English Summary | Résumé en français |
"Berlinische
Arcenal oder Zeug=Hauß,
und was dabey Merkwürdiges
zu an notieren",
Handschrift von 1713
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(Staatsbibliothek zu Berlin PKB, Handschriftenabteilung) |
1731 bis Mitte der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde das Zeughaus in erster Linie als Waffenarsenal genutzt, hatte aber von Beginn an die in der lateinischen Inschrift festgelegte Doppelfunktion »zur Bergung aller Kriegswerkzeuge, sowie kriegerischer Beute und Trophäen« inne. Im 18. Jahrhundert war es das größte Waffendepot in Brandenburg-Preußen, das sich in der ersten Hälfte des Jahrhunderts zur größten Militärmacht innerhalb der deutschen Staaten entwickelt hatte. Das Erdgeschoß nahm vor allem die Artillerie- und das Obergeschoß die Infanteriewaffen nebst Zubehör auf.
Bereits im Juli 1699 - unmittelbar vor dem Einsturz eines Pfeilers - hatte Friedrich III. erste Schritte veranlaßt, um das Zeughaus mit seltenen prächtigen Geschützen auszuschmücken. Im Februar 1710 waren eine Anzahl neu eroberter Trophäen im Zeughaus niederlegt worden. Aus einer Anweisung Friedrich Wilhelms I. vom 15. Februar 1731 geht hervor, daß die »sich in den Arsenalen noch befindenden Sachen, als Fahnen, Estandarten etc. aus anderen Festungen Friedrichsburg, Memel, Pillau, Magdeburg, Wesel, Stettin und Peitz anhero gesandt, und zum hiesigen Zeughause abgeliefert werden sollten, . . ., und solche Sachen theils zu Wasser, zum Theil zu Lande, bei erster Gelegenheit anhero schicken, und zum hiesigen Zeughause abliefern zu lassen.«
Georg
Paul Busch, Arsenal zu Berlin
nach 1706, Radierung
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Die schlichte Innenarchitektur bot ideale Voraussetzungen, um die Waffen aller Art der Armee, einschließlich der Kriegsbeutestücke, aufzunehmen und sie zugleich im Sinne eines »Schatzhauses« zu präsentieren. Der freie Blick durch die je 90 m langen Hallen im Erdgeschoß ließ das Auge des Betrachters um 1732 über Kanonen, Haubitzen und Mörser verschiedenster Art gleiten, die allein schon durch ihre Quantität beeindruckten. Insgesamt 723 Geschütze - davon 604 preußische und 119 französische, bayerische, polnische, schwedische und andere aus Feldzügen erbeutete - waren je nach Einrichtung, Kaliber, Herkunft etc. in Gruppen angeordnet. Sie standen in langen Reihen hintereinander, das Mündungsrohr der einen Kanone war über den Lafettenschwanz der anderen geschoben. Die preußischen Geschütze kündeten von der gewaltigen Aufrüstung während der Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. (1713-1740). Im Obergeschoß befanden sich große Mengen an Waffen der Infanterie, Kavallerie und Teile der Artillerie. Wie aus einem Plan des Jahres 1732 hervorgeht, betrug ihre Gesamtzahl 78060 Stücke.
Johann Christoph Müller und Gottfried Küster rühmten in ihrem Buch »Altes und neues Berlina 1756: »Das neue königliche Zeughaus ist ein vortreffliches, grosses und magnifiques Gebäude, dergleichen man an kostbaren Bildhauer-Arbeiten, und ungemeinen Vorrath, an Canonen, Morties, Gewehr und anderen Krieges-Erforderungen, in ganz Deutschland, ja sogar in Europa schwerlich finden wird...« Dieses Urteil, nach dem das Berliner Zeughaus im europäischen Vergleich nicht nur bestand, sondern dominierte, entsprach genau den Intentionen des Bauherrn Friedrichs I., war aber am Ende nicht zuletzt auch das Verdienst Friedrich Wilhelms I., der es vollendete und insbesondere dafür sorgte, das es sich in beeindruckender Weise füllte.
Joh.
Friedrich Walter, Georg
Paul Busch, "Plan und
Prospect der Königl.
Preußischen und Chur
Brandenburg. Haupt- und
Residenzstadt Berlin",
1738, Kupferstich.
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(Berlin
Museum)
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Das Interesse Friedrichs II. (1740-1788) an dem Waffenarsenal war verhältnismäßig gering. Ihm ging es nicht um die Zurschaustellung militärischer Macht. Für ihn waren Waffen nur Mittel zum Zweck, um seine politischen Interessen durchzusetzen. Im Oktober 1760, während des Siebenjährigen Krieges - Preußens Feldzüge in Schlesien gegen Österreich waren gerade sieglos -, besetzten russische Truppen Berlin. Das gefüllte Zeughaus wurde ausgeraubt, die erbeuteten Fahnen und Waffen in Richtung Osten abtransportiert. Dieses Schicksal teilte das Berliner Zeughaus mit dem anderer Zeughäuser. Erbeutete Waffen und Fahnen waren immer Trophäen für die Sieger.
