Persönliche Beschreibung der Räuber und Spitzbuben, 1781

1) Johann Henrich Wilhelm Gundermann , angeblich von Seck bey Limburg gebürtig, 46 Jahre alt, spielt die Violin und stand ehedem in kayserlichen und preußischen Kriegsdiensten. Er hat sich in der hiesigen Inquisition, worinnen er noch befangen ist, anfänglich Johannes Schmidt , dann Johannes Gundermann , sofort Johannes Seybold , aus Brünn gebürtig, und endlich mit seinem dermaligen Namen genennet und angegeben, daß er bey der Oberländischen oder Wetterauischen Bande von seinen Kameraden der alte Wilhelm geheisen worden sey. Seine zwey Weiber, mit denen er copulirt zu seyn angiebt, hiesen Grethchen Linckin und Kirchnerin , außer diesen aber hätte er noch drey Beyschläferinnen, nämlich die Schreiberin , die Anna Maria , und Margrethe gehabt, und die Schreiberin führe seine drey Kinder, Johann Henrich Wilhelm von 8 Jahren, Christian von 6 Jahren und Johannes von etwa drey Jahren bey sich. Er ist nicht nur fast bey allen unten vorkommenden Diebstählen und Straßenraubereyen gewesen und hat seinen Antheil davon bekommen, sondern er hat auch

a) zu Weilburg , allwo er sich aus dem Wittgensteinischen, und daß seine Frau von Lamenstruth gebürtig seye, falsch angegeben

b) Vor 20 Jahren zu Lauterbach .

c) " 16 " Braunfels .

D) " 13 " Hadamar .

e) " 8 " Büdingen .

f) " 7 " Alzey .

g) " " " Lich , auch

h) " " " Marburg , wo er 5 Stunden davon, als er nach Cassel geführt werden sollen, aus dem Gefängnis durchgegangen, und

i) Im Jahre 1777 zu Meurs gefangen gesessen, und ist, da er nebst 4 seiner Kameraden den Postwagen zwischen Eberstadt und Bickenbach attaquirte, von dem Conducteur in den Mund geschossen, demohngeachtet von jenen noch fort und nach Niederrad gebracht, hier aber entdeckt und darauf am 25. April des vorigen Jahrs von Frankfurt anher ausgeliefert worden.

2) Johann Tobias Kiefer , sonst Razof genannt, ein Metzgerknecht, von Lohr im Churmaynzischen gebürtig, ist in Frankfurt arretirt und am 5. Nov. v. J. hier eingebracht worden. Er hat ehedem zweymal zu Maynz geschanzet, öfters die schwereste Ausbrüche versucht, ist zu Würzburg wegen seinen Begangenschaften ausgepeitscht und auf ewig des Landes verwiesen worden, und hier in dem Gefängniß gestorben.

3) Matthäus Gansert , der Wollenkämmer von Rohrbach genannt, 32 Jahre alt, zu Walldorf im Oberamte Heydelberg gebohren, hat zu Rohrbach, eine Stunde von Heydelberg gewohnet, und Krämerey getrieben. Er giebt an, sein Stiefvater, Sarva Kolb und seine Mutter, Maria Elisabetha Erzerin , von Elzes im Oberamte Hilzbach gebürtig, seyen 1761 in Rohrbach gestorben, und seine Frau, Catharina Stauderin von Zahlbach, welche zuerst den Steinhauer Kayser und hernach den Stroharbeiter Christoph Krug von Bischofsheim, Amts Rüsselsheim, zu Ehemännern gehabt und mit der er zu Otterstadt copulirt worden sey, halte sich in Düsseldorf auf und habe 6 Kinder, nämlich:

a) Francisca, aus der Kayserischen Ehe, so an den Krämer, Johann Kahl zu Hochheim verheurathet sey.

b) Maria Margaretha, aus der Krugischen Ehe, 30 Jahre alt, und von ihm Gansert gezeugt:

c) Margaretha.

d) Johann Sebastian, 6 Jahre alt.

e) Catharina Barbara, 4 Jahre alt.

f) Johannes, die Ostern ein Jahr alt.

Dieser Ganßert hat vor 4 Jahren schon in Frankfurt gesessen, ist zu Düsseldorf in die Gefangenschaft gekommen und von dorther am 13. Jänner d. J. hieher abgehohlet worden.

Diese hiesige 3 Inquisiten haben nicht nur die zur Bande gehörige Kameradschaft, sondern auch was ein jeder für Verbrechen auf sich habe, angezeiget, und erstere also, wie hier folget, beschrieben:

