Es ist soweit – es gibt wieder
ein Kinoprogramm im Deutschen Historischen Museum.
Nachdem das Zeughaus wegen der Renovierung und
Herrichtung für die Aufgaben eines modernen
Ausstellungsgebäudes noch weiterhin geschlossen
bleiben muss, ist das Zeughauskino ab 16. Januar
wieder geöffnet. Dabei konnte der denkmalgeschützte
Kinosaal ebenfalls behutsam modernisiert werden:
die Besucher dürfen sich nun an bequemen
Sesseln und einer noch einmal verbesserten technischen
Ausstattung erfreuen. Eine neue Anordnung der
Sitze erlaubt auf allen Plätzen eine gute
Sicht auf die Leinwand. Zudem konnte endlich der
Zugang behindertenfreundlich gestaltet werden.
Wie schon früher bietet das
Kino optimale Bedingungen für die Vorführung
von Filmen aus allen Perioden der Filmgeschichte.
Sowohl die Bildprojektion wie die Tonwiedergabe
sind auf den neuesten technischen Stand gebracht,
doch ist auch die Wiedergabe nicht mehr gebräuchlicher
Formate weiterhin ohne Einschränkungen möglich.
Das neue Programmschema des Zeughauskinos
sieht jeweils zwei Vorstellungen von Donnerstag
bis Sonntag vor. Die Filmauswahl wird weiterhin
thematische Schwerpunkte setzen und Querschnitte
durch die Filmgeschichte, Retrospektiven, Wiederentdeckungen
ermöglichen. Das nach einer auch für
uns unerwartet langen Zeit wiedereröffnete
Kino freut sich auf den Dialog mit dem Publikum,
auf Anregungen, Kritik, Vorschläge. Das erste
Dreimonatsprogramm gibt einen ersten Eindruck
von den Möglichkeiten des Filmprogramms in
einem historischen Museum. Es ist Neuanfang und
Wiederaufnahme zugleich.
Mit Beispielen aus der Filmsammlung
des Deutschen Historischen Museums beginnt das
Zeughauskino sein neues Programm. Die Reihe Aus
dem Archiv: Film und Geschichte versammelt Filme,
die in ganz verschiedener Hinsicht für dieses
Thema relevant sind. Interessant als Filme sind
alle diese Beispiele. Sie belegen aber auch, dass
Geschichte Konstruktion ist. Weder die Spielfilme
– mögen sie sich um historische Treue
bemühen oder im Hinblick auf vermutete Zuschauervorlieben
darauf gleich ganz verzichten – noch die
Dokumentar- und Essayfilme des Programms verleugnen
das. Filme können Geschichte bezeugen, reflektieren,
erzählen, nachstellen. Sie bleiben Formen,
die sich mit den Mitteln einer spezifischen Kunst
dem Vergangenen im besten Falle zu nähern,
manchmal aber es auch nur zu benutzen versuchen.
Filme erzählen von »ihrer
Zeit«, ihrer Entstehungszeit, auf eine Weise,
die ebenso vermittelt ist wie jene anderer Überlieferungen
– die aber in einem Aspekt auch deutlich
unvermittelter ist, im bildlichen Zeugnis nämlich.
Ob sich »die 70er Jahre« letztlich
als eine ganz und gar besondere Dekade identifizieren
lassen oder nicht, mag dahin gestellt bleiben.
Dass aber eine Veränderung des »amerikanischen«
Lebensgefühls, eine besondere Weise, davon
zu erzählen, in Filmen enthalten ist, die
als »New Hollywood« berühmt wurde,
davon legt die Retrospektive der 54. Internationalen
Filmfestspiele Zeugnis ab. Ein großer Teil
dieser Filme wird im Zeughauskino als offizielle
Spielstätte der »Berlinale« gezeigt.
Zudem wird mit Welcome Mr. Marshall – Selling
Democracy während der Filmfestspiele eine
filmhistorische Reihe gezeigt, die an frühere
Programme des Zeughauskinos anknüpft und
sie nun erweitert und in Kooperation mit der Berlinale
einem internationalen Publikum vorstellt.
Im März widmet sich das Programm
einerseits dem Werk von Harun Farocki, anderseits
einer Gruppe von Filmemachern, die als »(Zweite)
Berliner Schule« bezeichnet wurde. Farocki
gehört zu den interessantesten deutschen
Regisseuren. Die kleine Werkschau konzentriert
sich auf Arbeiten aus den letzten zehn Jahren,
in denen die Fragen der heute aktuellen Bildwelten
– zusammengesetzt aus Reklame, Überwachung,
Imitation, bewusstem Zitat – zentral sind.
Die »Berliner Schule«,
gewiss keine homogene Gruppe, ist vielleicht nur
der Name, den die Filmkritik einer Reihe von Regisseurinnen
und Regisseuren verliehen hat, um eine schwer
greifbare Ähnlichkeit zu bezeichnen. Sie
hat mit der Aufmerksamkeit für alltägliche
Dinge, für die Welt direkt vor der Tür
zu tun – und mindestens im gleichen Maß
auch mit einem Formbewusstsein dafür, wie
dies darzustellen sei. Die Reihe vereint bekanntere
Film der Regisseurinnen und Regisseure mit frühen,
schwer zugänglichen Filmen.
Rainer Rother
Programm
Januar - März
Januar
Donnerstag 15.01.2004
ERÖFFNUNG DES ZEUGHAUSKINOS
Geschlossene Veranstaltung
Freitag 16.01.2004
19.30 |
BUNDESZENTRALE
FÜR POLITISCHE BILDUNG Die
Rückkehr der Familiengeschichten
Ein Gespräch Eintritt frei |
|
|
Samstag 17.01. 2004
Sonntag 18.01.2004
Donnerstag 22.01.2004
Freitag 23.01. 2004
Samstag 24.01. 2004
Sonntag 25.01.2004
Donnerstag 29.01.2004
Freitag 30.01. 2004
19.30 |
BUNDESZENTRALE
FÜR POLITISCHE BILDUNG Die
Rückkehr der Orte
Ein Gespräch Eintritt frei |
Samstag 31.01.2004
Februar
Sonntag 01.02. 2004
Donnerstag 05.02.2004 Spielfrei
Donnerstag 19.02.2004
Freitag 20.02. 2004
Samstag 21.02. 2004
Sonntag 22.02. 2004
Donnerstag 26.02.2004
Freitag 27.02.2004
Samstag 28.02. 2004
Sonntag 29.02.2004
März
Donnerstag 04.03.2004
Freitag 05.03.2004
Samstag 06.03. 2004
Sonntag 07.03. 2004
Donnerstag 11.03.2004
Freitag 12.03. 2004
Samstag 13.03.2004
Sonntag 14.03.2004
Donnerstag 18.03.2004
Freitag 19.03. 2004
Samstag 20.03.2004
Sonntag 21.03. 2004
Donnerstag 25.03.2004
Freitag 26.03.2004
Samstag 27.03. 2004
Sonntag 28.03. 2004
Januar
The Golden Coach
Le carosse d'or Frankreich/Italien
1953,
R: Jean Renoir, D: Anna
Magnani, Duncan Lamont, Odoardo Spadaro,
Riccardo Rioli, Paul Campbell, 102' I englische
Fass.
»Die Handlung von
›Le carosse d'or‹ spielt im
achtzehnten Jahrhundert. Der wichtigste
Bestandteil ist eine Karosse, die der Vizekönig
von Peru aus Europa hat kommen lassen. Seine
offizielle Geliebte hofft, ihr werde die
Karosse zufallen. Der Vizekönig aber
ist betört von der Hauptdarstellerin
einer herumreisenden Commedia-dell' Arte-Truppe.
Er gibt ihr die Karosse und löst damit
eine Palastrevolution aus. Die Schauspielerin,
la Péricole, bringt
die Angelegenheit wieder in Ordnung, indem
sie die Karosse dem Erzbischof von Lima
zum Geschenk macht. Mein wichtigster Mitarbeiter
bei diesem Film war der selige Antonio Vivaldi.
Ich habe das Drehbuch beim Klang der Platten
des Meisters geschrieben.
