Das „Corpus Doctrinae“ von Herzog Julius
Was eine Sammlung theologischer Schriften aus der Reformationszeit für das Deutsche Historische Museum so kostbar macht, stellen wir in unserer Rubrik „Wozu das denn?“ vor.
Eigentlich ist es nahezu unmöglich für ein verhältnismäßig junges Museum (in diesem Herbst wird das Deutsche Historische Museum 30 Jahre alt) so genannte Widmungsexemplare – meist wertvolle, Herrschern gewidmete Einzeldrucke – zu erwerben. Ursprünglich Bestände in historisch gewachsenen Fürstenbibliotheken befinden sich diese Bände heute fast ausnahmslos in Staats-, Landes- und Universitätsbibliotheken. Umso wertvoller ist für die Sammlung des Deutschen Historischen Museums der Ankauf des „Corpus Doctrinae“, das die theologische Doktrin des protestantischen Glaubens für das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg enthält.
Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, führte nur zwei Monate nach dem Tod seines Vaters, Herzog Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, einer der letzten Verteidiger des katholischen Glaubens in Norddeutschland, die Reformation ein. Er beauftragte den Braunschweiger Theologen Martin Chemnitz und trug ihm die Durchführung von Visitationen in den Gemeinden auf. Chemnitz erarbeitete in Folge sowohl die Braunschweiger Kirchenordnung als auch die Zusammenstellung des „Corpus Doctrinæ“. Es enthält neben dem Bekenntnis des Herzogs zum neuen Glauben vor allem Texte, die für die protestantische Seite der Kirche das Glaubensfundament darstellten und ihr daraus ihre Legitimation gaben: die „Confessio Augustana“, die „Schmalkaldischen Artikel“, den „Kleinen“ und den „Großen Katechismus“ sowie weitere Texte der Urreformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon. Die Zusammenstellung folgt der Tradition von Melanchthons „Corpus Doctrinæ“, das 1560 für die Lehre in den Sächsischen und Meißnischen Landesschulen veröffentlicht worden war.
Relevanter Inhalt, sensationeller Einband und hervorragender Erhaltungszustand machen die Glaubensdoktrin zu einer Besonderheit
Das Widmungsexemplar für Herzog Julius wurde von Konrad Horn in Wolfenbüttel gedruckt und von dem Hofbuchbinder Lukas Weischner eingebunden. Der Einband ist mit großformatigen Plattenstempeln geschmückt, trägt eine reiche Emaillebemalung, der Goldschnitt ist punziert, also eingeprägt, und mit floralen Motiven bemalt. Der Text ist durchgehend mit 51 großformatigen Holzschnitten illustriert. Diese sowie alle Bordüren, Verzierungen, Rahmen und Ornamente sind geschmackvoll in dezenten Farben altkoloriert.
Relevant ist das „Corpus Doctrinæ“ für das Herzogtum Braunschweig wegen seines Inhalts, da hier ein spät reformierender Landesfürst nur kurze Zeit vor der Veröffentlichung der letzten Bekenntnisschrift der protestantischen Kirche, der Konkordienformel, seine Glaubensdoktrin niederlegte. Aber auch der reich geschmückte Einband ist eine Sensation. Ebenfalls erhalten ist die mit einem Porträt des Fürsten verzierte Buchkassette, die den Band schützte und somit für seinen herausragenden Erhaltungszustand sorgte.
Der Ankauf des „Corpus Doctrinae“ war nur möglich, weil es in dieser Ausstattung zwei Exemplare gibt, von denen sich das zweite heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel befindet. Sehen können Sie das „Corpus Doctrinae“ in unserer Dauerausstellung im Bereich „Reformation“.