»Eine
der merkwürdigsten Staatsbegebenheiten ... dünkt
mir die Gründung der niederländischen Freiheit
...«: Friedrich Schillers freundlicher, nur leicht
überheblicher Bericht zum »Modell Niederlande«
trug ihm die Geschichtsprofessur in Jena ein. Schiller verwunderte
lediglich, daß gerade den » unheroischen«
Niederländern diese Rolle zugefallen war. Und Goethe
schuf im »Egmont« nicht sein bestes Stück,
vielleicht aber seine liebenswertesten Charaktere und eine
universale »Tragödie der Freiheit«. Der
Gedanke der Freiheit hatte nun konkrete Form in Europa.
Vier Jahrhunderte nach Wilhelm dem Schweiger und Egmont,
zweihundert Jahre nach Goethe und Schiller hat der Gedanke
ganz Europa geformt.
Allerdings eignen sich »Egmont« so wenig wie
etwa »Don Carlos« als historische Quellen. Deutschland
und die Niederlande sind Nachbarn, und mehr: Sie waren und
sind bis heute Verwandte, sie waren (unter den Preußen)
und sind heute wieder Verbündete. Und doch ist die
gegenseitige Wahrnehmung, nicht viel anders als bei Schiller,
noch immer mehr vom Cliché als vom Verständnis
bestimmt noch immer entspricht das Wissen voneinander und
von der gemeinsamen Vergangenheit nicht der Intensität
des gegenwärtigen Kontakts. Und doch bauen wir Europa
auf den Grundsteinen jenes politischen Pragmatismus, von
Menschenrechten und Völkerrecht, von Demokratie und
von persönlicher Freiheit, die in jener »merkwürdigen
Staatsbegebenheit« gelegt wurden.
Seien wir heute souverän genug, die Herausforderungen
des scheinbar Selbstverständlichen zu erkennen! Seien
wir weitsichtig genug, das uns Naheliegende nicht zu übersehen!
Interessieren wir uns für den historischen Weg, der
unsere Länder verbindet und das Denken unseres Kontinents
lenkte! Der folgende Text mag beitragen, sich unsere eigenen
Wurzeln zu vergegenwärtigen, und in den Worten Schillers
möge er helfen, »in der Brust des Lesers ein
fröhliches Gefühl seiner selbst (sic!) zu erwecken«! |