Sein Theatersinn, sein Geist haben mich
zu Lösungen in der besten Tradition
der italienischen Theaterkunst gebracht.«
(Jean Renoir)
am 17.01.2004 um 18.15 Uhr
am 19.02.2004 um 20.30 Uhr |
Cabaret
USA 1972, R: Bob Fosse,
D: Liza Minelli, Joel Grey,
Michael York, Helmut Griem, 117' I OF
Bob Fosse gelingt mit der
Verfilmung des Broadway-Musicals »Cabaret«
ein neuer Anfang in diesem Genre. Der Film
wird nicht nur sein erster großer
kommerzieller Erfolg, sondern führt
auch einen neuen Stil des dramatischen Musicals
ein. Vorbei ist es mit der heilen Welt,
der beschwingt-fröhlichen Unterhaltung
früherer Musical-Zeiten. Fosse bettet
seine Love-Story zwischen der kapriziösen
amerikanischen Nachtclub-Sängerin Sally,
die es nach Berlin verschlagen hatte, und
einem jungen Engländer in den historischen
Rahmen des Jahres 1931. Während sich
die Berliner Bevölkerung noch in den
Nachtclubs amüsiert, dringt der braune
Terror immer weiter vor. Der politische
Hintergrund wird im Film sehr viel stärker
herausgearbeitet als in der Bühnenvorlage.
Der Film geht auf Augenzeugenberichte des
englischen Schriftstellers Christopher Isherwood
zurück, der in den frühen dreißiger
Jahren in der Nähe des Nollendorfplatzes
gewohnt hat. Für Liza Minelli, Tochter
von Vincente Minelli, die bereits in früher
Kindheit neben ihrer Mutter Judy Garland
auf der Bühne stand, bringt der Film
den internationalen Durchbruch.
am 17.01.2004 um 20.30 Uhr
am 21.02.2004 um 18.15 Uhr |
Winstanley
Großbritannien 1975,
R: Kevin Brownlow, Andrew
Mollo, D: Miles Halliwell, Jerome Willis,
Terry Higgins, 96' I OF
»1649. Armut und Unruhe
überziehen England in Folge der Bürgerkriege.
Eine Gruppe von verarmten Frauen und Männern,
bekannt als die ›Diggers‹, gründen
unter der Leitung von Gerrard Winstanley
eine Siedlung auf dem St. George's Hill.
Sie waren christliche Kommunisten. Die von
Winstanley veröffentlichten Pamphlete
werden im Britischen Museum aufbewahrt.
Karl Marx hat sie aufmerksam gelesen.«
(Kevin Brownlow)
»Winstanley« ist ein sorgfältig
rekonstruierter historischer Spielfilm über
die Bewegung um Gerrard Winstanley im England
Cromwells um die Mitte des 17. Jahrhunderts.
Im Mittelpunkt steht der Versuch Winstanleys,
die auf dem St. George’s Hill errichtete
Kommunardensiedlung gegen die Übermacht
der Besitzenden zu behaupten. Doch die Realisierung
seiner Ideen vom Gemeinbesitz an Boden scheitert
an der Wirklichkeit der damaligen Besitzverhältnisse
und bleibt bis zur Gegenwart Utopie. »Das
ist die Bilanz eines überaus schönen
und traurigen Films, dessen visuelle Kraft
an die großen Meisterwerke der Stummfilmzeit
erinnert.« (Lexikon des Internationalen
Films)
am 18.01.2004 um 18.15 Uhr
am 26.02.2004 um 20.30 Uhr |
It
Happened Here
Es geschah hier Großbritannien
1966, R: Kevin Brownlow,
Andrew Mollo,
D: Pauline Murray, Sebastian Shaw, Fiona
Leland, 101' I OF
Was wäre gewesen, wenn
die Deutschen in England nicht nur gelandet
wären, sondern es vollkommen besetzt
hätten? In einem orwellesken Alptraum
entwirft Brownlow das Szenario eines Königreichs,
in dem Partisanen erbittert gegen die »Blackshirts«
ankämpfen und für ihre Überzeugung
sterben müssen, während die große
Masse der Engländer sich den Maßnahmen
der Nationalsozialisten ohne Widerstand
unterwirft. Der Film widersprach provokativ
dem Mythos, dass es für die Engländer
völlig ausgeschlossen wäre, mit
den Nazis zu kollaborieren. Kevin Brownlow
war erst 18 Jahre alt und sein Co-Regisseur
Andrew Mollo 16 Jahre als sie 1956 mit den
Arbeiten zu diesem pseudo-dokumentarischen
Spielfilm begannen. Nach Jahren harter Arbeit
und mit der Hilfe von hunderten Volontären
wurde »It Happened Here« erst
1964 fertig gestellt. Und als United Artists
den Film dann 1966 erstmals zeigte, waren
sieben Minuten kontroversen Materials der
Schere zum Opfer gefallen. Im Zeughauskino
kommt die vollständig rekonstruierte
Fassung zur Aufführung.
am 18.01.2004 um 20.30 Uhr
am 26.02.2004 um 18.15 Uhr |
Johnny Got His Gun
Johnny zieht in den Krieg
USA
1971, R: Dalton Trumbo,
D: Timothy Bottoms, Kathy Fields,
Donald Sutherland, 114' I OF
Der 17jährige Bäcker
Johnny meldet sich nach Ausbruch des Ersten
Weltkriegs freiwillig bei der US Army. Im
Feld wird er von einer Granate getroffen
und fast völlig zerfetzt: er verliert
nicht nur Arme und Beine, sondern auch sämtliche
Sinnesorgane. Aus medizinischer Neugier,
bzw.2004 um zu sehen, wie lange er wohl eine
derartige Tortur durchsteht, lassen die
Ärzte ihn am Leben. Allerdings begehen
sie den Fehler zu glauben, in einem derart
verunstalteten Körper könne kein
funktionierender Geist mehr stecken. Doch
dieser Soldat denkt noch! Nur eine sensible
Krankenschwester versteht allmählich,
was er ihr durch seine rhythmischen Kopfbewegungen
mitteilen will. Sie ist seine einzige Hoffnung
und will ihm seinen letzten Wunsch erfüllen.
Heimlich plant sie, die Maschinen abzustellen...
Der Film, basierend auf Trumbos gleichnamigen
Roman, der 1939 zum Bestseller wurde und
nach dem Eintritt der USA in den Krieg aus
den Buchhandlungen verschwand, erzählt
was in Johnny vorgeht, wie er – bei
klarem Verstand, nur äußerlich
unvorstellbar entstellt – zu sich
selbst findet und versucht, der Umwelt zum
Mahnmal und Symbol für den Wahnwitz
des Krieges zu werden. Bei aller Härte
und Brutalität ein sehr fesselnder
und sinnlicher Film, dessen Finsternis und
Ausweglosigkeit den Betrachter derart in
den Bann zieht, dass das Ausmaß des
realen Kriegsgeschehens und seiner entsetzlichen
Folgen neben dem eigentlichen Filmgeschehen
bewusst gemacht wird.
