"Die gesamte deutsche Jugend ist außer in
Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und
sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur
Volksgemeinschaft zu erziehen."
Photographien von Kindern fordern
nicht gerade unsere kritische Aufmerksamkeit heraus; eher reagieren
wir mit freundlicher Anteilnahme auf die "süßen Kleinen"
oder gar mit sentimentaler Mitleidigkeit, wenn der Augenschein uns nahelegt,
die Abgebildeten für "arme Kleine" zu halten. Doch damit
wäre ja die Interessantheit der ausgestellten Photos schnell ausgeschöpft
- oder gar nicht erst angerührt. Besseren Zeitvertreib brächte
es doch wohl, wenn man diese Bilder von Kindern in den frühen Nachkriegsjahren
nach den Verhältnissen befragte, in denen sie zustande kamen, nach
den Lebensumständen der Familien, den mutmaßlichen Bewußtseinslagen
und psychischen Befindlichkeiten der Kinder, soweit man solche mit einiger
Wahrscheinlichkeit unterstellen kann.
Da man von dem, was man aus eigener Kenntnis und Erinnerung
einem Photo erst unterstellen muß, allenfalls dann etwas im anschaulichen
Kontext erkennen kann, wenn man weiß, worauf man achten sollte,
muß man sich also zunächst um das Wissenswerte bemühen.
Denn eine Photographie von Menschen zeigt ebenso wie das Polaroid von
einem Unfallwagen nur die Spuren, die ein mehr oder weniger dramatischer
Vorgang hinterlassen hat. Wie es zu einer bestimmten Zuständlichkeit,
einer Deformation oder charakteristischen Prägung, kommen konnte
und welche Folgen sich daraus ergeben, müssen wir uns schon mittels
zusätzlicher Informationen zusammenreimen. Deshalb hier also einige
Anmerkungen zu dem, was man von Menschen, die im Jahrzehnt zwischen
1939 und 1949 als Kinder in Berlin gelebt haben, wissen kann und wissen
sollte.
Wenn wir uns Kinder vorstellen, die zwischen 1930 und
1940 geboren wurden, dann können wir mit Sicherheit voraussetzen,
daß keines davon mehr erleben konnte, wie vielfältig und
politisch gegensätzlich Familienleben, Schule und Jugendarbeit
gestaltet sein konnten, bevor die Nationalsozialisten sich anmaßten,
die alleinige Verantwortung für die Erziehung der Jugend zu tragen.
Wer erst seit 1936 eingeschult wurde und dann, als die für alle
Zehnjährigen geltende "Jugenddienstpflicht" schon eingeführt
war, ab 1940 in die "Hitler-Jugend" eintreten mußte,
der erlebte einen etablierten, selbstsicheren Nationalsozialismus, dessen
Erziehungsziele schon offen im Dienst der Kriegsvorbereitung und Kriegführung
standen.
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