Aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums Deutschsprachiger Erstdruck der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
vom 4.Juli 1776
|
||
Heidemarie Anderlik, Hans-Martin Hinz, Christoph Stölzl
*
»We hold these truths to be self-evident...« |
|||||
Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. Juli 1776 ist eines der bedeutendsten Dokumente der Neuzeit. In ihr werden die unveräußerlichen Rechte der Menschen auf Leben, Freiheit und Streben nach Glückseligkeit als Grundlage politischen Handelns festgeschrieben. Das von Thomas Jefferson in weiten Teilen formulierte Dokument spiegelt Gedankengut der Aufklärung sowie ein in Amerika gewachsenes Selbstbewußtsein wider, dessen Wurzeln bis in die Reformation zurückreichen. Die große emanzipatorische Bewegung des 16. Jahrhunderts, die Reformation, brachte Gruppen hervor, denen die Kirchenreform in ihren Heimatländern nicht weit genug ging, die eine Freistatt für ihren Glauben suchten und diese in den britischen Kolonien in Nordamerika fanden. Das unter Elisabeth I. zur Seemacht aufgestiegene Britannien bot den Puritanern, einer streng calvinistischen Glaubensgemeinschaft, ein Ventil gesellschaftlich-religiöser Selbstverwirklichung: Durch die Verleihung königlicher Patente an britische Handels- bzw. Aktiengesellschaften wurde die Auswanderung nach Amerika ermöglicht und zugleich die zwischen den französischen und spanischen Kolonien gelegene amerikanische Ostküste in Besitz genommen. Grundlagen politischer Selbstbestimmung, die die spätere amerikanische Gesellschaft prägen sollten, wurden in der "Company of Massachusetts Bay in New England" gelegt. Hier siedelten Puritaner, die in den Jahren ab 1630 unter John Winthrop nach Amerika kamen und ein Gemeinwesen auf streng religiöser Basis aufbauten. So wählten die Aktionäre der Handelsgesellschaft, die freien Männer, die zugleich auch Kirchenmitglieder waren, eine Vertretung, einen Rat (General Court), der durch eigene Gesetzgebung etwa zum Schutz des Eigentums oder der Steuerbefreiung für Nichtwähler, legislative Gewohnheiten schuf. Später organisierte sich dieser Rat in ein legislatives (Rat des Gouverneurs) und ein judikatives Organ (Oberstes Gericht), womit die Grundlagen für eine politische Gewaltenteilung heute allgemein praktizierter Prägung gelegt werden konnten. Erleichtert wurde das eigenständige, von London relativ unabhängige rechtliche Handeln der Kolonisten auch dadurch, daß der Gouverneur der Handelsgesellschaft gleichzeitig der Gouverneur der Kolonie (Exekutive) war, da die Gesellschaft per königlichem Patent Massachusetts, und nicht wie bei anderen Gesellschaften London zum Sitz hatte. Merkmale der Selbstverwaltung bildeten sich auch im zweiten frühen britischen Siedlungsgebiet, in Virginia heraus, wo sich seit der Gründung von Jamestown im Jahre 1607 die Virginia-Company als Aktiengesellschaft auf königlichem Lehen entwickelte. An den Wahlen zum Abgeordnetenhaus der Kolonie (House of Burgesses) nahmen alle freien Männer ab 16 Jahre teil. Jede Gemeinde entsandte zwei Abgeordnete. Dieses Abgeordnetenhaus beschloß zum Beispiel die Höhe der Steuerabgaben. Nirgendwo auf der Welt gab es vergleichbare politische Beteiligungen. Die Handlungsspielräume der Kolonien vergrößerten sich infolge der zeitweiligen Handlungsunfähigkeit des von Bürgerkriegen gekennzeichneten Mutterlandes (ab 1642 Beginn der Puritanischen Revolution). Dies traf für Massachusetts im Norden stärker zu als für den Rohstofflieferanten Virginia (Tabak, Reis, Indigo). Das von der Prädestinationslehre geprägte Gemeinwesen im Raum Boston, in dem eine tugendhafte Lebensführung der Gemeindemitglieder dazu beitragen sollte, Gottes Reich auf Erden zu schaffen und wo der Erfolg bei der Arbeit als Zeichen göttlicher Zuwendung interpretiert wurde, entwickelte ein sehr erfolgreiches eigenständiges, merkantiles Wirtschaftssystem mit einem lukrativen Handel zu den Nachbarkolonien und in die Karibik, von britischer Kontrolle weitgehend unbehelligt. Die streng religiöse Lebensführung in Massachusetts trug aber auch zur Gründung gesellschaftlich toleranter Kolonien bei, so Pennsylvania, dem Zentrum der frühen deutschen Auswanderungen nach Amerika. Der Konflikt zwischen Britannien und seinen amerikanischen Kolonien wurde nach der inneren Stabilisierung des Mutterlandes infolge der Glorreichen Revolution 1688/89 ernster, als London den Kolonien wieder die Funktion des Rohstofflieferanten zuzuweisen versuchte und sie verstärkt als Absatzmärkte ansah. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Selbstverwaltung in den Kolonien aufgehoben. Das Ergebnis des Friedens von Paris, der 1763 die Kolonialkriege in Nordamerika zugunsten Großbritanniens entschied, führte in den Folgejahren zum Bruch mit dem Mutterland: Der britische Machtzuwachs, der sich in verstärkter wirtschaftlicher Bevormundung der Kolonien äußerte, widersprach deren Selbstverständnis. Die Durchführung des revolutionären Aktes der Loslösung galt den Revolutionären als Voraussetzung für das in Freiheit Handeln können. Mit der Unabhängigkeitserklärung wurde unter Berufung auf das Vernunftrecht der Herrschaftsanspruch der alten Obrigkeit für nichtig erklärt, die Volkssouveränität proklamiert und die Menschenrechte quasi zum Glaubensbekenntnis der amerikanischen Demokratie erhoben. Die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 wurde richtungsweisend für die "Erklärung der Menschenrechte" der Französischen Revolution von 1789 und nachfolgend Grundlage demokratischer Bewegungen in Europa und anderen Teilen der Welt.
|
|||||
*Redaktion für das Deutsche Historische Museum |
|||||
|
|