am 22.01.2004 um 18.15 Uhr
am 22.02.2004 um 20.30 Uhr |
Unforgiven
Erbarmungslos
USA 1992, R: Clint Eastwood,
D: Clint Eastwood, Gene Hackman, Morgan
Freeman, 131' I OF
Hollywood-Actionheld und
Regisseur Clint Eastwood entmythologisiert
in »Unforgiven« das Genre des
Westerns – der Film bringt ihm große
künstlerische Anerkennung der Kritiker
und den Gewinn von drei Oscars. Eastwood
selbst spielt den einst gefürchteten
Revolverhelden Bill Munny, der alt und gebrochen
als Witwer lebt. Noch einmal macht er sich
aber mit seinem schwarzen Freund Ned Logan
(Morgan Freeman) auf die Suche nach zwei
Brüdern, auf die wegen Misshandlung
einer Prostituierten ein Kopfgeld ausgesetzt
worden ist. Munny, früher ein rücksichtsloser
Killer, versucht anfangs, seinen Auftrag
friedlich auszuführen; doch die Provokationen
seiner Umgebung, u.a. in Person des zynischen
Sheriffs Little Bill Daggett (Gene Hackman),
lassen Munny keinen Ausweg mehr sehen: Es
kommt zu einem dramatischen, gewalttätigen
Showdown. »›Unforgiven‹
ist, stärker noch als ›Josey
Wales‹, das Werk der Abkehr, der Revision,
vielleicht auch Selbstkritik (wenn auch
nicht ohne Konzessionen ans Heldische) in
Eastwoods Karriere. Es ist eine schonungslose
Chronik der Selbsttäuschung und der
Scham.« (Gerhard Midding)
am 22.01.2004 um 20.30
Uhr
am 27.02.2004 um 18.15 Uhr
|
The Life and Death
of Colonel Blimp
Leben und Sterben des
Colonel Blimp
Großbritannien 1943,
R+P: Michael Powell, Emeric Pressburger,
D: Deborah Kerr, Roger Livesey, Anton Walbrook
(Anton Wohlbrück), Albert Lieven,
163' I OF
1902: Der junge Soldat Clive
Candy soll in Berlin einem deutschen Spion
eine Falle stellen. Als Candy den Spion
im Affekt bewusstlos schlägt, sinnen
dessen Freunde auf Rache: Candy habe die
deutsche Armee beleidigt. Candy muss sich
mit einem ihm unbekannten Mann namens Theo
Kretschmar- Schuldorff duellieren –
und findet sich kurz darauf mit ihm im Krankenhaus
wieder. Die beiden Männer lernen sich
dort näher kennen und werden über
die Liebe zu einer Frau Freunde. Der Film
spannt einen Bogen vom deutschen Kaiserreich
bis in die Tage des Zweiten Weltkriegs und
beobachtet, wie sich die Freundschaft zwischen
einem Engländer und einem Deutschen
über die Jahre hin entwickelt. Angelegt
war das ursprünglich als Propagandafilm,
der die Kampfmoral der britischen Zivilbevölkerung
und der Truppen stärken sollte. Doch
die Regisseure Powell und Pressburger eckten
an: In England fand man, ihr Werk zeichne
den Deutschen zu positiv. Ein ganzes Jahr
lang führte Sir Winston Churchill einen
erbitterten Kampf um die Dreharbeiten, um
später die Aufführung eines Films
zu vereiteln, der nach seiner Ansicht »die
Disziplin der Armee unterminiere.«
Churchills Einfluss auf die britische Filmproduktion
konnte den Film nicht verhindern, bestimmte
aber immerhin die dauernden Änderungen
und Kürzungen (von 163 auf 93 Minuten).
Erst Ende der 70er Jahre konnte das Britische
Filminstitut eine fast vollständige
Rekonstruktion des Films durchführen.
am 23.01.2004 um 20.00 Uhr |
Schindler's List
Schindlers Liste
USA 1993, R: Steven Spielberg,
D: Liam Neeson, Ben Kingsley, Ralph Fiennes,
Caroline Goodall, Jonathan Sagalle, 178'
I OF
Die Basis für den Film
lieferte der 1982 erschienene dokumentarische
Roman des Australiers Thomas Keneally, der
die Rettung von ca. 1100 Krakauer Juden
durch den sudetendeutschen Industriellen
Oskar Schindler im Herbst 1944 beschreibt.
Schindler, der 1939 im Gefolge der deutschen
Wehrmacht nach Krakau gekommen war, hatte
dort eine Emailwarenfabrik eingerichtet
und Juden als billige Arbeitskräfte
angeworben. Als 1943 das Krakauer Ghetto
ausgelöscht wurde, richtete Schindler
mit Genehmigung der SS auf dem Gelände
seiner Fabrik ein eigenes Lager ein und
konnte 1944, als die letzten noch lebenden
polnischen Juden nach Auschwitz abtransportiert
wurden, durch eine Liste, die sein Buchhalter
Itzhak Stern und er aus dem Kopf zusammengestellt
hatten, 1100 Menschen durch eine Evakuierung
ins tschechische Brünnlitz retten.
»Mit ›Schindlers Liste‹«,
so urteilt Andreas Kilb, »ist Spielberg
gelungen, was noch kein europäischer
oder amerikanischer Regisseur geschafft
hat: die Geschichte der Ghettos und Konzentrationslager
in eine Kino-Fiktion zu verwandeln, ohne
sie durch kitschige oder billig-brutale
Effekte zu entstellen.«
am 24.01.2004 um 20.00 Uhr
|
The Fall of the
Roman Empire
Der Untergang des Römischen
Reiches
USA 1963, R: Anthony Mann,
D: Sophia Loren, Stephen Boyd, Alec Guinness,
Christopher Plummer, 165' I OF
Kaiser Marc Aurel regiert
im zweiten Jahrhundert nach Christus über
das riesige Römische Reich. Als Nachfolger
hat er den Tribun Livius auserkoren, da
er seinen lasterhaften Sohn Commodus für
ungeeignet hält, das Amt zu übernehmen.
Aber Commodus zettelt eine Verschwörung
an, der Marc Aurel zum Opfer fällt,
und wird so schließlich doch Kaiser
von Rom. Dies ist die Zeit, in der der Untergang
Roms beginnt. Das liegt eher an Commodus
als an der Verfassung des Reiches, hier
bei Anthony Mann jedenfalls. Immerhin ist
es ein wirkungsvoll inszenierter Untergang.
Der ebenso grausame wie lebenshungrige Kaiser
Commodus gewinnt zwar eine großartig
angelegte Schlacht gegen die Barbaren, am
Ende aber unterliegt er. Der historische
Hintergrund ist angereichert mit einer sentimentalen
Liebesgeschichte, mit Intrigen bei Hofe
und einer herzergreifenden Vater-Tochter-
Beziehung. Und alles ist in einer herrlichen
originalen Technicolor-Kopie zu sehen! Anthony
Manns Epos über den Untergang Roms
ist ein Beispiel für einen großangelegten
unterhaltsamen Hollywoodfilm ohne Anspruch
auf Geschichtstreue.
am 25.01.2004 um 20.00 Uhr |
Architektur des
Untergangs
Undergangens Arkitektur
Schweden 1989, B+R: Peter
Cohen, Sprecher: Bruno Ganz, 119'
Cohen versucht mit Hilfe
von kaum bekanntem, aber wichtigem Bildmaterial,
die oft schon ausgewerteten berühmten
Filmdokumente aus der NSZeit neu zu deuten.
Er untersucht die Verbindungen zwischen
dem Schönheitskult der Nazis, der pervertierten
Ästhetik, mit der dieses Regime seine
Herrschaft als Gesamtkunstwerk gestalten
wollte, und der Barbarei, die es in der
Realität war. Der nationalsozialistische
Schönheitskult sollte ein gesellschaftliches
Klima schaffen, das eine Ausrottungspolitik
gegenüber Menschen und Völkern
legitimierte, die – nach Ansicht der
Faschisten – nicht dem Bild von »vollkommener
Schönheit« entsprachen. »Wer
in den Nazis und ihren Anführern nur
Verbrecher oder Geistesgestörte sieht,
wird das keineswegs bloß politische,
sondern vor allem ästhetische Projekt
des Tausendjährigen Reiches nicht begreifen.
Und damit auch nicht den Schrecken, den
die Exekution dieses ›Gesamtkunstwerkes‹
hervorrufen musste.« (Hans-Joachim
Neumann)
am 29.01.2004 um 18.15 Uhr
am 21.02.2004 um 20.30 Uhr |
Baumeister des Sozialismus
DDR 1953, R: Theo Gandy,
Ella Ensink, 90'
Der Film ist eine Besonderheit:
mit ihm sollte in der jungen DDR Walter
Ulbricht als Führergestalt popularisiert
werden. Die Zielsetzung ist dem Kult um
Stalin vergleichbar, wie er damals in der
Sowjetunion gepflegt wurde. Formell allerdings
war Ulbricht zur Entstehungszeit des Films
noch nicht der ranghöchste Politiker
der DDR – faktisch aber schon der
mächtigste. Die Glorifizierung ergibt
ein seltsames Schauspiel: Ulbricht scheint
überall zu sein und für alles
verantwortlich, neben ihm treten Pieck und
Grotewohl in die zweite Reihe zurück.
Der Film wurde nach den Arbeiterprotesten
vom 17. Juni 1953 gar nicht erst aufgeführt:
die Präsentation dieses Ulbricht-Bildes
schien angesichts der Demonstrationen und
Proteste nicht länger opportun. Daraufhin
verschwand der Film in den Archiven und
wurde erst 1997 vom Leiter des Zeughauskinos
wiederentdeckt. Dort erlebte er seine Erstaufführung
– als Dokument einer überwundenen
Zeit.
am 29.01.2004 um 20.30 Uhr
am 22.02.2004 um 18.15 Uhr |
Jeanne la pucelle
(1): Les batailles
Johanna die Jungfrau
(1): Die Kämpfe
Jeanne la pucelle (2):
Les prisons
Johanna die Jungfrau
(2): Die Gefängnisse
Frankreich 1992-1994,
R: Jacques Rivette, D: Sandrine Bonnaire,
Tatiana Moukhine, André Marcon, Bernard
Sobel, Florence Darel, 160' und 176' I OmU
»Rivette wagt sich
an die Gestalt einer höchst offiziellen
Heiligen, Jeanne d'Arc, die bei ihm, wie
zu ihrer Zeit, Jeanne la pucelle, Johanna,
die Jungfrau, genannt wird. Rivette schildert
ihren Weg in den zwei Jahren ihres öffentlichen
Auftretens (Januar 1429 bis Mai 1431), der
zunächst ein Weg des Aufstiegs ist
in der Erfüllung ihrer Mission, der
Rettung Frankreichs durch die Befreiung
der Stadt Orléans und die Königskrönung
in Reims. Dann folgt der Abstieg: Fehlschläge
und Misserfolge bis zur Hinrichtung auf
dem Scheiterhaufen in Rouen. Rivette berichtet
die Geschehnisse in der Art eines Chronisten.