Schnupftabakdose um 1760. Die Dose illustriert mit ihren verschiedenen Darstellungen die Ereignisse um den 10. Oktober 1760, als Berlin von russischen Truppen besetzt war, und das Zeughaus augeraubt wurde. |
1806 brach der preußische Staat unter den Schlägen der napoleonischen Armee zusammen. Französische Truppen besetzten am 27. Oktober Berlin, das sich kampflos ergab. Erneut wurde das Zeughaus, in dem sich zum Erstaunen der Franzosen große Vorräte an Kriegsmaterial befanden, ausgeraubt; diesmal ging der Transport in Richtung Westen. In der Zeit der Besetzung Berlins nutzten die französischen Truppen das Zeughaus als Pferdestall und Schmiede. Dabei erlitt das Gebäude erheblichen Schaden. Während der Befreiungskriege, im April 1813, entwickelten Gneisenau und Scharnhorst Pläne zur Mobilisierung aller Kräfte zum allgemeinen Volksaufstand gegen die französische Fremdherrschaft. Berlin sollte unter allen Umständen verteidigt werden. Dazu war vorgesehen, Schloß, Opernhaus und Zeughaus zu Zitadellen umzufunktionieren. »Mehrere der großen Prachtgebäude in dieser Stadt lassen sich füglich in Zitadellen umschaffen, und es ist verständig, selbige ebensowohl zur Verteidigung als zur Zierde des Thrones dienen zu lassen. Demjenigen, der einen großen Sinn hat für das, was allein den Gütern des Lebens Wert geben kann, für Unabhängigkeit von einem fremden Joch, wird es besser dünken, daß diese Prachtgebäude in Trümmer fallen, als das sie fremden Tyrannen dienen.« Aufgrund des erfolgreichen Verlaufs der Befreiungskriege bestand bald keine Notwendigkeit mehr, die Pläne umzusetzen.
Zeughaus
und Palast des Königs
in Berlin, Guckkastenbild
von Joss. Carmine, Augsburg
Ende 18. Jh., Kupferstich
koloriert.
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Carl
Traugott Fechheim (1748-1819),
Platz am Zeughaus mit Blick
in die Straße Unter
den Linden, 1786, Öl/Lw.
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(Märkisches
Museum)
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Nach 1815 setzten umfangreiche Restaurierungsarbeiten unter der Leitung Karl Friedrich Schinkels ein. Insbesondere das Dach, die Dachverbände und Gesimse mußten instandgesetzt werden. Das Schieferdach wurde durch eine Zinkbedeckung ersetzt. Die Arbeiten erstreckten sich auch auf die Bauplastik. Der Kopf der Minerva (ältere Bezeichnung Bellona) war 1806 heruntergestürzt, was die Berliner als böses Omen gedeutet hatten. Auf Empfehlung Schinkels wurde Johann Gottfried Schadow mit den Arbeiten am Skulpturenschmuck betraut. Im August 1817 erfolgte eine »Reparatur sämtlicher Skulpturen des Zeughauses«, insbesondere die Ergänzung der Minerva, unter der Leitung von Schadow.
In der Folgezeit stellte sich die Frage der Nutzung des Zeughauses neu. Nicht zuletzt deshalb, weil mit den Befreiungskriegen eine Fülle von Trophäen ins Haus gelangten, deren Aufstellung die Möglichkeit aufzeigte, das Erinnern an die Befreiungskriege zu bewahren. Schinkel, der die Position vertrat, daß sich das Zeughaus »mehr wie irgend ein anderes in den Hauptstädten Europa's zu einem würdigen Tempel, in welchem die Wahrzeichen rühmlicher Kriegsthaten niedergelegt würden« eigne, entwickelte Anfang Oktober 1815 verschiedene Pläne zur Umsetzung dieses Gedankens, die er dem König unterbreitete.
