"DER RING DES NIBELUNGEN": BÜHNENKUNST UND GERMANENBILD IM 19. JAHRHUNDERT
 
Bühnenkunst und Germanenbild
....Der preußische Offizier und Teilnehmer der Befreiungskriege Friedrich de la Motte Fouqué griff als erster vaterländisch gesinnter Künstler mit dem Heldenspiel "Der Held des Nordens" das Thema der Nibelungensage auf. Prägend für Generationen deutscher Schüler wurden jedoch die Nibelungendichtungen von Friedrich Hebbel und Ludwig Uhland. Szenen aus Hebbels Trilogie "Das Nibelungenlied" wurden sogar auf Leinwand festgehalten. Julius Schnorr von Carolsfeld malte die burgundischen Helden der Völkerwanderungszeit in Kostümen des Hochmittelalters. Er folgte damit den Regeln der allgemeinen Trachtenkunde, die damals für die deutsche Frühzeit nur zwei Ideale vorsah: Das Bild des Germanen zur Zeit von Julius Cäsar und die höfische Kleidung der Ritterzeit. Richard Wagner entwarf in seinem Musikdrama "Der Ring des Nibelungen" ein anderes mythologisch verklärtes Germanenbild. Als in der Revolution von 1848 noch die Hoffnung auf die rasche Bildung eines deutschen Nationalstaats bestand, beschäftigte sich Wagner erstmals mit dem Nibelungenstoff, und nach der Niederschlagung der Revolution sinnierte er 1850 in seiner Schrift "Die Wibelungen" über das Frankenreich, den im Kyffhäuser schlafenden Friedrich Barbarossa, die Größe der deutschen Nation und den Symbolbaum der Deutschen, die Eiche. Die Eiche, Sinnbild für Tapferkeit, Stolz und Größe, war in der deutschen Dichtung und Malerei zum patriotischen Baum geworden. Wolfgang Menzel stellte gar 1837 in seiner "Geschichte der Deutschen" die Frage: "Wer ruhte zum erstenmal im Schatten deutscher Eichen?" Eben diesen Ahnen spürte Wagner bei seiner Interpretation der Nibelungen nach. Nicht die hochmittelalterliche Dichtung, sondern die ältere nordische Überlieferung in den beiden Edden sollte seine Vorlage sein. Als schließlich 1876 in Bayreuth das neue Nationaldrama "Der Ring des Nibelungen" uraufgeführt wurde, hatte Wagner allein zwei Jahre auf die Inszenierung des Dramas verwandt. Denn "aus nationalem deutschem Geiste sollte die neue deutsche Kunst geboren werden". Die neue Kultur sollte erwachsen "wie dereinst die griechische Tragödie aus der religiösen Lyrik der nationalen Götter und Siegesfeste", wie ein Kritiker bemerkte.
Als Orientierung legte Wagner ihm die Trachtbeschreibungen der römischen Schriftsteller ans Herz und verwies auf bisher unzulänglich umgesetzte nordische Mythologie in Theater inszenierungen. Ansonsten gab Wagner nur wenige Hinweise über das Aussehen der Gewänder, denn seine Szenenanmerkungen beschränkten sich in diesem Punkt meist auf eine Bemerkung darüber, ob der Künstler bewaffnet oder unbewaffnet auftreten sollte. Doepler konnte sich für seine Aufgabe auf literarische Beschreibungen Cäsars, Sallusts oder des Tacitus stützen. Bekannt waren ferner einige bildliche Darstellungen von Germanen aus der Römerzeit und eine neue reiche Quelle, die Bodenfunde. Doepler beschäftigte sich intensiv mit archäologischem Material und fertigte in den Museen von Kopenhagen, Kiel, Mainz und Berlin über 500 Spezialzeichnungen von Waffen, Geräten und Schmuck vorwiegend aus der Bronze und Eisenzeit an. Problematisch dabei war, eine zeitliche und ethnische Einordnung der Fundstücke zu treffen. Fachleute