Er holt Jeanne von allen ideologischen Sockeln,
gibt ihr menschliche Lebendigkeit und Nähe,
wahrt das Geheimnis ihrer Berufung.«
(Rainer Gansera) Teil (1) begleitet eine
hartnäckige Jeanne, die zum Dauphin
vordringt, sich in eine Kriegerin verwandelt,
eine darniederliegende französische
Armee zum Kampf gegen die Engländer
und ihre Verbündeten zu begeistern
versteht, und Orléans befreit. Teil
(2) fährt mit der siegreichen Jeanne
fort, bis zur Krönungszeremonie des
Königs, die zugleich eine Trennungszeremonie
von Jeanne ist. Danach ist sie vom glänzenden
Stern ihres Erfolgs verlassen.
Teil (1) am 31.01. und am
28.02. jeweils um 17.00 Uhr
Teil (2) am 31.01. und am 28.02. jeweils
um 20.00 Uhr |
Februar
Hsimeng jensheng
The Puppetmaster Taiwan/Japan
1993, R: Hou Hsiao-hsien, D: Lin Chung,
Cheng Kuei-chung, Cho Ju-wei, Hung Liu,
Bai Ming-hwa,
142' I OF mit dt. + franz. Ut
Ein ganzes Jahrhundert Geschichte
spiegelt Hou Hsiao-hsien am Leben des berühmten
Puppenspielers Li Tien Lu. Geboren am Vorabend
des Ersten Weltkriegs, durchlebte dieser
die japanische Besetzung und die US-Bombardements.
Mit 84 Jahren fasste Li Tien Lu die Ereignisse
seines Lebens zusammen und denkt über
die Mächte nach, die sein bewegtes
Leben geformt haben. Mit einer Stilsicherheit,
die ihresgleichen sucht, blendet Hou Hsiao-hsien
zurück aus den Erzählungen des
steinalten Mannes, dessen Arbeit stets in
mehr oder weniger direktem Bezug stand zur
Geschichte. Als Puppenspieler reiste er
jahrzehntelang durchs Land, führte
seine Stücke auf, in denen sich das
aktuelle Leben widerspiegelte. Hou Hsiao-hsien
ist ein Meister der Fixeinstellungen, vergleichbar
in der Konsequenz ihrer Handhabung mit dem
Japaner Yasujiro Ozu. Mit ruhender Kamera
hält er einen Ausschnitt fest, in dem
das Leben sich bewegt oder ruht –
und langsam füllen sich die Bilder
mit Sinn.
am 01.02.2004 um 18.15 Uhr
am 20.02.2004 um 20.30 Uhr |
Haonan, haonü
Good Men, Good Women
Taiwan/Japan 1995, R:
Hou Hsiao-hsien, D: Annie Shizuka Inoh,
Lim Giong, Jack Kao, 110' I OF mit dt. +
franz. Ut
Der Film erforscht die Zusammenhänge
zwischen dem zeitgenössischen Taiwan
und der Geschichte der Insel während
der politischen Unruhen der vierziger und
fünfziger Jahre. Die Story konzentriert
sich auf die Schauspielerin Liang Ching,
die sich darauf vorbereitet, in einem Film
über den sogenannten »Weißen
Terror« mitzuspielen, die frühen
fünfziger Jahre, als die taiwanesische
Regierung Jagd auf Kommunisten und Intellektuelle
machte. Während der Film voranschreitet,
verschwimmen die Unterschiede zwischen Liang
Ching und der Figur, die sie zu spielen
hat, immer mehr. »Der Film ist der
dritte Teil meiner Trilogie über das
Taiwan des 20. Jahrhunderts – nach
›City of Sadness‹ und ›The
Puppetmaster‹. Die Geschichte bezieht
sich auf ein Paar, das es wirklich gegeben
hat, Chiang Bi-yu und Chung Haotung. Ihr
patriotisches Bestreben, ihr Land zu verteidigen,
führte sie dazu, nach China zu gehen,
wo sie sich der Untergrundbewegung in der
Provinz Guangdong anschließen wollten.
Stattdessen sahen sie sich dem Verdacht
ausgesetzt, japanische Spione zu sein, und
wären beinahe hingerichtet worden.
« (Hou Hsiao-hsien)
am 01.02.2004 um 20.45 Uhr
am 29.02.2004 um 18.15 Uhr |
Die
Patriotin
BRD 1979, R: Alexander
Kluge,
D: Hannelore Hoger, Alfred Edel, Dieter
Mainka, 121'
In dem Film vagabundiert
ein seltsames Trio durch die deutsche Geschichte:
die Geschichtslehrerin Gabi Teichert, die
nachts in ihrem von bläulichem Dampf
durchzogenen Keller-Labor Bücher zersägt,
ihr leiser Komplize und Erfinder Alexander
Kluge und ein am 29. Januar 1943 von seinem
Besitzer, dem Obergefreiten Wieland, im
Nordkessel von Stalingrad gewaltsam getrenntes
Knie. Gabi Teichert redet, manchmal feurig,
manchmal müde, Alexander Kluge redet,
immer leise. Das Knie redet auch: »Es
gibt einige Leute, die bestreiten, dass
ein Knie reden und Stellung nehmen könnte.
Nun, das ist durch die Tatsache widerlegt,
dass ich ja hier rede...« »Wenn
man eine Formel finden müsste für
diese Geschichts-Revue, die sich allen,
aber auch wirklich allen Formeln und Einebnungsversuchen
versperrt, könnte man mutmaßen:
eine Kollaboration von Christian Morgenstern
und Karl Marx, von den Gebrüdern Grimm
und dem schizophrenen Dichter Alexander
Merz.« (Hans C. Blumenberg)
am 19.02.2004 um 18.15 Uhr
am 27.02.2004 um 20.45 Uhr
|
Operai, contadini
Arbeiter, Bauern
Italien/Frankreich/ Deutschland
2000, R: Danièle Huillet, Jean-Marie
Straub, D: Angela Nugara, Giacinto Di Pascoli,
Giampaolo Cassarino, 123' I OmU
Der Titel »Operai,
contadini« klingt wie ein Manifest
des gesamten Werks von Straub/Huillet. Der
Film erzählt von der Aufbruchstimmung
nach dem Krieg und dem persönlichen
Durcheinander in einer neu formierten Dorfgemeinschaft
aus Arbeitern und Bauern. Die Dialoge und
Figuren-Konstellationen entnahmen die Straubs
aus Kapiteln des Romans »Le donne
di Messina« von Elio Vittorini. Vittorini
erzählt in seinem Roman von einer Gruppe
von Männern und Frauen, die versuchen,
in einem verlassenen Dorf im Apennin aus
den Kriegs-Trümmern ein neues Leben
aufzubauen. In der Mitte des knapp 300seitigen
Romans hält das Geschehen inne, und
an dieser Stelle setzt »Operai, contadini«
ein. Die Straubs haben die Kapitel 44 bis
47 des Romans, in der die Protagonisten
ihre Geschichten erzählen und sich
über sich verständigen, in einem
zweistündigen Film umgesetzt. In scharfem
Kontrast zum Winter, der in dem Text beschworen
wird, haben sie ihre Darsteller in einem
frühlingshaft blühenden Tal in
der Toskana platziert und haben mit Laiendarstellern
aus Buti gearbeitet.
am 20.02.2004 um 18.15 Uhr
am 29.02.2004 um 20.30 Uhr |
März
ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG
»Dreh in diesem
Dorf, geh nicht nach Paris«
(Harun Farocki)
Ein Abend für einen
großen Regisseur
Laudatio: Bert Rebhandl
anschließend Filmvorführung
Harun Farocki ist anwesend
am 04.03.2004 um 20.30 Uhr |
Ein Tag im Leben
der Endverbraucher
D 1993, R+B: Harun Farocki,
Assistenz: Aysun Bademsoy, Mitarbeit: Christian
Petzold, 44' I Video
Worte und Spiele
D 1998, R: Harun Farocki, 68' I Video
Ein Tag im Leben der
Endverbraucher – »Der Titel
mutet wie eine Paraphrase von Marcuse auf
Solschenizyn an. Der Film, ausschließlich
aus Werbespots zusammengesetzt, widergibt
den Tagesablauf des bundesdeutschen Verbrauchertums.