4) Johannes , von Schmalkalden gebürtig, sonst der Schmalkalder Hannes , auch Sachs genannt, ein Papiermachersgeselle und etwa 32 Jahre alt. Als er 1777 zu Meurs gesessen, hat er sich für Johannes Seipel von Umstadt fälschlich angegeben, und die dorther von ihm erhaltene Beschreibung ist diese: daß er kleiner Statur sey, ein schmales eingefallenes Gesicht, auf dem linken Backen einen von der Nase anfangenden Messerschnitt, blaue Augen und hellbraune rund herabhangende Haare habe, in welchen er einen Kamm trage. Bey der Postwagenattaque in der Bergstrase soll er einen schlechten dunkelblauen Rock, gestrieften Brustlappen, leinene Hosen, graue wollene Strümpfe und Rahmenschuhe angehabt und außer Meurs auch schon zu Windecken, Marburg und Oppenheim gesessen haben und überall theils durchgebrochen, theils entwischet seyn, und zu Oppenheim habe er das eine Bein so verfallen, daß er lange habe an Kricken gehen müssen. Die Anna Maria Flankin , so unten vorkommen wird, sey seine Frau und des Wilhelms Frau seine Beyschläferin; auch habe er des stumpfärmigen Johannes (der, als er von Marburg nach Cassel geführt werden sollen, 5 Stunden davon aus dem Gefängnis durchgegangen.) seine Schwester, welche sich bey den Ziegeunern aufgehalten, gehabt. Er soll 2 Mädgen haben.

5) Johannes von Diez , der Diezer Hannes , auch Henrich genannt, gegen 30 Jahre alt, sey etwas dick, habe ein rundes rothes glattes Gesicht mit einer dicken starken Nase, ein weises länglichtes Haar und einen Schnitt am Daumen. Er soll 4 Jahre auf den Galeeren gewesen seyn. So wohl er, als seine Frau, welche Strümpfe stricke und eines Schinders Tochter seyn solle, trügen Közen mit kurzer Waare. Als er das letztemal gesehen worden, habe er ein altes blaues Camisohl, einen Brustlappen von grauem Tuch, schwarze lederne Hosen und blaue Strümpfe getragen.

6) Der Drucker Henrich , welcher Leinwand drucke, habe eine buckeligte spitze Nase und hohe Brust. Er trage in dem linken Ohr ein Ohrgehäng und führe seine Waaren auf einem Maulesel mit sich. Er habe 2 Mädgen und einen Buben, der lahme Hände habe. Unter andern vielen Diebstählen habe er im Hanauischen ein Pferd gestohlen und solches einem Hofmann eine halbe Stunde von Lich verkauft. Bey der Bande seye er der vornehmste und werde auch der kleine Henrich genannt.

7) Anna Eva , des Drucker Henrich seine Frau, habe eine Warze auf dem Backen und vorher den zu Zweybrücken hingerichteten Johann Adolph zum Manne gehabt. Von diesem habe sie zwey Kinder und sitze dermal zu Düsseldorf gefangen. Sie sey auch eine Beyhälterin vom Matthäus Gansert gewesen und habe noch 3 Schwestern, welche mit den Spitzbuben in Gemeinschaft stünden, und zwar sey die eine beym Gottfried, die andere beym Henrich, der sich Seipel nenne, und die dritte beym Hannes mit dem Schuß in der Wade. Der Sau Jacob sey ihr Vater und der Johann Jost ihr Bruder.

8) Der Sau Jacob , ein alter kurzer dicker Mann, und der Vater von eben beschriebenen 4 Schwestern, sey auf Kricken gegangen, weil ihn der Schlag gerührt gehabt, und sey im Friedbergischen auf dem Mist tod gefunden worden.

9) Anna Elisabetha Schreiberin , von Götzen, Amts Schotten gebürtig, etwa 29 Jahre alt. Sie sey des Gundermanns Beyhälterin und bis zu seiner Arretierung seit 8 Jahren bey ihm gewesen, wie sie dann auch 1777 mit ihm in Meurs gesessen habe. Von da wird folgende Beschreibung von ihr gemacht: sie sey mittelmäsiger gesetzter Statur, sehe gut aus, habe lebhaft rothe Wangen, schwarzbraune Haare, und ins Blaue fallende Augen. Sie wird gemeiniglich die Liese , und ihre Mutter, eine kurze dicke Frau, welche der zu Hanau im Gefängniß verstorbene Andreas Boni nach dem Schreiber zur Beyhälterin gehabt habe, des Boni Mariechen , auch Bonisin genannt. Jene, die Schreiberin, solle sich von Rödelheim über Bonames nach dem Siegischen, wo die Eisenhämmer sind, gewendet haben, und vielleicht zu Grenzhaußen und Heer im Churtrierischen aufhalten.

10) Anna Maria Flankin , eine Stiefschwester von des Gundermanns Frau, der Grethge Linkin , ist des Schmalkalder Hanneßen seine Frau, etwa 25 Jahre alt, hat mit ihrem Manne zu Meurs gesessen, von wannen die Beschriebung von ihr eingekommen ist, daß sie zu Flörsheim, 2 Stunden oberhalb Maynz gebohren, langer Statur und von gutem äusserlichen Ansehen sey, schwarze Haare und hellblaue Augen habe, und einen blauen tüchernen Rock und Mutzen und eine besondere Haube von braunem Tuch getragen hätte.

