Der Stricker: Karl der
Große, aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
und die Große Heidelberger Liederhandschrift C,
der sogenannte Codex Manesse. Es ist die bedeutendste
illustrierte Überlieferung volkssprachlicher Lied-
und Spruchdichtung der Zeit, entstanden am Beginn des
14. Jahrhunderts im Oberrheinischen und mit 138 ganzseitigen
Autorenbildern ausgestattet. Der Dichter steht seinem
Werk als Autor voran. Das Anspruchsniveau der weltlichen
Laienliteratur erreicht damit einen ersten Höhepunkt.
Schriftlichkeit und öffentliches
Leben
Die dritte Gruppe der Virtuellen Bibliothek sind Schriften,
die das Rechtsleben betreffen. Eines der wichtigsten
Gesetze des Heiligen Römischen Reiches wird 1356
auf den Hoftagen von Nürnberg und Metz ausgefertigt
und in der sogenannten Goldenen Bulle das Verfahren
der Königswahl festgeschrieben, die Wahl des deutschen
Königs durch die sieben Kurfürsten nach dem
Mehrheitsprinzip. Das Gesetz ist in gotischer Urkundenschrift
und lateinischer Sprache geschrieben. Der Interessierte
kann mit der Leselupe den Text in deutscher oder englischer
Übersetzung studieren.
Gezeigt wird die Ausfertigung für Kaiser Karl
IV., der als König von Böhmen zu den Kurfürsten
zählte. Benannt ist die Goldene Bulle nach dem
anhängenden goldenen Siegel, das auf der Vorderseite
das Abbild des Siegelinhabers zeigt, Kaiser Karl IV.
auf dem Thron sitzend und die Reichsinsignien in den
Händen haltend. Die lateinische Umschrift auf beiden
Seiten der Bulle, die Rückseite zeigt stark stilisierte
die Stadt Rom, ist in der Beschreibung wiedergegeben
und übersetzt.
Die Volkssprache übernimmt Ende des 14. Jahrhunderts
einen Großteil des öffentlichen Lebens. Auch
im Bereich des Rechts hält nun die deutsche Sprache
Einzug. Für die Virtuelle Bibliothek wird hierfür
der Sachsenspiegel vorbereitet, das Wolfenbüttler
Exemplar der Rechtshandschrift. Hier erfährt die
Verbindung von Schrift, deutscher Sprache und über
700 Bildern eine neue Kultur.
Handschrift und Buchdruck
Eine vierte Gruppe der Virtuellen Bibliothek befasst
sich mit Handschriften des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts.
In dieser Zeit des technischen Medienwandels tritt das
gedruckte Buch das Erbe der Handschrift antritt. Als
klassisches Werk der beschriebenen Übergangszeit
kann der Codex Schürstab bezeichnet werden, der
im Auftrag eines Nürnberger Patriziers gefertigt
wurde und einen Heiligenkalender mit einem medizinischen
Handbuch verbindet. Das Iatromathematische Hausbuch
verdeutlicht die Verbindung von medizinischem Wissen
mit metaphysischen und abergläubischen Vorstellungen
des mittelalterlichen Denkens, anschaulich bebildert
mit Bildern von Sternzeichen, Aderlassmännchen
und Jahreszeitenbildern.
Einzigartige Darstellungen von Handwerkskunst und -technik
bietet das Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung.
Zugleich gewährt es Einblick in eine private Stiftung
zur Altenversorgung, denn Aufgabe der Mendelschen Stiftung
war die Pflege von jeweils zwölf Handwerkern bis
zu deren Tod. So wurde im Hausbuch jedem Stiftungspfleger
und Bruder eine ganzseitige Zeichnung gewidmet.
Informationsmaterial für
Lehrer (.pdf-Datei)
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