Der Autor bedient sich dabei nur des Schnitts
und verzichtet auf jedweden Eigenkommentar.
Einige Hundert Spots wurden ausgewählt,
um die Archetypen des Alltags zu dokumentieren:
vom Zähneputzen in der Früh bis
hin zum nächtlichen Alptraum, vielleicht
doch nicht ausreichend versichert zu sein.«
(...) Der Film »zieht vor allem einen
Schlußstrich unter den Zeitgeist der
80er Jahre, als das ›Kapital‹
vom Geld unterwandert wurde.« (Andrei
Ujica)
Worte und Spiele – »Die neuen
Produktionsanlagen für die täglichen
Talkund Game-Shows liegen an den Peripherien
der Großstädte, in Unterföhring
bei München an einer Verlängerung
der Bahnhofstraße, die Medienallee
benannt ist. Der wichtigste Rohstoff dieses
Industriezweiges, der so neu ist, dass er
seine Kosten und Extrakosten, Profite und
Extraprofite noch nicht zuverlässig
voraussehen kann, ist der Alltagsmensch.
Der ist billig und will sich zur Erscheinung
bringen, aber hat er einen Schauwert?«
(Harun Farocki)
am 04.03.2004 um 18.15 Uhr
am 12.03.2004 um 20.30 Uhr |
Gefängnisbilder
D 2000, R+B: Harun Farocki,
60' I Video
Erkennen und Verfolgen
D 2003, R+B: Harun Farocki,
58’ I Video
Gefängnisbilder –
Bilder aus dem Maximum Security in Corcoran,
Californien. Die Überwachungskamera
zeigt im Ausschnitt den betonbedeckten Hof,
auf dem die Gefangenen in kurzen Hosen und
meist ohne Hemd eine halbe Stunde am Tag
verbringen können. »Manchmal
ist die Kamera wie eine Waffe. Die Höfe
im Gefängnis von Corcoran (USA) sind
wie Tortenstücke geschnitten, und an
deren Spitzen wachen Kameras und bewaffnete
Wärter. Wenn sich Gefangene schlagen,
werfen sich unbeteiligte Häftlinge
auf den Boden, denn sie wissen: es wird
geschossen. Harun Farocki zeigt diese Bilder,
und wir werden Zeugen, wie diese Maschine
›Gefängnis‹ funktioniert,
tötet. Der größte Teil des
montierten Filmmaterials erzählt von
der Zurichtung von Menschen zu Gefangenen.«
(Eckart Lottmann)
Erkennen und Verfolgen – »Schon
im Deutschland von 1942 gelang es, einer
Fernlenkwaffe eine Fernsehkamera einzubauen.
Diese Fernsehbombe kam nicht mehr zum Einsatz.
Erst 1991, aus dem Krieg der Alliierten
gegen den Irak, gab es öffentlich Bilder
zu sehen, die von Kameras in der Spitze
des Projektils aufgenommen waren: von filmenden
Bomben, von Selbstmord- Kameras, die sich
ins Ziel stürzten. Meist Bilder von
militärischen Anlagen, auch von zivilen
Brücken, die aber leer dalagen.«
(Harun Farocki)
am 06.03.2004 um 20.30 Uhr
am 11.03.2004 um 18.15 Uhr |
Arbeiter verlassen
die Fabrik
D 1995, R+B: Harun Farocki,
36' I Video
Der Ausdruck der Hände
D 1997, R: Harun Farocki,
B: Harun Farocki, Jörg Becker, 30'
I Video
Stilleben
D 1997, R+B: Harun Farocki,
56' I 16mm
Arbeiter verlassen die Fabrik
– »Farocki war fasziniert von
dem 50- Sekunden Film der Gebrüder
Lumière, in der Arbeiter das fotochemische
Werk ihres Vaters an einem Sommertag durch
das Werkstor verlassen. Dann entdeckte er
einen etwa 100 Jahre später gedrehten
Film über die VW-Werke, der den Lumière-Film
zitiert. Farocki begann zu suchen. Aus jedem
Jahrzehnt der Filmgeschichte wollte er ein
paar Szenen finden, in denen Arbeiter eine
Fabrik verlassen.« (Wiebke Hollersen)
Der Ausdruck der Hände – »Die
ersten Filmaufnahmen der Filmgeschichte
richteten sich auf das menschliche Gesicht,
die nächsten auf die Hände. Oft
sollen die Hände etwas verraten, was
der Ausdruck des Gesichts verbergen will.
Etwa, wenn die Hand ein Glas zerdrückt,
ohne dass im Gesicht Erregung abzulesen
ist. Obwohl die Hände auch ein Kennzeichen
der Person sind, stellt das Kino doch kaum
je einen Menschen mit dem Blick auf die
Hände vor. Wer und was ein Mensch ist,
das liest der Film im Gesicht ab, und dort
sucht er auch nach der Seele.« (Harun
Farocki)
Stilleben – So wie die Malerei des
17. Jahrhunderts Dinge des Alltagslebens
– Speisen, Getränke, Tafelschmuck
– im Stilleben abgebildet hat, so
werden heute in der Werbeindustrie mit einem
großen Aufwand und hohen Grad an Spezialisierung
Fotos von Waren produziert. Harun Farocki
hat Fotografen in Frankreich, den USA und
Deutschland in ihren Studios aufgesucht
und sie tagelang mit der Kamera bei der
Arbeit beobachtet.
am 07.03.2004 um 18.15 Uhr
am 18.03.2004 um 20.30 Uhr |
Die führende
Rolle
D 1994, R+B: Harun Farocki,
35’ I Video
Die Schöpfer der
Einkaufswelten
D 2001, R+B: Harun Farocki,
72’ I Video
Die führende Rolle –
Harun Farocki hat das Archivmaterial der
Fernsehbilder aus Ost und West, die die
Ereignisse vor und nach der Maueröffnung
dokumentieren, gesichtet und zu einem essayistischen
Dokumentarfilm montiert. »Es sind
Bilder der aktuellen Berichterstattung,
und in solchen erscheint stets selbst das
Unvorhersehbare alltäglich. 1943 teilten
die Weltmächte und Stalin Europa unter
sich auf, ohne einen einzigen Bewohner des
Kontinents zu fragen. 1989 gab die Sowjetunion
ihren Anspruch auf das Europa östlich
der Elbe auf – diesmal ohne auch sich
selbst zu fragen, was dies zur Folge habe.«
(Harun Farocki)
Die Schöpfer der Einkaufswelten –
»Einkaufen ist ein alltagskultureller
Akt, selbstverständlich, unvermeidlich.
Der Eintritt in die Einkaufswelt, in die
Malls, kann zur dantesken Höllenreise
oder zum erlösenden Abendmahl werden.
Jedem ist diese Erfahrung geläufig
und das Erscheinungsbild der Malls gegenwärtig.