11) Henrich , der sich fälschlich Seipel nennet, hat ebenfalls in Meurs gesessen, von da folgende Beschriebung von ihm gemacht worden ist: er sey ohngefehr 38 Jahre alt und habe, wie der Schmalkalder Hannes , welche beyde sich für Brüder ausgegeben, gethan, von Umstadt gebürtig zu seyn, fälschlich angegeben. Sonst sey er von mittelmäsiger Gestalt, blassen eingefallenen Angesichts, habe blaue Augen und hellbraune Haare, die er in einem Zopf mit einem Kamm über den Kopf stecke. Er solle unter andern bey dem Hauderer Jacob Müller in Frankfurt ehedem als Kutscher gedienet haben, und insgemein der Henrich und seine Frau die Lies genannt worden seyn.

12) Hanns Georg , etwa 19 Jahre alt, handele im hessischen mit irdenem Geschirr, seine ohngefehr 17 jährige Frau sey stammhaft, habe ein schwarzes Gesicht und keine Kinder.

13) Johann Jost , von ohngefehr 20 Jahren, sey ein stammhafter Mannskerl von 5 Schuh 6 Zoll, und habe ein rundes Gesicht. Das schwarzbraune Haar trage er unter dem Kamm und wenn solches geschnitten seye, so krauße es sich. Er gäbe sich auch für einen Bruder vom Johann und Henrich Seipel aus, das aber falsch sey. Zu Windecken habe er auch schon gesessen, sey aber daselbst durchgebrochen. Seine Frau, Anna Maria , eine kleine, schmale und dürre Weibsperson, sitze zu Düsseldorf gefangen, und sonst hätten sie ihre Porcellanwaaren auf 1 Pferd und 3 Eseln geführet. Dessen 4 Schwestern sind sub n.7 zu finden.

14) Conrad , ein langer Mannskerl, habe geschnittene braune in natürliche Locken gekrauste Haare. Seine Frau sey von mittelmäßiger Statur, schön von Gesicht und habe ein Mädchen mit einem kleinen rothen Muttermaal im Gesicht.

15) Friedrich Reichert , welcher von hier mit dem Jacob Herr , eigentlich Heß genannt, der am 20. Jan. 1775 zu Maynz geköpft wurde, dahin gebracht worden, ist ein Knopfmacher von Colbach im Büdingischen, und ein Schwager von des Ganserts Tochtermann. Er hat 6 Jahre zu Maynz geschanzet.

16) Gottfried , gebe sich für Nickes aus, sey 5 Schuh, 5 Zoll gros, habe ein schwarzes Gesicht und Haar, ein aufgeworfenes Mohrenmaul, und sehe sehr graß aus den Augen. Gundermann giebt an, er habe ihn mit unter die Preussen unter das Salomonische Regiment genommen, wo er vielleicht noch stehe. Er habe des Christians Frau, Catharine geheurathet.

17) Justus Flanck , etwa 18 Jahre alt, habe ein schwarzes Gesicht und dergleichen krauße Haare, sey noch ledig und habe bey einem Preußischen Freycorps, so in Berlin reduciret worden, gestanden. Er sey ein Schwager vom Schmalkalder und vom Carl, und habe vor 7 Jahren zu Alzey gefangen gesessen.

18) Philipp von Bieberich , sey ein groser Mensch, habe noch keinen Bart und trage bald einen Zopf, bald schlage er die Haare auf. Er soll seines Handwerks ein Schumacher, zu Bieberich Bedienter gewesen und von da hinweggejagt worden seyn. Mit seiner Frau und 2 Kindern habe er die Ostermesse v. J. zu Sachsenhaußen im Adler logirt.

19) Grethge Linkin , gebe sich fälschlich von Weydenhaußen im Hachenburgischen gebürtig zu seyn an. Gundermann sagt, er sey vor 17 Jahren im Franciskanerkloster zu Wetzlar mit ihr copulirt worden, habe sie aber bereits vor 9 Jahren verlassen und nun hielte sie sich beym Carl auf. Des Schmalkalder Hannes seine Frau sey ihr Stiefschwester und vor 10 Jahren sey sie bey der Mudacher Höhe arretirt und, wie er glaube, nach Erbach geführet worden, da sie aber durchgegangen sey. Auch hätte sie und ihre Mutter Marielies zu Braunfels, Hadamar, Cassel, woselbst sie entwischet, wie auch zu Coblenz gesessen.

20) Marielies , der eben beschriebenen Greth(g)e Linkin ihre Mutter, und des alten Hannes seine Frau, sey ein langes schwarzes Weibsbild mit einem langen Gesicht und schwarzen Haaren und sey dreymal, nemlich zu Hachenburg , Limburg und Weilburg gebrandmarket worden.

Aus: Actenmäsige Beschreibung derer von denen hiesigen Inquisiten entdeckten meistens zur sogenannten Oberländischen oder Wetterauischen Räuber- und Spitzbuben-Bande gehörigen Personen, beyderley Geschlechts, und der von denselben theils wirklich verübten, theils vorgehabten Straßenraubereyen, Diebstählen und anderer Verbrechen, wie sie von jenen ebenfalls angezeiget worden, Darmstadt: Fürstliche Hof- und Canzleybuchdruckerey 1781, S. 5-10

 

Fenster schließen