wie der Waffenspezialist August Demmin waren um 1870 sogar noch der Meinung, dass sich Funde der Bronze und Eisenzeit niemals würden ordnen lassen können. Die Überlieferung der römischen Geschichtsschreiber und die archäologischen Funde wurden zur Grund lage für Doeplers Kostüme. Danach bestand die Bekleidung der Germanen aus Fellen, groben Woll oder Hanfstoffen, die mit Metallnadeln, um die Hüften durch eine Schnur oder einen mit Metallbuckeln verzierten Gürtel zusammengehalten wurden. Frauen trugen gelegentlich weiße mit Purpursäumen verzierte Kleider mit einem bis zur Hüfte reichenden Überhang und bändigten das Haar mit Kämmen und Nadeln. Schmuck Nadeln, Broschen, Diademe, Spangen, Ketten, Hals, Arm und Beinringe war bei den Germanenkostümen sehr beliebt und mit urtümlichen spiralförmigen Verzierungen versehen. Tierzähne, Hörner und Tierschädel fanden zur Herstellung von Schmuck Verwendung. Prunkgegenstände waren die metallbeschlagenen Jagd und Trinkhörner. Besonderen Wert legten die Germanen in der Vorstellung Doeplers auf ihre aus Eisen oder Bronze gefertigten Waffen. Kopfbedeckungen machten sie aus Hirsch- oder Wolfsfell, und in der Schlacht diente die Kopfhaut des Auerochsen, des Bären oder des Hirsches zur Einschüchterung des Feindes, denn Hörner und Geweihe ließ man hoch über dem Kopf aufragen. Die Vornehmen trugen auch Panzer aus Leder mit Horn- oder Eisenplatten, Panzerhemden und Ringbrünnen aus Eisen. Ihre Schilde waren mannshoch aus Brettern oder Weidengeflecht gefertigt und mit Tierhäuten bezogen. Nur der vornehme Krieger trug einen bronzenen Rundschild. Während dem bayerischen König Ludwig II. die Kostüme für den "Ring" überaus gut gefielen, äußerte Cosima Wagner: "Der spielerische Trieb des Archäologen drückt sich darin aus, zum Schaden des Tragischen und Mystischen" und "Die Kostüme erinnern durchweg an Indianerhäuptlinge..." Die geplante Bayreuther Inszenierung wurde in der Presse lebhaft diskutiert und mit Spannung erwartet. Der "Ring-Zyklus" wurde 1876 in Bayreuth uraufgeführt und entfachte einen Kritikersturm. Wagner-Gegner bezeichneten die Inszenierung als "musikalisch dramatische Affenschande", als "Alliterationsgestotter", als "Rheingoldaquarium", als "Deklamationsmaschine", als "Kunstunfug und Gründungsschwindel". Bei der Vorstellung, dieses Werk könne Wohlgefallen finden, sah der Wiener Kritiker Ludwig Speidel das deutsche Volk "durch diese bloße Tatsache aus gestrichen aus der Reihe der Kulturvölker des Abendlands". Die seitenlangen Erörterungen konnten jedoch die Freunde der Bayreuther Tage nicht beeindrucken. Sie werteten die Aufführung als "Nationalfest" und "Ehrentag der nationalen Kunst". Wagner selbst sah in der Aufführung sein angestrebtes Ideal nicht als erreicht an. Finanziell hoch verschuldet verkaufte er Fundus und Aufführungsrechte an den Theatermanager Angelo Neumann. Bei den "Ring"-Inszenierungen in 58 Städten Europas wurden auch die Kostüme Carl Doeplers bekannt.
1874 wandte sich Wagner an den bekannten Berliner Maler und Kostümbildner Carl Emil Doepler mit dem Angebot, die Kostüme für die Uraufführung zu entwerfen. Doepler, ein bedeutender Kostümkenner seiner Zeit, gab die "Blätter zur Kostümkunde" heraus, entwarf Kostüme für das Meininger Theater und arrangierte Hoffeste in Berlin.
 