Diese Selbstverständlichkeit ist das
Ergebnis eines hochkomplexen Vorgangs. Die
Gestaltung von Malls wird planerisch, managerial
und wissenschaftlich geleitet (...) Farockis
Film Die Schöpfer der Einkaufswelten
sucht ein Bild davon zu zeichnen –
und lädt unsere Alltagsbilder magisch
auf.« (Antje Ehmann)
am 14.03.2004 um 20.30 Uhr
am 27.03.2004 um 18.15 Uhr |
Der Auftritt
D 1996, R+B: Harun Farocki,
40' I Video
Die Bewerbung
D 1997, R+B: Harun Farocki,
58' I Video
In Der
Auftritt versucht ein Werber seinen
Kunden mit ›Fachchinesisch‹
zu überzeugen. »Und so ist Farockis
Film in mehrfacher Hinsicht spannend: Zum
einen sieht man, wie die Werbebranche sich
selbst verkauft; zum zweiten erfährt
man, welche Denkprozesse sich hinter einer
Imagekampagne verbergen; und zum dritten
– der spannendste Aspekt – wird
man Zeuge einer Studie in Kommunikation,
die ihre eigene Dynamik entwickelt, als
klar wird: Hier reden zwei miteinander,
ohne sich verständigen zu können.«
(Tilmann P. Gangloff)
Die Bewerbung
– »Im Sommer 1996 filmten wir
Bewerbungs-Übungen, Kurse, in denen
man lernt, wie man sich für eine Anstellung
bewerben soll. Wir filmten Langzeit-Arbeitslose,
denen die Wohlfahrtsbehörde die Teilnahme
an einem solchen Kurs aufgedrückt hatte
und wir filmten Manager mit einem Zweihunderttausendmarks-Jahresgehalt,
die sich einen Privat- Coach leisteten so
wie einmal die freien Bürger Athens
von einem Haussklaven in Rhetorik unterwiesen
worden sind. Schulabgänger, Studierte,
Umgeschulte, Langzeitarbeitslose, ehemalige
Drogenabhängige und Mittelmanager,
sie alle sollen lernen, sich selbst anzubieten
und zu veräußern. « (Harun
Farocki)
am 19.03.2004 um 18.15 Uhr
am 25.03.2004 um 20.30 Uhr |
Mädchen im
Ring
D 1996, R: Aysun Bademsoy,
30' I Video
Deutsche Polizisten
D 1999, R: Aysun Bademsoy,
60' I Video
Ein Mädchen im Ring
– Fikriye Selen, in Deutschland geborene
Türkin, ist Boxerin. In den Räumen
des Vereins »Faustkämpfer«
in Köln-Kalk trainiert sie mit einem
deutschen Mädchen als die einzigen
Frauen zwischen 30 bis 40 Männern.
Die Männer finden Gefallen an der schönen
Fikriye, doch bald müssen sie akzeptieren,
dass sie an keinem von ihnen interessiert
ist und das Boxen ernster nimmt als die
meisten von ihnen. Eine Woche ihres Lebens
fängt Aysun Bademsoy mit der Kamera
ein.
Deutsche Polizisten – Zwei ehemalige
Türken und ein ehemaliger Jugoslawe,
inzwischen deutsche Staatsbürger, arbeiten
als Polizisten im 3. Zug einer Hundertschaft
in Berlin, Kreuzberg/Neukölln. In den
Stadtbezirken ihres Einsatzgebietes ist
der Ausländeranteil besonders hoch.
Hier begegnen sie ihren Landsleuten, müssen
oft polizeiliche Maßnahmen gegen sie
ergreifen und hoffen, dabei niemals auf
Freunde oder Verwandte zu treffen. Manchmal
werden sie von gleichaltrigen Ausländern
als Verräter beschimpft, andere sind
froh, dass diese Staatsdiener ihre Sprache
sprechen, ihre Kultur kennen, ihre Bedürfnisse
besser verstehen.
am 05.03.2004 um 18.15 Uhr
am 11.03.2004 um 20.30 Uhr |
Süden
D 1990, R+B: Christian
Petzold, 10'
Toter Mann
D 2001, R+B: Christian
Petzold, D: Nina Hoss, André Hennicke,
Sven Pippig, Kathrin Angerer, Heinrich Schmieder,
89’
Petzolds Filme erzählen
immer wieder von anonymen, öffentlichen
Nicht- Orten wie Raststätten und Wartehallen
sowie vom Wunsch, davon wegzukommen, am
liebsten an ein Fleckchen am Meer. Süden
findet, nach ein paar Zwischenlandungen,
schließlich ans Wasser. »Wie
lang hält man es aus ohne Arbeit? Im
Süden.«
Toter Mann –
Leyla und der Rechtsanwalt Thomas lernen
sich anscheinend zufällig in einem
Stuttgarter Hallenbad kennen. Er lädt
sie zum Essen ein und nimmt sie anschließend
mit zu sich nach Hause. Als Thomas am nächsten
Morgen erwacht, ist Leyla mit seinem Notebook,
auf dem vertrauliche Daten gespeichert sind,
fort. Er macht sich auf die Suche nach der
Unbekannten. Leyla hat die Stadt verlassen
und arbeitet in einer Kantine. Dort lernt
sie Blum kennen, einen Mörder, der
sich nach Psychatrie und Gefängnis
in einer Resozialisierungsmaßnahme
bewähren muss. Als Thomas Leyla findet,
ist er sehr verwundert: Er kennt Blum, Blum
ist sein Klient. Als ihm die Zusammenhänge
klar werden, ist es zu spät... »Nicht
allein die chimärenhafte, von Nina
Hoss wunderbar gespielte Hauptfigur erinnert
an Hitchcocks ›Vertigo‹, (...)
auch die blasskünstliche Farbgebung,
die Symmetrie der klaren, konzentrierten
Bilder, in denen Petzold die Zuschauer auf
Distanz hält, ohne sie unbeteiligt
werden zu lassen, machen Toter Mann zu einem
kleinen Meisterwerk, was das Wichtigste
hat, was große Filme brauchen –
ein Geheimnis.« (Rüdiger Suchsland)
am 05.03.2004 um 20.30 Uhr
am 13.03.2004 um 18.15 Uhr |
Das Lager
BRD 1986, R: Thomas Schultz,
18’ I 16mm
Cannae
BRD 1989. R+B: Wolfgang
Schmidt, D: Irina Hoppe, Ludger Blanke,
Heino Deckert, Manfred Blank, 52’
I 16mm
Das Lager erzählt von
zwei Langstreckenschwimmern vor der letzten
Meerengenüberquerung. ·
»Im Tale von Cannae · Eine
Arbeitsgesellschaft ohne Arbeit. ·
Eine Kriegskunst, die des Massenaufgebots
der Soldaten nicht mehr bedarf. ·
Die unbeschäftigten Produktions- und
Vernichtungsarbeiter bilden nurmehr noch
das ›Heer der Konsumenten‹;
auf Kriegsschauplätzen liefert es sich
Schaukämpfe. · Hannibal1 ist
das nicht genug. Er fordert mehr- Unterhaltung.
· Die Sinnproduktion kommt nicht
nach; das Fernsehen sendet Wiederholun-gen;
die unkontrollierte Ausbreitung der Kriegsschauplätze
(KSP) ist zu be-fürchten. ·
Schon ahnen wir, wer stärker ist: Hannibal1
wird den Film nicht überleben.«
(Wolfgang Schmidt)
am 06.03.2004 um 18.15 Uhr |
Im Sommer –
Die sichtbare Welt
D 1992, R: Thomas Arslan,
K: Ludger Blanke, D: Carl Wiemer, Stefan
Pehtke, Sophie Horvath, Irina Hoppe, 41'
Ich bin den Sommer
über in Berlin geblieben
D 1993, R: Angela Schanelec,
D: Angela Schanelec, Wolfgang Michael, Isabel
Karajan, Tobias Lenel, 49'
Im Sommer – Die sichtbare
Welt – »Es gibt ein Sprechen
in diesem Film, das ist nicht bekannt aus
anderen Filmen. Es ist ein Sagen, das tastet
bei der Umsetzung dessen, was gesagt werden
kann. Es ist noch zu früh, die Beziehungslinie
zu Straubfilmen schon bei diesem Film von
1991/92 zu beschreiben (im Nachhinein ist
aber wohl etwas dran). Man kann sagen: ein
Film der Stimmungen, nicht der Atmosphäre.
Das will nicht unbedingt einem Begriff sich
unterordnen. Eher sind, stärker noch
als bei ›Mach die Musik leiser‹,
erratische Bild- und Ton-Blöcke aneinandergefügt,
die je verschiedene tonliche und malerische
(doch, doch) Eigenheiten kennen und derart
sich nicht unter ein gemeinsames Dach fügen
wollen. Im Sommer: die sichtbare Welt kann
sehr verschieden sein. Wenn Menschen in
ihr wandeln. Und die Augen öffnen...«
(Rolf Aurich)
»Erstmals auf 35mm-Material arbeitete
Angela Schanelec 1993 bei dem 49 Minuten
langen Erzählfilm Ich bin den Sommer
über in Berlin geblieben, eine Co-Produktion
der dffb mit dem Sender Freies Berlin. Intensive
Kodak-Farben bleiben in Erinnerung, als
szenische Hintergründe für Akteure,
die sitzen oder liegen, aber auch als Spots
im Bild, so ein grün leuchtendes Getränk
in zwei Gläsern auf einem Küchentisch,
an dem sich eine Frau und ein Mann an der
schwierigen Öffnung einer Sardinenbüchse
versuchen. « (Rolf Aurich)
am 07.03.2004 um 20.30 Uhr
am 20.03.2004 um 18.15 Uhr |
Die innere Sicherheit
D 2000, R: Christian Petzold,
B: Harun Farocki, Christian Petzold, D:
Katharina Schüttler, Julia Hummer,
Bilge Bingül, Richy Müller, Barbara
Auer, 106’ I 16mm
Die innere Sicherheit –
»Irgendwann kommt der Augenblick,
in dem nur noch die Wahrheit weiterhilft.
