Plakatmotiv "Migrationen 1500-2005"

 

Zuwanderungsland Deutschland: Migrationen 1500-2005 - Die Hugenotten, Deutsches Historisches Museum
22. Oktober bis 12. Februar 2006, Ausstellungshalle von I.M. Pei - Logo DHM

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Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wird dieser Tatsache politisch Rechnung getragen. Damit hat die Diskussion um Zuwanderungsfragen einen vorläufigen rechtlichen Abschluss gefunden, indes in ihrer politischen Bedeutung kaum an Aktualität verloren. Nur selten reicht dabei der Blick zurück über die letzten Jahrzehnte hinaus. Mit den beiden zeitgleichen und ineinander verschränkten Ausstellungen „Migrationen 1500 – 2005“ und „Die Hugenotten“ möchte das Deutsche Historische Museum das Bewusstsein dafür schärfen, dass Zuwanderung nach Deutschland alles andere als ein neues Phänomen ist, sondern vielmehr eine lange und wenig bekannte Geschichte hat.

Die Ausstellung „Migrationen 1500 - 2005“ spannt einen Bogen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart und stellt dabei die politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, religiösen und kulturellen Zusammenhänge von Zuwanderung heraus. Die Darstellung geht von einem weiten Migrationsbegriff aus. Sie zeigt Wanderhandel und temporäre Arbeitsmigration ebenso wie dauerhafte Einwanderung, Flucht aus religiösen und politischen Motiven wie auch die Zwangsmigrationen des 20. Jahrhunderts. Die staatliche Regulierung dieser Bewegungen ist ein Schwerpunkt der Ausstellung. Unter welchen politischen Prämissen erfolgen Einschluss und Ausschluss? Welchen Gruppen werden die Einreise, der befristete Aufenthalt oder aber die vollen Bürgerrechte gewährt? Dieser Perspektive werden individuelles Erleben, Motive und Erfahrungen der Migranten gegenübergestellt.

Entgegen landläufigen Vorstellungen von einer statischen vormodernen Gesellschaft war schon Alt-Europa ständig „in Bewegung“ (Klaus J. Bade). Die Ausstellung betrachtet auch die Migrantengruppen dieser Epoche. Bekannt sind etwa die protestantischen Glaubensflüchtlinge. Heute eher unbekannt sind viele andere Gruppen, wie z.B. die oberitalienischen Wanderhändler, die seit dem 17. Jahrhundert nach Deutschland kamen. Zugleich wird die Ausstellung zeigen, dass in der vornationalstaatlichen Epoche weitere große Migrantengruppen sich zwischen den deutschen Partikularstaaten bewegten: Das waren zumeist erwünschte Gruppen wie die wandernden Handwerksgesellen oder das städtische bzw. ländliche Gesinde auf der einen, unerwünschte Gruppen wie die Bettler oder das Fahrende Volk auf der anderen Seite.


Schraubmedaille Salzburger
Emigranten, 1732
Auch nach der Neuordnung Europas 1815 blieb Deutschland ein Land mit vielen Staaten. Für die Zeit vor der Reichsgründung 1871 stellt die Ausstellung exemplarisch zwei Gruppen vor, die im Ausland (und das meinte zu dieser Zeit immer noch auch die anderen deutschen Staaten) Arbeit suchten: Viele erwerbsfähige Eichsfelder mussten im Sommer z.B. nach Sachsen oder Hannover wandern, um in der Landwirtschaft oder in Zuckerfabriken zu arbeiten; andere zogen als Wanderhändler durchs Land. Die Ziegler des kleinen Fürstentums Lippe, geschätzte Spezialisten und Saisonarbeiter, reisten zur „Kampagne“ nach Norddeutschland, Holland oder Dänemark. Beide Gruppen fanden auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse kein Auskommen in ihrer Heimat.

Im Kaiserreich wandelte sich Deutschland zum „Arbeitseinfuhrland“. Dabei gab es in der staatlichen Migrations-politik Konflikte um solche erwünschte, weil wirtschaftlich notwendige Arbeitswanderungen auf Zeit und um unerwünschte Einwanderungen auf Dauer. Beispielhaft zeigt die Ausstellung dies an den russisch-polnischen Saisonarbeitern und den russischen Juden seit den 1880er Jahren.

Die Migrationen des 20. Jahrhunderts sind geprägt durch Kriege, Flucht und Vertreibung. Bereits im Ersten Weltkrieg mussten Kriegsgefangene schwerste Arbeiten verrichten, wie die Ausstellung am Beispiel des Kriegsgefangenen- und Interniertenlagers Soltau verdeutlicht.


"Sachsengänger", um 1907

Wegen des kriegsbedingten Arbeitskräftemangels warb das Reich zivile Arbeitskräfte aus dem Ausland an; andere wurden unter Zwang nach Deutschland gerbracht.

Mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg kamen Hunderttausende aus den abgetretenen deutschen Gebieten ins Reich. Gleichzeitig flohen viele Juden vor Pogromen aus Osteuropa. Sie waren als „lästige Ostjuden“ in der Weimarer Republik unerwünscht.


Zwangsarbeiter Zweiter Weltkrieg:
Arbeitskräfte werden nach Deutschland transportiert
Die Nationalsozialisten setzten eine unmenschliche Bevölkerungspolitik durch, die sowohl der Rassenideologie als auch kriegswirtschaftlichen Interessen folgte. Im Zuge dieser Politik wurden deutsche Volksgruppen umgesiedelt, während „rassisch Unerwünschte“ vertrieben und millionenfach in Vernichtungslagern ermordet wurden. Das „Dritte Reich“ perfektionierte das System der Verschleppung von Menschen zur Zwangsarbeit und der Ausbeutung von Kriegsgefangenen bis zum Tod. Berichte von Überlebenden geben hiervon eindringlich Zeugnis.

Der Ausstellungsbereich zur Nachkriegszeit beginnt mit den großen Fluchtbewegungen in der Folge des Zweiten Weltkrieges. Der unterschiedliche Umgang mit den Vertriebenen in West- und Ostdeutschland war ein Element des Kalten Krieges. DDR und Bundesrepublik behandelten auch in der Folge Zu- und Eingewanderte in unterschiedlicher Weise. Die DDR warb ausländische Arbeiter an, um ihren mit der Abwanderung nach Westen gestiegenen Arbeitskräftemangel zu decken. Als Beispiel werden in der Ausstellung vietnamesische Textilarbeiterinnen vorgestellt. Migranten in der DDR wurden von Einheimischen ferngehalten und begegneten oft Fremdenfeindlichkeit– trotz des offiziell propagierten Internationalismus.

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland schloss 1955 den ersten Anwerbevertrag mit Italien ab, denn im „Wirtschaftswunderland“ drohte Arbeitskräftemangel, trotz des Zustroms aus der DDR bis 1961. Den Italienern folgten Griechen, Türken und Jugoslawen. Heute sind die „Gastarbeiter“ vielfach Einwanderer und leben in der zweiten und dritten Generation in Deutschland, auch wenn ihre Integration jahrzehntelang nicht aktiv politisch begleitet wurde. Neben dieser politischen Ebene stellt die Ausstellung individuelle Lebensgeschichten von Einwanderern vor.


Mann aus Pakistan, Abschiebehaftanstalt Eisenhüttenstadt, 2000  

Mit der Öffnung der Grenzen in Osteuropa 1988/1989 sah sich die Bundesrepublik mit Zuwanderungen neuen Ausmaßes konfrontiert: DDR-Übersiedler, Aussiedler/Spätaussiedler und Flüchtlinge kamen in grosser Zahl ins Land. Die Zahl temporärer Arbeitsmigranten nimmt nicht erst seit der Einführung der „Green Card“ im Jahr 2000 wieder zu; schon seit den 1990er Jahren warb die Bundesregierung gezielt Arbeitskräfte an. Die Ausstellung zeigt exemplarisch die Erfahrungen rumänischer Saisonarbeiterinnen.

Mit dem Zusammenwachsenn Europas wächst seine Abgrenzung nach außen. Das wirft die Frage von Einschluss und Ausschluss besonders in Bezug auf Flüchtlinge und Asylsuchende neu auf. Der Einschränkung des deutschen Asylrechts und der zunehmenden Abschließung der EU-Außen-grenzen werden in der Ausstellung einzelne Schicksale von Asylbewerbern und von illegal in Deutschland lebenden Menschen gegenüber gestellt.

Auf einer Fläche von 500 Quadratmetern werden rund 300 Objekte zu sehen sein. Dazu zählen Archivalien und Dokumente ebenso wie Gemälde, Graphiken oder persönliche Erinnerungsstücke. Audio- und Filmstationen bieten die Gelegenheit, individueller Geschichte in Selbstzeugnissen nachzuspüren. Hier wird z.B. ein wandernder Zinngießer aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ebenso zu Wort kommen wie eine türkische Schneiderin, die sich in den 1960er Jahren in West-Berlin niederließ. Eigens entwickelte Karten zeichnen die Menschen-„Ströme“ nach und vermitteln so ein anschauliches Bild von einem Deutschland, das seit langem „in Bewegung“ ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Adresse: Unter den Linden 2, 10117 Berlin, Telefon: 0049 (0) 30 20 30 4 - 0, Telefax: 0049 (0) 30 - 20 30 4 - 543, Wechselausstellungen in der Ausstellungshalle von I.M.Pei, Hinter dem Gießhaus 3, 10117 Berlin,. Link: Verkehrsverbindungen und weitere Besucherinformationen. Öffnungszeiten: Täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
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