 
 







"Hagen"













 



"Brünhilde und
Gutrune mit Gefolge"

 

  .Als Richard Wagner 1850 "Die Wibelungen" veröffentlichte, hatte er sich bereits einige Jahre mit Themen der deutschen Mythologie beschäftigt. Grundlage seiner Studien war die "Deutsche Mythologie" von Jacob Grimm. Aus dieser Thematik entwickelte sich auch "Der Ring des Nibelungen", der bereits 1852 im Text vorlag und zunächst 1853 in Zürich als Privatdruck für Freunde erschien. Erst zehn Jahre später publizierte Wagner den Text für die Öffentlichkeit. In der Einleitung zu diesem Druck formulierte er seine Festspielidee. Die erste gesamte Aufführung des "Rings" fand im August 1876 im Festspielhaus zu Bayreuth statt.
"Der Ring des Nibelungen"
 

 

  Walküren, in der Mythologie dämonische Wesen, wurden in der nordischen Heldendichtung zu heroischen Gestalten: Einzeln oder in Scharen durchreiten sie bewaffnet die Lüfte. Sie stehen dem Krieger im Kampfe bei oder bringen auf Befehl Odins auf dem Schlachtfeld gefallene Helden nach Walhall. Für die erste Bayreuther Inszenierung wurden die Schlachtenjungfrauen mit der "Standardausstattung" nach Doeplers Entwürfen Lanze und Schild eines germanischen Kriegers ausgerüstet. Form und Schmuck der Schilde sind unterschiedlich gehalten. Es überwiegt der längliche mit bandförmigen Beschlägen versehene Schild mit unterschiedlicher Buckelform. Die Kostüme sind nicht einer archäologischen Zeitstufe zuzuordnen, denn zu den Requisiten gehören Armspiralen und Bronzeschilde der Zeit um 1000 v. Chr. ebenso wie der Sauspieß aus dem 5. Jahrhundert n. Chr.
Die Walküren
 

"Walküren"
  Die Kostüme der Frauen zeigen eine Mischung aus griechischen Gewändern, mit Schmuck der Bronzezeit und phantasievollen überladenen Ausschmückungen. Der von Doepler ausgewählte Hals- und Armschmuck der Frauen findet in vielen Fällen seine Entsprechung in archäologischen Funden. So fallen beim Schmuck der Gutrune insbesondere Halskragen und Armberge mit großen Spiralen der Bronzezeit auf. Brünhilde trägt Handgelenksringe der älteren Eisenzeit und ein Halsgehänge mit Klappern wie es in der älteren süddeutschen Eisenzeit Mode war. Als Diadem hat sie einen bronzezeitlichen Anhänger im Haar. Zum Kostüm der Gutrune gehören neben bronzezeitlichen Armbergen eine Scheibenfibel und ein Perlenkollier aus der Merowingerzeit. Auf den Kleiderstoffen finden sich als Muster Spiralen und geometrische Formen bronzezeitlicher Verzierungselemente wieder.
Die Frauen
 


  Die Kleidung der Männer ist eine Mischung aus phantasievoll drapierten Fellen und Tuchen, geflügelten und gehörnten Helmen mit einem Schuß römischer Legionärstracht. Bei der Betrachtung der Waffen und Schmuckstücke findet auch hier eine Vermengung von Funden der Eisen und Bronzezeit sowie dem frühen Mittelalter statt. Im Kostüm des Hagen ist neben den mediterranen Gürtelhakenplatten der älteren Eisenzeit ein südalpines Antennenknaufschwert der frühen Eisenzeit zu sehen. Die Armringe sind Fundstücken aus dem Grab des Merowingerkönigs Childerich nachempfunden, und an den Armen trägt er früh eisenzeitliche Armringe mit Tannenzweigmuster der Hallstattzeit. Der Kammhelm ist ein Phantasiegebilde.
Die Männer
 

"Mannengruppe"
 
Richard Wagner wählte die Sänger in Österreich und Deutschland sorgfältig aus. Wichtiger als Gesangsqualitäten waren ihm dabei die Gestalt, schauspielerisches Können und Aussprache. Bei den Kostümentwürfen wurde von Doepler nach Möglichkeit bereits die Person des Künstlers mitberücksichtigt, so dass sich oft zwischen Entwurf und Kostümausführung nur unwesentliche Unterschiede ergaben.
Die Darsteller
 
 
   
 
Heidemarie Anderlik
 
Literaturangaben
                         
 
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