Die 15-jährige Jeanne hat sich in Heinrich
verliebt. Aber Heinrich traut ihr nicht,
denn bisher hat Jeanne ihn immer wieder
angelogen – darüber, was sie
macht, woher sie auftaucht, wohin sie verschwindet
mit ihren Eltern. Jetzt also, zum Beweis
ihrer Liebe, bekennt sie: ›Wir leben
im Untergrund.‹ Aber Heinrich versteht
nicht und fragt nach: ›Was für
ein Untergrund?‹ Jeanne und ihre Eltern
Clara und Hans leben neben der Zeit. Die
Vergangenheit diktiert ihnen den Umgang
mit der Gegenwart. Die Eltern waren einmal:
Terroristen. Das ist lange her. Nur noch
wie ein fernes Echo hallt die Geschichte
nach in Christian Petzolds Film Die innere
Sicherheit. Man muss von ihr wissen, um
das Echo überhaupt vernehmen zu können.
Die RAF wird kein einziges Mal erwähnt,
Gespräche über Politik, ehemalige
Ziele, Motive, Schuld oder Sühne finden
nicht statt. Petzold weicht der Vergangenheitsbewältigung
aus, weil es ihm um die Gegenwartsbewältigung
geht: Wie offen darf man leben, wenn man
versteckt leben muss? Wie kann man ›im
Untergrund‹ aufwachsen, und wann muss
man ausbrechen?« (Merten Wortmann)
am 12.03.2004 um 18.15 Uhr |
Mädchen am
Ball
D 1995, R: Aysun Bademsoy,
K: Thomas Arslan, Sonja Rom, 43' I Video
Nach dem Spiel
D 1997, R: Aysun Bademsoy, P: Farocki Film
Produktion, 60' I 16mm
Mädchen am Ball –
Sie sind zwischen 16 und 19 Jahren alt.
Sie spielen in kurzen Hosen und ohne Kopftuch:
türkische Mädchen beim Fußball.
Es ist das Frauenteam von »Agrispor«
in Berlin Kreuzberg, der einzigen türkischen
Damenmannschaft in Europa. Die Regisseurin
Aysun Bademsoy begleitet die Mädchen
bei den letzten Spielen der Saison 1994/95,
mit denen sich der Aufstieg ihrer Mannschaft
in die Verbandsliga entscheiden wird. Sie
filmt sie beim Training, zu Hause, beim
Austragen von Zeitungen und natürlich
beim Spiel. Die Regisseurin, die 1969 aus
der Türkei nach Deutschland kam, gibt
mit ihrem Film Einblick in die Erfahrungen,
Hoffnungen und Probleme der Fußballerinnen,
die sich mit dem Sport auch ein Stück
Freiheit von den oft strengen Familien erkämpft
haben.
In Nach dem Spiel nähert sich Aysun
Bademsoy noch einmal dem türkischen
Fußballteam und porträtiert fünf
Fußballerinnen der Mannschaft »Agrispor«.
Es ist Sommer, das Saisonende naht, und
die Mädchen werden mit dem Fußballspielen
aufhören. Deutschländerinnen in
Berlin, um die Zwanzig, die ein eigenes
Leben zu entwerfen versuchen.
am 13.03.2004 um 20.30 Uhr |
Am Rand
D 1991, R+K+S: Thomas
Arslan, T: Christian Petzold, 24' I 16mm
Dealer
D 1998, R+B: Thomas Arslan,
74'
Am Rand – »Von
Süden nach Norden entlang des ehemaligen
Mauerstreifens: zur Zeit als ich diesen
Film gedreht habe, ein Stück Brachland.
Wege, Straßen, die im Nichts enden;
Sackgassen, tote Arme des Verkehrsnetzes,
Bahndämme, verfallene Schrebergärten,
weite unbebaute Flächen mitten in der
Stadt. Orte, die nicht mehr das eine und
noch nicht etwas anderes sind. Orte des
Übergangs. Auf Filmmaterial etwas festhalten,
das verschwindet.« (Thomas Arslan)
Dealer – »Willst du als Dealer
nicht bei deinen Hintermännern in Ungnade
fallen, darfst du dich nicht mit Zivilbullen
sehen lassen. Willst du auf keinen Spitzel
hereinfallen, darfst du niemandem trauen.
Willst du deine Familie zusammenhalten,
mußt du dein Versprechen, mit dem
Dealen aufzuhören, irgendwann einlösen.
Can verletzt diese Regeln und verliert wachen
Auges seine Freunde, seine Freiheit und
seine Familie. (...)
Mit minimalistischen Mitteln beschreibt
Dealer den Geisteszustand seiner Hauptfigur:
knappe Dialoge, angedeutete Bewegungen,
kaum Musik. Gedankenverloren steht Can nachts
auf der Straße, hinter ihm die verschwommenen
Verkehrslichter, auf dem Soundtrack leiser
Trip Hop.« (Christoph Terhechte)
am 14.03.2004 um 18.15 Uhr |
Das Glück meiner
Schwester
D 1996, R+B: Angela Schanelec,
D: Anna Bolk, Wolfgang Michael, Angela Schanelec,
Michael Maertens, Margit Bendokat, 81'
»Eine Stadt: keine
bestimmte, aber groß und sehr laut.
Christian ist Fotograf ohne regelmäßigen
Verdienst. Er liebt zwei Frauen zugleich:
die Übersetzerin Isabel und ihre Halbschwester
Ariane, eine Gärtnerin. Er fragt Isabel,
ob sie zu ihm ziehen will, und er versucht,
Ariane nicht mehr zu sehen. Aber Ariane
hört nicht auf, um Christian zu kämpfen
– geduldig und verzweifelt. Für
sie gibt es nur noch die Arbeit, den Schlaf
und diesen einen Mann. Alle drei denken,
es sei nur eine Frage der Zeit, bis alles
wieder einfach wird. Aber keiner weiß,
wie er mit dieser Zeit umgehen soll...-
»Irgendwann während der Beschäftigung
mit dem Film habe ich gemerkt, dass ein
Mann zwei Frauen lieben kann, aber eigentlich
weiß ich bis jetzt nicht, ob das wirklich
stimmt. Und ich wollte herausfinden, was
das ist: die Sprache der Liebenden. Beim
Drehen haben wir immer die Fenster aufgerissen,
und jeder Ort war gut, der laut, öffentlich
und penetrant war. Ich glaube, dass diese
Leute – Ariane, Christian und Isabel
– nur in der Großstadt leben
können und an einem anderen Ort unglücklich
oder anders wären.« (Angela Schanelec)
am 18.03.2004 um 18.15 Uhr
am 21.03.2004 um 20.30 Uhr |
Der schöne
Tag
D 2001, B+R: Thomas Arslan,
D: Serpil Turhan, Bilge Bingül, Florian
Stetter, Selda Kaya, Hafize Üner, Hanns
Zischler, 74'
»Das Berliner Leben
beginnt in Cafés. Mal langsam, wie
bei Angela Schanelec, die in ihrem Film
›Mein langsames Leben‹ zwei
Freundinnen bei Himbeereis und Cappuccino
plaudern lässt. Oder mit einem kurzen
Knatsch, den Thomas Arslan an den Anfang
seines Films Der schöne Tag gestellt
hat. Deniz (Serpil Turhan) ist gestresst
von ihrem Job, Jan (Florian Stetter) findet
ihre Beziehung zu wenig spannungsgeladen,
flirtet mit der Kellnerin, stichelt darüber,
dass sich seine türkische Freundin
nicht richtig Gefühlen hingeben kann
– und wird prompt von ihr sitzengelassen,
am Wannsee.« (Harald Fricke) »Die
außerordentliche Kraft des Films ist
seine prägnante Stilisierung. Serpil
Turhan spricht trocken und nüchtern,
der Askese der Expression entspricht eine
ergreifende Intensität der inneren
Bewegung. Es ist offensichtlich, dass Thomas
Arslan eine bestimmte Tradition des französischen
Kinos bewundert: Bresson, Rohmer, Pialat.
