Christus in Korea
In unserer Reihe „Wozu das denn?“ stellt Ihnen Anne-Katrin Ziesak, Kuratorin und Projektleiterin der Ausstellung „Der Luthereffekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt“, das Leben Christi im Korea des 19. Jahrhunderts vor.
Südkorea ist das Boomland des Protestantismus. Etwa 20 Prozent der Südkoreaner sind Protestanten. Christliche Kunst hat in Korea jedoch eine geringe Bedeutung. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist der Bilderzyklus „Das Leben Jesu Christi“ von Kim Ki-chang (1914–2001). In dreißig Tuschemalereien stellte Kim dar, wie das Leben Jesu im Korea der Chosŏn-Zeit ausgesehen haben könnte. Erstmalig werden diese Bilder in Europa gezeigt.
Die erste Szene des Bilderzyklus ist die Verkündigung der Geburt Jesu. Maria sitzt in einem schlicht eingerichteten Raum vor einem Spinnrad. Sie trägt die traditionelle koreanische Tracht hanbok, die aus einem weiten dunkelgrünen Rock und einer kurzen gelben Jacke besteht. Die langen geflochten Haare werden von einem roten Haarband (taenggi) gehalten. Einfache, unverheiratete Frauen der Chosŏn-Zeit trugen üblicherweise diese geflochtene Frisur mit dem roten Haarband. Maria wird überrascht von einer sŏnnyŏ, einem engel- oder feenhaften Wesen aus dem koreanischen Volksglauben, das auf einem Wolkenband die Erde betritt und wie der Erzengel Gabriel kommt, um Maria die Geburt ihres göttlichen Kindes zu verkünden. Gerahmt wird die Szene von dem mit hanji-Papier und Holz verkleideten Schiebetüren eines traditionellen koreanischen Wohnhauses.
Es ist die Begegnung unterschiedlicher Kulturen, das Wiederfinden von Vertrautem und zugleich das Entdecken von ganz Neuem, das an Kims Malerei berührt. Der Bilderzyklus entstand während des Koreakriegs (1950-53), als der Künstler auf der Flucht in den Süden des Landes war. Während dieser Zeit hatte Kim religiöse Träume und Erscheinungen. Sie bewegten ihn dazu, das Leben Jesu zu malen. Kim Ki-chang zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Malern Koreas. In seinem Spätwerk wandte sich der vielseitige Künstler stärker der Abstraktion zu.
Das Deutsche Historische Museum zeigt die Ausstellung „Der Luthereffekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt“ noch bis zum 5. November 2017 im Martin-Gropius-Bau. Die Ausstellung verdeutlicht die globale Vielfalt des Protestantismus, exemplarisch dargestellt an Schweden, den Vereinigten Staaten, Tansania und Korea.
Am Reformationstag, den 31. Oktober 2017, der dieses Jahr zum 500. Reformationsjubiläum bundesweit als Feiertag begangen wird, hat die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau regulär geöffnet.