Michael
Karl Gregorovius, Innenansicht
des Berliner Zeughauses
1835, Öl/Lw., Blick
in die "Kunst-Rüstkammer"
im Obergeschoß des
Nordflügels mit Gipsmodell
des Bronzestandbildes Blüchers
von Chr. Daniel Rauch
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(Stiftung
Schlösser und Gärten
Potsdam-Sanssouci)
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Eine Variante sah vor, das gesamte Erdgeschoß als Trophäenhalle einzurichten und die Fenster der Südseite zu verglasen, um einen ungehinderten Blick auf eine »blinkende Waffenwand« zu ermöglichen. »Bei Festtagen für Sieg und Frieden könnte die Halle so geöffnet werden, daß das Volk durch die Thüren an der Spree auf einer Seite ein-, auf der anderen Seite hinausgelassen würde, und durch den ganzen unteren Raum wie durch eine lange schöne geschmückte Straße ginge.« Schinkels Pläne fanden mit dem Einwand, daß dadurch dem technischen Dienst zu viel Raum entzogen würde, keine Zustimmung. Bereits einige Jahre später wurde auf Anregung des Prinzen August von Preußen der Gedanke, das Zeughaus in einen Ort des preußischen Waffenruhms umzuwandeln, aufgegriffen und in eingeschränkter Form realisiert. 1820 wurde ein »Andenken-Museum« eingerichtet. 1826/27 folgte die Überweisung bedeutender Waffen aus der Kunstkammer, den königlichen Schlössern und der ehemaligen »Krügerschen Sammlung« ins Zeughaus. George Hiltl übernahm die Anordnung und Gruppierung der hier angekommenen Gegenstände. In der Mitte des Nordflügels im Obergeschoß wurden die wertvollsten Waffen ausgestellt, teils in Schränken, die Schinkel entworfen hatte. Im Jahre 1828 wurde die »Königliche Waffen- und Modellsammlung« der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Damit wurde der Prozeß der Umwandlung vom Waffenmagazin zum Museum befördert. Bereits durch die Widmungsinschrift war der Gedanke des »Schatzhauses« festgelegt und gewann nicht zuletzt durch die beginnende allgemeine Museumsentwicklung im 19. Jahrhundert an Dominanz. Parallel dazu blieb nach 1828 die Aufgabenstellung als Waffenmagazin erhalten. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor es diese völlig und wurde endgültig Museum.
Friedrich
Wilhelm IV: besucht 1844
die Gewerbeausstellung im
Zeughaus. Im Hintergrund
der Abbildung ist der Maschinensaal
im Erdgeschoß zu sehen
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Von August bis Oktober 1844 fand die erste »Allgemeine Ausstellung deutscher Gewerbeerzeugnisse« in sämtlichen Räumen des Zeughauses statt. König Friedrich Wilhelm IV. hatte das Zeughaus für dieses große industrielle Schauspiel zur Verfügung gestellt. »Welche Wandlung!« schrieb die Illustrierte Zeitung 1844: »Die Kanonen wichem dem Pflug und die Pulverwagen den Dampfwagen. Preußen will nicht allein siegen mehr durch die Gewalt der Waffen, es erkennt an, welche unwiderstehliche Riesenkraft in den still wirkenden Mächten der Industrie liegt, und verbindet sich inniger mit ihnen... Wer den Frieden will, darf den Krieg nicht scheuen, und es gibt blutige Kriege im Frieden und heiße Schlachten, welche die Industrie zu schlagen hat.« Über 3000 Aussteller waren mit ihren Industrie- und Handwerkswaren vertreten und ließen die Exposition zu einem großen Erfolg werden. Die Palette reichte von Dresch- und Sägemaschinen sowie chemischen Apparaten, Seiden- und Stoffwaren, Musikinstrumenten bis zu der mit dem ersten Preis ausgezeichneten Borsig-Lokomotive. Die Ausstellung bot jedoch nicht nur ein eindrucksvolles Bild der industriellen Entwicklung, sondern gab ihr auch weitere Impulse. Die Dokumentation des Fortschritts in der Produktion war ein Spiegelbild der bürgerlichen Entwicklung und der entstehenden neuen politischen Macht.
"Sturm
des Pöbels auf das
Zeughaus in Berlin"
und "Plünderung
des Zeughauses zu Berlin"
am 14. Juni 1848, Neuruppiner
Bilderbogen, No. 1348, Farblithographie
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1848/49 wurden während der Revolution in ganz Europa zahlreiche Zeughäuser zum Zwecke der Volksbewaffnung gestürmt, ebenso das Berliner am 14. Juni 1848. Diese Ereignisse stellten die ursprüngliche Aufgabe von Zeughäusern als Waffendepots im Zentrum der Städte weiter in Frage. Bereits die sich abzeichnende Museumsentwicklung einiger Waffensammlungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts sowie die Entwicklung der Militärtechnik selbst waren Zeichen dafür, daß sich die Nutzung von Zeughäusern immer mehr veränderte.
Infolge der »Einigungskriege« von 1864, 1866 und 1870/71 war das Zeughaus durch Fahnen und Beutestücke aus den besiegten Ländern erneut gefüllt worden. 1872 fand im Berliner Zeughaus die »Ausstellung älterer kunstgewerblicher Gegenstände« statt, die Leihgaben aus dem königlichen Besitz, den Sammlungen des Kronprinzenpaares sowie aus zahlreichen Schlössern und Privatsammlungen umfaßte. Erneut stellte das Zeughaus die grundsätzlich sehr gute Eignung seiner Räumlichkeiten für Ausstellungszwecke bzw. als Museumsbau unter Beweis und verhalf damit der Idee eines zentralen Museums, das die in verschiedenen Berliner Sammlungen zersplitterten Schätze des Kunstgewerbes geschlossen aufnimmt und ausstellt, zum Erfolg. 1873 wurde der Beschluß zu einem Neubau eines Kunstgewerbemuseums gefaßt, und 1881 war der Martin-Gropius-Bau errichtet.
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