Seine Produktionsfirma hat er nach einem
Bresson-Film benannt: Pickpocket.«
(Rainer Gansera)
am 19.03.2004 um 20.30 Uhr
am 25.03.2004 um 18.15 Uhr |
WEIBER
BRD 1989, R+B: Christian
Petzold; 10'
Pilotinnen
D 1995, R+B: Christian
Petzold, D: Eleonore Weisgerber, Nadeshda
Brennicke, Udo Schenk, Barbara Frey, Michael
Tietz, 67’ I 16mm
In Weiber,
der nahe der Autobahnen gedreht wurde, auf
denen die Protagonisten der späteren
Filme vergebliche Fahrten antreten, kommt
ein Junge zu Wort, der noch keinen Führerschein
hat und Autofahren nur spielen darf: Aber
an die Nicht-Orte kommt man auch zu Fuß.
Pilotinnen –
»Strände, Palmen, Suites, Drinks
in ausgehöhlten Früchten –
wünscht siche eine Kollegin Karins.
Karin selbst will irgendwann einmal nach
Paris. An die Strände der Südsee
wollen die Rentner – die, die auf
den Tod warten. Nach Paris werden die gehen,
die auf ein zweites Leben hoffen. Bis dahin
hat Karin ihr Leben ausgesetzt. Keine Familie.
Keine Wohnung. Keine Fotos auf dem Nachttisch.
Sie ist Handlungsreisende für eine
Kosmetikklitsche. Seit Jahren fährt
sie durch die zersiedelte Bundesrepublik.
Sie ist jetzt Ende vierzig. In dem Sommer
dieser Geschichte verschiebt sich alles
um sie herum. Sie muss kämpfen. Man
hat ihr eine jüngere Frau ins Auto
gesetzt, eine vermeintliche Nachfolgerin,
Sophie. (...) Mitten in ihrem gemeinsamen
Sommer, während des Kampfes gegeneinander,
explodiert eine Tränengasflasche, und
sie liegen heulend am Ufer eines Flughafensees.
Sie erkennen, dass sie draußen sind.
Sie tun sich zusammen. Sie schlagen um sich.
Jetzt werden die anderen heulen.«
(Christian Petzold)
am 20.03.2004 um 20.30 Uhr
am 26.03.2004 um 18.15 Uhr |
19 Porträts
D 1990, R+K+S: Thomas
Arslan, Licht: Christian Petzold, 20' I
16mm
Geschwister
D 1996, R: Thomas Arslan,
D: Tamer Yigit, Savas Yuderi, Serphil Turhan,
84’
19 Porträts –
Man kann eine endlose Aufzählung machen,
von Dingen, die es in dem Film nicht zu
sehen gibt: Autoverfolgungsjagden, keinen
endlosen Horizont, kein Meer, keinen Verblutenden,
... Zu sehen sind: Angelika Becker, Bernhard
Föll, Stefan Pethke, Ulla Hahn und
Ludger Blanke, André Pechmann, Ika
Schier, Steffi Nückel, Manuela Berger,
Eva Rebholz, Aysun Bademsoy und Christian
Petzold, Anne Presting, Gabriela Ausonia
und Horst Markgraf, Petra Herrmann und Michale
Steher, Mario Mentrup, Michel Freerix, Frank
Behnke, Heike Langbein, Yamin von Rauch,
Ayse und Meral Arslan.
Geschwister – Erol, der älteste
der drei Geschwister, von denen der Film
erzählt, bekommt den Einberufungsbescheid
zur türkischen Armee. Mangels vernünftiger
Alternativen und aus einem nicht sehr überzeugenden
Patriotismus heraus, ist er entschlossen,
seine vertraute deutsche Kreuzberger Umgebung
zu verlassen, von der vertrauten Fremde
rund ums Kottbusser Tor ins fremde Land
zu gehen. Seine Freunde, seine Mutter, seine
Geschwister erklären ihn für wahnsinnig:
›du sprichst nicht einmal richtig
türkisch‹, spottet Ahmed, sein
jüngerer Bruder.
am 21.03.2004 um 18.15 Uhr
am 26.03.2004 um 20.30 Uhr |
Der Tod des Goldsuchers
BRD 1989, R: Ludger Blanke,
23’ I 16mm
Reporter
D 1991, R: Ludger Blanke,
62' I 16mm
Reporter – »›Ist
dit schön!‹ Die Begeisterung
mancher Berliner am Abend des 2. Dezember
1990 kennt kaum Grenzen: Sie bejubeln die
Niederlage des rot-grünen Senats und
die Wiederkehr Eberhard Diepgens, noch nicht
ahnend, dass auch in der Politik der zweite
Aufguß meist fade wird. Für die
ZDF-Reporter, die im Auftrag der ›heute‹-Redaktion
aus dem Rathaus Schöneberg berichten,
kommt die Ernüchterung schon früher:
Das Wahlergebnis hat die Berliner Politiker
verwirrt, sie weilen in den folgenden Tagen
entweder in Bonn oder tagen hinter verschlossenen
Türen und geben sich zugeknöpft.
Doch die reservierten Sendeminuten wollen
gefüllt werden: Resümée
des ZDF-Mannes: ›Ich hab nix, aber
ich mach' was!‹ (...)
Zurückhaltend beobachtend und ohne
Kommentar, Zwischentitel oder Interviews,
bietet Reporter gerade wegen seiner schnörkellosen
Machart nicht nur aufschlußreiche
Einblicke, sondern auch Spannung und vor
allem eine stille Komik.« (Jan Gympel)
am 27.03.2004 um 20.30 Uhr |
Zwischen Gebäuden
BRD 1989, R+B+S: Thomas
Schultz, D: Susanna Krafft, Karl Heil, 72'
Zwischen Gebäuden ist
ein Spielfilm nach Sätzen des »Räuber«-Entwurfs
von Robert Walser. »Begegnungen zwischen
einem, der nicht weiß, was er will,
und denen, die es wissen. Seine Ratlosigkeit
lebt er entschlossen. Für jeden da,
entzieht er sich jedem Zeichen von Vereinnahmung.
Ohne Vorhaben hat er alles vor sich. An
nichts gebunden, raubt er den Eingebundenen
Festigkeit. Ohne feste Vorstellungen ist
er radikal Mensch. Lose, liebt er alle Befestigten.
Die haben es schwer, ihn loszulassen, nutzlos
und unbenutzbar wie er ist.« (Thomas
Schultz)
am 28.03.2004 um 18.15 Uhr |
Mein langsames Leben
D 2001, B+R: Angela Schanelec,
D: Ursina Lardi, Andreas Patton, Anne Tismer,
Wolfgang Michael, Sophie Aigner, 85'
»Mein langsames Leben
ist ein langsamer Film. Ein extrem langsamer.
Schnitte sind selten, Einstellungen lasten
minutenlang, die Kamera bewegt sich kaum,
die Protagonisten sitzen, stehen oder gehen
langsam. Die schnellste Bewegung macht Valerie,
als sie eine Fliege verscheucht. Am Anfang
des Films erzählt Sophie ihrer Freundin
Valerie, dass sie für sechs Monate
nach Rom geht. Was dort passiert, fasst
sie am Ende mit ›Es war, wie soll
ich sagen, es war für ein halbes Jahr‹
zusammen.« (Jenni Zylka) Der Film
ist ein Versuch, das Leben von außen
zu betrachten, Distanz zu gewinnen, nicht
einzugreifen, sondern zuzusehen. »Meine
Figuren sprechen nicht über ihre Sehnsüchte,
sie verbergen sie eher, weil sie vielleicht
nicht genau wissen, was es ist, wonach sie
sich sehnen. Oder sie gestehen sich die
Sehnsucht nicht ein. Diese Unsicherheit
ist ganz symptomatisch und bei allen Figuren
mehr oder weniger ausgeprägt...«
(Angela Schanelec) »Schanelecs Ästhetik
der Aussparungen erzeugt magische Spannung,
weil wir die Ellipsen mit unserer Imagination
ausfüllen – ein dialogisches,
die Wahrnehmung öffnendes und schärfendes
Werk, eigenwillig und spannend wie schon
lange kein deutscher Film mehr.« (Rainer
Gansera, 2001)
am 28.03.2004 um 20.30 Uhr |
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